Frühling in Trans Tiberim. Befreit aus der Enge ihrer Behausungen bevölkerten die Menschen luftig gekleidet die Strassen. Kinder spielten fröhlich lärmend, ein Barbier schliff seine Schermesser mit ohrenbetäubendem Kreischen, ein Schuster hämmerte auf dem Gehsteig an seinen Waren, vor einer Garküche drängte sich die Kundschaft... Die Luft war lind, es roch nach Holzrauch, aber noch fast gar nicht nach Müll, die üblen Stadtausdünstungen der Sommerhitze waren nur einen entfernte Vorahnung.
Langsam ging ich durch die Straßen. Was da um mich herum war – lag weit, sehr weit, fort. Betraf mich so wenig, als wäre es ein Bild an irgendeiner Wand, über das im Vorübergehen flüchtig der Blick schweifte. Und auch der Sturm, der getobt hatte und gewütet... hatte sich gelegt, in dem Augenblick als der Entschluß über mich gekommen war. Wie ein Schlafwandler ging ich die Straße entlang. Warm angezogen in meiner Paenula, unter der verborgen ich das Gladius trug, aber kalt, immerzu so kalt von innenheraus.
Ich hatte alle Bande gelöst. Und ich wußte jetzt auch, was ich die letzten Male falsch gemacht hatte. Ich hatte es tun wollen, weil es erwartet wurde, und weil es keine stärkere Geste gegen das inthronisierte Unrecht gab als diese, und ich hatte es vor allem tun wollen wie es erwartet wurde. Aber ich war nunmal kein Held. Mir fehlte diese unmenschliche Härte, die vonnöten war, um sich selbst einen kalten Stahl in den Leib zu rammen. Ich fand es sogar... recht barbarisch... meinen Körper, der zugegebenermaßen nicht mehr im Bestzustand war, mir aber doch sehr lange gut gedient hatte, der viel mitgemacht, der bis nach Mesopotamien marschiert und bis nach Nubien geritten war, der sich von schlimmen Verletzungen erstaunlich gut erholt hatte, und, der, bei aller Bescheidenheit, nicht gerade übel ausgesehen hatte, der Begehren geweckt und in vollen Zügen ausgekostet hatte, und der mich jeden Tag mit einem Strom von Empfindungen, einer ganzen Palette lebhafter Regungen versorgt hatte... diesen Körper so grausam zu behandeln.
Aber etwas hatte sich verändert. Die Dinge waren.... klarer geworden. Die verlogene Brut, die sich in dieser Stadt die 'vornehme Gesellschaft' nannte war mir egal. Meine "Freunde" hatten sich im Augenblick meines Falles schlagartig unsichtbar gemacht, von meinen Liebschaften wollen wir lieber schweigen, und für meine Familie war ich auch nur noch ein Hindernis beim Anbiedern an das Mörderegime.
Von daher... war ich jetzt frei, frei es nur für mich zu tun. Und einfach nur weil ich nicht mehr konnte. Und... auf meine Weise.
Drüben, auf der anderen Seite des Tibers, hält sich ja hartnäckig das Bild von Trans Tiberim als schmuddeligem Viertel voll von Fremden, kreativen armen Schluckern, Neu-Römern mit Einwanderungshintergrund, dubiosen orientalischen Kulten etc. Diese Leute wären überrascht gewesen von den schmucken Strassenzügen an den Hängen des Ianiculums, von den hübschen Stadthäusern, mit dem Luxus von reichlich Raum erbaut, umrahmt von Palmen und Oleander. Ich ging da vorbei, langsam, schon ausser Atem von der leichten Steigung.
Der Purpurgarten begrüßte mich wie einen alten Bekannten. (Was ich auch war.) Der Türhüter geleitete mich in den begrünten Innenhof, dort umfingen mich die leise perlenden Klänge einer Laute, und der Mohn, ja, der Mohn allüberall in bunt glasierten Töpfen stand er in voller Blüte. In Purpur und Glut prangten die Blumen, in Mondweiß und Safrangelb, durchscheinend fleischfarben und in duftigem Amethyst. Ich steckte die Hand aus, und fuhr langsam, durch die kühlen Blüten. Die Luft war duftgeschwängert, nicht von den Blumen selbst – sie leuchteten ja nur, sie dufteten nicht – sondern von dem Rauch ihres segensreichen Saftes. Die Gäste genossen, manche auf geschmackvollen Klinen unter der Pergola, andere im Garten oder in sich zum Hof öffnenden Alkoven, Morpheus' Gabe.
Ich wählte eine Kline in einer abgeschiedenen Laube. Der Diener brachte mir das übliche, richtete alles her. Zudem orderte ich einen ganz beträchtlichen Vorrat "zum mitnehmen". Er verschwand, um es mir einzupacken. Müde... unendlich müde... lehnte ich mich auf die Kline zurück und griff nach der Opiumpfeife.