Res Gestae des gewesenen Quaestor Principis Lucius Tiberius Lepidus

  • Als der Kaiser persönlich an diesem Tag an der Senatssitzung teilnahm, ahnten vermutlich die meisten Senatoren bereits, dass etwas in der Luft lag. Dass dies aber eine eher unspektakuläre Angelegenheit, nämlich die Res Gestae seines Quaestor Principis waren, beruhigte wohl manchen, der unmittelbare Einflussnahme des Kaisers befürchtete.


    Stattdessen meldete der Consul relativ ruhig: "Ich rufe den ehemaligen Quaestor Principis Lucius Tiberius Lepidus auf, um seine Res Gestae zusammenzufassen und etwaige Fragen zu seiner Amtszeit zu beantworten." Kurz schielte er auf Palma, ob dieser irgendwie bereits andeutete, wie er die Amtszeit seines obersten Sekretärs beurteilte.

  • So richtig wohl fühlte sich der Tiberier an jenem Tage nicht. Zwar hatte der Kaiser seinem Wunsch genüge getan, heute hier persönlich zu erscheinen, was Lepidus natürlich ehrte, dennoch befand er sich nicht in der Verfassung für große emotionale Höhepunkte, mit denen er seine Reden gerne versah. Vielleicht lag es daran, dass der Tiberier so langsam ein wenig kränkelte, vielleicht aber auch an seiner psychischen Belastung, die er insbesondere durch die Zwistigkeit mit seiner Schwester hinnehmen musste. Wie dem auch sei. Die Worte gingen ihm heute nicht allzu leicht von den Lippen.


    "Ich grüße dich, mein Kaiser. Und ich grüße euch, werte Senatoren." Alles dem Rang nach versteht sich. Achja, und ein bisschen Heuchelei durfte auch nicht fehlen. "Es ist mir eine große Ehre heute erneut vor euch zu stehen, um euch über meine Taten zu berichten. Ich bin mit einer guten Vorstellung dessen, was ich als Quaestor Principis erreichen wollte, in dieses Amt gegangen. Vieles davon ist mir auch gelungen, doch für einige dieser Aufgaben hat sich die einjährige Amtszeit als äußerst kurz herausgestellt, so dass meine Nachfolger und vielleicht uns alle einige Herausforderungen noch bevorstehen, die auf meine Vorarbeit aufbauen werden. Zu Beginn meiner Amtszeit bin ich von unserem großartigen Kaiser damit beauftragt worden, mich mit den Beziehungen zu den Völkern an unseren Grenzen auseinanderzusetzen. Ein wichtiges Feld, wie unser erhabener Imperator wusste und für jeden nachvollziehbar, der weiß, dass der Bürgerkrieg uns zweifellos geschwächt hat gegenüber potenziellen Feinden von außen.


    In Ausübung dieser wichtigen Aufgabe, wandte ich mich an die Statthalter unserer Grenzprovinzen, um in Erfahrung zu bringen, wie sie die derzeitige Lage einschätzen und welches Gefahrenpotenzial sie außerhalb unseres Reiches ausmachen. Dabei stellten sich vor allem im Osten zwei sensible Punkte heraus, welche es weiter zu begutachten galt. Erstens betraf dies unsere Beziehungen zum Regnum Pathorum. Nach dem Kriege des großen Iulianus ist es noch nicht zu einem Ausgleich mit dem Partherreich gekommen. Noch immer betrachten sie nach Aussagen unseres syrischen Statthalters sowie unseres armenischen Klientelkönigs argwöhnisch unsere Kontrolle über Armenien, welches sie selbst gern in ihrer Hand hätten. Zweitens betraf dies unsere Beziehungen zum Regnum Nabataei, unserem Klientelkönigreich, welches an die Provinzen Iudaea und Aegyptus grenzt" Nur falls einige Senatoren eine Auffrischung bezüglich ihrer Geografiekenntnisse benötigten. "Hier ist leider zu sagen, dass wir faktisch keine Kontrolle mehr über das Nabatäerreich haben. Unser ehemaliger Klientelkönig Rabbel II. Soter ist kinderlos verstorben, was etwaige Stammeskonflikte in dieser Region ausgelöst. Es gibt dort derzeit niemanden, der die volle Kontrolle über das kleine Königreich ausübt und selbst wenn es einen solchen geben würde, hat er keine Loyalität zu uns.


    Mit beiden Regionen habe ich mich in der Folge intensiv beschäftigt und Lösungsvorschläge für die entsprechenden Probleme erarbeitet. Bezüglich des Regnum Pathorum schlug ich Verhandlungen über einen offiziellen Friedensvertrag vor, welches die Beziehungen zwischen uns und den Parthern ein für alle mal klärt. Dazu habe ich umfangreiche Recherchen über unser bisheriges Verhältnis mit den Parthern vorgenommen und als Ergebnis meiner Überprüfungen arbeitete ich eine breit angelegte Vertragshistorie auf, welche unsere bisherigen Kontrakte mit den Parthern chronologisch aufführt. Dies scheint mir eine gute Grundlage zu sein, um in etwaigen Verhandlungen an frühere Übereinkünfte anzuschließen. Ich habe dem Kaiser bereits bekundet, dass ich mich gern bereit erkläre, an eventuellen Verhandlungen mitzuwirken und einen entsprechenden Vertragsentwurf auszuarbeiten.


    In Bezug auf das Nabatäerreich erarbeitete ich mehrere Szenarien, wie mit der Situation entsprechend umzugehen ist und welches die Folgen einer entsprechenden Handlung für uns sein könnten. Die Szenarien betreffen sowohl das Stillhalten bezüglich der Umstände, die Ordnung der inneren Angelegenheiten durch die Einsetzung eines neuen Klientelkönigs sowie die mögliche Provinzialisierung dieser Region durch militärisches Eingreifen. Dem Kaiser stand ich in all diesen Fragen stets beratend zur Seite." Wie er hoffentlich bestätigen würde.


    "Zum Schluss bleibt mir jedoch zu sagen, dass ich meine Amtszeit persönlich zwar als gut und solide, aber keineswegs perfekt einstufe. In Anbetracht dieser sehr verantwortungsvollen Aufgaben, welche die Sicherheit unseres Reiches betrafen, war es mir häufig nur sehr eingeschränkt möglich, viele der bürokratischen Tätigkeiten, wie beispielsweise die Aktualisierung der Chronicusa Romana, die ebenso in meinen Amtsbereich fielen, abzuarbeiten. Einiges davon blieb auf der Strecke, anderes konnte erst sehr spät vollendet werden. Dafür stehe ich ein und kann nur bedingt hoffe, dass meine Leistungen in anderen Gebieten dies in euren Augen einigermaßen wieder aufwiegen können"


    "Ich danke für eure Aufmerksamkeit."


    Für einen Augenblick überlegte der Tiberier, ob er schon genug zu den einzelnen Vorgängen bezüglich einerseits eines Friedensvertrages und den tieferen Implikationen der Lösungsvorschläge betreffend der Nabatäer gesagt hatte. Aber an sich ging es hier ja erst einmal nur um einen Tätigkeitsbericht und noch nicht darum die entsprechenden Fälle zu behandeln und Entscheidungen zu fällen. Also hielt sich Lepidus mit weiteren Ergänzungen vorerst zurück und überließ das Feld den Senatoren oder auch dem Kaiser.

  • Cornelius Palma hatte versucht, seine Anwesenheit im Senat so unauffällig wie möglich zu gestalten, aber unbemerkt bleib er natürlich trotzdem nicht. Umso dankbarer war er dem Consul für die ruhige Sitzungsleitung, die aus seiner Anwesenheit kein großes Werk machte.


    Den Gruß durch seinen ehemaligen Quaestor Principis nahm er mit einem Nicken entgegen und folgte dann schweigend dessen Rede. Das eine oder andere Detail bezüglich der Nachbarrreiche hatte er aus früheren Besprechungen mit dem Quaestor zwar etwas anders in Erinnerung, aber da er das Wort nur ergreifen wollte, wenn es unbedingt notwendig war, schwieg er dazu. Sollten die Außenbeziehungen im Senat ernsthaft thematisiert werden, würden im Zweifelsfall ohnehin alle Details mehr als einmal in voller Breite in diesen Hallen dargelegt werden.

  • Der Kaiser ergriff nicht das Wort, sodass der Consul sich genötigt sah, noch einmal explizit Raum für Nachfragen zu geben: "Gibt es Fragen zur Amtsführung des gewesenen Quaestor Principis? Möchte jemand noch irgendetwas Genauer wissen? Oder Tiberius für eine Auszeichnung nominieren?" Wieder ging der erste Blick zum Kaiser, der natürlich als Arbeitgeber prädestiniert war, den ersten Schritt zu tun.

  • Da der Kaiser keine Anmerkung hatte und der Consul nach Wortmeldungen fragte, zeigte Gracchus schlussendlich auf, dass er eine solche beisteuern wollte.
    "Tiberius Lepidus, wie schon während deines Vigintivirates hast du meines Erachtens nach auch in deiner Quaestur deinen Pfli'hteifer und dein Potential zur genüge unter Beweis gestellt."
    Diesbezüglich musste der Tiberier seine Arbeit zweifelsohne nicht kleinreden. Da Gracchus indes bekanntermaßen kein Befürworter des substanzlosen Auszeichnungssystems war, überging er diese Anregung des Consuls und wandte sich der inhaltlichen Ausführung Tiberius' Schaffens zu.
    "In Hinblick auf das von dir genannte Grenzreich Regnum Nabataei würde mich interessieren, ob der gegen..wärtige Status eine akute Gefahr für Aegyptus darstellt, respektive ob die derzeit herrschenden Stämme unsere Grenzen respektieren?"
    Zweifelsohne war ein Konflikt um die Kornkammer Roms stets ein zu vermeidendes Szenario.

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  • Der Senat hielt sich bekanntlich gern zurück, wenn es um Kommentare zu Rechenschaftsberichten ging. Soweit hatte der Tiberier schon an Erfahrung gewonnen. Auch heute war das wohl nicht anders, obwohl eine zusätzliche Zurückhaltung vielleicht auch in Anbetracht der Präsenz des Kaisers bestand. Zum Glück gab es hin und wieder noch jemanden, der wahrhaftiges Interesse zeigte. "Nach derzeitiger Lage ist zumindest von einer unmittelbaren Gefahr nicht auszugehen. Sämtliche Grenzen, einschließlich der von Aegyptus bleiben nach allen Berichten bisher unangetastet und es gibt derzeit keine Anzeichen, dass sich daran etwas ändern könnte. Eine offizielle Verlautbarung der einzelnen Stämme, die den Respekt der Grenzen bekundet, haben wir freilich nicht, da uns weitgehende Kenntnisse zu diesen vielen vereinzelten Gruppierungen fehlt" So zumindest die gegenwärtige Lage. "Aber in der Tat kann sich durch diese unüberschaubare Lage bei den Nabatäern durchaus eine Gefahr für Aegyptus ergeben. Weniger problematisch wäre noch ein neuer Herrscher, der die Stämme eint und uns dann eventuell nicht wohlgesonnen ist. Die Nabatäer sollten nicht in der Lage sein eine wirklich ernsthafte Streitmacht aus dem Boden zu stampfen. Aber gefährlich wird es dann, wenn eine andere Großmacht sich diese Situation zunutze macht. Hier wäre wohl wieder an die Parther zu denken. Hätten sie Kontrolle über dieses Gebiet, stünde ihnen ein Aufmarschgebiet zur Verfügung, mit der sie Aegyptus sehr schnell erreichen und uns von unseren wichtigen Kornlieferungen abschneiden könnten. Dies ist natürlich nur ein mögliches Szenario unter vielen, aber dies verdeutlicht vielleicht noch einmal, dass wir es zwar momentan mit keiner unmittelbaren Gefahr, aber immerhin mit einer ernstzunehmenden potenziellen Bedrohung zu tun haben, die uns in der Zukunft noch beschäftigen könnte"

  • "Ich danke dir für diese Einschätzung, Tiberius."
    Weiters hatte Gracchus vorerst keine Fragen und nahm darob wieder Platz, gleichwohl war er durchaus gespannt, ob der Augustus in naher Zukunft dieses Thema im Senat würde erörtern oder schlichtweg mit seinen militärischen Beratern entscheiden.

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  • "Ich kann die Einschätzung hinsichtlich möglicher außenpolitischer Schemae Pessissimae des Tiberius nicht teilen, auch wenn ich ohne Frage seine weitreichende Kompetenz in der Sache anerkenne." , gab Vala zuerst bekannt, als er sich das Rederecht hatte geben lassen, nachdem er sich einige Sekunden in nachdenkliches Schweigen gehüllt hatte um die ihm bekannten Fakten über Aegyptus und den Osten zu rekapitulieren, "Zumindest auf einen ersten militärischen Blick erscheint ein derartig beschriebenes Szenario nicht realistisch. Sollte das Reich der Nabataeer tatsächlich in seiner Schwäche als Aufmarschgebiet der Parther dienen, müssten diese mit einer Truppenstärke aufwarten die es ihnen erlaubt gleich zwei Legionen, eine Classis und eine nach wie vor wehrfähige Gemeinschaft der Städte effektiv herauszufordern. Mit einer derartig großen Armee gen Süden zu marschieren würde ihr Heimatgebiet entlang der Grenzen nach Armenia und dem Reich selbst von wehrfähigen Männern befreien... und für einen Gegenschlag Roms und seiner Verbündeten äußerst anfällig machen. Es befinden sich immerhin mehr als fünftausend stadia zwischen Hatra und Pelusium. Sollten die Parther die Stärke haben um beide strategischen Herausforderungen zu meistern, die Götter bewahren uns davor, dürften sie ebenso die Stärke haben unsere ohnehin schon massive Stärke in Syria und Capadocia mit Leichtigkeit zu überwältigen." , teilte Vala seine Kenntnisse über den Osten mit, die er sich in den Stabssitzungen kurz vor der Erhebung Aegyptus gegen den Usurpator angeeignet hatte, immerhin hatte man auch damals dieses Szenario nicht leichtfertig herbeibeschwören wollen.


    "Diese von der Einschätzung des Tiberius abweichende Sicht in dieser kleinen Detailfrage stellt allerdings keineswegs die Kompetenzen in Frage, die der Tiberius ganz offensichtlich während seiner Zeit als Quaestor bewiesen hat." , kam Vala nun auf den eigentlichen Punkt, "Wie uns sicherlich immernoch vor Augen schwebt, hat der Tiberius sich während seines Vigintivirats über das Maß im Dienste an der Res Publica bewährt und ich kann auch nicht behaupten, dass er während seiner Quaestur enttäuscht hat... natürlich kann die letztlichen Entscheidungen nur der Princeps treffen, ich für meinen Teil halte den Tiberius allerdings der Senatorenehre für durchaus würdig und empfehle ihn hiermit genau dafür."

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