Officium MFG | Kampf der Titanen - Post aus Ravenna

  • Am Abend des neunten Tages nach meiner Abreise hatte ich endlich wieder Rom erreicht. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages begleiteten mich, als ich die Villa Flavia ansteuerte und schließlich durch den Hintereingang in den Hof gelangte. Dem Stallburschen überließ ich mein Pferd - den braven Sirius, der mir so viele gute Dienste geleistet hatte. Dann eilte ich in die Villa, um die drei Briefe, die ich in Ravenna entgegengenommen hatte, auszuliefern.
    Den Brief für Flavius Gracchus wollte ich als erstes abgeben. Also eilte ich zu dessen Officium, klopfte und wollte, nachdem mir Sciurus geöffnet hatte, den Brief für seinen Herrn abgeben:


    Ad Manius Flavius Gracchus
    Villa Flavia Felix
    Roma


    Salve Manius Gracchus,


    du magst protestieren soviel du willst, die Ehe zwischen Domitilla und Tiberius Lepidus ist beschlossene Sache.


    Ich erwarte von dir, dass du dich um die Formalitäten mit dem Tiberier kümmerst. Falls du wie für die Suche nach einem passenden Ehemann für meine Tochter dafür keine Zeit findest, kann ich auch Caius Scato damit beauftragen. Dessen Urteilsvermögen vertraue ich übrigens voll und ganz, er scheint viel von Felix geerbt zu haben.


    Bezüglich des Namens der Flavia muss ich dich sicherlich nicht darauf hinweisen, dass der einzige, der jemals eine meiner Töchter in Verruf gebracht hat, kein geringerer als du selbst bist. Was hätte aus meiner geliebten Leontia nicht alles werden können!


    Solltest du vorhaben, nun auch noch das Wohl Domitillas und ihr Ansehen in Rom zu gefährden, garantiere ich dir, dass es das letzte Leben ist, das du ruinieren wirst.



    Gezeichnet Cnaeus Flavius Aetius

  • Sciurus nahm eben jenen Brief an der Türe entgegen, brach hernach das Siegel und verkündete seinem Herrn: "Ein Brief deines Onkels Aetius."
    "Ah, wunderbar, lies vor!"
    wies der Flavier den Sklaven an, voller Zuversicht, dass Aetius in Hinblick auf die Verbindung zwischen seiner Tochter und Tiberius Lepidus informiert über alle Fakten zweifelsohne einsichtig gewesen war. Doch bereits der erste Satz des Schriftstückes belehrte ihn eines Besseren, während die weiteren Worte eine unterschwellige Wut in Gracchus evozierten, ein Aufwühlen seines Innersten, ein Hauch von Aufbegehren gegenüber seinem Onkel, gleichwohl eine gewisse Ohnmacht ob der Unmöglichkeit dieses Begehrs, dass er seine Kiefer fest aufeinander presste und seine Hände sich zu Fäusten ballten. Wie konnte Aetius nur derart blind sein für die Belange der Flavia in Rom, derart egoistisch über das Wohl der Familie hinweg entscheiden, sich derart verschließen vor den Auswirkungen dieser Ehe! Indes, als Sciurus zu Aetius' Worten bezüglich des Verrufes gelangte, sackte aller Furor in sich zusammen, traf der Dolch seines Onkels mitten in Gracchus' Herz.
    "Leontia …"
    , echappierte ein Seufzen seinen Lippen und das Wohl und Ansehen Domitillas war nurmehr eine ferne Erinnerung. Selbstredend konnte Gracchus niemals seine geliebte Base vergessen, doch aus reinem Selbstschutz heraus schwelgte er dabei nur in Gedanken an sorglose Tage, an Leontias hehre Leichtigkeit und Esprit, an die Augenblicke unbeschwerten Vergnügens, welcher er im Laufe der Jahre scheinbar gänzlich war verlustig gegangen. Regungslos starrte er nun auf die hölzerne Platte seines Schreibtisches, sein Blick trübe und sein Antlitz blass. Obgleich Aetius ihm weit mehr zürnte des vermeintlichen amourösen Abenteuers wegen, so kam Gracchus doch nicht umhin, sich einzugestehen, dass er es gewesen war, der leichtfertig Leontias Leben hatte gefährdet und letztendlich für ihren Tod verantwortlich war. Und nicht nur Leontia lastete auf seinem Gewissen - hatte er nicht am Ende noch jeden ins Unglück gestürzt, welchen er suchte zu beschirmen? Eine Weile lang senkte sich Stille über den Raum, Sciurus verharrte reglos abwartend an seinem Platz, während Gracchus im Inneren seine Kämpfe ausfocht - und dabei verlor, gegen Aetius, gegen die Vergangenheit, gegen sich selbst. Domitilla hatte ein gutes Leben verdient und womöglich hatte Aetius Recht - es würde einen besseren Verlauf nehmen, wenn Gracchus nicht versuchte, für ihr Wohl Sorge zu tragen.
    "Sieh nach, ob Domitilla im Hause ist."
    Während Sciurus sich entfernte, suchte Gracchus sich adäquate Worte zurechtzulegen, scheiterte jedoch beständig bereits am ersten Satz.

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  • Sichtlich ergriffen, von den aktuellen Entwicklungen, betrat Domitilla das Officium ihres Vetters. Ihre Tränen waren fortgewischt worden und auch die Zornesröte war weitestgehend aus ihrem Gesicht verschwunden. Lediglich eine tiefe Sorgenfalte kündete davon, wie sehr die Nachricht ihres Vaters und die daraus resultierenden Ereignisse, welche ihr nun bevorstanden, sie mitnahmen. Wie ungerecht doch diese Welt war!


    Ihr kurzes Aufblicken fing ein Bild von ihrem Vetter ein, der vor ihr an seinem Schreibtisch saß. Vor ihm lag der Brief, welcher ihm ebenfalls soeben erst zugegangen war. Es war ein ernüchterter Gracchus, den sie dort vorfand. Ein Gracchus, dessen donnernde Irritation sie von ihrem letzten Gespräch noch sehr gut in Erinnerung hatte. Doch davon war nichts mehr übrig geblieben. Keine Spur! Stattdessen fand sie nur Ratlosigkeit in seinen Gesichtszügen vor. Doch ihr schien, dass dies noch lange nicht alles war, was ihn beschäftigte. Etwas anderes, etwas für sie Unergründliches hatte sich in seinen Gedanken Platz verschafft.
    „Salve Manius, du wolltest mich sprechen,“ brachte sie mit belegter Stimme hervor, obgleich sie schon wusste, was nun folgen sollte.

  • "Domitilla"
    , begann Gracchus da ein Name stets ein leichter Anfang war, obgleich selbstredend niemand sonst im Raume war, welchen seine Worte hätten adressieren können.
    "Bitte setzte dich."
    Er wies auf einen der Stühle ihm gegenüber des Schreibtisches und wartete bis seine Base hatte Platz genommen.
    "Ich habe deinem Vater eine Nachri'ht gesandt."
    Bereits durch die Couleur seiner Stimme würde Domitilla erahnen können, dass dies Unternehmen nicht von Erfolg war gekrönt worden.
    "Er lässt sich von deiner Vermählung mit Tiberius nicht abbringen."
    Einige Augenblicke suchten Gracchus' Augen auf der Tischplatte nach einem Fixpunkt, doch als keine der hölzernen Fasern dazu zu gereichen schien, hob er seinen Blick zurück empor.
    "Es tut mir Leid, Domitilla. Doch Aetius ist nicht nur mein Onkel, sondern mehr noch dein Vater, und sofern er der Ansi'ht ist, dass dies zu deinem besten Wohle geschieht, so muss ich diesen Entschluss res..pektieren."
    Letztlich würde auch Gracchus nicht dulden, dass einer seiner Neffen sich gegen die Ehebeschlüsse wandte, welche er für seine Kinder vorsah. Dennoch schmerzte ihn die Machtlosigkeit, welche er gegenüber dieser Entscheidung verspürte - er hatte einen Kaiser ermordet, er hatte einen Bürgerkrieg heraufbeschworen - doch er war nicht dazu fähig sich gegen seinen Onkel zu wenden. Gleichwohl schmerzte ihn zutiefst, dass Aetius entschieden hatte seine Tochter der Schande dieser Ehe preiszugeben, nicht nur da ihr Name schlussendlich stets mit dem seiner Familie war verknüpft, sondern weit mehr ob Domitillas Wohlergehen. Er senkte neuerlich seinen Blick ein wenig.
    "Selbst..redend wirst du auch nach der Eheschließung immer in unserem Hause willkommen sein."

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  • Domitillas Blick, der keinen Zweifel daran ließ, wie sie sich fühlen mochte, ging zu einem der angebotenen Stühle. Ohne Umschweife begab sie sich dorthin und setzte sich. Ihre Augen waren, wie ihre ganze Körperhaltung es bereits vermuten ließ, niedergeschlagen. Eigentlich hätte es keinerlei erklärender Worte mehr bedurft, denn der Brief ihres Vaters, den sie erhalten hatte, war eindeutig gewesen. Warum also hätte ihr Vater ihrem Vetter eine gänzlich andere Antwort zukommen lassen?


    Endlich hob sie ihren Blick und erkannte, welchen Kampf ihr Vetter mit sich selbst ausfocht, als er sich vor ihr die Blöße gab und seine Niederlage eingestehen musste. Er hatte nichts ausrichten können und war nun dazu verdammt, den Willen seines Onkels und ihres Vaters zu respektieren. Gracchus war ihre letzte Hoffnung gewesen. Doch diesmal halfen ihr weder die Götter noch ihr Verwandter, der für sie bis dahin eine nahezu gottgleiche Größe für sie gewesen war. Letztlich jedoch konnte er sich nicht über den väterlichen Willen hinwegsetzen.
    Stumm nickte sie. Sie war den Tränen nahe, doch sie konnte sich beherrschten, vor ihrem Vetter gehen zu lassen, als wäre sie ein gemeines Klageweib. Ihr war durchaus bewusst, was von ihr nun verlangt wurde und dessen wollte sie sich auch stellen.
    So konnte es letztlich nur ein schwacher Trost sein, dass sich auch Gracchus Androhungen, sie zu ächten, hinfällig waren.
    „Ich danke dir, Manius… für deine Bemühungen. Natürlich werde ich dem Willen meines Vaters Folge leisten, auch wenn es nicht der meinige ist. Ihr Blick schien ins Leere zu gehen. Bleierne Sekunden des Schweigens vergingen ehe ihr der Brief ihres Zukünftigen wieder in den Sinn kam, den sie zuvor so achtlos abgetan hatte. Nun hatte er plötzlich wieder eine gewisse Wichtigkeit erlangt. "Im Übrigen hat mich der Tiberius in einem Brief nochmals um ein Treffen mit dir gebeten. Ich hoffe, mein Vater hat dich nicht zu sehr vergrault, als dass du nicht gewillt wärest, mit meinem Bräutigam über mein zukünftiges Schicksal zu verhandeln… Was kann ich ihm antworten?“ Natürlich hatte Domitilla keine Ahnung davon, wie Abfällig sich ihr Vater in seinem Brief über ihren Vetter geäußert hatte. Doch letztendlich kannte sie Aetius nur zu gut und wusste, dass er kein Blatt vor den Mund nahm und immer alles zum Ausdruck brachte, was er dachte.

  • Natürlich würde Domitilla dem Willen ihres Vaters Folge leisten, auch wenn es nicht der ihrige war - und obgleich sie dies bekräftigte, so bedurfte es dieser Affirmation nicht, denn die einzige Option, diesem vorgegebenen Schicksal zu entgehen war seit jeher der Tod - der eigene oder der des Vaters. Die beherrschte Ruhe der Flavia, wenn auch gepaart mit ein wenig Indignation, war darob nichts anderes als zu erwarten, gleichwohl wie sie zu den Notwendigkeiten der daraus resultierenden Konsequenz überging - und doch musste Gracchus diese Hehrheit ästimieren und konnte nur suchen, in gleicher Weise über den Widrigkeiten des Lebens zu stehen.
    "Ich werde selbstredend mit dem Tiberius sprechen."
    Im Versuch, der ganzen Angelegenheit ein wenig die Brisanz zu nehmen fügte er mit dem Hauch eines schiefen Lächelns hinzu:
    "Schlussendli'h steht dir eine Hochzeit nach römischem Ausmaße zu, nicht nach der Mediokrität Ravennas."
    Gleich wie auch die innerfamiliären Strukturen der Flavia waren, Tiberius Lepidus - welcher künftig noch in Rom wollte vorankommen - würde einem Senator und Pontifex Roms zweifelsohne mehr Respekt entgegen bringen als einem Provinzialpolitiker, dessen Einfluss am Rande seiner Familie und Ländereien endete.
    "Du kannst ihm mitteilen, dass er an einem beliebigen Tage in der kommenden Woche nach Beendigung seiner Salutatio in unser Haus kommen kann."
    Gracchus selbst würde sodann seine eigene Salutatio schlichtweg vorzeitig beenden, um sich entsprechend ausreichend Zeit für den künftigen Gemahl seiner Base zu nehmen.

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  • Natürlich?! Im Nachhinein war Domitilla über ihre entsagungsvolle Absichtserklärung selbst bestürzt. Wann hatte sie zum letzten Mal dem Willen ihres Vaters Folge geleistet? Hatte sie dies jemals getan? Bis dato war ihr es immer wieder gelungen, sich herauszuwinden und zu entwirren aus den Schlingen und Fängen seines Willens. Nur diesmal schien es nun endgültig besiegelt zu sein. Ohne jede weitere emotionale Regung, nahm sie die Worte ihres Vetters auf. Selbst als dieser auf die Hochzeit selbst zu sprechen kam und ihr damit zu verstehen gab, dass keine Mittel gescheut werden würden, um es bei ihrer Vermählung an nötigem Pomp mangeln zu lassen, konnte sie sich zu keinem Lächeln hinreißen lassen. Vielmehr gingen ihre Gedanken bereits einen Schritt weiter. Das Resultat daraus war einfach nur erschütternd. Den Rest ihres Lebens würde sie an diesen Mann gebunden sein, für den sie nichts empfand. Ihre Zukunft würde von Langeweile und Einsamkeit geprägt sein, bis sie alt und unansehnlich werden würde. Unfähig, deswegen auch nur eine Träne zu vergießen.
    „Das ist mehr, als ich erwarten durfte, Manius. Zweifelsohne werde ich trotz dieser Verbindung niemals vom Wasser des Lethe kosten, sondern mir stets meiner Herkunft bewusst sein, “ entgegnete sie ihm mit steinerner Miene. Freilich konnte ihr dies nur ein sehr schwacher Trost sein, denn was nutzte die beste Herkunft, wenn man zum Stadtgespräch wurde. Doch selbst diese Konsequenz tangierte sie in diesem Moment kaum.
    Da ihr Vetter nun auch noch den Großmut besaß und sich bereiterklärte, den Tiberier zu empfangen, verdrängte sie einen Moment lang ihre Zukunftsaussichten und kehrte sich dem hier und jetzt zu.
    „Gut, dann werde ich mich nun zurückziehen und ihm unverzüglich eine Nachricht zukommen lassen,“ entgegnete sie ihm und erhob sich langsam von ihrem Stuhl. Einen Brief würde sie nun schreiben müssen – heute noch. Eine ihrer Sklavinnen würde ihn dann noch am Abend zur Villa Tiberia bringen.

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