For nothing now can ever come to any good *

  • Sim-Off:

    * Hierbei handelt es sich um die letzte Zeile der letzten Strophe des "Funeral Blues" von W. H. Auden.


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    Mit letzter Kraft schaffte ich es noch bis zum Hintereingang der Villa, der vor allem für die Sklaven und Lieferanten bestimmt war. Durch den starken Regen war ich nass bis auf die Haut. Ich fror und hatte kaum noch genug Kraft, mich auf den Beinen zu halten. Da noch immer den Leichnam meiner Frau in meinen Armen lag und ich deshalb keine Hand frei hatte, trat ich zwei- dreimal gegen die Tür, in der Hoffnung, man würde mir noch so spät am Abend Einlass gewähren. Lange geschah nichts. aber ich wollte die Hoffnung nicht aufgeben. Doch irgendwann sank ich hinunter auf den Boden, weil ich nicht mehr konnte. Das Gesicht meiner Frau war inzwischen ganz bleich geworden. Noch im Tod war sie wunderschön.

  • Sciurus hatte einige Besorgungen in der Stadt zu machen, genau genommen im Untergrund der Stadt. Sein Herr war für den Abend versorgt, ein junger, athletischer Lyraspieler vertrieb ihm die Zeit und würde vermutlich noch eine Weile vor dem Schlafen sein Bett wärmen. Der Draht in Sciurus Gürtel saß locker, über der Schulter hing ihm eine schlauchartige Tasche und unter dem Mantel verborgen hielt er einen kleinen hölzernen Knüppel. Als er den Türriegel am Hinterausgang der Villa öffnete und in den Regen hinaussah, glaubte Sciurus für einen Augenblick, dass die Nacht überaus erfolgsversprechend war.


    Mit dem nächsten Schritt entdeckte der Sklave den Körper am Boden vor der Tür und da er einen hartnäckigen Bettler vermutete, stieß er seine Schulter mit einem Fußtritt zur Straße hin. "Scher dich zum Hades!"
    Im nächsten Augenblick da der Leib in der Bewegung sich zu zweien teilte und das Licht, das durch die Tür nach draußen fiel, auf das Gesicht des vermeintlichen Bettlers schien, erkannte er den Leibwächter Scatos und Ärger keimte in Sciurus auf.
    "Ich sorge dafür, dass ihr bei den Löwen landet!" zischte er, legte den Knüppel auf die Türschwelle ab und packte Angus' Schulter, um ihn in das Haus hinein zu ziehen. Sciurus hasste Sklaven, die ihre Stellung vergaßen - und betrunkene Sklaven fernab der Saturnalien hatten eindeutig ihre Stellung vergessen. Sklaven, die ihn von seiner Arbeit abhielten, hasste Sciurus beinahe noch mehr, weshalb er nicht sonderlich zögerlich mit Angus umging, dessen Statur es ihm nicht gerade erleichterte ihn in das Haus hinein zu ziehen.


    Als er den zweiten Leib packte, um auch die Frau ins Haus zu zerren, bemerkte der flavische Vilicus das Blut.
    "Porca miseria!" Hastig zog er den schlaffen Körper in das Haus, schloss die Tür und betrachtete seinen nächtlichen Fund im dämmrigen Licht der Öllampe. Sciurus wusste sofort, dass für die Löwen in diesem Fall nichts mehr übrig bleiben würde. Er beugte sich zu Angus herab, der immerhin noch am Leben schien.
    "Angus!" Er fasste den Sklaven bei der Schulter, rüttelte an ihm und verpasste ihm schlussendlich eine Ohrfeige, um ihn zu Bewusstsein zu bringen. Es scherte Sciurus nicht, ob Angus verletzt war oder Hilfe brauchte, er musste wissen, was geschehen war, warum es geschehen war und ob Gefahr für die Flavier bestand.
    "Angus!"

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    VILICUS - MANIUS FLAVIUS GRACCHUS

    Einmal editiert, zuletzt von Sciurus ()

  • Je länger ich so da lag, umso weniger konnte mir die Nässe und die Kälte noch anhaben. Ich glaubte, allmählich hinab zu gleiten auf den Grund eines tiefen unbekannten Ozeans. Nicht mehr lange und ich war wieder bei ihr. So mochten die Götter doch gnädig mit mir und meinem Schicksal sein und mich nicht länger in dieser hässlichen Welt alleine zurücklassen. Dieser Gedanke fühlte sich gut an. Auf keinen Fall wollte ich mehr zurück. Ich hatte bereits mit dem lästigen Leben abgeschlossen. Der Tod war allemal besser.
    Doch aus irgendeinem Grund verspürte ich plötzlich einen Tritt, der mein weiteres Absinken scheinbar verzögerte und mir einen Seufzer entlockte. Plötzlich befiel mich die Angst, selbst jetzt noch, in diesen letzten Atemzügen, könnte alles aus den Fugen geraten und dass alles, worauf ich noch gehofft hatte, von einer mir unbekannten Macht zermalmt würde. Gleich darauf merkte ich, dass meine Ängste keinesfalls unbegründet waren! Etwas zog mich wieder nach oben. Und noch schlimmer, Aislin drohte mir nun endgültig aus meinen Armen zu entgleiten. Flehentlich hauchte ich ihren Namen, als ob ich ihr Entgleiten auf diese Weise irgendwie aufhalten konnte. Wie einfältig ich doch nur war! Ich Schwächling hatte sie nicht im Leben beschützen können. Ich hatte sie kaltblütig ihren Mördern überlassen, statt mit ihr diese verfluchte Stadt zu verlassen. Heute hatte ich es in der Hand, ihre und meine Ketten zu sprengen, um mit ihr neu anzufangen. Irgendwo, nur wir zwei für den Rest unseres Lebens. Doch diese Chance hatte ich ungenutzt verstreichen lassen, wegen meines blasierten Ehrgefühls und dem Glauben, dem Flavier etwas schuldig zu sein. Und selbst jetzt im Tod schaffte ich es nicht, sie bei mir zu halten. Was für ein erbärmlicher armer Wicht ich doch war!


    Irrte ich mich oder rief da tatsächlich jemand meinen Namen? Sollte am Ende Morrigan doch noch Mitleid mit mir verspürt haben? Wenn dem so war, wollte ich keine Minute zögern. Vielleicht bestand ja doch noch Hoffnung! Einen Spalt weit öffnete ich meine Augen. Alles war verschwommen. Schemenhaft fing ich ein Bild ein. Nein, das war nicht Morrigan! Langsam begann sich mein Blick zu schärfen. Graue Augen, blondes kurzes Haar und die streng anmutenden Konturen eines Gesichts erkannte ich. Hinzu kam ein missbilligender Blick, der laut Verachtung schrie. Dies war weder Morrigan noch Dagda oder irgendein anderer Gott. Es war ein Mensch aus Fleisch und Blut, der mich gerufen hatte. Ein Sklave, so wie ich. Scuirus, der Villicus… Der, dessen Name in mir stets einen Mix aus Neugier und Schauder hervorgerufen hatte. Der, vor dem mich Vulpes, die rote Füchsin, einst gewarnt hatte.
    „Scato … er ist..“, stammelte ich heiser, noch immer halb benebelt. „In Sicherheit.. Ist er in Sicherheit?“

  • Sciurus Miene blieb unbewegt als Angus sich rührte und undeutlich seine Frage stellte.
    "Er ist seit Stunden in seinem Cubiculum und damit wohl in Sicherheit. Im Gegensatz zu dir." Der Tonfall des Vilicus wurde ein wenig schärfer. "Wer ist diese Frau, warum ist sie tot, was hast du damit schaffen, warum hast du sie vor die Villa Flavia geschleppt, und besteht auch nur die geringste Chance, dass dich irgendjemand dabei gesehen hat?"


    Ein Leiche an sich, ebenso wie der zugehörige Tötungsdelikt stellten für Sciurus noch kein Problem dar, bisweilen gab es schlichtweg die Notwendigkeit für solches Vorgehen. Zudem erweckte die Frau nicht gerade den Anschein, in ihrem Leben zur wohlhabenden Schicht Roms gehört zu haben, was die Angelegenheit möglicherweise etwas verkompliziert hätte. Eine Problem stellte diese Angelegenheit jedoch dann dar, wenn ein Außenstehender davon wusste und von der Leiche ein Bezug zu den Bewohnern der Villa Flavia hergestellt werden konnte - unabhängig ob zu einem der Herren oder nur einem der Sklaven.

  • Die Mine des Villicus schien versteinert zu sein. Jegliche Regung konnte er geschickt unterdrücken. Lediglich seiner Abscheu und Verachtung ließ er freien Lauf. Doch wenigstens konnte ich mich damit trösten, dass es Scato bis nach Hause geschafft hatte. Er ist seit Stunden in seinem Cubiculum und damit wohl in Sicherheit. Aber er hatte es nicht für nötig erachtet, mir zur Hilfe zu kommen. Diese Erkenntnis traf mich bis ins Mark. Vielleicht stand er einfach noch zu sehr unter Schock, wollte ich mir einreden. Aber eigentlich wusste ich es doch besser.


    Sciurus Ton verschärfte sich, was ich ihm durchaus auch nicht übel nehmen konnte. Eine Tote vor dem Hintereingang liegen zu haben, entsprach eben ganz und gar nicht den Gepflogenheiten der Villa Flavia. Er war schließlich dafür verantwortlich, was im Haus und mit den darin lebenden Sklaven geschah.
    „Das ist Aislin… meine Frau,“ begann ich und versuchte, mich zu konzentrieren, um nicht wieder in die Lethargie abzudriften. Wahrscheinlich würde ihn das Gehörte ganz und gar fremdartig erscheinen und ihne keinesfalls dazu verleiten, seine Meinung über mich zu revidieren.
    „Sie war auf der Suche nach mir. Scato und ich… wir gerieten in einen Hinterhalt. Ich konnte ihn aber befreien, so dass er fliehen konnte. Aber ich ging nicht mit ihm zurück. Ich wollte diese Kerle noch töten, die uns angegriffen hatten. Außerdem war ja noch Aislin in ihrer Gewalt… Sie haben sie umgebracht.“ Meine Stimme drohte zu versagen. Ich war an allem Schuld. Durch mein Unvermögen war alles so gekommen.


    Endlich fing ich mich wieder und konnte nun auch seine letzte Frage beantworten, was ihn aber wohl kaum beschwichtigen konnte . „Ich weiß nicht, ob mich jemand beobachtet hat.“ Darauf hatte ich nun wirklich nicht geachtet. Außerdem hatte es Hunde und Katzen geregnet. Bei einem solchen Wetter ging niemand freiwillig vor die Tür.

  • Sciurus blickte auf die Frau. Er wusste, dass Angus kein Zuchtsklave war, doch über seine Vergangenheit wusste er nichts, konnte daher nicht einschätzen, ob meine Frau ein Relikt seiner Vergangenheit war, oder eine Liebesaffäre aus seiner Gegenwart. Denn obwohl dies für Sciurus inakzeptabel war, so gab es immer wieder Sklavenpaare, die sich nach irgendwelchen selbstgebastelten Riten als verheiratete betrachteten.
    "War sie eine Sklavin?" wollte er wissen, denn auch dies würde ein Problem darstellen - in Form eines Besitzers, der sie nun suchen würde.


    "Und diese Kerle - was waren das für Männer? Was wollten sie? Hast du sie getötet?" Noch mehr Probleme, mehr als es für eine Nacht gut war.

  • Durch eine ungeschickte Bewegung und wahrscheinlich auch wegen des vielen Sprechens, begann meine Wunde wie Feuer zu brennen. Cedrecs Klinge hatte mich seitlich rechts unterhalb der letzten Rippe gestreift.
    Ich verzerrte vor Schmerzen mein Gesicht und stöhnte. Das hielt Sciurus allerdings nicht weiter davon ab, sein Frage- und Antwortspiel fortzusetzen. Anscheinend hatte ich ihn damit beeindruckt, als ich ihm verriet, Aislin sei meine Frau gewesen. Für gewöhnlich hatten römische Sklaven ja keine Ehefrauen. Er würde also niemals die Gelegenheit haben, zu erfahren, wie erfüllend eine solche Beziehung sein konnte. Zumal wir aus Liebe geheiratet hatten und nicht um einen Pakt zwischen zwei Familien zu schmieden, wie es die Römer für gewöhnlich taten. Wahrscheinlich würde er auch nicht verstehen, warum ich handelte, wie ich gehandelt hatte.


    „Nein, sie war keine Sklavin. Sie war meine Frau - meine Ehefrau,“ krächzte ich. „Ich wusste nicht, dass sie noch lebte. Sie fing an mich zu suchen, nichtsahnend, dass diese Kerle sie verfolgten und ihre Spur sie direkt zu mir und Scato führte. Der Anführer dieser Männer stammte aus meinem Dorf. Er hat uns damals alle verraten. Allein wegen seiner falschen Zunge bin ich hier! Cedrec, dieser elende Mistkerl, er glaubte tatsächlich, er könnte sich meine Frau nehmen... Nachdem ich versklavt wurde, hatte ich nur noch ein Ziel im Leben: noch einmal Cedrec gegenübertreten zu können, um mit ihm abzurechnen. Dass ausgerechnet Scato zwischen die Fronten gerät, habe ich nicht gewollt.“ Ungeachtet dessen, dass ich weiter erzählte, tastete sich meine Hand zu meiner Wunde vor, um zu überprüfen, ob wieder Blut aus ihr austrat. Als meine Finger den Rand der Wunde erreicht hatten, tat es noch mehr weh. Ich bekam ein feuchtes klebriges Etwas zu spüren. Daraufhin zog ich meine Hand zurück und stellte fest, dass dieses Etwas Blut war.
    „Und ja, sie sind jetzt alle tot,“ antwortete ich auch auf seine letzte Frage.

  • Sciurus versuchte den Spuren und vor allem den Intentionen der Benannten zu folgen, doch es fiel ihm schwer nachzuvollziehen was diese Menschen bewegte und über welche Distanzen die Suche und Verfolgung sich zugetragen hatte. Im Endeffekt war dieses Problem jedoch nicht seines und hatte sich zudem auch schon gelöst.
    "Gut", kommentierte der Vilicus die Tatsache, dass alle tot waren. Es störte selten jemanden in Rom, wenn die Leichen von ein paar Peregrinen auftauchten.

    "Deine Nachlässigkeit zu bestrafen ist Angelegenheit deines Herrn. Wenn du Glück hast, wird ansonsten niemand weiter nachfragen. Falls doch wird es von Scato abhängen, ob er dich in Schutz nehmen wird oder nicht."
    Sciurus taxierte den toten Körper der Frau, dann das Blut auf Angus' Hand. "Geh und lass dir deine Wunde von Sothos versorgen." In erster Linie war der Stallknecht für die Gesundheit der Pferde verantwortlich. Doch er wusste mit tiefen Schürf- und Schnittwunden umzugehen und versorgte daher auch die flavischen Sklaven sofern es notwendig war.


    "Drück das auf die Wunde und pass auf, dass du nicht alles vollblutest." Sciurus nahm seinen Beutel und warf ihn Angus hin. "Ich kümmere mich um den Leichnam." Denn dieses Problem war noch nicht gelöst.

  • Gut? Hatte ihn diese Geschichte wirklich so kalt gelassen? Nun, wenn er das so sah, dann eben Gut! Ich hatte ja gehört, dass man von Sciurus keine Anteilnahme erwarten konnte und dass er gegenüber allen Sklaven, die nicht als solche geboren worden waren, eine natürliche Abneigung hegte. Daher wunderte es mich auch nicht im Geringsten, mit welcher Gefühlsarmut er einfach wieder zur Tagesordnung überging.
    Meine Nachlässigkeit zu bestrafen, das ich nicht lache! Scato konnte froh sein, dass er noch lebte! Und wenn schon, wenn der Flavier glaubte, er müsse mich für irgendetwas bestrafen, dann sollte er doch! Von mir aus konnte er mich auch töten lassen, denn mein Herz war bereits tot.


    Dann fiel mir auf, wie sein Blick zu meiner Frau ging, wie er sie begutachtete und darüber nachdachte, was mit ihr zu geschehen hatte. Noch konnte ich mich zurückhalten und blieb ruhig. Doch wenn er sie einfach verschwinden lassen wollte, so wie es manch anderen toten Sklaven geschah, die gestorben waren, dann konnte ich für nichts garantieren. Sie sollte eine ordentliche Bestattung bekommen!
    Ihm war aber auch aufgefallen, dass meine Wunde wieder zu bluten begonnen hatte. Kein Wunder, das Blut, das an meinen Händen klebte, war noch frisch und nicht eingetrocknet, wie das auf meiner Tunika.
    Auf jeden Fall musste ich versuchen, wieder auf die Füße zu kommen. Dann konnte ich auch zu Sothos gehen, der sich meiner annehmen konnte. In dem ich mich an der Wand festfielt, schaffte ich es auch. Allerdings fühlte ich mich ziemlich wacklig auf meinen Füßen. Sciurus reichte mir großzügig seinen Beutel, damit ich ja nichts vollblutete. Ich fing ihn auf und drückte ihn fest auf die Wunde. Dann wollte ich schon gehen, zögerte aber bei seiner letzten Bemerkung. „Wohin bringst du sie? Sie soll ordentlich bestattet werden. Ich werde Scato darum bitten.“ Ich war mir nicht sicher, ob ich ihm trauen konnte. Jedoch da ich Scato ins Spiel gebracht hatte, hoffte ich er würde sie nicht irgendwo verschwinden lassen.

  • Natürlich war es nicht Sciurus' Intention gewesen, die Leiche einer ermordeten Peregrina ordentlich zu bestatten. Ein Mordopfer galt es möglichst schnell und unauffällig zu beseitigen. Und eine Bestattung kostete Geld - Geld, das Angus nicht hatte.
    "Du hast Zeit bis Morgen Mittag, deinen Herrn darum zu bitten. Solange bleibt sie im Keller, danach werde ich sie entsorgen", antwortete er kalt nachdem sein Gegenüber die Herrschaftskarte ausgespielt hatte.

    Sciurus mochte keine Probleme, die aufgeschoben wurden. Ein solches war die Tote, denn je länger sie herumlag, je mehr würde sie anfangen zu stinken und Aufmerksamkeit erregen. Darüber hinaus glaubte er ohnehin nicht, dass Scato der Bitte des Sklaven nachgeben würde. Angus hatte ihm an diesem Abend augenscheinlich so einige Probleme eingebracht und dies auch noch mit einer Bestattung zu belohnen war kaum denkbar im flavischen Haushalt. Scatos' Großvater Felix etwa hätte vermutlich nicht nur den Leichnam entsorgen lassen, sondern Angus gleich mit.

  • Sciurus‘ Worte pochten heftig in meinem Kopf. Du hast Zeit bis morgen Mittag… morgen Mittag… bis morgen Mittag! Danach werde ich sie entsorgen… Mir wurde schwindlig bei dem Gedanken. Ich konnte jetzt nicht einfach zu Sothos gehen, um mich verarzten zu lassen und mich dann schlafen legen, wo mich dann womöglich das Fieber heimsuchte und mich vielleicht dann für Tage außer Gefecht setzte.
    „Ich werde mich darum kümmern,“ gab ich recht angebunden zurück und begab mich sofort, mehr taumelnd als gehend, ins Innere der Villa.


    Immer wieder musste ich mich an den Wänden der Gänge abstützen. Längst hatte ich schon den Sklaventrakt hinter mir gelassen, doch der Weg zu Scatos Räumen schien mir endlos zu sein.
    Gewiss, mein äußeres Auftreten hatte etwas Beängstigendes an sich. Mein nasses Haar wirkte zerzaust und hing in tropfenden Strähnen herab und in meinem Gesicht hielt langsam eine ungesunde Blässe Einzug. Morrigan, du kannst mich gerne haben, doch zuvor gewähre mir noch etwas Zeit!
    Auch die durchnässte Tunika, die ganz mit Blut verschmiert war und an der Seite einen Einstich aufwies, aus dem immer noch mehr Blut austrat, trug nicht unbedingt zur Beruhigung eines unbedarften römischen Gemütes bei. Zwar versuchte ich den weiteren Austritt des Blutes mittels des Stoffbeutels, den Sciurus mir zugeworfen hatte, zu verhindern, die Blutung selbst aber konnte ich so nicht stoppen.
    Endlich hatte ich nun die richtige Tür gefunden. Bevor ich anklopfte, verharrte ich kurz, um meine letzten Kräfte zu mobilisieren. Dann trat ich ein.

  • Statt dem erwarteten Schimmer einer Öllampe traf ich auf völlige Dunkelheit. Scatos Cubiculum war leer. Er war irgendwo, nur nicht hier, wo ich gehofft hatte, ihn zu finden. Waren ihm die Ereignisse des heutigen Tages doch so sehr auf den Magen gestoßen, dass er von hier fliehen musste? Ich wusste ja inzwischen, dass er in manchen Dingen recht zart besaitet war und dass mit ihm nach nervenaufreibenden Ereignissen, die ihn selbst betrafen, kaum noch etwas anzufangen war.
    Doch nun merkte ich, wie mir die Zeit zwischen den Fingern davon rann. Du hast Zeit bis morgen Mittag… morgen Mittag… bis morgen Mittag! Danach werde ich sie entsorgen… Sciurus Worte hämmerten nun mit all ihrer Wucht in meinem Hirn und ich begriff, dass ich nichts mehr tun konnte. Mein Puls ging schneller und sorgte dafür, dass meine Wunde nun wieder stärker zu bluten begann. Die Stofftasche, die mit der Villicus überlassen hatte, war inzwischen schon vollgesogen. Mir wurde schwindelig. Ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten. Ich sah, wie sich meine letzte Hoffnung direkt vor meinen Augen in Luft auflöste. Nun verlor ich Aisling noch ein letzte Mal. Dann wurde mir schwarz vor Augen und ich sacke zusammen. So blieb ich am Boden liegen und wartete darauf, bis endlich auch noch der letzte Rest Leben aus mir entwich. Dabei fühlte ich eine besondere Stille, die in gewisser Weise auch tröstlich war.

  • Auch wenn Scato kein besonderes Interesse daran hatte Angus nach diesem Abend das Geschenk des Lebens zu bereiten, so wollte er höchstselbst der Richter sein und über jenes walten. Als er also selbst noch seine Wunden leckend zu seinem Zimmer kam, und Angus dort vorfand, überlegte er einen kurzen Moment ob er den Göttern nicht eine weitere Seele zukommen lassen sollte, immerhin hatte Angus versagt, und er war überrascht dass dieser es überhaupt rausgeschafft hatte..
    "RUFT EINEN MEDICUS!" brüllte er also durch die Villa und zugleich eilten Sklaven herbei die den Mann auf Scatos Tisch legten, und seine Wunde notdürftig zusammenhielten, bis ein Gelehrter zur Stelle war..
    "Stirbt er, geht ihr mit! Ich bestimme über ihn! Ich und niemand sonst!" fauchte Scato die völlig fertigen Sklaven an, bevor er sich einen Becher Wein füllte und sich in einen Sessel fallen ließ. Es wäre doch gelacht wenn Angus seiner Bestrafung zuvor käme!


    ...Nach einer Weile, Scato hoffte es war nicht zu spät, eilte der Medicus ins Zimmer und begann mit der, für die damalige Zeit, sehr fachmännischen Versorgung der Wunde, auch wenn der Ausgang des ganzen ungewiss war.

  • Vielleicht sollte es so enden. Und wenn dem so war, dann wehrte ich mich auch gar nicht mehr dagegen. Der Mosaikboden, auf dem ich lag, wurde zwar durch den darunter verborgenen Hypokaust gewärmt. Vielleicht zögerte dieser Umstand das Ganze auch ein wenig hinaus. Am Ende jedoch war die Konsequenz meines Zustands unausweichlich. Mein Atem hatte sich bereits verlangsamt. Bald war der letzte Rest ausgehaucht. Ich spürte auch kaum noch die Schmerzen meiner Verletzung. Nur noch wenig trennte mich von ihr. Schon bald konnten wir wieder zusammen sein. Dann würde ich sie, so wie damals, wieder bei der Hand nehmen und mit ihr über die saftig grünen Wiesen…


    Irgendetwas schien mich plötzlich zurückreißen zu wollen. Die aufgebrachten Stimmen und das Vibrieren aufgescheuchter Schritte um mich herum waren mir nicht sofort bewusst geworden. Wahrscheinlich erst, als man versuchte, mich vom Boden aufzuheben und sich der brennende Schmerz meine Wunde wieder einstellte, begriff ich, dass ich nicht mehr allein war. Mehrere Hände zerrten an mir herum und schienen sich alle Mühe zu geben, mich hier im Diesseits zu behalten. Doch eine seltsame Gleichgültigkeit überkam mich. Wollte ich überhaupt noch hier bleiben? Wesentlich einfacher war es doch, sich einfach dahintreiben zu lassen…


    ~


    Cosmas, der flavische Medicus hatte sich die größte Mühe gegeben und tat auch weiterhin alles, um mein Leben zu retten. Tagelang hatte es auf der Kippe gestanden, ob ich dies überhaupt überleben sollte. Denn meine Wunde hatte sich entzündet und dem geschwächten Körper zusätzlich noch mit Fieber zugesetzt. Als ob sein eigenes Leben davon abhing, war er mir all die Tage nicht von der Seite gewichen. Später erfuhr ich dann, dass man tatsächlich sein Leben von meinem Überleben abhängig gemacht hatte. Mehrmals täglich hatte er bis zur Erschöpfung die Verbände gewechselt, die Wunde gereinigt, sie mit Tinkturen und Salben behandelt und versucht, das Fieber zu senken. Nach langen Tagen des Bangens fruchteten schließlich diese Mühen. Das Fieber sank und die Wunde, begann wieder zu verheilen. Wie es allerdings in mir drinnen aussah, wusste niemand.
    Der Medicus, dem die Strapazen der letzten Tage anzusehen waren, saß neben mir an meinem Lager, als ich erwachte. Mir war anfangs nicht bewusst gewesen, wie lange ich geschlafen hatte, doch ich ahnte bereits, dass die Zeit, die Sciurus mir zugedacht hatte, längst verstrichen sein musste. Cosmas aber schien ein Stein vom Herzen zu fallen. Sofort ließ er mir eine kräftigende Suppe zubereiten und meinte, bald sei ich wieder der Alte. Aber was wusste Cosmas schon!
    Die Suppe musste man mir einflößen. Ich hatte kein Verlangen nach Essen. Warum sollte ich diesen Körper noch am Leben erhalten, wenn mir doch nichts mehr am Leben lag? Außerdem nervte es mich, dass ständig jemand nach mir sah. Noch ahnte ich nicht, warum sich alle so eindringlich um mich kümmerten. Doch dies änderte sich einige Tage später, als ich das Gespräch zwischen dem Medicus und einen anderen Sklaven belauschte. Die beiden wähnten mich schlafend, daher gaben sie sich so ungewohnt offen.:
    „Eigentlich ist es doch völlig sinnlos, dass wir ihn erst gesund pflegen, wenn er dann doch wieder…“, begann der Sklave.
    „Was, wenn er doch wieder?! Was redest du da?“ Cosmas war kein Freund solcher Reflexionen. Er hatte einen Auftrag von Dominus Scato erhalten und den gedachte er auch auszuführen, ohne wenn und aber.
    „Na, wenn er dann doch bestraft werden soll. Du glaubst doch nicht, dass..“
    „Was glaube ich nicht?“, fiel der Medicus dem Sklaven ins Wort.
    „Du weißt genau, dass die Flavier mit ihren Sklaven nicht zimperlich sind, wenn es ums ‚Bestrafen‘ geht.“ Natürlich hatte man sich unter der Sklavenschaft bereits so seine Gedanken gemacht. Schließlich hatten die Ereignisse um die Rückkehr des Sklaven Angus hatte im Sklaventrakt blitzschnell die Runde gemacht.
    „An deiner Stelle, würde ich mir darüber keine Gedanken machen. Das ist alleine die Sache seines Domnius. Wenn er der Meinung ist, dass sein Sklave versagt hat, dann hat er allen Grund, ihn zu bestrafen.“ Damit war für Cosmas das Thema erledigt und ich war um eine Erkenntnis schlauer. Das war es also, warum alle so nett und fürsorglich zu mir waren, obwohl ich doch versagt hatte...


    ~


    Tage später nutzte ich einen unbeobachteten Moment und verließ mein Lager. Ich hatte immer noch Schmerzen. Sehr schwerfällig zog ich mir eine frische Tunika über. Dann schlurfte ich langsam hinaus aus dem Schlafraum. Hin und wieder blieb ich stehen, um mich auszuruhen. Es bedurfte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich das Balneum erreicht hatte. Ich wusch und rasierte mich. Ein kleiner schaler Spiegel ließ dennoch erahnen, wie erschreckend noch immer mein Aussehen war. Die Verletzung und das Fieber hatten ihre Spuren hinterlassen. Mein Gesicht wirkte eingefallen und grau und auch der Glanz in meinen Augen war verschwunden.
    Schließlich setzte ich meinen Weg fort und fand mich wieder dort ein, wo ich bereits vor ich weiß nicht wie vielen Tagen gestanden hatte. Nach einigem Zögern klopfte ich endlich an und trat ein.

  • Scato hatte das Klopfen natürlich vernommen, aber irgendwie trat sowieso jeder sofort ein wenn er geklopft hatte, weshalb er sich gar nicht mehr die Mühe machte überhaupt etwas zu sagen. Im Gegenteil, stur blickte er weiter auf seine Aufzeichnungen, seine Karriere stagnierte ein wenig, er musste was dagegen tun. Aber vorher gab es unbedeutendere Angelegenheiten um welche er sich würde kümmern müssen, und eine von diesen hatte auch gerade sein Zimmer betreten..
    "Du lebst.", sagte Scato kühl während er seine Augen nicht einmal von seinen Schriften nahm um Angus anzusehen, es war auch mehr eine Feststellung denn eine Aussage die ihn betraf, denn Scato hatte noch immer Wut im Bauch, Wut darüber, dass ihn ausgerechnet sein Leibwächter fast zu Tode gebracht hätte, und dass zwei seiner Männer auf offener Straße erdrosselt wurden, und alles nur, weil Angus sein barbarisches Liebchen retten wollte, oder wie auch immer der Hergang war, Scato erinnerte sich nicht mehr, es interessierte ihn auch nicht mehr, aber er war durchaus gespannt wie Angus seinen Kopf aus der Schlinge würde ziehen wollen..

  • Nur ein, zwei Schritte trat ich näher und verharrte dann vorerst mit gesenktem Blick. Ich wartete darauf bis Scato mich ansprach. Doch das tat er nicht. Er ignorierte mich ganz einfach. Nach einer Weile blickte ich kurz auf und sah ihn, wie er sich krampfhaft mit einigen Papieren beschäftigte. Natürlich konnte ich mir sehr gut vorstellen, dass er nicht gerade gut auf mich zu sprechen war. Ich hatte ihn in Gefahr gebracht und ihn allein gelassen. Aber was noch schlimmer war, ich hatte ihn gedemütigt, als er ohne Begleiter und auch ohne Leibwächter eingeschüchtert durch die Stadt irren musste,nur weil ich von meinem Verlangen nach Rache so geblendet worden war.


    Lediglich zwei Worte richtete er endlich an mich, ohne dabei mich auch nur eines Blickes zu würdigen. Meine Antwort darauf fiel auch recht spärlich aus. „Ja.“ Ich lebte. Mein Herz schlug und meine Lungen atmeten. Mein Blut floss durch meine Adern und mein Körper konnte Schmerz verspüren. Doch ansonsten herrschte in mir eine tiefe leblose Leere.


    „Ich verstehe deine Verärgerung sehr gut, Dominus,“ begann ich nach einer Weile endlich das Schweigen zu brechen. Meine Stimme klang müde und resigniert. „Was ich getan habe, ist unentschuldbar. Ich habe dich der Gefahr ausgesetzt und dich im Stich gelassen – für nichts.“ Mein blinder Eifer nach Vergeltung hatte letztendlich alles zerstört, was mir wichtig gewesen war.
    „Warum hast du mich nicht einfach sterben lassen?“ Das wäre das Beste gewesen, für ihn und für mich. Nun musste er sich mit einem nutzlosen Sklaven herumschlagen und ich war dazu verdammt, mir für den Rest meines beschissenen Lebens Vorwürfe zu machen.

  • Scato blickte bei der letzten Frage seines Sklaven auf, warum er ihn nicht hatte sterben lassen?! Angus hatte noch viel zu lernen, oder hätte noch viel lernen müssen, nun war alles nur noch Schall und Rauch..
    "Warum ich dich nicht habe sterben lassen?", fragte er abgeklärt, rollte seine Papyrusrolle zusammen und schob sie ein Stück zur Seite, "Weil es nicht die Entscheidung etwaiger Dahergelaufener ist ob du stirbst. Es ist auch nicht die Entscheidung der Mediziner, und es ist auch nicht deine Entscheidung.", erklärte er, jedoch so pragmatisch und kalt, dass sein Atem zu Dampf werden würde, wenn seine Stimmung die Temperatur im Raum beeinflussen könnte, "Es ist ganz allein meine Entscheidung. Du gehörst mir, dein Leben, deine Geist, und alles was dich ausmacht, ausgemacht hat und ausmachen wird gehört mir.", erklärte er so, als ob es das normalste der Welt wäre, so als ob Angus nicht durch die Fähigkeiten des Medicus, sondern ganz allein auf seinen Beschluss hin überlebt hätte, "Natürlich musst du für deine törichten Taten bestraft werden, und normalerweise wäre der Tod eine mehr als angemessene Sanktion. Doch ich bin Politiker, und ich meine ein ganz gutes Händchen für das Geschäft zu haben, und schreibe meine Investitionen deshalb nicht allzu schnell wieder ab. Du wirst eine Strafe erfahren, und solltest du dir noch einen Fehltritt leisten, so verkaufe ich dich noch an die Minen, oder in an eine Gladiatorentruppe, so oder so, der Tod würde dich dort schnell finden und langsam sterben lassen.", erklärte Scato und grübelte kurz über eine angemessene Strafe, "Im Morgengrauen erwartet dich die Peitsche im Hof, ich muss noch zusehen ob ich beiwohne oder länger schlafen möchte. Denk daran, du bist auf Bewährung, enttäusche mich nicht noch einmal Angus."

  • Diese eine Frage hatte all die Arroganz und Anmaßung des Römers wieder offen hervortreten lassen. Als ob er Herr über Leben und Tod sein konnte! Allein der Kunst des Medicus war es doch letztlich geschuldet, dass ich immer noch lebte. Aber ich verstand, dies alles sollte mir noch einmal seine Allmacht vor Augen führen, die er über mich, mein Leben und meinen Geist besaß. Jedoch irrte er, wenn er glaubte, auch über meinen Geist bestimmen zu können. Mein Körper und mein Leben mochten ihm gehören. Doch nicht mein Geist! Darüber würde er niemals herrschen können. So glaubte ich jedenfalls. Im Grunde aber war dies im Augenblick sowieso nebensächlich. Alles womit sich meine Gedanken im Moment beschäftigten, war die Frage nach dem Warum. Warum hatte ich sie nicht retten können? Warum hatte mich mein Hass soweit getrieben? Warum war ich so schwach gewesen? Immer wieder gelangte ich nur zu der einen Antwort, dass ich nichts anderes hätte tun können. Und ich war mir bewusst, dass ich immer wieder so handeln würde. Auch wenn Scato mir dafür die schlimmste aller Strafen aufbürden würde. Doch, ich würde es immer wieder tun, wenn sich die Möglichkeit bot, eine der Meinen zu retten. Doch mit Aislins Tod war der letzte Rest meines alten Lebens für immer ausgelöscht. So als hätte es meine Vergangenheit nie gegeben. Nun gab es nichts mehr, wofür es sich lohnte, etwas zu wagen oder die Aufmerksamkeit seines Dominus zu gewinnen. Mehr Energie in eine Sache zu stecken, als tatsächlich notwendig war. Allein aus diesem Grund tat sich der Flavier keinen Gefallen damit, mich länger am Leben zu halten.


    Ich sah kurz auf, als er damit begann, sich zu überlegen, womit er mich am ehesten treffen könnte. Da er mir den Tod verweigerte, weil ihm diese Option wohl zu gnädig in seinen Augen erschien, verdammte er mich zum Weiterleben. Die Aussicht, in den Minen oder unter den Gladiatoren zu landen, sprach er als Drohung aus. Für mich allerdings klang dies eher als Hoffnung auf einen zwar schmerzvollen aber dafür absehbaren Tod.
    Schließlich war es dann die Peitsche, die mich erwarten sollte. Bei Morgengrauen im Hof. Schon oft war mir das hölzerne Kreuz im hintersten Teil des Hofes, dort, wo selten nur einer der Flavier einen Fuß hinsetzte, aufgefallen. Zwei grobschlächtige, sich x-förmig kreuzende Balken, an deren beiden oberen Enden jeweils ein eiserner Ring befestigt war, an denen für gewöhnlich die Hände des zu Geißelnden befestigt wurden, so dass jener mehr hing als stand wenn die Peitsche auf seinen Rücken hernieder sauste. Wenn man etwas genauer schaute, so konnte man die Spuren früherer Bestrafungen erkennen. Wie zur Mahnung stand das Kreuz dort, auf das jedem Sklaven, dem es ins Auge fiel, sofort klar sein musste, was ihm blühte, wenn er den Zorn seines Herrn auf sich zog.
    Un dennoch, dieses Urteil erfüllte mich nicht mit Schrecken. Ganz gleich wie viele Hiebe mich morgen erwarten sollten. Vielleicht betäubten sie den Schmerz, der mein Herz umgab und der mich so bedrückte. Mit unveränderter Miene nickte ich Scato zu. „So viel Großmut habe ich nicht verdient, Dominus! Ich danke dir für dein mildes Urteil. Morgenfrüh werde ich mich pünktlich im Hof einfinden.“

  • Am nächsten Morgen


    Nach einer schier nicht enden wollenden schlaflosen Nacht verließ ich kurz vor Morgengrauen mein Lager, wusch mich und bekleidete mich, wie jeden Tag. Heute jedoch war kein Tag wie jeder andere. Keinen Moment lang verschwendete ich einen Gedanken daran, wie absurd es eigentlich war, sauber und gut gekleidet zur eigenen Bestrafung zu gehen. Letztlich würde es der Peitsche egal sein, ob die Haut zuvor direkten Kontakt zu Wasser und Seife gehabt hatte.


    Im Servitriciuum herrschte schon ein reges Treiben. Ich jedoch nahm direkt den Weg nach draußen zu dem hintersten Hof. Dort erwartete man mich bereits. Rhascus, ein grobschlächtiger Thraker, der unter normalen Umständen als Hufschmied in der Villa diente, und zwei seiner Gehilfen, die auch nicht gerade den Eindruck machten, zart besaitet zu sein, hatten bereits mit den Vorbereitungen begonnen. Während der Thraker sein Folterinstrument testete, brachten seine beiden Gehilfen links und rechts jeweils ein Seil an den beiden Balken an, an dem man mich schon in Kürze nach oben ziehen sollte. Auch die ersten „Schaulustigen“ fanden sich ein. Wobei diese Art von Unterhaltung für die Sklaven eigentlich als Abschreckung dienen sollte. Seht her, was euch blüht, wenn ihr euren Herrn nicht gehorcht! Was mit euch geschieht, wenn ihr nachlässig seid und zu einer Enttäuschung für euren Dominus werdet!


    Der Anblick der beiden gekreuzten Balken ließ mich erschauern, als ich den Hof erreicht hatte. Rhascus schien dies bemerkt zu haben und ließ noch einmal die Peitsche mit voller Wucht laut knallen und grinste mir erwartungsvoll ins Gesicht. Ich jedoch wendete meinen Blick ab und besah mir das inzwischen schon zahlreich angewachsene Publikum. Auch die süße Irmhilta war unter ihnen, die kaum ihre Tränen zurückhalten konnte. Doch mein Blick hielt weiter Ausschau nach Scato. Am Abend zuvor hatte er noch ganz offen gelassen, ob er zu so früher Stunde diesem Spektakel hier beiwohnen wollte. Meine Augen jedoch konnten ihn nicht finden. Er war nicht da. Es interessierte ihn nicht. Seine Absenz und Ignoranz waren nur ein weiteres Mittel, um mir klarzumachen, wie sehr ich in seiner Wertschätzung gesunken war. In seinen Augen war ich nur noch ein Nichts! In gewisser Weise traf mich dies wohl härter, als jeder Peitschen hieb, der noch folgen sollte.


    Rhascus packte mich bei meiner Tunika und zog mich von meinen Gedanken noch näher an sich heran. „Zieh dich aus!“, bellte er. Ich zögerte nicht lange und legte die Tunika ab. Die noch nicht ganz verheilte Narbe an meiner Seite kam zum Vorschein. Ebenso die Tätowierungen an meiner Brust und den Oberarmen, die wie Relikte aus einer anderen Zeit an meinem Körper hafteten, die einst Zeichen eines wertgeschätzten Mannes waren. Doch diese Zeiten lagen bereits lange zurück und es gab niemand mehr außer mir, der sich ihrer erinnerte.
    „Alles ausziehen! Na los, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!“, bellte er weiter, weil ihn mein Anblick nicht zufriedengestellt hatte und er mir auch den letzten Rest an Demütigung nicht ersparen wollte. Schließlich legte ich auch noch den Lendenschurz und meine Sandalen ab. Erst jetzt schien er zufrieden zu sein und gab seinen beiden Gehilfen ein Zeichen. Die beiden packten mich bei meinen Armen und zerrten mich zu den Balken hin. Sie banden meine Handgelenke mit den Seilen und zogen mich ruckartig nach oben. Stöhnend gab mein Körper nach als er straff nach oben gezogen wurde, so dass lediglich meine Fußspitzen noch einen Halt auf dem Boden fanden. Ich fand mich nun in einer sehr unbequemen Stellung wieder, die es mir kaum erlaubte, mich noch irgendwie zu bewegen, geschweige denn entspannt atmen zu können. So verharrte ich vorerst und erwartete den ersten Schlag, der aber einfach nicht kommen wollte. Es schien, als wartete Rhascus noch auf etwas. Oder war dies nur Teil seines grausamen Plans, mich noch länger buchstäblich auf die Folter spannen zu wollen?

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