Seiana schauderte erneut, als sie seine Finger nun auf ihrer Haut spürte, und ein wohliges Gefühl breitete sich in ihr aus, als ihr Mann sie ins Schlafzimmer und zum Bett drängte. Sie liebte es, ihn so zu spüren, und das Wissen, dass ihre Beziehung endlich nicht mehr verheimlicht werden musste, machte es so viel besser. Nie mehr dieser Gedanke im Hinterkopf, dass es nicht richtig war. Nie mehr die Befürchtung, eines Tages könnte es, aus welchen Gründen auch immer, vorbei sein, weil die Entfernung zu groß war oder andere Menschen zwischen sie traten. Stattdessen die Gewissheit, dass sie jetzt offiziell zusammengehörten, die sich in jeder ihrer Berührungen zeigte. Sie küsste ihn, erkundete seinen Körper, und obwohl sie ihn so gut kannte nach all den Jahren, wieder entdeckt hatte in den letzten Wochen nach der Zeit der Distanz, war es dennoch anders, auf aufregende Art anders. Der Wein, von dem sie auch heute zwar nicht viel, aber doch mehr als üblich getrunken hatte, tat sein Übriges dazu. Alles zusammen genommen führte es dazu, dass Seiana mehr als sonst aus sich heraus ging, aktiver Einfluss nahm, während sie sich gleichzeitig unter seinen Berührungen wand und schauderte.
Ein kleines Landgut in den Albaner Bergen
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Das Ehefrau-sein schien Seiana ein wenig selbstsicherer zu machen, eine Änderung die für Seneca durchaus erfreulich war, auch einfach weil er so eine neue Seite an ihr kennenlernte.
Während sie also auf dem Bett lagen, Haut an Haut, sodass kein Blatt zwischen sie passte, und Seneca ihr allerlei Dinge ins Ohr flüsterte, wurde ihm bewusst dass er von heute an wohl jeden Morgen zuerst ihr wunderbares Gesicht sehen würde. Eine wunderbare Vorstellung, auch wenn er beim imaginären Blick aus dem Fenster viel Schnee sah.
Sie vereinigten sich, und auch wenn es nicht das erste Mal, und wenn es nach Seneca ginge auch bei weitem nicht das letzte Mal war, so war es doch sehr besonders und auf eine eigene Art einzigartig.
Es war eine lange Nacht, es war warm, kalt, entspannt, anstrengend, und ganz und gar perfekt. Es war spät in der Nacht, oder früh am Morgen, als Seneca im Bett lag, mit der Hand durch die Haare seiner Frau fahrend, erschöpft aber glücklich. -
Zitat
Original von Decima Seiana
Seiana ließ ihren Blick in die Ferne schweifen, als Senecas Vetter davon sprach, dass es seine Gens von innen zerreißen könnte. Sie wusste nicht, was sie darauf noch hätte erwidern sollen. Sie wollte nicht, dass es dazu kam, genauso wenig wie sie gewollt hatte, dass es in ihrer eigenen Familie Ärger gab... sie hatte ja nicht ohne Grund gezögert, als Seneca sie gefragt hatte, ob sie ihn heiraten wollte. Sie hatte nicht ohne Grund gezweifelt, und wenn sie ehrlich war, dann hatte sie bis heute Zweifel. Aber sie wollte mit ihm zusammen sein, und er mit ihr, und wenn das hieß, dass sie manche vor den Kopf stoßen würden damit... dann war es offenbar so. Es gefiel ihr ganz und gar nicht. Aber Seneca deswegen aufzugeben, wo sich endlich die Chance zu bieten schien ein gemeinsames Leben zu führen... nein.
„Mach dir keine Gedanken“, versicherte sie ihm letztlich nur, als Avianus sich dann noch entschuldigte, das Thema überhaupt angesprochen zu haben. „Bei allem, was passiert ist, und so eng, wie du und Seneca befreundet seid... da kann ich dir nicht verdenken, dass du Fragen hast, die du mir selbst stellen wolltest.“Ihr spontan geäußerter Zweifel, ob er wirklich verstehen konnte, was sie getrieben hatte, schien Avianus nicht so ganz zu gefallen, und Seiana presste flüchtig die Lippen aufeinander. Sie wollte ja, dass er verstand, und sei es nur um Senecas Willen. Aber sie wusste nicht so recht, wie sie es erklären sollte, ohne sich ganz und gar zu öffnen – und das kam nicht in Frage. Selbst jetzt schon fühlte sie sich ein wenig unwohl, zwang sich, an Seneca zu denken, um mit Avianus so zu reden, wie sie es tat. Es half zwar, dass er nicht abweisend reagierte, aber das hieß nicht dass sie sich damit wirklich wohl gefühlt hätte. „Kein wahres richtig oder falsch“, wiederholte sie, ihre Stimme ein wenig bitter. „Ja, das stimmt wohl. Manchmal hat man nur die Wahl, welche Entscheidung einem weniger falsch erscheint. Und dabei passiert es nur allzu leicht, dass man seine Prioritäten falsch setzt.“ Wieder starrte sie in die Ferne, und unruhig bewegten ihre Finger das Stück Papyrus. Für einen winzigen Moment war sie völlig gedankenverloren, dachte zurück, wie sie Seneca kennen gelernt hatte, wie sie zueinander gefunden hatten. „Ich weiß, dass ich mich nicht auf ihn hätte einlassen sollen. Es war nur...“ So schwierig gewesen. So viel Druck. So viel Einsamkeit. Seneca war da gewesen, als sie ihn am dringendsten gebraucht hatte, und das obwohl sie damals noch gar nicht gewusst hatte, dass sie ihn brauchte. Seiana löste ihren Blick schließlich aus der Ferne und sah Avianus wieder an. „Trotz der Schwierigkeiten habe ich es nie bereut“, sagte sie schließlich noch, ohne ihren vorigen Satz zu beenden, und nach kurzem Zögern reichte sie ihm dann den Papyrus mit Senecas Worten, der ersten Nachricht, die er ihr überhaupt geschickt hatte.
Als Seiana dann erfuhr, dass Avianus von Silana wusste, spürte sie wie so etwas wie Panik in ihr aufzusteigen begann. Es gab dafür keine wirklich rationale Erklärung, dass es sie so heftig erwischte. Das wusste sie selbst. Trotzdem war es so, und mühsam kämpfte sie dagegen an. Seit sie realisiert hatte, dass sie schwanger war, hatte sie sich selbst wieder und wieder eingebleut, dass außer ein paar wenigen Menschen niemand, niemand jemals davon erfahren durfte, was es mit Silana auf sich hatte. Das Kind war der lebende Beweis für ihre Untreue, für ihr Versagen. Gerüchte konnte man von sich abperlen lassen, aber wer von dem Kind wusste, konnte es gegen sie benutzen. Es würde ihr schaden, es würde dem Mädchen schaden, es würde Seneca schaden. Dass das Kind überhaupt hier war, bei ihr, lag sowieso nur an Seneca – wäre es nach Seiana gegangen, sie hätte das Mädchen weggeschickt, in irgendeine weit entfernte Provinz, wo es bei weit entfernten Verwandten hätte aufwachsen können. Aber Seneca hatte das nicht gewollt, und sie hatte es nicht über sich gebracht, das einfach gegen seinen Willen durchzusetzen. Hätte sie es getan, hätte sie Seneca vermutlich verloren, nicht sofort, aber auf Dauer. Sie bezweifelte, dass er ihr das hätte vergeben können... Und sie musste sich eingestehen, dass sie trotz der Unsicherheit, die sie im Umgang mit ihrer Tochter spürte, sich mittlerweile auch nicht mehr vorstellen konnte, sie nicht in ihrer Nähe zu wissen.
Seiana atmete einmal tief durch. Es gab keinen Grund für Panik. Avianus hatte bereits bewiesen, dass er vertrauenswürdig war, oder nicht? Seneca hatte sich einmal der falschen Person anvertraut, aber die hatte das sofort gezeigt. Avianus wusste nun auch schon länger Bescheid, über mehr Details ihrer komplizierten Beziehungsgeschichte, als ihr eigentlich lieb war, und er hatte bislang nichts getan, was ihr einen Grund zu Misstrauen oder Furcht hätte geben können. Was machte es da, wenn er noch ein weiteres Detail wusste? „Entschuldige bitte. Ich war nur überrascht, das ist alles. Von dem Kind-“ Seiana hielt kurz inne und zwang sich, den Namen ihrer Tochter auszusprechen: „Von Silana – wer sie wirklich ist – weiß kaum jemand. Seneca. Mein Bruder.“ Dazu die Amme, die nicht reden konnte, und ihre drei loyalsten Sklaven. „Und wie du dir wohl vorstellen kannst, ist es sehr relevant, dass das auch so bleibt.“ Womit sie mehr oder weniger bei der ursprünglichen Frage wäre, die Avianus gestellt hatte. „Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass es viel bringen würde, ihr irgendwann die Wahrheit zu sagen.“ Im besten Fall war es ihr egal – im schlimmsten Fall würde es ihr weh tun, und warum nicht ihr letzteres ersparen, wenn man es konnte? Vielleicht hielt Seneca es für wichtiger, ihr irgendwann reinen Wein einzuschenken, Seiana war das bewusst, aber sie hielt es für keine gute Idee. „Zumindest so lang sie noch klein ist, macht es ohnehin keinen Sinn. Ich... wir haben vor, sie als eine weiter entfernte Verwandte von mir auszugeben, die gestorben sind, und die ich aufgenommen habe. Wenn etwas Zeit vergangen ist, wird Seneca sie adoptieren.“Endlich musste Avianus wieder lächeln. Wie recht sie doch hatte, teilweise zumindest. Wie konnte man falsche Prioritäten setzen, wenn in einer bestimmten Situation falsch nicht existierte? Es sei denn natürlich, Seiana glaubte, dass sie sich bei einer Entscheidung geirrt hatte, dass es dieses richtig oder falsch eben doch gab. Wenn sie es allerdings nicht bereute, konnte es dann so falsch wirklich sein? Er reimte sich die Dinge einmal mehr selbst zusammen, anstatt nachzufragen. Das wiederum wäre ihm unangenehm gewesen. Dass er hier saß und mit ihr über derart private Dinge sprach, war eigentlich schon genug. Noch weiter nachzubohren wäre sicherlich zu viel des Guten.
"Das hoffe ich doch, dass du es nicht bereust, wo du Seneca ja morgen heiraten wirst", meinte er, ohne erneut groß darauf einzugehen. Nein, seine eigenen Geheimnisse würde er heute nicht preisgeben. Obwohl er ihr nicht misstraute, führte erst zum zweiten Mal ein längeres Gespräch mit ihr.
Stattdessen drehte er den Zettel in der Hand, war nicht ganz sicher ob er ihn denn lesen oder einfach wieder zurückgeben sollte. Er war ihr wichtig, soviel war klar. Schließlich siegte doch seine Neugier und Avianus warf einen Blick auf das, was auf dem Stück Papyrus geschrieben stand. Erst zog er etwas verwundert die Brauen in die Höhe und grinste dann, als er zu Ende gelesen hatte. Es war nicht schwer zu erraten, aus wessen Feder die Nachricht stammte. Ein Liebesgedicht, eine versteckte Botschaft, ein Absender mit den Initialen A.I.S. … und ausgerechnet von seinem Verwandten sollte es kommen. Mochten die Götter wissen, was diese Frau immer wieder mit seinem sachlichen und bedachten Vetter anstellte und wo dieser verliebte Romantiker dann plötzlich herkam.
"Er liebt dich sehr, dass kann ich dir garantieren", meinte er, "Aber das weißt du vermutlich schon länger als ich. Jedenfalls … ich kannte Seneca nie als jemanden, der einfach so derartige Risiken auf sich genommen hätte. Als mein Centurio wusste er immer genau, was zu tun war … war rational bei der Sache, ließ sich nicht beirren, zumindest nach außen hin. Und bei dir … da wirft er wohl alle Logik über Bord wenn es sein muss. Und fängt an, versteckte Liebesbotschaften zu schreiben." Nachdenklich kratzte er sich das Kinn und bekam das Lächeln immer noch nicht aus seinem Gesicht.
"Ich weiß nicht direkt, wie viel dir diese Nachricht bedeutet und die genauen Zusammenhänge kenne ich auch nicht, aber würde sie dir nichts bedeuten, hättest du sie als Opfer sicher nicht in Betracht gezogen. Wenn sie dir also so viel bedeutet, dann opfere sie. Andere Bräute schließen ab mit ihrer Kindheit, und du eben mit diesem Versteckspiel, das hinter euch beiden liegt."Nun ... und Silana? Da waren sich die Eltern wohl selbst noch nicht ganz einig und sicher, wie die Zukunft konkret aussehen würde. Eine Adoption klang schonmal nicht schlecht. Wäre auch zu schade wenn eine Iunia nicht bei den Iunii landen würde. Nur dieser eine Satz ... Nur wenige wussten Bescheid und es sollte so bleiben ... hatte für ihn diesen seltsamen Beigeschmack. Er wüsste nicht, dass er jemals den Eindruck gemacht hatte, eine Bedrohung zu sein. Ja klar, sie kannte ihn kaum, aber ein paar Dinge wusste sie über ihn. Dass Seneca ihm vertraute etwa, oder dass Seneca ihm wichtig war. Alleine damit hatte er gute Gründe, dieses Geheimnis nicht zu verbreiten.
"Ich habe nicht vor, jemandem davon zu erzählen, Seiana. Welchen Nutzen hätte ich auch davon? Seneca wäre ganz bestimmt alles andere als begeistert, und ich will meinen besten Freund sicher nicht vergraulen, und meine Cousine hätte sowohl einen weiteren Grund als auch ein weiteres Mittel ihm und gleichzeitig auch allen anderen Iunii zu schaden, würde sie über irgendeinen Weg davon erfahren." Axilla durfte nichts davon erfahren, das wusste er mit absoluter Sicherheit. Sie mochte noch so gute Absichten haben, vermutlich war genau das das Problem. Sie glaubte, das einzig richtige zu tun, und war deshalb umso weniger davon abzubringen, weiter diesen Krieg zu führen. Ganz ohne Zweifel musste er noch einmal mit ihr Reden und bis es soweit war, würde er ihr sicher keine neue Waffe gegen Seneca und dessen Frau in die Hand drücken. Und selbst danach hatte er nicht darüber zu entscheiden, wer davon wusste. Es war nicht sein Geheimnis, das Mädchen war nicht seine Tochter.
"Gut ... ihr werdet das bestimmt regeln. Wie ich sehe habt ihr zumindest schon so etwas wie einen Plan. Jedenfalls wünsche ich euch, dass ihr das schafft, dir, Seneca und dem Mädchen." Mit diesen Worten gab er Seiana das Stück Papyrus zurück. -
Nein, jetzt anzufangen es zu bereuen wäre wirklich eine schlechte Idee. Und sie war weiter davon entfernt denn je... sie hatte nicht vergessen oder verdrängt, was alles falsch oder ungünstig gelaufen war, aber das Wissen, dass sie Seneca morgen heiraten würde, ließ es verblassen im Vergleich dazu.
Dann musste auch sie lächeln, ein feines, liebevolles Lächeln. Sie wusste, dass Seneca sie liebte. Das aber in der Deutlichkeit von seinem Vetter zu hören, war... sie konnte es schwer beschreiben. Es machte es auf gewisse Art noch realer. Vor allem als Avianus den Unterschied in Senecas Verhalten herausstrich, wie er sonst war, und wie er war wenn es um sie ging. Ihr wurde wohlig-warm, und beinahe überrascht stellte sie fest, dass es ihr gut tat, das zu hören. „Die Logik über Bord geworfen haben wir beide...“ sinnierte sie, immer noch lächelnd, und nickte dann zu der Botschaft hin. „Das war die erste. Alle anderen sind vernichtet, aber ich habe es bisher nie über mich bringen können, die erste zu zerstören. Es mag lächerlich klingen, aber selbst jetzt noch fällt mir das schwer... Umso mehr scheint mir das die passende Opfergabe zu sein.“ Natürlich hatte sie auch andere Dinge vorbereitet, das übliche, aber wenn es darum ging, was ihr wirklich etwas bedeutete, dann hatte kein Wein, kein Obst, keine Opferkekse den Wert, den dieses Stück Papyrus für sie hatte.Als es dann um ihre Tochter ging, wurde Seiana ernst. Ihren mehr als nur impliziten Hinweis, dass von der wahren Herkunft des Mädchens niemand mehr sonst erfahren durfte, nahm Avianus zum Anlass ihr zu erklären, dass er nichts verraten würde – und sein Tonfall sagte ihr, dass er sogar ein wenig gekränkt war davon, dass sie es überhaupt für nötig befunden hatte das zu sagen. Sie presste die Lippen flüchtig aufeinander. „Verzeih bitte. Ich wollte dir nicht zu nahe retten, es ist nur...“ Nicht rational, dachte sie. Avianus wusste auch ohne Silana schon zu viel, wenn es darum ging Seneca und ihr zu schaden. Sie konnte es selbst nicht erklären. Sie hatte sich in den riskantesten Situationen der vergangenen Jahre stets an das Wissen geklammert, dass niemand von Silana wusste, und es war ihr so in Fleisch und Blut übergegangen, dass sie nur schwer damit zurechtkam, dass es auch anders war. Sie sah auf ihre Hände hinab. „... jahrelange Gewohnheit“, beendete sie den Satz schließlich, etwas kläglich und mit einer Begründung, die lange nicht aussuchte, was sie wirklich empfand. Statt es aber noch weiter auszuführen, fügte sie nur noch etwas an, was ihr tatsächlich schwer fiel: „Ich bin nicht unbedingt begeistert, dass du es weißt, das gebe ich zu, aber... ich habe auch nichts dagegen. Seneca vertraut dir. Das reicht mir.“ Sie lächelte bei seinen folgenden Worten und nahm das Stück Papyrus wieder entgegen. „Danke, Avianus. Ich kann dir gar nicht sagen, wie viel es mir bedeutet, dass du ihn so unterstützt. Solltest du jemals irgendetwas brauchen, sag mir Bescheid – wenn ich dir helfen kann, werde ich es tun.“ Ohne es selbst zu realisieren, hatte sie ihn zum ersten Mal nur bei seinem Cognomen genannt, und auch bei den restlichen Worten konnte man ihr anhören, dass sie es ehrlich meinte. Für einen Moment machte sie eine Pause, dann fasste sie das Stück Papyrus fester und erhob sich. „Ich denke, ich sollte mich langsam an das Opfer machen. Ich wünsche dir noch einen schönen Abend.“
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Ganz und gar nicht kam ihm das lächerlich vor. Er hatte es in all den Jahren mit ihren Höhen und Tiefen genauso wenig übers Herz gebracht, Sibels Amulett loszuwerden, und daran würde sich in näherer Zukunft nichts ändern. Es war nur ein Stück Metall an einem Lederband, aber es hingen so wahnsinnig viele wertvolle Erinnerungen daran. Denn Erinnerungen konnten sich bekanntlich an alles heften. Selbst an ein Stück Papyrus. Avianus nickte knapp. Wenn es so war, wie sie sagte, war es zweifellos eine passende Opfergabe.
Da war er offenbar einmal mehr übers Ziel hinausgeschossen. Er war Seiana nicht böse, noch war er wirklich beleidigt. Ebenso wie er sie kaum kannte, wusste auch sie nur wenig über ihn - etwas, das er sich noch einmal ins Gedächtnis rufen musste. Er wollte lediglich klarstellen, dass er weder Streit suchte, noch die alten Konflikte aufwärmen wollte. Er wollte, dass dieser Mist aufhörte, Seneca zuliebe, Silanus zuliebe und irgendwie auch Axilla zuliebe, die sicherlich auch glücklicher wäre, wenn sie sich nicht ständig Sorgen um diese ihre gesamte Gens zerstören wollte Erzfeindin machen müsste.
"Danke für das Angebot, wir werden sehen … aber ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Seneca für mich dasselbe tun würde", gab er nur zurück. Tun würde? Tat er im Prinzip doch. Seneca hatte schon vor einer halben Ewigkeit davon geredet, dass Sibel zu heiraten eine Option war … die er selbst damals im Atrium abgelehnt hatte. Immer hatte er ihn unterstützt, jedes einzelne Mal, als er seinem Vetter sein Unglück vorgejammert hatte, damals in den Baracken der Cohortes Praetoriae. Mit jedem ermutigenden Brief, den er aus Mantua geschickt hatte. Mit jedem einzelnen Mal, wenn er so mit Sibel sprach, dass sie keine Zweifel haben konnte, dass sie willkommen war. Dass Avianus sich im Gegenzug bemühte, sich bei dessen Hochzeit zu benehmen und nett zur Braut zu sein, war er Seneca schuldig, und er tat ihm den Gefallen gerne.
"Den wünsche ich dir auch, Seiana", gab er zurück und stemmte sich hoch, "Und ich werde mal nach meiner Begleitung sehen, denke ich." Die wartete wahrscheinlich bereits auf ihn. Oder hatte vielleicht auch irgendein Problem, bei dem er ihr behilflich sein könnte. Was auch immer war, Seiana hatte ja auch noch zu tun und er wollte nicht weiter stören, wenn es ohnehin andere Dinge gab, um die er sich kümmern sollte.
"Gut, dann … Vale", verabschiedete er sich schlicht.
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