Hoch droben auf den Mauern des Kaiserpalastes standen zwei Gardisten und sahen hinunter auf das Forum Romanum. Der Lärm der jubenden Massen drang von dort wie ein fernes Rauschen an ihre Ohren.
"Scheint sie haben es endlich geschafft." konstatierte der erste, wobei er nachdenklich an seinem Backenbart zupfte.
"Hat lange genug gedauert." bemerkte der zweite.
"Hast du etwa gedacht, Kamerad, die Senatoren machen mal was schnell und einfach wenn es auch sinnlos umständlich und im Tempo einer Schildkröte geht?"
"Hast ja recht, Kamerad."
"Parturient montes, nascetur ridiculus mus."
"Häh?"
"Sieh mal." machte der erste den zweiten auf einen schwarzen Fleck aufmerksam, der rasant den Hügel hinaufstürmte.
"Jetzt werden wir erfahren wer es ist. Was glaubst du? Ich hab einen Wochensold auf den Aquilier gewettet."
"Hauptsache wir haben wieder einen. Ich bin es leid einen leeren Palast zu bewachen. Was ist denn bitte ein Kaiserpalast ohne Kaiser? Ein leeres Gehäuse, ein Ding ohne Zweck, ein Körper ohne Herz, ein Memento des Zerfalls, der inmitten von allem bereits lauert. Da werd ich echt melancholisch von..."
"Naja, dafür war's entspannt in der letzten Zeit."
"...entspannt! Was ist denn bitte ein Leibwächter des Kaisers ohne Kaiser? Seines Zweckes beraubt, im sinnentlehrten Ritual des täglichen Dienstes gefangen wie im Räderwerk einer leerlaufenden Mühle..."
"Halblang, Kamerad! Wir haben doch noch viel mehr Aufgaben. Aufklärung, Spitzelei, staatsfeindliche Tendenzen aufzuspüren und auszumerzen, und Training und Ausbildung, und Depeschendienst..."
"Aber all das resultiert doch nur aus unserer obersten, edelsten und vordringlichen Aufgabe: den Kaiser zu beschützen. Ohne Kaiser ist das alles so sinnlos..."
"Kopf hoch. Wir haben ja wieder einen. Und wer auch immer das Rennen gemacht hat... er wird besser sein als der letzte und wir werden gut auf ihn aufpassen."
"Auf seine Vorgänger haben wir auch gut aufgepasst. Du entsinnst dich vielleicht: Partherpfeil. Giftnachtisch. Putsch. Und der sogenannte "Herzanfall". Das Schicksal ist ein mieser Verräter."
"Griesgram. Ich sage dir: der hier wird uns alle überleben."
"Dein Wort in der Götter Ohren."
Sie verstummten und blickten zum Haupttor. Denn da hindurch sprintete soeben der ausgesandte prätorianische Bote in den Palasthof, krebsrot im Gesicht und rief keuchend:
"Wir haben einen Kaiser! Der Senat hat gewählt! Den Tiberius Aquilius Severus, den Bezwinger der Dacier! Tiberius Aquilius Severus ist der neue Kaiser. Er zeigt sich jetzt dem Volk, dann kommt er hierher!"
Der Bote schnappte nach Luft, und die Neuigkeit raste, wie ein fiebrige Aktivität entfachendes Lauffeuer, über die Höfe und Prachtbauten, durch Korridore und Treppenfluchten, Säulenhallen und Galerien, über schmale Stiegen und durch Dienstbotengänge bis in die muffigsten Archive und tiefsten Eingeweide des Palastes, zu Prätorianern und Procuratoren, Beamten und Kammerdienern, Küchenklaven und Stallburschen bis auch der allerletzte Bescheid wußte:
Der Kaiser kommt!