[Taberna Medica Alpina]

  • Es war schön zu hören, dass Esquilina ihr vertraute, denn Alpina hatte einen Narren an der Kleinen gefressen. Und es verwunderte sie kaum, dass das Mädchen mit manchen Sorgen lieber zu ihr kam als zu Licinus, aber nicht weil sie ihn nicht aufrichtig liebt oder ihm misstraute, aber manchmal war ein Außenstehender einfacher anzusprechen, der Zugang etwas leichter.


    Alpina machte sich an die Arbeit Zunächst begutachtete sie das Ohr. Cerumen - das Ohrenschmalz war nicht viel am Ohreingang zu erkennen. Aber es war ja durchaus möglich, dass es tiefer steckte als man sehen konnte. Deshalb tauchte sie den Ohrlöffel in das angewärmte Öl und ließ das Mandelöl Tropfen für Tropfen in Licinus linkes Ohr laufen. Für Licinus musste es sich anfühlen als versinke seine akustische Wahrnehmung in Watte. Er würde Geräusche zunächst nur ganz gedämpft wahrnehmen. Deshalb sprach Alpina nun nur zu seinem rechten Ohr.
    "Das Öl muss einen Augenblick einwirken. Geben wir dem ganzen die Zeit, die ein Ei kochen muss um hart zu werden. In der Zwischenzeit werde ich die Spülung vorbereiten, mit der wir nachher das Ohrenschmal ausspülen wollen. Dazu verwende ich eine ausgekochte Schweineblase, in die ich die lauwarme Kamillenlösung einfüllle. Ich setze dann einen Hühnerknochen als Röhrchen ein und binde es ganz fest, so dass der Inhalt der Blase nur durch die Röhre nach außen kann. Damit spüle ich dann später dein Ohr."


    Was sie noch nicht sagte war, dass diese Spülung ziemlich sicher einen heftigen Schwindel auslösen würde. Das konnte sie Licinus kurz vorher auch noch sagen. Damit musste er sich jetzt nicht quälen.

  • Onasses betrat die Taberna. Das Türglöckchen kündigte ihn an. Neugierig sah er sich um. Er war noch nie hier gewesen, kannte die Taberna lediglich aus Gesprächen mit Massa. Was hier alles stand und hing. Viele Sachen die er nicht kannte und genauer ansah. Darüber vergaß er fast weswegen er gekommen war.

  • Alpina freute sich, Onasses zu sehen. Es bedeutete, dass sie auch Massa wiedersehen würde. Die Vorfreude hob ihre Siimmung. Sie begrüßte den Ägypter überschwänglich.
    "Salve, Onasses! Schön dich zu sehen! Geht es dir gut?"

  • Aufgeschreckt aus seinen Betrachtungen sah Onasses Alpina erst einmal fragend an. Ach ja! Nein, nein, er war nicht wegen sich selbst hier. " Mir geht es sehr gut. ich bin nicht krank." versicherte er. " Ich wollte dich abholen, wenn es deine Zeit und deine Patienten erlauben."

  • Licinus brummte seine Zustimmung. Verstehen war gerade recht anstrengend, immerhin lag er halb auf dem einen Ohr, während das anere mit einer öligen Flüssigkeit gefüllt war.


    Davon abgesehen war das warme Öl eigentlich ganz angenehm und hätte Licinus nicht fest im Kopf, dass es hier um nicht weniger als sein Hörvermögen ging, hätte es ihn wohl einigermaßen schläfrig gemacht so hier zu liegen. In der gewärtigen Situation zehrte dieses tätigkeitslose Liegen den Nerven des ohnehin nicht sonderlich geduldigen Präfekten nicht besonders gut. Erst war er versucht, sich auf die Zähne zu beißen, dann entschied er sich aber dazu doch ein wenig Konversation zu machen.


    "Wie geht es dir eigentlich im Moment? Alles bereitet für den Wintereinbruch?"
    Täglich rechnete Licinus mit den ersten Schneefällen, die auch liegen blieben.

  • Natürlich war er gekommen um sie zu holen, doch hätte es ja immerhin sein können, dass ihn auch eine Unpässlichkeit plagte. Nachdem er auch aus dem sonnigen, warmen Süden ins kalte Germanien gekommen war.
    "Ich muss kurz sehen, ob ich Ursi bei ihrer Kinderfrau Neman lassen kann. Warte einen Augenblick bitte", kaum gesagt war Alpina schon im Haus verschwunden.


    Wenig später kehrte sie zurück. Sie schien erfolgreich gewesen zu sein, denn sie nickte Onasses zu.
    "Wir können. Ach, mir fällt gerade ein. Kann ich dir mit irgendetwas hier eine Freude machen? Ein Öl für die Haare oder die Haut? Ein Balsam für nach der Rasur? Oder ein Trank gegen Husten und Heiserkeit?"
    Alpina hatte das dringende Bedürfnis dem hilfreichen Geist Massas ein Geschenk zu machen.

  • Alpina war froh, dass Licinus das Gespräch suchte.
    "Ja, danke der Nachfrage. Ich bin ja eigentlich immer gerüstet. Hier sind alle Kräuter, die man bei Erkältungen oder Erfrierungen brauchen kann. Natürlich hoffe ich, dass der Winter nicht allzu streng werden wird. Die Aussicht darauf knietief durch den Schnee zu einer Entbindung oder einer mit Grippe darniederliegenden alten Frau zu stapfen, ist nicht gerade berückend. Aber so ist es eben. Dich fragt ja auch niemand ob du ausrücken magst, wenn die Germanen plötzlich wieder einen Ausfall planen. Oder?"


    Sie zuckte schicksalsbewusst die Achseln.
    "Und wie ist es mit den langen Wintermonaten in der Castra? Was macht ihr da so im Winter? Nur Waffenübungen? Rüstungen polieren?"

  • Geduldig wartete Onasses bis Alpina wieder im Laden stand. Etwas verlegen machte ihn ihr Angebot. Nachdenklich rieb er sich das Kinn. Ein Balsam für nach der Rasur, das fehlte ihm. " Ja, wenn es dir kein Umstände macht wäre ein Balsam nach dem Rasieren, das was mich freuen würde." Er rieb sich nochmals über das Kinn und lächelte. Eine Frau, die ihm eine Freude machen wollte, das kannte er noch nicht. " Machst du das alles selbst? Vielleicht kannst du es mir das nächste mal zeigen. Dominus Massa war vorhin sehr ungeduldig und wollte das Paket schon auspacken. Wir sollten uns beeilen." Onasses bedauerte es, dass heute keine Zeit war, mehr über die Arbeit von Alpina zu erfahren.

  • Die Kräuterfrau war froh Onasses eine Freude machen zu können und übergab ihm ein Döschen mit einem Balsam für die Rasur. Auf die Frage, ob sie alles selbst mache, nickte Alpina.
    "Ja ich mache alles selbst. Nur die Heilkräuter, die aus fernen Ländern kommen oder die meine bescheidene Produktion im Kräutergarten überfordern, kaufe ich zu. Ich zeige dir gerne mal wie es geht, wenn du mal etwas mehr Zeit hast."
    Sie lachte bei dem Gedanken, dass Massa das Paket aus Alexandria gleich auspacken wollte. Wie ein kleiner Junge... stimmte es nicht? Männer wurden angeblich nie erwachsen.... da war doch was dran.


    Also hängte Alpina ein Schild an die Tür, dass die Taberna Medica geschlossen war und schickte sich an mit Onasses zur Castra zu laufen.

  • Licinus unterdrückte ein Lachen, dass da durch zu seinem glucksen wurde. Schließlich wollte er den Kopf unaufgefordert nicht bewegen.
    "Nein, uns fragt wohl beide keiner. Aber ich glaube, dass meine "Kundschaft" sich im Winter noch ruhiger verhält als deine. Angreifer werden durch sen Schnee stärker behindert als Verteidiger. Da haben wir den Vorteil" erklärte er ihr noch. Auf der anderen Seite kam das Wort Frühlingsgefühle ja nicht von ungefähr und Licinus vermutete halb, dass es im Winter zu besonders vielen Geburten kam.


    "Wir rücken aus und halten die wichtigsten Verbindungsstraßen so lange es irgend geht halbwegs frei. Davon abgesehen, vermutlich ähnlich wie bei euch auch. Die Soldaten sammelen sich vor dem Herdfeuer, rücken dichter zusammen und erzählen sich Geschichten. Und wir hohen Herren? Bei uns ist es nicht viel anders. Außer, dass wir in unseren officien sitzen und die gesamte Planung für das nächste Jahr machen. Vor allem die Festtage im Frühjahr. Und wir schreiben Listen. Unmengen Listen, was wir anfordern müssen, was wir im nächsten Jahr planen. Und gegen Ende des Winters raufen wir uns die Haare und sorgen uns, dass wir uns verschätzt haben, der Füllstand der horreae immer weiter sinkt und keine Wetterbesserung in Sicht ist."
    Auch das tat im kleinen Maßstab vermutlich jede Familie.
    "Und ich persönlich zittere vor der Kreativität der Soldaten. Der Lagerpräfekt war schon immer das bevorzugte Ziel der Saturnalienstreiche. Was mein officium schon alles war. In meinem letzten Jahr in Italia haben sie den ganzen Raum auf den Kopf gestellt. Wortwörtlich. Die Möbel waren an der Decke befestigt, die Unterlagen auf dem Schreibtisch mit Wachs festgeklebt. Es lag alles genau an seinem Platz, nur verkehrt herum."
    Licinus musste noch immer schmunzeln, wenn er daran dachte.

  • Interessiert hörte Alpina zu wie der Praefectus castrorum von der Arbeit der Legionäre und vor allem der Offiziere während des langen Winters erzählte. Sie hatte nie darüber nachgedacht wie wichtig die Planung der Versorgung einer solch großen Mannschaft war. Und dazu kam, dass das Imperium bürokratisch bis dorthinaus war. Listen in doppelter und dreifacher Ausfertigung. Dazu kam die unkalkulierbare Größe der Länge und Intentsität des Winters.
    "Wie schafft ihr es genug Vorräte in den Horrea zu haben, wenn ihr doch gar nicht wisst wie lang der Winter dauert? Manchmal haben wir ja noch im März oder April einen Wintereinbruch mit Schnee bis zu den Knien."


    Dann sprach Licinus von den Saturnalien und dem Erfindungsreichtum seiner Legionäre wenn es um Streiche ging. Alpina lachte unwillkürlich als sie hörte, dass die Soldaten ihm das Zimmer auf den Kopf gestellt hatten. Sehr lustig!
    "Entschuldige, dass ich lache, aber das ist eine verflucht gute Idee und eine Menge Arbeit noch dazu! Deine Legionäre sind sehr gewitzt!"


    Nun hatte das Öl lang genug eingewirkt. Es war an der Zeit das Ohr auszuspülen. Sie warnte den Praefectus vor.
    "Ich werde dir jetzt das Ohr ausspülen und hoffe, dass sich gleich zeigt warum du so schlecht auf dem linken Ohr hören kannst. Aber es kann sein, dass es dir schwindelig wird. Das passiert dann wenn die Flüssigkeit nicht genau deiner Körpertemperatur entspricht. Ich habe versucht, den Kräutersud auf die passende Temperatur abkühlen zu lassen, aber das ist immer schwer zu sagen. Mach dich darauf gefasst, dass es unangenehm werden kann. Vermutlich hast du gleich das Gefühl, dass es dich dreht."


    Sie füllte die Schweineblase mit dem Kräutersud, band das Röhrchen hinein und begann die Spülung.

  • "Ehrlich? Gar nicht" meinte Licinus lapidar. "Wir kaufen unsere Vorräte auf lange Sicht ein. Genug, dass es auch bis April reicht, wenn es ernst wird. Das ist nicht das Problem."
    Die andere Seite der Medaille der Bürokratie war die, dass ihm für die Versorgung der Männer praktisch unbegrenzte Mittel zur Verfügung standen. So lange man das Niveau der Versorgung auf dem berüchtigten (?) Militärniveau beibehielt.
    "Wir haben auch noch Notreserven, um eine eventuelle drohende Hungersnot abschwächen zu können.
    Länge ist ein geringeres Problem. Härte schlimmer. Das macht die Versorgung der Grenzposten schwierig. Das größte ist allerdings die Gefahr, dass etwas schlecht wird. Getreidefäule, Ratten, ähnliches."

    Licinus hatte all dies so nüchtern gesagt, aber irgendwie fühlte er wieder dieses unangenehme Bauchgefühl. Selbst derjenige zu sein, der die Schattenseiten des Lebens in dieses Haus und zu Alpina speziell brachte, war ihm unangenehm.


    "Sie sind ausgemachte Satansbraten, das sind sie. Aber sie sind gute Männer. Die meisten zumindest" Licinus gluckste wieder im Versuch beim Lachen nicht zu sehr wackeln.
    "Mach dir nix draus. Zwischen dem ersten Schock und der Arbeit des Aufräumens. Da anzupacken war Ehrensache. Außerdem war es eh nicht möglich, den gestrengen Vorgesetzten zu mimen, das Bild war einfach zu gut."


    Dann wurde es ernst. Gleich würde sich zeigen, ob Licinus Hörproblem vorübergehend oder dauerhaft sein würde. Licinus schluckte.
    "Also los!" sagte er entschlossen und warf Alpina einen Blick zu, der sich wohl irgendwo zwischen Aufforderung und Hilfesuche befand.


    Als die Flüssigkeit in sein Ohr gespritzt wurde, hörte er erst ein lautes Rauschen, dass prompt gedämpft wurde. Dann kam es ihm so vor, also versuchte Alpinas Kopf an seiner Seite sich seinem Blickfeld ganz langsam zu entziehen. Auch der Rest des Raumes setzte sich in ganz gemähliche Bewegung.

  • Alpina nickte schweigend als Licinus von der Härte des Winters und vor allem den zusätzlichen Problemen der Lagerhaltung sprach. Ratten und Getreidefäule... ein Wunder, dass es noch nicht zu echten Versorgungsproblemen gekommen war.
    Auch in der Casa Helvetia war es notwendig sich Gedanken über die Bevorratung zu machen. Mäuse und Ratten waren aber Dank Alpinas Kater Nero weniger ein Problem. Wobei der inzwischen auch lieber die Leckereien aus der Küche stibitzte als sich eine Maus einzuverleiben. Aber immerhin tötete er sie.


    An Licinus wandernden Augen konnte Alpina erkennen, dass der Schwindel eingesetzt hatte. Ein paar kleine Bröckchen Ohrenschmalz kamen mit dem Kräutersud nach draußen. Jetzt musste sie erst einmal dafür Sorgen, dass er den Rest der Flüssigkeit los wurde.
    "Dreh dich bitte auf die Seite, damit das überschüssige Wasser ablaufen kann. Ich werde es dann noch mit dem Ohrlöffelchen versuchen, wenn das Ohr wieder leer ist. Ist dir noch schwindlig?"

  • Er drehte sich um. Einfach so, seine Gedanken waren von dem unbewegten Kreisen zu sehr eingenommen, als dass er sich Gedanken darüber machte, wie Alpina gedachte die Flüssigkeit aufzufangen.


    "Ich ... ja" sagte Licinus knapp als er sich gedreht hatte. Der Schwindel machte das verstehen nicht einfacher, aber Alpina sprach deutlich genug, dass er sich mit etwas Konzentration zusammenreimen konnte, was sie gesagt hatte.
    "Und?" brachte er etwas mühevoll heraus.
    "Dein urteil"

  • Nun musste Alpina ehrlich sein.
    "Du wirst selbst am Besten feststellen können, ob du jetzt besser hörst. Allerdings muss ich zugeben, dass sich nicht wirklich viel Ohrenschmalz gelöst hat. Es besteht noch immer die Möglichkeit, dass das Cerumen sehr tief sitzt, aber ganz ehrlich glaube ich nicht, dass das die Ursache deines schlechten Hörens auf dem linken Ohr war."


    Sie sah Licinus traurig an. "Ich hätte lieber eine andere Nachricht für dich."

  • Sich wieder aufzusetzen kostete Licinus einen ganzen Batzen seines eisernes Willens, um den Schwindel zu überwinden.
    Er fixierte Alpinas Gesicht, dessen trauriger Anblick herzerweichend war. Zumindest versuchte er das Gesicht zu fixieren, aber es wollte nicht da bleiben, wo es war. Innerlich seine Schwäche verfluchend legte er ihr begüstigend die Hand auf den Unterarm.
    "Aber Alpina!" sprach er eindringlich und bemühte sich seiner Stimme einen beruhigenden Ton zu geben. "Es ist doch nun wirklich nicht deine Schuld. Ein Leben bei der legio hinterlässt Spuren und wir Soldaten werden älter."
    Licinus war Soldat und als Soldat war er Fatalist. Wenn sein linkes Ohr kaputt war, dann würde er sich darauf einstellen müssen und damit arbeiten.
    "Du wirst es dir nicht vorstellen können, aber sogar ich bin nicht als alter, verknöcherter Präfekt auf die Welt gekommen, sondern war mal ein junger tiro mit wenig Ahnung von der Welt und umso mehr Unsinn im Kopf. Das ist der Lauf der Dinge und ich darf mich glücklich sein, dass ich in meinem Alter noch keine schwereren Schäden erlitten habe, als ein paar Narben und ein etwas kaputtes Ohr. Gräm dich nicht meinetwegen, ja?"
    Schloss er und bekam sogar so etwas wie ein aufmunterndes Lächeln hin. Dann ging es nicht mehr.
    "Entschuldige bitte!" mit diesen Worten ließ er sich auf die Matratze zurückfallen und ergab sich den Drehungen seiner Welt.
    Der eindeutige Beweis, dass die Welt sich nicht drehen konnte. Die Menschen würden nur noch kotzen, kam es ihm in den Sinn. Wer hatte diese verrückte Theorie nochmal aufgestellt.

  • Man konnte erkennen wie tapfer Licinus mit gegen den Schwindel kämpfte. Seine Augen rollten mit der Drehrichtung. Alpina hatte großes Mitleid.
    Als Licinus ihr dann beruhigend die Hand auf den Unterarm legte und sie trösten wollte, obwohl doch er derjenige war, der eine schlechte Nachricht zu verdauen hatte, war sie sehr berührt. Sie betrachtete ihn liebevoll als er davon sprach, dass auch er mal ein Jungspund gewesen war und nicht immer ein alter, verknöcherter Präfekt. Ja, sie konnte es sich vorstellen. Ab und an blitzte dieser Tiro noch durch und den Humor hatte ihm der langjährige Dienst zum Glück auch nicht genommen. Alpina hätte ihn gerne als Tiro kennengelernt. Jung und voller Unsinn im Kopf. Doch mindestens ebenso gern hatte sie den erfahrenen und besonnenen Praefekten, als den sie ihn kennengelernt hatte und mit dem sie die Nächte an Esquilinas Bett verbracht hatte.


    Dann aber übermannte der Schwindel Licinus erneut. Er ließ sich zurückfallen und sie konnte nur ahnen, was er gerade durchmachte. Sie hielt seine Hand und steichelte sie sanft.
    "Bleib noch eine Weile liegen. Am besten auf der linken Seite. Vermutlich ist noch Flüssigkeit im Ohr. Wenn sie ganz draußen ist, wird es hoffentlich besser sein. Es ist mir arg, dass ich dir nicht besser helfen kann. Das Schlimmste für mich ist, wenn ich feststellen muss dass ich machtlos bin und einem lieben Menschen mit meinen Mitteln keine Hilfe bin. Glaub mir, es ist für mich immer eine Qual, wenn eine Entbindung mit dem Tod eines oder gar beider Menschen endet. Ich liebe meinen Beruf aber in manchen Momenten ist es einfach nur unendlich traurig. Und dann empfinde ich es immer als ein persönliches Versagen. Ich weiß, dass die Götter letztendlich entscheiden wer geheilt wird und wer lebt oder stirbt. Doch kann ich bis heute meine Verantwortung nicht ganz abschütteln. Immer wieder sehe ich es auch als meine Schuld an, wenn ich nicht helfen kann."

  • "Du bist eben ein guter Mensch." manchmal sogar zu gut, fügte er in Gedanken an. Wenn er später an diesen Moment zurückdenken würde, würde er sich um Alpina sorgen, ob ihr Beruf sie eines Tages aufreiben würde. Im Moment war seine Konzentration aber darauf gerichtet den Raum endlich anzuhalten, weshalb seine Gedanken nicht abschweifen konnten.
    "Ein guter ... Heiler und ein guter Mensch." bekräftigte er, das Wort Arzt vermeiden. Er wollte nicht mit ihr über Begrifflichkeiten streiten.


    "Ich brauche noch einen Moment, wenn ich noch etwas liegen darf."
    sagte er und schloss, Alpinas Einverständnis stillschweigend annehmend, die Augen. Endlich kein drehender Raum mehr.
    "Wenn du noch Pflichten hast, will ich dich nicht aufhalten, wenn nicht bleib gerne."

  • Der arme Licinus musste nicht nur die schlechte Nachricht verdauen, dass er auf seinem linken Ohr vermutlich zunehmend schlechter hörte, sondern die Ohrspülung setzte ihm ebenfalls gewaltig zu. Er musste sich wieder hinlegen.
    "Bleib nur liegen. Solange die Glocke über der Tür nicht leutet kann ich gerne bei dir bleiben. Wenn ein Kunde oder ein Kunde in die Taberna Medica kommt, kann ich ja schnell hinübergehen."


    Alpina beschloss Licinus etwas zu fragen, das sie brennend interessierte und insgeheim befürchtete. "Wir leben ja nicht wirklich weit der Germania Libra. Solange man hier in Mogontiacum wohnt, lebt man in Ruhe und Frieden. Wir haben hier nahezu alles was man braucht. Kannst du dir vorstellen, dass es eines Tages wieder anders ist? Dass wir Überfälle der Germanen fürchten müssen? Plünderungen und Brandschatzungen?"

  • "Nein. Nein, ich glaube, die Grenze ist sicher." Davon war Licinus in der Tat überzeugt. Es kam immer wieder zu Scharmützeln an der Grenze, aber nur zwischen kleineren Trupps der Grenzwachen und Stammesbanden.
    "Die germanische Seite ist nicht strukturiert, nicht organisiert genug, um einen ernsthaften Angriff zu unternehmen. Natürlich wird es immer wieder Stammesfürsten geben, die die Grenze austesten wollen" Licinus war ja ein ehrlicher Mensch und sich durchaus im klaren, dass der Limes selbst vieles sein mochte, aber kein unüberwindbares Verteidigungsbollwerk.
    "Und das Grenzland zwischen Rhenus und Limes wird sich gelegentlich Angriffen erwehren müssen. Ein Fürst, der seine Macht beweisen muss, eine Truppe Jungspunde mit zu viel Kraft und zu wenig Hirn, dergleichen."
    Dergleichen mochte nicht an der Tagesordnung sein, aber es kam vor und die Truppen hatten die passenden Antworten darauf parat.
    "Aber hier am Beginn des Hinterlandes seit ihr sicher."
    Ein ihr, bei dem Licinus vor allem an Alpina und ihre Tochter dachte, aber auch an Esquilina. An sich selbst -- weniger. Sollte es zu den Überfällen ins Grenzland kommen, würde er ja nicht mehr im Hinterland sein, sondern vorne dabei.
    "Nicht nur wegen der taktischen Übermacht der römischen Armee, auch aus praktischen Erwägungen. Die Stämme hinter dem Limes proftieren von einem ungehinderten Handel zu sehr, als dass sie ihn ernsthaft gefährten würden. In ihrer Gesamtheit meine ich. Und der einzelne Stamm ist zu schwach."


    Ein leises Plopp tönte in seinem Ohr und eine Wasserblase löste sich aus seinem Ohr. Das Drehen bremste endlich ab und Licinus schlug die Augen wieder auf.
    "Du machst dir Sorgen, nicht wahr?" fragte er, denn er konnte sich nicht erklären, warum sie sich genau jetzt diese Sorgen machte.. "Wegen Ursi?"

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!