[Cubiculum] Lucius Helvetius Corvinus et Susina Alpina

  • Mit leicht zusammengekniffenen Augen hörte sich Curio die Erläuterungen Alpinas zu dem jungen Kaeso an, nickte hier und da mal wissend, mal zustimmend, mal verständnisvoll und fuhr sich danach erneut mit der Hand über die Stirn.


    Dann wollen wir ihm diese Zeit doch geben. Scheu dich aber nicht, mir bescheid zu sagen, wenn du irgendwas für ihn brauchst. Wenn er zum Beispiel mal in die Thermen oder mich bei einem Marktbesuch begleiten möchte. Da ich entweder fast den ganzen Tag außer Haus bin oder im Arbeitszimmer Unterlagen durcharbeiten muss, kann ich leider nicht viel tun, aber ich helfe gerne dort, wo es möglich ist.


    sagte er mit ruhiger Stimme und klaute seiner Nichte dann, so demonstrativ unauffällig, dass es schon wieder überdeutlich war, einen ihrer Bauklötze und versteckte sie hinter dem ihr abgewandten Bein.


    Ich sage, es spielt keine Rolle, weil ich nicht von heute auf morgen mein Amt aufgeben kann, ebenso wenig, wie ich draußen bei Terminen schlecht meine Erschöpfung vor mir hertragen kann. Wie gesagt, es gehört einfach dazu. Nichtsdestotrotz wäre ich dir dankbar, wenn dur mir eine Kräutermischung zusammenstellen, die ich gegen Kopfschmerzen einnehmen kann. In den letzten Tagen treten die wieder gehäufter auf.


    Es blieb ihm nichts anderes übrig, so viel wie möglich herumzudoktorn, da das eigentliche Problem, der andauernde Amtsstress eben icht abzustellen war. Da dieser aber einfach dazugehörte, musste er durch, ebenso wie er als Magister Vici da durchgemusste hatte und wie er es in mindestens einer Amtszeit noch würde durchmachen müssen. Das Leben war nun mal kein Ponygeburtstag, erst recht nicht, wenn man gesellschaftlich aufsteigen wollte.


    Bei ihren letzten Fragen zögerte er mit einer Antwort. Die Alpträume waren weniger geworden, nachdem er mit seiner Frau darüber gesprochen hatte, aber komplett verschwunden waren sie auch nicht. In der Tat war es mehr ein Grübeln, aber nicht nur darüber, ob die Ehe mit Silvana Bestand haben konnte, sondern vielmehr darüber, wie lange ihm die Schicksalsgöttin noch wohlgesonnen wäre, denn viel zu lange war er schon aufgestiegen und das kurze Geplänkel um die vorübergehende Trennung von Silvana war ja auch nur eine Episode dieser gesamten Erfolgsgeschichte gewesen. Nun wusste aber jeder, dass sich das Rad der Fortuna stetig weiterdrehte ohne Unterlass und ohne Gnade und wenn er daran dachte, wie lange es sich bei ihm schon hinaufdrehte, musste ja einfach irgendwann mal der Scheitelpunkt erreicht sein, nach dem es dann wieder bergabgehen musste.


    Ich schlafe schlecht...


    war schließlich die zögerliche Antwort, die jedoch schnell noch erweitert wurde.


    Eigentlich habe ich seit...


    Er überschlug die Tage in seinem Kopf.


    - drei oder vier Tagen fast gar nicht mehr geschlafen. Manchmal geht es besser und manchmal falle ich auch total übermüdet ins Bett und schlafe wie ein Stein. Aber an anderen Tagen... Fehlanzeige. Frag mich nicht warum ich hab keine Ahnung, ich hatte das schon mal, nicht nur in dieser, auch schon in der letzten Amtszeit, aber meistens sind es nur ein paar Tage und die kann ich noch recht gut überstehen.

  • Das Angebot, Kaeso mit in die Therme oder auf einen der Märkte zu nehmen, klang gut. Alpina nickte nachdenklich.
    "Das ist eine hervorragende Idee, Curio. Vermutlich tut es ihm nicht gut, den ganzen Tag unter Frauen im Haus beschäftigt zu sein. Er entwickelt sich zu einem jungen Mann und sollte auch dort seine Vorbilder suchen. Ich würde mich freuen, wenn du ihn ab und an mitnehmen könntest."


    Nur wenig später gab Curio zu, dass er bereits unter den Folgen seines Schlafentzuges litt. Er hatte Kopfschmerzen - kein Wunder - nächtelang ohne Schlaf... sie erinnerte sich, dass einst sein Bruder mit einem ähnlichen Problem zu ihr gekommen war. Daraufhin hatte sie ihm den Mandragoratrank gegeben, der schließlich in einer Verkettung der Umstände dazu geführt hatte, dass Corvinus und sie ein Paar geworden waren.
    Alpina grübelte. Sie wollte ihrem Schwager sehr gerne mit einem wirkungsvollen Mittel helfen, wusste aber eben auch um die gravierenden Nebenwirkungen der potenten Beruhigungsmittel.
    "Weißt du, Curio, es gibt sehr viele und sehr potente Heilpflanzen, die den Schlaf fördern. Doch alle haben eben nicht nur Wirkungen sondern auch Nebenwirkungen. Ich darf dich an deinen Bruder Corvinus erinnern..." Sie machte eine bedeutungsvolle Pause. "Ich würde dir gerne eine leichte Schlafmischung geben, um zu sehen, ob diese Wirkung zeigt. Wenn das nicht ausreicht, können wir einmalig oder kurzfristig auch zu stärkeren Mitteln greifen. Meine Betonung liegt auf kurzfristig und vorübergehend."


    Ihr strenger Blick sollte ihm zu verstehen geben, dass sie nicht wieder ein drogenabhängiges Wrack aus einem Helvetier machen wollte.
    "Fürs erste aber werden wir deine Kopfschmerzen mit einem Trank aus Weidenrinde und Pestwurz beseitigen. Ein paar Fragen hätte ich allerdings noch: hast du auch Herzklopfen und beschleunigten Puls? Oder sind es eher die Sorgen und Gedanken um den Arbeitsalltag und die Familie, die dich wach halten? Ist es mehr das Einschlafen oder wachst du auch auf in der Nacht?"
    Alpina war in die Rolle der Heilern geschlüpft. Die Fragen trafen direkt die auftretenden Symptome, damit sie die passende Heilpflanze finden konnte.

  • Curio nickte auf die Zustimmung Alpinas hin, dass Kaeso wohl auch mal männliche Vorbilder brauchte, anstatt ständig mit den Frauen des Hauses konfrontiert zu werden. Er stimmte dem zu und hätte sonst auch seine Hilfe nicht angeboten. Jetzt würde er den Jungen aber mal wieder in seinem Zimmer aufsuchen, um mit ihm zu besprechen, was in diese Richtung möglich war.


    Ob seine Kopfschmerzen derweil mit der Schlaflosigkeit verbunden waren oder umgekehrt, war dem jungen Helvetier nicht bewusst. Er wusste auch nicht mehr, was nun zuerst eingesetzt hatte, aber er konnte sich auch nicht damit beschäftigen, denn solange sie da waren, konnte er nicht vernünftig arbeiten und wenn das nicht möglich war, blieben Sachen liegen, die er an anderen Tagen nachholen musste, was wiederum den Terminplan verstopfte.


    Ich verlasse mich bei der Wahl der Hilfsmittel ganz auf dich. Und ja, ich weiß noch, was mit Lucius passiert ist, wovon ich aber zugegebenermaßen weniger mitbekommen habe...


    Als Alpina, hätte er fast hinzugefügt, denn man musste davon ausgehen, dass die kleine Ursicina letztlich eine Folge des Drogenrauschs gewesen war, jedoch vorher ein Abend der Verletzungen stattgefunden hatte, die Alpina nach Germania gebracht - und dort wahrscheinlich beinahe umgebracht hatte.


    Dennoch will ich von den... stärkeren Hilfsmitteln nur dann Gebrauch machen, wenn es nicht mehr anders geht. Hinterher vergesse ich mich und tue Runa oder Decimus etwas an...


    Es war eine Horrorvorstellung, dass der Drogenrausch in soweit würde bringen können. Aber was er den Erzählungen von Corvinus und Alpina entnommen hatte, war dies durchaus möglich, und das konnte und durfte er nicht riskieren.


    Das wichtigste für mich ist, dass ich auch in den letzten Wochen der Amtszeit noch belastbar bleibe und meine Amtspflichten erfüllen kann. Der Rest ist erstmal... zweitrangig.


    führte er aus, bevor er sich den Fragen Alpinas widmete.


    Es sind vor allem Probleme beim Einschlafen. Wenn überhaupt schlafe ich erst ein, wenn ich draußen schon die ersten Sonnenstrahlen sehe und muss dann ja auch bald schon wieder aufstehen. Was mich dabei beschäftigt sind vor allem amtstechnische Sachen...


    er zögerte einen Augenblick, denn auch wenn es seit der Aussprache mit Silvana schon weniger geworden war, waren es auch immer noch Ängste, die ihn verfolgten, die aber längst nicht mehr so intensiv und häufig waren wie zuletzt. Dass er manchmal aber regelrechte Angstattacken hatte, besonders nachts - zum Glück noch nicht im öffentlichen Raum - das behielt er aber für sich. Erstmal.

  • Die Kräuterfrau nichte mitfühlend als Curio von Einschlafstörungen aufgrund seiner Belastungen im neuen Amt sprach. Nur zu verständlich, dass ihm vieles durch den Kopf ging. Dass er nicht gleich mit schwerer Artillerie auf Spatzen schießen wollte, war ihr angsichts des Beispieles seines Bruders Corvinus nur zu recht. Einen weiteren Mandragorarausch wollte sie nicht erleben. Da sie von Curios Panikattacken nichts wusste, resümierte sie:
    "Nun, wenn du kein Herzklopfen und keine körperliche Unruhe fühlst, dann werden wir es zunächst mit einer Mischung aus Hopfen und Baldrian versuchen. Ich bringe dir als erstes den Trank gegen die Kopfschmerzen und Gwyn soll dir dann etwa eine Hora bevor du zu Bett gehst den Schlaftrank aufs Cubiculum bringen. Oder wirst du noch in deinem Tablinium sein?"


    Alpina schätzte ihren Schwager als so pflichtbewusst und strebsam ein, dass sie vermutete, dass er noch bis kurz vorm Schlafen gehen arbeiten würde.
    Sie stand auf. Doch bevor sie das Cubiculum verließ, kam ihr eine Idee. "Soll ich Neman rufen oder passt du kurz auf Ursi auf? Wie ist das eigentlich bei euch und Decimus? Möchtet ihr gerne, dass euch Neman den Kleinen ab und an abnimmt? Ich nehme an Runa wird auch bald einen Teil ihrer Aufgaben wieder aufnehmen wollen, oder nicht? Wie ist es mit dem Unterricht für die Kinder und dem DIenst im Tempel?"

  • Sie soll es... ja... ins Officium bitte.


    Curio stimmte seiner Schwägerin nickend zu. Sie war die Kräuterexpertin in der Familie und sie wusste wohl am besten, womit sie beginnen sollten, damit er vielleicht endlich mal wieder ein bisschen schlafen konnte. Es würde sich zeigen, wie erfolgreich das sein würde, aber mit Blick auf die Alternativen musste er in jedem Fall erstmal ausprobieren, bevor sie hier tatsächlich zu stärkeren Mitteln griff, was er eigentlich verhindern wollte.


    Ja, ich achte auf die Kleine. Nicht wahr, Ursi, wir beide kriegen das schon hin.


    antwortete er auf die Frage und machte daher auch keine Anstalten, sich vom Boden zu erheben, sondern strich seiner Nichte stattdessen mit dem Handrücken über die kleine rosige Wange. Die folgende Frage ließ ihn aber kurz zögern.


    Ähm, ich dachte Neman wäre als Kinderfrau ins Haus geholt worden, weswegen ich auch dachte, sie würde sich auch um Decimus kümmern. Natürlich müssten ihre anderen Aufgaben dadurch ein bisschen zurückgeschraubt werden, aber da Kaeso dir ja im Moment in der Taberna Medica hilft, muss Neman dort ja nur noch im Notfall eingreifen, oder?


    er blickte seine Schwägerin fragend an. Ihr Haushalt war sicherlich nicht übergroß, aber es wohnten schon sehr viele Menschen hier, die alle ernährt und versorgt werden wollten. Eine weitere Sklavin würde das Budget derweil sicherlich nicht sprengen, aber es würde wohl wieder mal alles ein bisschen weniger werden müssen.

  • Beruhigt konnte Alpina die kleine Ursi bei ihrem Schwager lassen. Er würde gut für sie sorgen während sie die Arznei bereitete. Auf das Thema Kinderbetreuung hin angesprochen nickte die Hebamme.
    "Aber sicher. Neman wird sich ganz bestimmt um Decimus auch noch kümmern können und sollte nich sehr bald noch mal ein Brüderchen oder Schwesterchen folgen, wird sie damit nicht überfordert sein, zumal mir Kaeso wirklich sehr hilfreich ist."


    Mit einem zuversichtlichen Lächeln verschwand sie und kehrte nach einer Weile mit einem Trank gegen die Kopfschmerzen zurück. Sie hatte ihn mit Honig gesüßt, damit Curio nicht davor zurückschreckte.


    "So, hinunter damit! Und dann warte bitte bis die Wirkung einsetzt bis du mit deiner Arbeit fortfährst. Kurz vorm Zubettgehen schicke ich dir Gwyn mit dem "Schlummertrunk". Berichte mir bitte morgen, ob er dir geholfen hat. Ich habe noch diverse andere Möglichkeiten, wenn das nicht helfen sollte."

  • Curio trank den vorbereiteten Sud mit drei großen Schlucken, wobei sich sein Gesicht danach wegen der Bitterkeit des Gebräus zusammenzog. Der Honig half zwar ein wenig, konnte den unangenehmen Geschmack allerdings auch nicht komplett überdecken.


    Ich danke dir, Alpina. Schick sie dann bitte gleich einfach zu mir, sie wird schon nicht stören.


    Und nachdem er nun Ursicina noch einmal über den Kopf streichelte und ihr einen Kuss auf die Stirn gedrückt hatte, erhob er sich, umarmte Alpina, die das im Moment auch sehr gut gebrauchen konnte und verließ danach den Raum mit einem Nicken und einem leichten Lächeln. Er wollte sich nun noch ein bisschen ins Atrium setzen, bevor der Sud seine Wirkung entfaltete, danach ginge es dann aber auch schon wieder ins Officium, wo noch eine Tabulae auf ihn warteten.

  • Alpina nahm Kaeso mit in ihr Cubiculum. Sie bot ihm einen Stuhl an und setzte sich auf das große Bett. Nachdenklich sah sie den jungen Mann an. Dann seufzte sie ein wenig und begann das Gespräch.
    "Dich trifft keine Schuld, Kaeso. Ich weiß, dass du dir Vorwürfe machst. Doch das solltest du nichts. Dieser Gurox ist ein Verbrecher. Er hat dich und mich und vermutlich noch viel mehr Menschen missbraucht und verletzt. Er muss zur Rechenschaft gezogen werden für seine Schandtaten."


    Sie sprach gefasst, doch mit deutlicher Härte - ungewöhnlich für die sonst so einfühlsame und zartbesaitete Hebamme.
    "Die Götter prüfen uns - mich ganz besonders. Denn, was du nicht wusstest und was auch niemand sonst erfahren muss, es ist nicht das erste Mal, dass ich das Opfer männlicher Gewalt wurde. Es scheint meine Prüfung zu sein, ein Teil meines Lebens. Ich scheine es anzuziehen. Doch dieses Mal werde ich nicht schweigen und es verheimlichen, um den Schein zu wahren. Dieses Mal gehe ich an die Öffentlichkeit. Curio wird mich unterstützen, Gurox anzuklagen und vor den Legatus Augusti zu bringen. Er wird büßen müssen!"


    Alpina rang die Hände. Es kostete sie viel Kraft das auszusprechen. Sie hatte so geschickt all die Erinnerungen an die Gewalttaten verdrängt. Doch jetzt kamen die Bilder alles wieder mit Macht an die Oberfläche. Der Prozess würde furchtbar werden, das war ihr klar. Doch sie tat es nicht für sich. Sie tat es für alle, die Opfer dieses üblen Verbrechers geworden waren, einschließlich Kaeso.
    "Ich hoffe, ich kann es vermeiden, dass dein Name in diese Schlammschlacht mit hineingezogen wird, doch sicher bin ich mir nicht. Curio erklärte mir, dass es nötig sein könnte, dich als Zeugen zu nennen. Wirst du das ertragen können?"

  • Ich sah wie schwer es Alpina fiel, dass zu sagen was sie vorhatte, hörte ihr aber bis zum Ende zu und konnte nicht fassen was ich dann hörte. Dieses Mal traf es mich abermals mit voller Wucht. Was, war ich doch für ein Mensch? Einmal war ich selbst kurz davor gewesen ihr Gewalt an zu tun, aus Zuneigung und Verlangen nach ihr, dann was noch schlimmer war, hatte ich diesen Sadisten zu ihr geführt. Warum aber hatte ich ihn nicht einfach umgebracht? Da als ich die Gelegenheit dazu hatte. Warum hatte sie mich davon abgehalten? Nur um dass zu durchleben, was sie jetzt vorhatte? Sie wusste doch ganz bestimmt was auf sie zu kam.
    Aufgebracht brach es aus mir heraus, "du fragst mich ob ich das ertragen kann? Ich weiß es nicht, aber das ist doch auch auch völlig unwichtig. Es ist das mindeste was ich für dich tun kann. Es müsste viel mehr sein. Sorge dich nicht um mich, sorge dich um dich, du hast eine Tochter die dich braucht. Was ich aber nicht verstehe, warum hast du mich davon abgehalten ihn zu töten?" Mehr zu mir selber, "warum habe ich auf dich gehört? Hätte ich ihn getötet, müsstest du das kommende nicht aushalten. Denk nicht ich wüsste nicht was auf dich zukommt. Das habe selbst ich schon früh gehört. Ich habe erlebt wie erbarmungslos, nein besser gesagt, boshaft und schadenfroh gerade Frauen dann miteinander umgehen. Du wirst gezeichnet sein für dein Leben. Warum also willst du dir das antun?" Ich stand auf ging zu ihr und kniete mich vor sie, faste aus einem Impuls heraus sanft ihr Gesicht zwischen meinen Händen und schaute ihr dabei fest in die Augen. "Bitte tue es dir nicht an." Verlegen stand ich dann auf drehte mich ab, damit ich sie nicht weiter ansehen musste. "Denke nicht ich würde es wegen mir sagen. Ich bin noch jung und ungebunden, ich kann zur Not weg gehen. Du aber hast hier deinen Familie und Freunde du musst hier weiter leben."
    Ich wusste nicht was ich noch weiter sagen sollte, ich wollte doch nur, dass sie nicht noch mehr leiden musste.

  • Kaeso fragte allen Ernstes warum sie ihn davon abgehalten hatte, Gurox zu töten. Und dann folgte eine Beschwörung sich nicht der Häme und des Spottes der Bürger Mogontiacums auszusetzen.
    Einen Verbrecher wie Gurox einfach zu töten, wäre zu einfach gewesen.
    "Kaeso. Er hat es verdient vor den Augen aller als Verbrecher hingerichtet zu werden. Ein Exempel will ich statuieren, allen gewalttätigen Männern der Provinz klar machen, dass es nicht ungestraft bleibt, wenn man sich mit Gewalt nimmt was man haben möchte. Und ja, du hast recht, die Waschweiber können grausam sein, schadenfroh und boshalft. Aber ich habe doch keine Wahl. Er hat anderes verdient. Was mir passiert ist, darf niemals mehr einer anderen Frau von Gurox angetan werden."


    Hart verschlossen sich ihre Lippen zu einem schmalen Strich. Sie war wild entschlossen. Entgegen aller Warnrufe. Nun aber kam Kaeso auf ein Thema zu sprechen, das sie ohnehin anschneiden wollte.
    "Wo du gerade auf deine Zukunft zu sprechen kommst, Kaeso. So sehr ich deine Mithilfe schätze und mir noch unklar ist wie ich mich in der Taberna Medica ohne deine Anwesenheit sicher fühlen soll, wird es Zeit über deine berufliche Zukunft nachzudenken. Du hast mich schon einmal gefragt, ob ich mir für dich eine Lehrzeit bei einem Chirurgicus vorstellen kann. Ich habe lange darüber nachgedacht und ich denke, es wäre gut, wenn ich Cinicus Balbus nun darum bitten würde. Das würde dir eine neue Perspektive eröffnen. Ich schätze deine Fähigkeiten hoch ein. Du wirst sehr davon profitieren. Da bin ich mir sicher."


    Sie sah Kaeso offen an. Mit keinem Wort erwähnte sie Curios Zweifel an Kaeso und auch nicht, dass sie und ihr Schwager mit Sorge auf die Beziehung des jungen Mannes zu der Freigelassenen Phryne sahen. Was würde er antworten? Wie würde er diese Idee aufnehmen?

  • Ja sicher, niemand ist unersetzbar, es ging vorher und wird auch ohne mich weiter gehen. Es findet sich bestimmt schnell jemand besserer als ich es war.
    Bitterkeit kam in mir auf. Ein tiefer Seufzer entfuhr mir. Ich durfte nicht ungerecht werden. War mir doch schon selber in den Sinn gekommen Alpina zu verlassen, damit mein ständiger Anblick sie an alles erinnerte. Es würde so schon schwer genug für sie sein.
    Sicher ich hatte schon überlegt in Zukunft, aber eben nicht sobald, zu einem Chirurgicus in die Lehre zu gehen.
    Zuerst schaute ich Alpina an um ihr zu antworten, dann blickte ich weg weil ich mich erinnerte, wie hart sie eben vorher ausgesehen hatte, als es um Gurox ging. Sie war kaum wieder zu erkennen gewesen. Da hatte ich gesehen mit welcher Härte sie gegen sich vorgehen würde. Sie würde sich einen Panzer zu legen. Hoffentlich würde dieser sie nicht zerstören und verändern, denn das würde ich bestimmt nicht aushalten.
    Jetzt war ich mir sicher, ich musste gehen, ich musste es tun, für sie. Wenn ich an den Chirurgicus dachte, wusste ich es würde eine harte Zeit mit ihm und der Umgebung, in der er sich meist aufhielt, werden. Wenn sie sich jetzt mit meiner Zukunft beschäftigte, sollte es ein Zeichen für mich sein, jetzt zu gehen.
    Ehe ich Alpina wieder ansah schluckte ich.
    “Danke, dass du mir dies vorschlägst und als fähig dazu betrachtest. Ich nehme dein Angebot gerne an. Zuvor aber möchte ich noch kurz Phryne aufsuchen, auch wenn ihr es nicht gerne seht, denn ich sorge mich um sie. Anschließend würde ich noch gerne ein paar Tage alleine sein um ein wenig Abstand zu bekommen. Genau weiß ich noch nicht wo, in einem Tempel, in oder außerhalb der Stadt. Also sucht mich nicht. Danach komme ich kurz zurück um mich zu verabschieden.”
    Ich wusste, alles was ich eben gesagt hatte, klang ohne Gefühl, wie das aufzählen von irgend welchen Fakten. Es musste so sein, ich durfte keine Gefühlsregungen aufkommen lassen. Nur so konnte ich mich selber schützen und liebgewordene Menschen verlassen.

  • Kaesos Gesichtszügen konnte Alpina entnehmen, dass er den Vorschlag als Rauswurf betrachtete. Das hatte sie geahnt, wenn auch nicht so gewollt. Sie konnte sich vorstellen wie es in seinem Inneren aussah. Alpina versuchte sachlich zu bleiben, ihre widerstreitenden Gefühle zu unterdrücken. Die Entscheidung, die sie gefällt hatten, war zu ihrer aller Vorteil. Zumindest im Augenblick. Doch sie wollte Kaeso noch deutlich machen, dass es kein Rauswurf war und auch keine Einbahnstraße. Der Dank des Jungen klang hohl. Er fühlte sich herabgesetzt. Alpina griff Kaesos Hände.
    "Du hast ein gutes Herz und wirst es mit deinen Talenten weit bringen, wenn sie in die richtige Richtung gelenkt werden. Ich denke es ist jetzt an der Zeit einen neuen Wegabschnitt anzugehen. Sei versichert, dass es keine Einbahnstraße ist. Wann immer du es möchtest kannst du umkehren oder bei mir in der Taberna Medica eine Rast einlegen. Diese Tür steht dir immer offen, ganz gleich was du von meinem Schwager noch zu hören bekommst. Ich werde dir niemals die Tür weisen."


    Alpina drückte die Hände des Jungen fest.
    "Die Idee eine Auszeit in einem Tempel außerhalb der Stadt zu nehmen finde ich sehr gut. Frag doch Curio nach einer Empfehlung. Er kann dir sicher einen guten Ort nennen, wo du ein wenig Kraft schöpfen kannst für die neuen Aufgaben, die vor dir liegen."


    Dann stand Alpina auf. "Bevor du zu Phryne gehst, spricht bitte mit Curio. Er wartet auf dich in seinem Arbeitszimmer. Und vergiss nicht, dass du mir immer willkommen sein wirst. Ich freue mich darauf, dich nach deiner Auszeit wiederzusehen, bevor du einen neuen Weg beschreitest. Inzwischen werde ich mit dem Chirurgicus sprechen und die Bedingungen für deine Lehrzeit dort aushandeln, wenn es dir recht ist."
    Sie umarmte Kaeso und drückte ihn fest an sich. Es war nicht leicht ihn wieder loszulassen.

  • Ich hörte Alpinas Worte und zu einer anderer Zeit hätte ich mich bedankt, etwas erwidert, so jedoch hatte ich mich abgeschottet, wollte nichts mehr an mich heranlassen, denn ich wusste, wenn ich es zuließe, dass mich etwas berührte, würde es um meine Fassung geschehen sein. So nickte ich von Zeit zu Zeit verständig und sagte mir immer wieder, es geht um das Wohl Alpinas, ich muss für sie gehen.
    "Ich danke dir dir, dass du dich für mich die Bedingungen bei dem Chirurgicus aushandelst." Meine belegter Stimme war kaum zu überhören und so räusperte ich mich und straffte meinen Körper.
    Wozu sollte ich es uns beiden noch unnütz schwer machen, meine Zeit hier war abgelaufen. Hölzern ließ ich mich von Alpina umarmen. Zu mehr war ich nicht fähig. "Mögen die Götter alle Kraft geben die brauchst", fast flüsternd kamen mir meine Worte über die Lippen. Hastig drehte ich mich um und verließ schnell ihr Cubiculum. Vor der Türe rieb ich mir, verärgert über mich selber, mit meinem rechten Unterarm über die Augen. Ballte die Fäuste zusammen und ging in Richtung Curios Arbeitszimmer.>>>>

  • Alpina saß in ihrem Cubiculum und spielte mit Ursicina. Die Kleine hatte sich aus Tannenzapfen eine Schafherde zusammengestellt. Eine Buchecker stellte den Hütehund dar. Laut "wau wau" intonierend ließ sie die Buchecker um die Tannenzapfen kreisen und schließlich auf Alpinas Finger zulaufen. Lachend hob Alpina die Hände.
    "Hilfe! Ein gefährlicher Hund! Er wird mich beißen!"


    Ursi lachte und versuchte mit dem Hund den entflohenen Händen nachzukommen. Alpina griff inzischen eines der Schafe und ließ es ausbüxen.
    "Da! Guck mal, Ursi! Ein Schaf türmt. Schnell! Dein Hund muss es einfangen!"


    Eine wilde Hetzjagd begann, die in einer Kitzelattacke der Mutter gegen ihre Tochter endete.
    Plötzlich klopfte es an der Tür.

  • Wie am Tag zuvor angekündigt war ich zur Casa Helvetia gegangen um mich zu verabschieden. Zuerst wollte ich zu Alpina. Bevor ich an der Türe zu ihrem Cubiculum anklopfte, hielt ich an.
    Ich lauschte, man konnte hören wie fröhlich sie mit ihrer Tochter spielte. Zu schade jetzt musste ich das Spiel unterbrechen. Seufzend klopfte ich.

  • Alpina hob den Kopf. Es hatte geklopft.
    "Herrein!" rief sie und blickte zur Tür.


    Kaeso trat vorsichtig ein. Er schien unsicher zu sein, ob er sie störte. Alpina unterbrach ihr Spiel mit Ursicina. Die Kleine sah ebenfalls auf und lachte den jungen Mann an. "Salve, Kaeso!" krähte sie fröhlich mit ihrem Kinderstimmchen. Drei Jahre war Ursi inzwischen alt. Ein kleiner Wirbelwind mit dunkler Lockenmähne und braunen Augen. Sie lachte von einem Ohr zum anderen. "Setz dich zu mir und spiel den Wolf, der die Schafherde bedroht. Oder magst du lieber den Bär spielen?"


    Alpina legte lächelnd den Zeigefinger auf die Lippen. "Ich nehme an, Kaeso ist nicht gekommen, um mit dir zu spielen, Ursi. Spiel du bitte alleine weiter. Kaeso und ich haben etwas zu besprechen."


    Die Kleine zuckte mit den Achseln und widmete sich wieder ihrer Herde. Alpina hingegen schob Kaeso einen Stuhl hin und setzte sich selbst auf die Bettkannte. Sie sah Kaeso erwartungsvoll an.

  • „Salve Ursicina“, lächelte ich die Kleine an, obwohl mir gar nicht da nach war und strich ihr über ihre Lockenpracht. „Heute geht es nicht, du hast deine Mutter gehört wir haben etwas zu besprechen. Salve Alpina“.
    Dankbar nahm ich den Sitzplatz an, denn ich hatte das Gefühl meine Beine wären etwas weich. Nervös umklammerte ich meine feuchten Hände.
    „Wie“..... ich räusperte mich und versuchte meine plötzlich belegte Stimme zu reinigen. „Wie versprochen bin ich gekommen um mich zu verabschieden aber vielmehr noch um mich bei dir zu bedanken. Dabei weiß ich nicht wofür.“ erschrocken hielt ich inne, große Mutter was sagte ich da, wie hörte sich das denn an, es sagte doch nicht das aus was ich meinte. Verlegen und wie ich spürte mit hoch rotem Kopf versuchte ich den Patzer stotternd zu verbessern. „Was ich sagen wollte,....ich kann nicht aufzählen wofür alles. Es ist soviel,... dabei denke ich nicht an mein körperliches Wohl,.... es ist all das andere. Du warst es die an mich glaubte und mir Vertrauen schenkte und ich, ich habe es in deinen und in allen anderen Augen bestimmt verspielt.“ Nervös rieb ich meine Hände an der Tunika ab, schaute gegen die Wand, schluckte, schaute Alpina fest an. „Bitte glaub mir auch wenn es anders aussehen mag, ich habe nie etwas gegen dich gesagt oder getan. Ich war die ganze Zeit im Tempel der Mater Magna.“ Flehend schaute ich Alpina an, sie würde mir glauben, ich wusste es einfach, sie kannte mich doch, hoffte ich sehr.
    „Das gleiche gilt für alle in der Casa Helvetia, auch über sie habe ich nicht gesprochen oder gegen sie getan. Ich gab euch damals mein Wort und das habe ich gehalten. Als ich bevor ich ging Iullus Helvetius Curio erlebte, ist etwas in mir zerbrochen, ich war so verletzt, denn ich fühlte mich wie ein Einbrecher und Verräter, dabei habe ich seinen Arbeitsraum nicht betreten, nicht beachtete und auch eher kaum mitbekommen wer ihn besuchte, denn ehrlich gesagt interessiere ich mich kaum für die Politik. Immer wieder habe ich mich gefragt warum? Nur weil ich mich zu einer Frau hingezogen fühle die irgend etwas getan hat. Ihr habt mich nur vor gewarnt und ich weiß doch gar nicht warum es so ist. Keiner sagte mir etwas genaues.“ langsam verlor ich meine Fassung und ich spürte wie Tränen in meinen Augen brannten.
    „Bin ich soviel weniger Wert? Ich soll euren Worten bedingungslos glauben, aber mir glaubt keiner?“ Verzweifelt starrte ich in eine Ecke, während meine rechte Hand die linke drückte.

  • Es sprudelte nur so raus aus Kaeo. Alpina konnte verstehen, dass er sich ungerecht behandelt fühlte. Er hatte ja auch noch nicht erlebt wozu Phryne fähig war. Ihm zeigte sie ja bislang nur ihr schönstes Gesicht.
    "Kaeso, ich glaube an deine Unbescholtenheit. Du liebst Phryne und das ist dein gutes Recht. Jeder Mensch entscheidet selbst, wem er sein Vertrauen schenkt. Curio und ich wurden schon sehr enttäuscht von Phryne. Aus diesem Grund tut es uns weh, zu sehen, dass du ausgerechnet der Frau dein Herz geschenkt hast, die gegen die Helvetier und mich intrigiert hat. Vielleicht ist es eine Überreaktion von Curio. Aber er fürchtet um seinen guten Ruf. Er möchte Karriere machen in Mogontiacum. Wie soll er das, wenn Phryne schmutzige Wäscher wäscht. Versuch ihn zu verstehen."


    Als sie die Tränen in seinen Augen sah, griff sie nach seinen ineinander verkrallten Händen.
    "Du bist nicht weniger wert als jeder andere Mensch. Im Gegenteil. Ich hoffe du weißt, wieviel zu mir wert bist. Ich werde immer für dich da sein, wenn du mich brauchst. Ein junger Mensch macht Fehler. Muss Fehler machen. Ich habe viele Fehler gemacht und einige davon bitter bereut. Ich werde dich auch in Zukunft immer mit offenen Armen empfangen. Ich wünsche dir nur Glück und Erfolg im Leben. Glaubst du mir das?"

  • Es tat unendlich gut Alpinas Aufmerksamkeit zu besitzen. Nicht nur weil sie gut zu hörte, sondern auch immer versuchte sich in meine Lage zu versetzen, dennoch auch widersprach oder sich bemühte mir die Sicht des oder der anderen nahe zu bringen.


    Aufmerksam lauschte ich nun ihren Erklärungen und nickte einige male verstehend. Dann hielte es mich aber nicht, „ob du es glaubst oder nicht, Phryne hat nie in meiner Gegenwart versucht gegen euch zu integrieren. Wie könnte sie auch, ihr wart doch nie unser Gespräch. Mir ist auch nie etwas von schmutziger Wäsche waschen zu Ohren gekommen. Ich versuche Curio ja zu verstehen, doch es fällt mir außerordentlich schwer. Für mich sah es so aus als ob mir nicht nur ein Teil, sondern gleich mehre unterstellt wurden. Ich bin weder ein Spion, Verräter oder Dieb.“

    Alpinas tröstende Worte taten gut. Wem, wenn nicht ihr würde ich alles glauben. Seltsam war es schon, bei meiner Göttin kamen hin und wieder Zweifel in mir auf, doch bei meiner Mentorin nie.
    Wie gerne hätte ich Alpina jetzt freundschaftlich an mich gedrückt, was ich aber auf Grund eines einstigen Fehlers von mir vermied. Voller Dankbarkeit ergriff ich ihre Hand und tat etwas ungewöhnliches, nach dem ich sie gestreichelt hatte. Ich drückte ihr einen Kuss auf. Ich glaube dir alles, flüsterte ich.

  • Anscheinend hatte sich Phryne tatsächlich in Kaeso verliebt. Alpina konnte das zwar nicht glauben, sie traute dieser Frau keinerlei tiefe Gefühle zu, doch hatte sie ihren jungen Liebhaber zweifelsohne nicht ausgenutzt um an Informationen über die Helvetier und ihre Frauen auszuhorchen oder sie ihm gegenüber schlecht zu machen.
    Curio schien Kaeso unrecht getan und den Jungen zutiefst verletzt zu haben. Sie nickte deshalb mitfühlend.
    "Ich glaube dir auch alles", erwiderte sie deshalb leise als er ihre Hand streichelt und einen Kuss darauf setzte. "Und zögere nicht, mich aufzusuchen, wenn du einen Rat brauchst oder Hilfe suchst. Ich bin immer für dich da. Schon bald werde ich dir im Ludus einen Besuch abstatten, um zu sehen ob du dich dort wohl fühlst. Ich bin mir sicher, dass du ein hervorragender Chirurgicus werden wirst."


    Ihr Blick spiegelte die aufrechte Zuversicht, dass Kaeso seinen Weg gehen würde.

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