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Narseh
Narseh ließ den Blick über die nahe Umgebung gleiten. Seit Sarah verschwunden war, war ihm nicht mehr wohl. Was auch immer sie damals in der Küche der Taberna mit dem Optio besprochen hatte und wie sie sich anschließend verhalten hatte, hatten ihn ihr gegenüber skeptisch werden lassen. Und dass sie sich jetzt nicht einmal mehr zu den Versammlungen blicken ließ, verstärkte das mulmige Gefühl. Aber sie waren vorbereitet. Längere Klingen, die bei einer unvorsichtigen Bewegung unter dem Mantel hervorblitzen, trugen nur die erfahrensten unter ihnen. Kleine, unscheinbare Waffen hingegen, die keiner kommen sah, konnte jeder Junge in seiner Kleidung verstecken. Und mehr waren sie inzwischen auch geworden. Zu ihm, Arash, Yishai, David und Amal hatten sich Abram und Behnam, der Sohn seines persischen Bekannten Javed, gesellt.
"Gehen wir", murmelte Narseh, der nichts Auffälliges hatte entdecken können, drei seiner Gefährten zu. Der Rest hatte sich schon zuvor auf den Weg durch den engen Tunnel gemacht. Zerknirscht stapfte der Perser voraus, gleich darauf wurde er aber von Amal eingeholt.
"Hast du Angst vor dem Mädchen?", fragte er seinen Freund, der sich zu ihrem Anführer aufgeschwungen hatte, ernst.
"Nein, nicht vor dem Mädchen", korrigierte Narseh, "Vor den Leuten, mit denen sie zusammenarbeitet."
"Dazu hat sie nicht den Mut." Amal wusste genau, wovon Narseh sprach. Wie oft hatten sie bereits darüber diskutiert, wie oft hatte er dem Perser bereits versichert, dass er sich umsonst sorgte. Auch heute lächelte er schmal. Für solche Sachen hatte Sarah nicht genug auf auf dem Kasten und wenn doch, wäre sie vermutlich gutmütig genug, ihre Brüder und Schwestern anschließend zu warnen.
"Mag sein …", antwortete Narseh nur vage und schwieg wieder. Es half ja doch nichts. Und wenn etwas passierte, würden sie tun, was sie sich zu tun geschworen hatten. Er würde nicht zulassen dass ein plapperndes Mädchen ihre Gemeinschaft ins Unheil stürzte.
Im Schein der Laterne gingen sie weiter. Leises Plätschern war zu hören, sowie sie durch das trübe Wasser schritten, das seicht am Boden des Kanals entlangfloss. Sie bogen ab, ließen den Kanal hinter sich, wenige Stufen führten nach oben, wo kein Wasser mehr die Gänge erreichte, und schließlich endete ihr Weg vor einer alten Holztür, die an Abenden wie diesen offen stand. Aus dem Inneren begrüßte sie flackerndes Licht von Kerzen und Laternen ihrer Brüder und Schwestern.
Narseh setzte ein Lächeln auf und seine Begleiter taten es ihm gleich.
"Behnam! Drod abar to*!", rief er dem jungen Perser in ihrer Muttersprache grüßend zu und schenkte ihm eine freundschaftliche Umarmung, als sähen sie sich heute zum ersten Mal. "Schalom, Elias. David, wie geht es dir?", drückte er weiter die Hände der Anwesenden, verteilte Umarmungen und nickte anderen wiederum freundlich lächelnd zu.