Des Kaisers Opfer an die kapitolinische Trias

  • In einem blassen Leuchten legten sich die Strahlen der morgendlichen Sonne über Roms Hügel, vertrieben sukzessive die Dämmerung aus den Tälern und Gassen und kündeten in ihrem ungetrübten Schein von einem wolkenlosen Tage. Beinahe schien es als wüssten die kapitolinischen Götter bereits, was ihrer harrte, und hätten darob die sechs Winde angewiesen, den Himmel über Rom von Wolken frei zu halten. Schon in der Nacht waren das Forum Romanum und die Straße auf den kapitolinischen Hügel hinauf geschmückt worden, ebenso wie die Opfertiere - ein prächtiger, weißfarbener Ochse und zwei ebensolche Kühe -, so dass sich die Teilnehmer an Prozession und Opferung nur noch vor der Rostra versammeln mussten. Sobald auch der Opferherr - der Kaiser selbst - seinen Platz eingenommen hatte, setzte diese Prozession sich in Bewegung, die Tiere umringt und gefolgt von Pontifices, Senatoren und Honoratioren, von Kulthelfern, Bürgern und neugierigen Peregrinen. Obgleich das Ausmaß des Opfers im Staat keine Seltenheit war, so war dies doch die erste größere kultische Handlung des neuen Imperators, welche zweifellos Aufmerksamkeit auf sich zog.


    Vor dem großen Tempel der kapitolinischen Trias auf dem gleichnamigen Hügel kam die Menge zum stehen und sortierte sich einige Augenblicke - manch einer zweifelsohne froh darum, nach dem Marsch die steile Straße empor wieder zu Atem zu finden. Die tibicines setzten mit ihrem Spiel ein und geleiteten den Weg des Augustus und einiger ministri über die breite Treppe zur cella des Iuppiters. In den darauffolgenden Augenblicken diente das Spiel vorwiegend dazu, das Gemurmel der Zuschauer zu übertönen, welches - vor allem weiter hinten in der Menge - unweigerlich begann nachdem Aquilius Severus im Inneren des Tempels verschwunden war, um das Voropfer zu zelebrieren. Räucherung und Wein wurden vor dem Altar geopfert, über die weiteren Gaben konnten die Zuschauer nur spekulieren, doch zweifelsohne zeigte sich der Augustus überaus großzügig gegenüber Iuppiter, Iuno und Minerva.


    Nachdem Aquilius wieder aus dem Tempel hinaus und auf den Opferplatz getreten war, vollzog ein Kultbeamter die rituelle Reinigung der vorderen Zuschauerreihen und deutete mit seinem Pinsel aus Ochsenschwanzhaar dabei an, dass auch alle anderen sich inkludiert und gereinigt fühlen mochten. "Favete linguis!" schmetterte sodann ein Herold laut über den Platz, um die notwendige Ruhe einzufordern.


    Routiniert, als hätte er nie etwas anderes getan, führte der Augustus das Opfer fort, sprach die uralten Opferformeln, reinigte und trocknete seine Hände, und weihte die Tiere eines nach dem anderen mit mola salsa den Göttern. Mit dem Opfermesser strich er sodann von Kopf bis zum Schwanz des Ochsen und entfernte dabei die dorsula vom Rücken des Tieres, ehedem er sich in gleicher Weise den beiden Kühen zuwandte, zuerst jener der Iuno geweihten, sodann der für Minerva.



    M.F.G.


    Sim-Off:

    Die verwendeten Kultbegriffe können bei Interesse in der Theoria nachgeschlagen werden.

  • Während dem Ankleiden hatte der für kultische Angelegenheiten zuständige Bedienstete dem Kaiser noch einmal das Ritual und seine Aufgaben eingehend erläutert, sodass er bestens vorbereitet gewesen war, als er das Forum betreten hatte. Fast fühlte er sich an seinen Processus Consularis erinnert, als er das letzte Mal als Hauptperson das Kapitol erklommen hatte, während er zu Fuß und flankiert von seinen Liktoren den steilen Weg zum Tempel der Trias hinaufging.


    Oben verlief dann alles, wie sein Diener es ihm prophezeit hatte: Gemeinsam mit den Pontifices verschwand er hinter den vergoldeten Türen des Iuppiter-Tempels, kurz darauf trat er gemeinsam mit ihnen wieder daraus hervor, geblendet von der strahlenden Sonne. Was dann folgte, war eigentlich selbsterklärend und glich dem, was er täglich zu Hause vor seinem Lararium vollführte: Die Hände wurden gewaschen, die Tiere entkleidet, die Opfergaben (also hier die Rinder) geweiht und schließlich war es an der Zeit, die Opfergebete zu sprechen:


    Zuerst war der Göttervater selbst an der Reihe: "Iuppiter Optimus Maximus, Höchster aller Götter, Vater des Staates. Zu deinen Ehren dieser Ochse, Iove, Dir zur Freude. Iuppiter Opimus Maximus, Quell der Fülle, allmächtiger Herrscher. Dass Du Deine Gunst und Dein Wohlwollen uns angedeihen lässt, Iuppiter Optimus Maximus, Allseiender. Deinem Volk von Rom und seinem Augustus!"
    Als nächstes wandte er sich die Göttermutter zu, die ihn zugleich an seine junge Gattin und die Hoffnung auf weiteres Nachkommenglück denken ließ: "Große Mutter Iuno, Höchste aller Göttinnen, Mutter Roms. Zu deinen Ehren diese Kuh, Iuno, Dir zur Freude. Große Mutter Iuno, Schöpferin und Mutter alles Lebens, dass Du Deine Gunst und Dein Wohlwollen uns angedeihen lässt. Große Mutter Iuno, Allgebärende, Deinem Volk von Rom und seinem Augustus!" Diesmal murmelte er noch eine private Bitte in seinen Bart, die aber vermutlich schon seine Opferhelfer nicht mehr verstanden.
    Zuletzt war Minerva an der Reihe, zu der der Aquilier leider nie eine besondere Verbundenheit verspürt hatte. "Hohe Herrin Minerva, Hüterin der Weisheit, Schirmherrin Roms. Zu deinen Ehren diese Kuh, Minerva, Dir zur Freude. Hohe Herrin Minerva, Schutzherrin des weitsichtigen Handelns, dass Du Deine Gunst und Dein Wohlwollen uns angedeihen lässt. Hohe Herrin Minerva, Allwissende, Deinem Volk von Rom und seinem Augustus!" Trotzdem brachte er das Gebet mit der gleichen würdevollen Stimme zu Ende wie die anderen beiden.


    Dann wandte er sich nach rechts, wo die Pontifices bereit standen. Er blickte zu den Opferschlächtern, dann wieder zu seinem Priestercollegium.

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    CENSOR - CURSUS HONORUM

    PONTIFEX MAXIMUS - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Seit dem frühen Morgen folgte Gracchus mit Argusaugen jeder Regung und Bewegung, welche Teil des gesamten Opferzeremoniells war - von der Aufstellung der Prozession, über die einzelnen Handgriffe der ministri, über die Schritte der Pontifices um den Pontifex Maximus herum, bis hin zum Mienenspiel der Schlachter, welche für das Wohl und die Gelassenheit der Opfertiere Sorge trugen. Die Handgriffe und Worte des Augustus waren letztlich unerheblich - was immer er würde tun, es wäre genau nach Zeremoniell, im Zweifelsfalle nach dem neuen Zeremoniell des neuen Augustus -, wiewohl auch der Wille der Götter im Grunde unerheblich war - doch alles darum herum musste perfekt sein an diesem Tage des ersten großen, öffentlichen Opfers Aquilius Severus'. Bis zu diesem Augenblicke folgte alles dem Protokoll, auch nun, als der cultrarius vor dem Ochsen sich zum Kaiser wandte und danach fragte, das Opfer vollziehen zu dürfen, und Aquilius dies entsprechend bejahte. Als würde eine einzige Hand sie steuern schlugen die Kulthelfer hinter den drei Opfertieren ihre Hämmer gleichzeitig auf die Häupter der Tiere hernieder, um sie betäuben, während beinahe noch im gleichen Augenblicke bereits die cultrarii ihrer Aufgabe nachkamen und ihre scharfen, spitzen Messer in die Kehle der Rinder trieben. Eins ums andere fielen die schweren Leiber, krachten auf den gepflasterten Steinboden des Tempelvorplatzes, hauchten die Tiere mit dem Fluss des rotfarbenen Blutes aus den aufgeschlitzten Kehlen ihren letzten Atemzug aus. Einige Augenblicke verharrte alles Kultpersonal in Starre - Stilleben einer Zeremonie wie sie zweifelsohne gut auf ein steinernes Relief hätte gemeißelt werden können. Sodann knieten sich die Schlächter befleißigt vor die Tiere hin und begannen mit der Ausweidung, während die Flötenspieler noch immer das Publikum mit ihrem lieblichen Klang berieselten und den Gewaltakt ein wenig dämpften. Wenig später nur trat Gracchus in seiner Funktion als Pontifex neben den Imperator hin, um die Eingeweideschau durchzuführen. Zuerst glitten die vitalia des Ochsen durch seine Hände, gefolgt von jenen der beiden Kühe. Sorgsam betrachtete und betastete der Flavier Stück um Stück, dabei auf seinem Antlitz keine Regung, welche darauf ließ schließen, was er bemerkte.
    "Litatio!"
    verkündete er schlussendlich mit einem feinen Lächeln dem Augustus, ehedem er noch einmal ein wenig lauter dies über den Platz erschallen ließ.
    "Litatio!"

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

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