https://c1.staticflickr.com/9/…67774116_d012432392_n.jpg Grau waberte sein eigener Atem in der Kälte von seinem Gesicht und verwandelte alle paar Sekunden die Welt vor Valas Augen in eine nebelverhangene Traumlandschaft. Nicht, dass sie das nicht ohnehin schon wäre. Der Winter, durch den sie sich seit Tagen beharrlich kämpften, hatte sich offensichtlich zur Aufgabe gemacht Valas Ankunft zu feiern indem er selbst früher eintraf... und so hart wie sich die letzten zwei Generationen nicht erinnern konnten.
Das traf nicht nur die Bevölkerung und das Militär, sondern auch die Administration, die noch bis in das hohe Mittelalter hinein davon leben würde, dass das Volk nicht zu den Regierenden kam, sondern die Regierung zum Volk. Rom war keine Ausnahme zu dieser Zeit und auch die Provinzen stellten sich da nicht quer.
Vala selbst hatte sich schon lange vor seinem Dienstantritt auf die Fahnen geschrieben, den mogontinischen Zentralismus aufzuweichen und zu einem traditionelleren Verständnis seiner Statthalterschaft zurück zu kehren. Recht sprechen, Projekte besprechen, größere und kleinere Wehwechen anhören, den Zustand des Militärs immer und immer wieder zu kontrollieren und eben all das durchzusetzen, was man an römischer Herrschaft in der Provinz verstehen konnte, das war nichts was man machte indem man die halbe Provinz nach Mogontiacum kommen ließ (aber sicherlich verantwortlich war für das Wachstum der Hauptstadt).
Und dann kam der Winter... eine Woche, zwei Wochen... es wurde nicht weniger.
Irgendwann musste eine Entscheidung getroffen werden und Vala hatte nicht vor als germanischstämmiger Legat in die Annalen einzugehen der vor dem Winter zauderte. Nein, er packte seinen Stab in dichtes Fell, ließ seine Equites Singulares aufmarschieren und machte sich auf den Weg gen Süden um seine statthalterlichen Tätigkeiten wahrzunehmen und Präsenz zu zeigen.
Zehn Tagesreisen hatten er und seine Männer sich jetzt schon durch den Schnee gekämpft und waren dabei gerade einmal von Mogontiacum nach Lopodunum gelangt, eine Strecke, die man im Sommer innert drei Tage schafft. Schon am ersten Tag war Vala froh, seine Frau in Mogontiacum gelassen zu haben, drei Tage später schalt er sich selbst ein Genie dem weiblichen Gewitter so vorgebeugt zu haben.
Was ihn erwartete waren vor allem die Härtefälle, die die Administratio in Abwesenheit eines Statthalters nicht selbsttätig hatte klären können. Ein Todesurteil gar, das allerdings bei vernichtender Beweislage relativ schnell gesprochen und noch schneller vollzogen war.
Einen Tag später (man hielt den jeweiligen Aufenthalt kurz, um schnell möglichst viele Civitates 'beglücken' zu können) war man schon drauf und dran den Honoratioren der kleinen Civitas für ihre Gastfreundschaft zu danken, da preschte ein berittener Bote auf das Forum und verlangte lauthals den Legaten zu sprechen.
"Nun, Mann, sprich..." , forderte Vala den Boten auf, als man ihn schließlich vorgelassen hatte, "...was ist von derartiger Wichtigkeit, dass es nicht warten kann bis ich mich hier vernünftig verabschiedet habe?"
"Verzeih, Legatus, eine Nachricht deiner Familie.", zeigte der Bote sich einerseits außer Atem und doch noch die Contenance wahrend den Legaten in aller Öffentlichkeit standesgemäß anzusprechen, "Die Frau deines Vetters Decimus Verus, Calventia Fusa, ist bei der Geburt dessen Sohnes im Kindbett verstorben.", sprach der Bote in angemessen belegtem Tonfall und hielt dem Legatus die mit dem grünen Siegelwachs seiner Familie verschlossene Tabula hin.
"..." , reagierte der Statthalter erst einmal, indem er garnicht reagierte und den Boten einen Moment blöd anglotzte während um sie herum selbst das letzte Getuschel erstarb und sich gespannte Stille auf das Forum legte.
"Das Kind ist wohlauf? Wann ist das geschehen?" , selbstverständlich kam Vala in den Sinn, wie das erste Treffen mit seinem Vetter nach seiner Rückkehr abgelaufen war und die anschließende Jagd, aber auch wie die Calventia sich als pflichtbewusste und schon fast ekelerregend vorbildlich tugendhafte Römerin bewiesen, die durch die Bekanntheit ihrer eigenen Familie einen guten Ruf über die Grenzen Mogontiacums hinaus genoss. "Ist es. Am gestrigen Tage, Legatus." Als das klar wurde, war die Entscheidung auch relativ schnell gefasst und so wandte er sich an seinen Stab: "Meine Herren, es scheint als hätte nicht nur Hiems Germanus etwas gegen unseren Terminplan, auch Mors scheint uns nicht wohlgesonnen. Ihr werdet verstehen, wenn ich euch nun verlassen werde um meiner Familie in dieser schweren Stunde beizustehen. Es steht euch frei, euch bereits nach Saliobriga zu begeben, ich werde euch dann folgen." , gab er erste Order, da er sich sehr gut vorstellen konnte, dass die Herren aus Lopodunum eine derart große Entourage wie die des Legatus nicht länger als nötig beherbergen wollte.. vor allem in einem derart strengen Winter.
"Meine Herren Honoratioren..." , wandte Vala sich nun an eben jene, "Ich benötige eure Unterstützung. Auf dem Rücken der Pferde werde ich es nicht schnell genug zurück nach Mogontiacum schaffen, um an der Bestattung teilzunehmen. Daher erbitte ich mir das beste Boot, das eure Civitas herzugeben hat... und eure kräftigsten Ruderer. Ich werde es euch nicht vergessen."
"Es würde mich mit Freude erfüllen, wenn du auf einem meiner Boote mit den besten meiner Männer zurück nach Mogontiacum reistest, Legatus.", schoss sofort ein junger Entrepreneur, der viel Geld auf dem Fluss verdient hatte, hervor. Vala nickte nur matt lächelnd und wandte sich dann zurück an seinen Stab um das nötigste zu klären... es galt keine Zeit zu verlieren, denn eine Bestattung war nicht so leicht aufzuhalten wie eine Hochzeit.