[Baiae] Das Anwesen des M' Flavius Gracchus

  • Dass ausgerechnet der Tiberius dieses falsche Spiel hatte getrieben, vermochte Manius Minor noch immer nicht zu verstehen, doch da Manius Maior seine Vermutungen neuerlich sogar konfirmierte, war er doch geneigt seinen Worten zu glauben, zumal er ohnehin außerstande war, sie in begründeter Weise zu kritisieren. Die Frage seines Vaters hingegen erschien auch dem Jüngling selbst als durchaus legitim, da doch Tiberius Durus ihm in seiner infantilen Erinnerung als ein Mann von Prinzipien war erschienen, welchem der Verrat an seinen Familiaren und Freunden zugunsten eines ordinären Usurpators nicht eben war zuzutrauen gewesen. Reichtum, Macht oder Ansehen indessen konnten es kaum gewesen sein, womit der Vescularius einen honorigen Consular zu locken vermocht hätte.
    "Zweifelsohne wurde Tiberius erpresst."
    , urteilte der Jüngling folglich, obschon er nichts zu imaginieren vermochte, was einen derartigen Verrat legitimiert hätte.


    Indessen blieb hier in der Tat lediglich die Spekulation, sodass die Gedanken des jungen Flavius sich von jener Frage abwandten und nochmalig die Worte seines Vaters rekapitulierten, um seinerseits weitere Inklaritäten zu identifizieren.
    "Und was geschah danach?"
    Er war noch ein Knabe gewesen, als sie nächtens Rom den Rücken hatten gekehrt und obschon der gute Vindex und zahllose weitere Freunde und Verwandte ihm immer wieder von den Geschehnissen des Bürgerkrieges hatten berichtet, so prägte für ihn doch insonderheit eine Erfahrung seine Reminiszenzen, welche gleich einer unverheilten Wunde ihn traumatisch beschwerte:
    "Doch was exakt war deine Rolle? Aus welchem Grunde warst du genötigt, mich allein in Mantua zurückzulassen? Und woran scheiterten deine Mühen?"

  • "Nun
    , setzte Gracchus auf den Wunsch seines Sohnes also auch den zweiten Teil der Misere fort.
    "Während unserer Flucht aus Rom gab es kaum Gelegenheit zu sinnieren, was geschehen war. Alle Gedanken galten nur unserem Leben, dem Ansinnen dich und Flaccus in Si'herheit zu bringen. In Mantua jedoch, als diese Sicherheit gegeben war, wurde mir schlichtweg das gesamte Ausmaß meines Schaffens und Scheiterns be..wusst. Wir ... wir hatten wahrhaftig einen Bürgerkrieg heraufbeschworen, jenes grauenvolle Ver..hängnis, welches im römischen Gesellschaftsgeiste in seiner Schwere noch weit vor jedem Kriege mit Barbaren, gar selbst vor einem Unfrieden mit den Göttern rangiert. Gleichwohl war ich ma'htlos, ein Theoretiker der Kriegskunst - und kein besonders guter dazu -, ein Mann des Staates und des Cultus, augenscheinlich nicht geschaffen einen Anteil an jener Schlacht zu schlagen, welche unauswei'hlich geworden war."
    Zweifelsohne hätte nicht mehr allzu viel gefehlt, dass Gracchus über diesen Umstand seinen Verstand hätte verloren, insbesondere über die Untätigkeit, welche in Mantua ihm war auferlegt worden.
    "Als jedoch in einem der Berichte aus Rom wurde erwähnt, dass Vescularius Decimus Serapio zu seinem Praefectus Praetorio hatte ernannt, wusste ich, dass dies meine einzige, wenn auch überaus geringe Chance war, die Zukunft noch zu einem besseren zu wenden. Glei'hwohl konnte ich nur allein nach Rom zurückkehren, konnte nicht riskieren, dass du zu einem Druckmittel in den Händen des Vesculariers wurdest. Du warst - und bist - die Zukunft unserer Familie, der wichtigste Antrieb meines Schaffens. Ich war mehr als froh, dass du wohlbehalten in Mantua warst angelangt, und ich war überzeugt, dass es in diesen Tagen für dich nirgends mehr Schutz gab als im Schatten der Legion um Aurelius Ursus. Deswegen ... ließ ich dich dort zurück."
    Hätte nicht Flaccus schon damals mit dem Fieber gekämpft oder wäre gar Sciurus bei ihnen gewesen, zweifelsohne hätte Gracchus seinen Sohn noch weiter fort von Rom hätte wissen wollen.
    "Ich bin zurück nach Rom geritten. Einem Strauchdieb similär schlug ich mich durch die Provinz, nä'htigte unter freiem Sternenhimmel, suchte die großen Straßen zu meiden und schlichtweg die rechte Richtung zu halten. Ich weiß nicht wie, doch augenscheinlich hatten die Götter mich nicht gänzlich verlassen, denn irgendwie schaffte ich es tatsächlich nach Rom. Gleichwohl mich dies in neuerliche Schwierigkeiten brachte, da ich einerseits eine Nachricht zur Castra musste senden, andererseits schlichtweg nicht wusste, wo die Casa der Decimer lag, und darüberhinaus stets musste befür'hten, auf der Straße erkannt zu werden. Allfällig hatten die Götter an mir ihren Spaß, denn irgendwie schaffte ich auch dies zu überleben und an der Porta der Casa Decima anzugelangen."
    Er suchte sich an diese Tage zu entsinnen, doch sie waren verschwommen und blass. Er hatte mit Menschen gesprochen, deren Art er in seinem ganzen Leben nicht eines Blickes hatte gewürdigt, hatte die Existenz seiner Füße und seines Rückens verspürt wie niemals zuvor.
    "Ich wählte einen Namen, von welchem ich wusste, dass Faustus ... dass Decimus Serapio ihn würde erkennen, gleichwohl würde wissen, dass dieses Versteckspiel notwendig war. Wir hatten zuvor uns sehr lange nicht mehr gesehen, dennoch folgte er meiner Bitte ohne ein Aufgebot an Praetorianern mit sich zu bringen."
    Ein schmales, wehmütiges Lächeln umspielte seine Lippen in Gedanken an Faustus. Faustus. Viel zu lange schon waren sie wieder voneinander getrennt, viel zu lange. Gracchus vermisste ihn, vermisste ihn so sehr, dass ihn schmerzte auch nur an ihn zu denken, ob dessen er sonstig sich verbat dies zu tun.
    "Ich suchte ihn davon zu überzeugen, dass es keine rechte Seite gab in diesem Konflikt, indes Vescularius' Ma'henschaften nur in eine düstere Zukunft konnten führen, und dass er, in seiner Position als Praefectus Praetorio die gesamte Zukunft mit einem kurzen Streiche würde wenden können. Ich ... ich gestand ihm nicht das gänzliche Ausmaß, doch genügend um die in ihm bereits vorhandenen Zweifel zu mehren. Indes, Faustus war kein Idealist, er war ein Soldat. Keiner von jenen, welche blindlings Befehlen gehorchen, doch einer, der mit Leib und Seele dem Wohle des Reiches diente - und dieses Reich wurde nun einmal augenscheinlich rechtmäßig von Salinator regiert, welcher einen Augustus hatte beerbt, der samt seiner Familie durch ein heim..tückisches Gift war zu Tode ge..quält worden. Zumindest war Faustus' Vertrauen groß genug, mich nicht auszuliefern, gegenteilig mich in seinem Hause verborgen zu halten als unauffälliger, unerkannter Gast."
    Es war wohl eher die Liebe zwischen ihnen gewesen, welches dieses Handeln hatte evoziert, doch das Gewicht der Wahrheit war an diesem Tage bereits schwer genug als dass der ältere Gracchus gegenüber seinem Sohne noch mehr davon auf seine Schultern mochte aufladen.
    "Gewiss hätte ich ihn persuadieren können, einige Tage noch, ein oder zwei Wochen etwa, doch dann kam der sonderbare Befehl, die Garde müsse Rom verlassen und nach Norden ausrücken. Ich blieb zurück, weiterhin verborgen in der Casa Decima, ein sonderbares Taumeln zwischen Verleugnung und Retardierung meiner Existenz und dem Geschehen außerhalb des Hauses, bis zu jenem Tage an welchem Cornelius' Truppen Rom ver..ver..wüsteten."
    Der Gedanke an diesen Tag ließ Gracchus noch immer erschauen, gleichwohl sein eigenes Grauen des Krieges zweifelsohne nur ein Hauch war gewesen im Vergleich mit dem, was andere hatten erleben und erdulden müssen. Weit schwerer indes als alle bloße Gewalt dieses Tages wog noch immer, dass eben jene Gewalt von Cornelius' Truppen war begangen worden, jenen Männern, welche Gracchus im Zenit der Konspiration hatte auserkoren, Rom Frieden, Wohlstand und eine glänzende Zukunft zu bescheren, jenen Männern, welchen er Rom und seine Bürger hatte anvertraut.
    "Zweifelsohne ist dir jener elysäische Augenblick ver..traut, wenn du aus einem grauenvollen Alb in den neuen Tage erwachst, den Nachtmahren entronnen und erleichtert, dass der Schrecken vorüber ist. Ich erwachte damals aus einem gnädigen Traum geradewegs hinein in den Albtraum, welchen ich selbst hatte ge..schaffen. Gemeinsam mit Decimus Casca konnte ich aus der Casa Decima fliehen, zurück in die Villa Flavia, wo wir auf das Ende des Grauens warteten, denn dort standen wir für diesen Augenblick zumindest wieder auf der rechten Seite. Für Rom kam dieses Ende vorerst mit Cornelius Palma - kein glückliches Ende, doch zumindest ein erträgliches. Ich selbst indes suchte zurück in Verleugnung zu ver..sinken, doch letztendlich wartete ich tagein, tagaus nur auf die Nemesis."
    Er senkte den Blick, die Last seines Lebens schwer auf seinem Leib spürend.
    "Letztendlich ... habe ich niemals davon abgelassen."
    Womit der Kreis geschlossen war zu all dem Wahn, welcher noch immer sein Herz trübte und ihn Rom entzog. Er versuchte ein verbrämendes Lächeln sich abzuringen, doch wollte es nicht recht ihm gelingen.

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  • Schon kurze Zeit nach seiner Rückkehr aus Cremona hatte Manius Minor die Rolle seines Vaters während des Bürgerkrieges im Gespräch mit seinem Vater thematisiert, doch hatte er damals in infantiler Erzürntheit nicht recht den paternalen Explikationen gelauscht, hatte nicht vermocht sie in rechtem Maße zu kontextualisieren, ehe final seine despektierliche Redeweise jene Thematik beendet hatte, kaum dass sie angeschnitten worden war. Zuvor wie danach hatte der junge Flavius seinen Vater als einen Feigling erachtet, welcher, furchtsam vor dem Resultat des Krieges, sich bei Freunden in Rom hatte verkrochen, von der Bildfläche verschwunden bis zu jenem Tage, da die Urbs wieder in den Händen respektabler Männer war gelegen. Dies war der Ursprung jener Entfremdung gewesen, welche letztlich ihre Relation hatte zerrüttet, welche final gar in jene trutzige Drogensucht seiner selbst hatte gemündet.


    Am heutigen Tage jedoch bescherte Fortuna den beiden Flavii eine gänzlich differente Situation, welche nicht nur dem Vater gestattete, seine Narration ein wenig extensiver zu präsentieren, sondern ebenso dem Sohne, jene wohlwollender aufzunehmen und zu reflektieren. Angesichts seiner eigenen Erfahrungen während seines Tribunates, dank jener Einsicht, dass gewaltloses Taktieren bisweilen weitaus größeren Erfolg mochte zeitigen als jede noch so mutige Schlacht, vermochte er nun auch diese Tat seines Vaters als das zu würdigen, was sie war: Ein mutiger, seinen Kapazitäten adäquater Akt.
    Er mochte gescheitert sein, doch hatte er zumindest den Anlauf genommen, Rom und seinen Freunden zu Hilfe zu eilen und das Blutvergießen zu vermeiden. Dass er sich reelle Chancen hatte ausgerechnet, dass es kein Hirngespinst jenes Wahnes war gewesen, der in jenen Tagen sich seiner hatte bemächtigt, erschien dem jungen Gracchen glaubhaft, denn obschon ihm war bekannt, dass sein Vater und der Decimus eine cordiale Relation hatten gepflegt, so implizierte doch der Umstand, dass jener nun sich des Praenomens seines Freundes bediente, eine Intimität, welche womöglich auch auf dem politischen Parkett sich hätte aktivieren lassen können.


    Die Reminiszenz an üble Träume, aus welchen man erwachte, war dem jungen Flavius bestens vertraut, war er nach seiner Purgation doch aus einem Traum erwacht, welcher grässlicher nicht hätte sein können. Warum es im Falle seines Vaters eine inverse Entwicklung hatte genommen, dies vermochte er nicht zu ergründen:
    "Welche Nemesis? Nahm eure Konspiration nicht final ein gutes Ende? Was also plagt dich?"

  • Die Stirn des älteren Gracchus legte sich in Falten als er derangiert seinen Sohn fixierte, die Couleur seiner Stimme mit jedem Worte an Verzweiflung gewann.
    "Valerianus und Vescularius, Minor! Valerianus und Ves..cularius, dies waren diejenigen, welche wir zum Wohle Roms beseitigen wollten. Und die Augusta und der Caesar sollten die einzigen Opfer in unserem Vorhaben sein, die einzigen! Einer von uns allfällig, dies wäre ein annehm..barer Preis gewesen, allfällig auch unser aller Leben - doch ein Bürgerkrieg, Minor! Ein Bürgerkrieg! Unzählige Tote und Ver..letzte, Leid über Tage und Wo'hen und Monate, Leid, welches bisweilen noch bis heute hin na'hhallt! Ein tiefer Riss in der römischen Seele! Und Cornelius ... bei allen Göttern, ich ... war bald nicht mehr sicher, ob Cornelius ge..eigneter war als Valerianus. Anders, zweifelsohne, doch besser?"
    Mit jedem Tage der Herrschaft des Corneliers glaubte er die Gier in dessen Augen zu entdecken, die Kungelei wie eh und je. Doch allfällig war sein Blick nur von ihrer gemeinsamen Schuld getrübt.
    "Hat unsere Konspiration ein gutes Ende genommen? Ich bezweifle es, Minimus"
    , bekannte er traurig.
    "Die Welt wäre ohne uns in eine Misere verfallen, zweifelsohne, sie hätte einen hohen Preis bezahlt, doch irgendwann wäre sie auch daraus wieder erwa'ht. Unser Preis war hoch, viel zu hoch. Ich ... ich kann nicht glauben, dass der Preis eines anderen Verlaufes der Geschi'hte ebenso übermäßig wäre gewesen."
    Er seufzte tief.
    "Darob warte ich, Minor, warte darauf, dass eine ausglei'hende Gerechtigkeit mich ereilt. Doch nichts geschieht. Antonia und Flamma haben den ... Tod gefunden, doch solcherart Sterben umfing mich auch zu früheren Zeiten. Bisweilen erwägte ich, mir schlichtweg ein Gladius in den Leib zu treiben oder ... vom tarpeischen Felsen zu springen, doch ... doch was würde es nützen? Die Menschen würden einen Augenblick in Verwunderung ver..harren, ehedem sie meinen Leichnam in großem Trauerzuge durch Rom würden tragen, mein Leben feiern und mich neben meinen Ahnen bestatten und ehren."
    Allfällig war das Verharren im verborgenen Unrecht, jeder Augenblick, jeder Herzschlag in welchem er das Flüstern der Toten konnte hören seine Nemesis, welche ihn längst mit ihren qualvollen Armen umfangen hielt.
    "Irgendwann habe ich schlichtweg versu'ht, meinen Pflichten weiter nachzukommen, mehr als je zuvor Rom zurückzugeben, was ich genommen hatte. Doch ich bin dieser Pflichten so müde, Minor."
    Seine Schultern sanken herab, wie sein ganzer Leib wieder ein wenig tiefer in das Wasser hin absank. Bisweilen schien ihm, das Leben in Rom raste einer Quadriga gleich durch den Circus des Lebens während er zu Fuß versuchte Schritt zu halten, wieder und wieder nur konnte hernachblicken wenn es in einer weiteren Runde an ihm vorbei zog.

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  • Die eindringliche Rede seines Vaters bedrückte den jungen Gracchen und als er geendet hatte, verspürte er gleichsam eine neue Form der Verbundenheit, welche auf der similären, desperaten Hoffnung auf Erlösung gründete, obschon ihre Auslöser in gänzlich differenten Gefilden lagen. Sie beide mühten sich in desperater Hoffnung, ihr Schicksal zu erfüllen, ihrem Platz in Gesellschaft, Familie und Staat möglichst rechtschaffen gerecht zu werden und damit der Gnade einer divinen Macht, sei es des Genius Populi Romani, sei es der Götter der Unterwelt, sich als würdig zu erweisen. Manius Minor wusste in indubitabler Weise um seine Schuld und jene Ira Deorum, welche er durch sein gottloses Leben als Epikureer hatte evoziert, hatten doch die Unsterblichen (respektive die Manen seiner geliebten Mutter) selbst ihm die Lage und ihre possiblen Auswege erleuchtet, selbst wenn er in unseligen Momenten doch bezweifelte, ob er in irgendeiner Weise würde kapabel sein, sich von seinen Sünden reinzuwaschen. Manius Maior hingegen schien seine eigenen Schlüsse gezogen und höchstselbst sich in jene missliche Lage manövriert zu haben, in welcher nun er zu ertrinken drohte.


    Dabei erschien seine desillusionierliche Interpretation dem flavischen Jüngling keineswegs als so zwingend, wie sein Vater diese augenscheinlich erkannte:
    "Vater, du hast Rom bereits viel gegeben. Du hast im Cultus Deorum gedient und mit einem fulminanten Wahlergebnis das Consulat errungen. Und auch dieses Amt erfülltest du zur Zufriedenheit aller!"
    Zumindest schien dies dem jungen Flavius so angesichts der respektvollen Weise, in der alle von ihm sprachen.
    "Und dieser rastlose Einsatz konfirmiert doch nichts weiter als den Umstand, dass es stets dir um Rom ging, selbst wenn deine Mühen nicht immer jenen Lauf nahmen, den du projektiertest. Eure Intentionen waren rein und Cornelius war ohne Zweifel ein besserer Princeps, als der kränkliche Valerianus und insonderheit sein ordinärer Praefectus Urbi es je gewesen wären!"
    Cornelius Palma hatte der Jüngling einst ein Panegyricum gehalten, weshalb er sich intensiv mit dessen Leistungen, ebenso aber seinen Schwächen hatte befasst.
    Er richtete sich ein wenig auf und Wasser von seiner Brust und Armen rann geräuschvoll in das Becken.
    "Du sagtest mir einst, dass drei Maximen unser Handeln zu bestimmen haben: Familie, der Staat sowie die Wahrheit!
    Dass ein Aelius auf dem Caesarenthron den Interessen unserer Familie widersprach, diesbezüglich dürfte Konsens bestehen, zumal, wie wir wissen, insonderheit der schrankenlose Vescularius unseren Stand unterdrückte und ihm schadete, wo immer es ihm possibel war.
    Dies jedoch deutet bereits an, welchen Schaden dieses unselige Gespann unserem Staatswesen bereitete: Ein Herrscher, welcher die alten Familien seines Volkes zurückstößt und demütigt, welcher stattdessen allein auf Emporkömmlinge und Speichellecker sich stürzt und allein seinen Lüsten sich hingibt, ist ein Tyrann! Vor Jahrhunderten vertrieben unsere Vorväter die Könige Roms eben aus diesen Gründen, sie begründeten ein Staatswesen, welches seither trotz mancher Bedrängnisse blüht und gedeiht!
    Und hinsichtlich der Wahrheit-"

    Er stockte, als ihm gewahr wurde, dass er hier noch eines Argumentes gebrach, sodass er für einen Augenblick innehielt, ehe doch ihm eine Einrede, wenn auch in mäßigerer Qualität als zuvor, in den Sinn kam:
    "Hinsichtlich der Wahrheit wirst du konzedieren müssen, dass jener Bürgerkrieg nicht eure hehren Intentionen zu negieren vermag: Es entsprach eurem wahrhaftigen Willen, möglichst verborgen und friedlich einen adäquateren Caesaren zu installieren, selbst wenn dies nicht in jener Weise gelang. Eure Intentionen wahren wahrhaftig und die unglücklichen Fehlschläge, welche indessen keineswegs dir anzulasten sind, sondern dem Tiberius oder anderen Konspiranten! Die Wahrheit ist, dass du und die deinen ihr Leben riskierten, um für eure Familien, euren Staat und die Wahrheit einzustehen. Selbst als jener grässliche Krieg war entfesselt, kehrtest du in die Höhle des Löwen zurück, um das Blutvergießen zu beenden. Insofern vermag ich nicht zu erkennen, welcher Fehler just dir anzulasten wäre."

  • Der ältere Gracchus war wohl sich bewusst, dass sein Sohn ihm keinen Honig um den nicht vorhandenen Bart würde schmieren, denn schlussendlich hatte er ihn zu Offenherzigkeit und Standhaftigkeit erzogen, welche Minor letztlich in Aegyptus über alle Maßen hinaus hatte gefestigt, und welche auch nach dem Eingeständnis seiner dortigen Ungebührlichkeiten dennoch in seinem Charakter fest verankert verblieben. Einem Advocatus gleich beleuchtete Minor die Facetten der Historie, dekuvrierte inwendige und extrinsische Trugschlüsse und unvermeidliche Notwendigkeiten, deduzierte seine Konklusionen und sprach schlussendlich den Angeklagten von tiefgehender Schuld frei. Einige Augenblicke der Stille folgten, in welchen Gracchus Maior einerseits in halbherzigem Bemühen das Plädoyer seines Sohnes zu zersetzen suchte, andererseits in der Behaglichkeit seiner sanftmütigen Umarmung versank. Schlussendlich atmete er tief ein und wieder aus, ehedem er bedächtig nickte.
    "Sollte ich jemals vor dem Tribunal enden, so kann ich zumindest mir gewiss sein, dass der beste Advocatus meine Ver..teidigung wird übernehmen."
    Er lächelte schwach.
    "Ich kann nicht eingestehen, dass du mich zur Gänze überzeugst, ist dieser Zwiespalt doch schon zu lange mir inhärent, doch muss ich konzedieren, dass deine Worte nicht einer gewissen Vernunft entbehren, welcher ich mich glei'hwohl nicht zu entziehen vermag. Ich werde sie darob in mir verwahren und weiter reflektieren."
    Er blickte hinab auf seine Finger, deren Haut sich allmählich in Falten legte, strich mit dem Daumen über Zeige- und Mittelfinger.
    "Doch vorerst sollten wir das Bad beenden ehedem wir uns noch in Frösche verwandeln."


    Nachdem sie das Bad abgeschlossen hatten führten die beiden Gracchen ihr Gespräch fort bei der anschließenden Cena - gleichwohl das Thema wechselte zu Minors Abenteuer in Germania. Auch in den folgenden Tagen nahmen diese Ereignisse den älteren Gracchus gänzlich ein, dass alsbald jedes Gespräch über Politik im Generellen und Minors Quaestur im Besonderen ein rasches Ende fand zugunsten weiterer Berichte aus der fernen Provinz. Auch die Rückreise nach Rom war bald vorbereitet, doch am Vortage des Aufbruchs überkam Gracchus ein Wintergrippe, welche ihn letztlich zwang, seinen Sohn allein in die Hauptstadt zurückkehren zu lassen und weitere Tage und schlussendlich Wochen in Baiae auszuharren, ehedem auch er nach Rom zurückkehrte.


    ~~~ finis ~~~

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