Am Morgen nach dem Anschlag auf die Ludi hatte die Lage sich ein klein wenig beruhigt. Den ganzen Tag und die ganze Nacht waren marodierende Aufständische durch die Stadt gezogen, Häuser geplündert und Villen angezündet worden. Wie durch ein Wunder und unter tätiger Mithilfe zahlreicher Bürger war es den Vigiles jedoch bis zum Morgengrauen gelungen, die meisten Feuer zumindest so weit unter Kontrolle zu bringen, dass ein allgemeiner Stadtbrand abgewendet war. Das bedeutete aber keineswegs Ruhe - noch immer verbreiteten sich ständig Nachrichten über bewaffnete Banden, die auf offener Straße jeden angriffen, der aussah, als besäße er Sklaven (oder auch einfach nur etwas Geld).
Da es keinen konkreten Unruheherd gab, sondern die Banden scheinbar an allen Ecken der Stadt auftauchten, hatten der Stadtpräfekt und der Prätorianerpräfekt das Stadtgebiet schließlich aufgeteilt und mehrere Posten errichtet, an denen sich ständig Soldaten unter dem Kommando ihrer Tribunen in Bereitschaft hielten. Lucius Petronius Crispus war mit einem stärkeren Trupp der Esquilin zugewiesen worden, wo er an einer zentralen Kreuzung unweit der Casa Octavia einen Kontrollposten errichtet hatte. Zum Schutz seiner Männer hatte der Tribun in den umliegenden Häusern Möbel requirieren lassen, aus denen Barrikaden gezimmert werden sollten. Außerdem plante er, in einem der benachbarten Häuser ein Quartier einzurichten, in dem die nicht Wachhabenden sich ausruhen konnten - wer wusste schon, wie lange dieser Aufstand noch dauern würde?
Doch welches Gebäude sollte er nehmen? Nachdenklich kratzte sich der Petronier am Kinn und begutachtete die einzelnen Gebäude an der Kreuzung. Es machte ein schabendes Geräusch - sein normalerweise glatt rasiertes Kinn war mit Stoppeln übersäht, denn er war seit dem Beginn des Aufstandes weder zu Hause gewesen, noch hatte er geschlafen. Er wusste, dass dieser Zustand ihn müde machte und er früher oder später ein bisschen Ruhe brauchte, wenn er seine Fähigkeiten voll nutzen wollte. Aber zuerst musste er seine Aufgabe erledigen! Direkt hinter dem Schrein der Lares Compitales stand eine große Insula - dort hätte wahrscheinlich jeder seiner Männer ein eigenes Zimmer, wenn er sie komplett räumen würde. Aber die Struktur der Mietshäuser war nicht unbedingt geeignet, um die dort einquartierten Soldaten schnell auf die Straße zu bekommen - es gab innen wahrscheinlich nur ein oder zwei schmale Treppen, während die Läden unten offen waren - im einen Fall konnte er seine Männer gleich auf der Straße schlafen lassen, im anderen würde wahrscheinlich die Hälfte die Treppe runterfallen, wenn Alarm geblasen wurde!
Dahinter lag allerdings ein herrschaftliches Anwesen, das einerseits nicht so hoch war, andererseits recht geräumig wirkte - ideal: Wenn es eine Villa Urbana war, wie sie beispielsweise bei der Casa Accia von innen gesehen hatte, würde es ein großes Atrium geben, in dem seine Leute ihre Lager aufschlagen konnten und von wo aus sie schnell auf die Straße kamen. Viele ebenerdige Zimmer würden es sogar erlauben, ein Lazarett einzurichten!
"Optio Octavius, mitkommen! Wir besetzen dieses Haus und richten dort ein Quartier ein!"
befahl er dem ihm zugeteilten Unteroffizier, der zufällig ausgerechnet ein Sohn dieses Hauses war, das sie zu besetzen gedachten: die Casa Octavia!