Zu den Obliegenheiten eines Tribuns, gerade eines Laticlavius, zählte auch die Entlastung des Statthalters in Fragen der Jurisdiktion, denn wo der Legatus Iuridicus bereits mit jenen Fällen hinreichend okkupiert war, in denen römische Bürger bei einem senatorischen Beamten ihr Recht suchten, erwies es sich als impossibel, auch nur die an allen Ecken und Enden sprudelnden Appellationen an den Legatus Augusti in den gemeinen Fällen zwischen Peregrini durch einen senatorischen Iudex zu verhandeln. Neben Duccius Vala unternahm so auch Manius Minor, welcher ja in der Tat auch eine rudimentäre juristische Edukation hatte genossen, Gerichtsreisen in die Civitates Germania Superiors, um im Namen des Kaisers zu Gericht zu sitzen.
Einer jener Termine war Lopodunum, der Hauptort der Civitas Sueborum Nicrensium, wo der junge Flavius am späten Abend eintraf und sogleich von den Honoratioren der Stadt, wie gewöhnlich einer Mischung aus Veteranen und einheimischer Nobilität, zu einem Gastmahl geladen wurde. Inzwischen verstand der Jüngling es, sich innerhalb jener provinzialen Hautevolée zu bewegen, welche nur ein schwacher Abglanz jenes strahlenden Vorbilds der stadtrömischen Aristokratie insbesondere hinsichtlich kosmopolitischer Bildung und nobler Beredsamkeit darstellen mochte, doch dafür von größerer Herzlichkeit geprägt war. Indessen zählte Manius Minor auf dergestalten Exkursionen ohnehin stets als ein Ehrengast, welcher selbst nach bisweilen auftretenden Fehltritten und Unzulänglichkeiten (so verweigerte er etwa den exzessiven Zuspruch zu Bier und anderen Alkoholika, welcher augenscheinlich zur lokalen Kultur zählte) mit gleichmütiger Höflichkeit und größtem Zuvorkommen traktiert wurde.
Am folgenden Morgen dagegen erwarteten ihn weniger versöhnliche Charaktere, als er in der Basilica, jener in den Mauern eines aufgelassenen Castellums errichteten Stadt, seinen Gerichtstag eröffnete. Similär zum Gerichtshof des Statthalters selbst saß der junge Flavius allein zu Gericht, wurde jedoch von einem Consilium beraten, in seinem Falle sich konstituierend aus einem juristisch versierten Centurionen, welcher bereits bisweilen selbst zu Schlichtungsaufträgen entsandt worden war, sowie einem Repräsentanten der lokalen Bevölkerung, diesmalig einem der Duumviri Lopodunums, dessen Präsenz die lokalen Rechtstraditionen in die Urteilsfindung einfließen lassen sollte.