Wenige Tage waren vergangen, seitdem der junge Gracchus nach Roma zurückgekehrt war. Dennoch oder gewissermaßen eben deswegen füllte bereits ein dichtes Geflecht an Terminen und Obliegenheiten den Tag Manius Minors, da erstlich zahlreiche Klienten der Familie, die nun beinahe ein Jahr ohne einen Spross der Stirps der Flavii Gracchi hatten vertröstet werden müssen, ihre Aufmerksamkeit einforderten ebenso wie Anverwandte und Freunde der Familie, denen es neuerlich seine Referenz zu erweisen galt. Am heutigen Tage nun hatte Gracchus Minor die Cornelii Scapulae mit seiner Verlobten Cornelia Philonica geladen.
Dem Usus entsprechend empfing der Jüngling sie im Atrium, welches der beginnende Herbst zu jener vorgerückten Stunde bereits in mäßiges Dämmerlicht hüllte. Ein wenig Nervosität befiel den Jüngling, als er sich fragte, welche Entwicklung Cornelia Philonica im vergangenen Jahr wohl genommen haben mochte, nachdem er sie von ihrem letzten Rendez-vous als eher unansehnliche, von Akne geplagte junge Dame memorierte. Er selbst zumindest war durchaus einer gewissen Evolution unterlegen, hatte einerseits an Bartwuchs gewonnen, andererseits marginal an Leibesumfang verloren, sodass des Morgens gar noch ein Vestificius zu engagieren war gewesen, um die Synthesis des jungen Flavius an die neuen Körperformen zu akkomodieren.
Als Acanthus indessen die Gäste hereinführte, erkannte er bereits von Ferne, dass seine Hoffnungen in noch marginalerer Weise waren erfüllt worden als jene hinsichtlich seiner Gewichtsabnahme: Noch immer glich die Cornelia einer Bohnenstange kurz vor der Ernte; hoch aufgeschossen und schmal, doch auf gewisse Weise trotz ihrer wenigen Lenze vertrocknet sich ausnehmend. Als sie näher trat, erkannte er die wohlvertraute Fehlstellung ihrer Zähne, obschon er zumindest zu konzedieren genötigt war, dass er unter der dicken Schicht an Puder, welche ihr Antlitz bedeckte, außerstande war aknöse Pusteln zu identifizieren.
"Flavius, wie schön dich wohlbehalten wieder zu sehen!"
, ergriff Cornelius Scapula, der Amtscollega und Freund Manius Maiors das Wort und lächelte den Jüngling jovial an.
"Ich habe mir die Freiheit genommen, neben Philonica auch ihre beiden Brüder mitzubringen. Du kennst sie sicherlich bereits?"
Beinahe war Manius Minor entgangen, dass neben den Leibsklaven zwei Herrschaften die cornelische Entourage geleiteten, deren Leibesform der seiner Verlobten in stupender Weise glich, zumal sie ja ohnehin kaum über jene fraulichen Rundungen verfügte, welche sie von ihren Brüdern womöglich abgehoben hätten.
"Ave, Flavius. Ich glaube wir sind uns länger nicht begegnet. Zuletzt wohl auf einem Geburtstag meines Onkels?"
, meldete sich der Ältere von beiden zu Wort. Caius Cornelius Scapula hatte, wie der junge Flavius sich entsann, bereits die Quaestur absolviert und war in den Senat eingetreten.
"Dies mag sein. Welch freudige Überraschung indessen, meine Schwäger in spe endlich einmal in meinem Hause begrüßen zu dürfen."
, erwiderte Manius Minor in ehrlicher Freude, obschon weniger ob der unerwarteten Visite, welche die Dienerschaft nötigen würde, kurzfristig umzudisponieren, sondern aufgrund der Option, durch jene weiteren Gäste weniger genötigt zu sein sich mit Cornelia Philonica zu befassen.
"Meine Gattin leidet leider unter Schwangerschaftsbeschwerden, weshalb sie sich entschuldigen lässt."
, vermerkte Scapula Minor indessen noch, während sein jüngerer Bruder, ein Jüngling etwa sechzehn Lenzen, der den Flavius jedoch an Körpergröße beiweitem überragte, sich eher wortkarg gab:
"Salve, Flavius."
Nun endlich war Gracchus Minor genötigt, sich auch seiner Verlobten zuzuwenden und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange, wie es gegenüber einer baldig ihm Angetrauten erwartet wurde, obschon der Gedanke, womöglich unter der Schminke verborgene Pickel mit seinen Lippen zu berühren, ihn ein wenig abhorreszieren ließ.
"Cornelia Philonica, du bist ebenso hübsch wie ich dich beständig memoriert habe."
, komplimentierte er, obschon selbstredend jene Worte in seinen Augen eher implizierten, dass sie mitnichten an Schönheit gewonnen hatte. Dennoch reagierte das Mädchen mit einem genanten Lächeln, welches ihre monströse Zahnlücke zwischen den oberen Schneidezähnen voll zur Geltung brachte.
"Oh, Flavius Gracchus. Ich freue mich, dass du wieder in Rom bist."