Opfer zu den Ludi Palatini

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    Die Domus Augustana stand auf den Grundmauern des Hauses, das bereits Augustus als seinen Amtssitz errichtet hatte. Schon er hatte einen Teil seines Hauses zum öffentlichen Gebäude erklärt, um dort seine Amtshandlungen als Pontifex Maximus vollziehen zu können. Nach dem Tod dieses ersten Hausherrn hatten sein Nachfolger Tiberius und seine Witwe Livia Drusilla dem kurz darauf vergöttlichten Numen Augusti einen Altar geweiht. Es wurde zur Tradition, dass zu Beginn jedes Jahres hier Opfer abgehalten wurden, die mit längeren Ludi auf dem Palatin verbunden wurden: Die Ludi Palatini!

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  • Als der Kaiser erschien, hatte sich bereits eine Reihe von bedeutenden Persönlichkeiten der stadtrömischen Gesellschaft im Hippodrom versammelt. Severus erschien an der Spitze einer langen Prozession, bestehend aus allen Mitgliedern der vier stadtrömischen Priestercollegia. Er würde heute als Pontifex Maximus in ihrer aller Namen opfern. Auch das Opfertier war bereits dabei: Ein prächtig geschmückter Ziegenbock. Er sollte daran erinnern, dass Augustus sich gern mit dem glückverheißenden Sternbild des Capricorn in Verbindung gebracht hatte (obwohl er im Sternzeichen der Waage geboren war).


    Die Vorbereitung dieses Aktes hatte er seinem neuen Procurator Fabius übertragen, der allerdings nicht an der Prozession teilnahm. Das war den Priestern und Opferhelfern vorbehalten.

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  • Zusammen mit seinem Amtskollegen und weiteren Persönlichkeiten traf Menecrates im Hippidrom ein. Es gab viele Opferungen eingangs der Ludi Palatini, angefangen über die Festtage der Felicitas und der Iuno, den vorbereitenden Festtag der Concordia und natürlich das speziell anlässlicher der Ludi Palatini vorgesehene Opfer, das - wie abgesprochen - der Kaiser ausrichtete. Sie standen hier deutlich windgeschützter als auf dem Capitol, weswegen sowohl das Wohlgefühl als auch die Handhabe der Opferung besser ausfallen würde.
    Wegen der vielen Pflichten, von denen er keine versäumen wollte, aß Menecrates unregelmäßig, was sich auf seine Verdauung niederschlug. mal stockte sie, mal lief sie auf Hochtouren. Hier im Außenbereich musste er aber nicht fürchten, dass Bauchkullern hörbar die Zeremonie störte.


    Bevor der Kaiser kam, beugte er sich zu seinem Kollegen und flüsterte: "Ich habe gesehen, dass du bereits die Ankündigung zu den nächsten Wahlen vorgenommen hast. Das erscheint mir etwas zeitig, zumindest im Vergleich zu den Vorjahren, aber du wirst schon deine Gründe haben." Er nickte seinem Kollegen zu und ließ erkennen, dass er der fehlenden Absprache wegen keineswegs grollte. Jeder von ihnen trug ein ordentlich großes Arbeitspaket.


    Als der Kaiser mit den vielen Priestern und Opferhelfern erschien, verstummten alle Anwesenden.

  • Der Kaiser begrüßte die Consuln und die anderen Staatsgäste mit einem freundlichen Nicken in ihre Richtung. Um jeden persönlich zu begrüßen war keine Zeit. Immerhin sollte das Opfer zügig vollzogen werden, damit die Spiele unten im Circus beginnen konnten. Außerdem störte das die Zeremonie.


    Also blieb der Aquilier vor dem Altar und der Büste stehen und wandte sich direkt an das gesamte Publikum.
    "Verehrte Gäste! Seit dem Tode des Augustus ist es Tradition, in den Tagen des Ianuarius an diesem Altar seinem Numen zu opfern. Divus Augustus erbaute dieses Haus, wie er auch unser Imperium erbaute. Auch wir verdanken ihm die bis heute herrschende Pax Romana, die Einheit unseres Volkes und den Frieden mit den Göttern. Opfern wir ihm und seiner Wirkmacht also auch heute und feiern wir sein Andenken in den kommenden Tagen mit den Spielen, die Consul Herius Claudius Menecrates bereits seit langem vorbereitet hat." Er blickte in die Augen seiner Zuhörer. "Aber nun lasst uns beginnen."


    Er drehte sich zu dem Altar um, auf dem bereits ein kleines Feuer brannte. Dann zog er die Toga über seinen Hinterkopf und wusch sich in einer Schale die Hände.
    "Favete linguis!" befahl der Herold und auch die Zuschauer wurden mit Wasser besprengt, um ihre kultische Reinheit herzustellen. Schließlich begann der Kaiser mit dem Opfergebet. Er pries die Größe des Numen Augusti, seine heilbringende Kraft, die das Imperium durchwirkte, seine Siege an allen Enden des Reiches und seine wohltuende Restitution der Republik. Er brachte ihm verschiedene Opfergaben dar. Zuerst Weihrauch, dann Opferkuchen und schließlich ein Trankopfer. Er bat um den Segen des Divus Augustus für das Volk der Römer und die kommenden Spiele zu seinen Ehren.


    Dann war der erste Teil des Opfers abgeschlossen. Als nächstes war der Ziegenbock an der Reihe.

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  • Gemeinhin konnte ich den Ritualen des Cultus nicht sonderlich viel abgewinnen, insbesondere wenn es um langwierige Prozessionen ging, die in meinen Augen oftmals mehr der Zurschaustellung des Opfernden als der Opferung selbst dienten. An diesem Tage war es allerdings zweifellos ein Privileg, dem Opfer des Kaisers höchstselbst zu den Ludi Palatini beizuwohnen. Immerhin war dieses öffentliche Opfer nur dem erlauchtesten Kreis der stadtrömischen Gesellschaft vorbehalten, was sich unter anderem in der Anwesenheit der Magistrate, allen voran den Consuln, wiederspiegelte.


    Abwartend beobachtete ich also zunächst die Prozession, die vom Augustus angeführt wurde. Nachdem der Kaiser das Voropfer abgeschlossen hatte, wurde der prächtig geschmückte Ziegenbock zum Altar geführt. Die immer noch herrschende Stille wurde sogleich von Flötenspielern durchbrochen, während das Opfertier mit zwei Ketten an Ringen fixiert wurde, die im Boden vor dem Altar befestigt waren. Die Flötenspieler sorgten gleichsam dafür, dass das laute Klagen der Ziege im Wissen um ihr bevorstehendes Leid kaum mehr hörbar war. Bevor das Opfer allerdings vollzogen werden konnte, wurde es zunächst mit der Mola Salsa geweiht. Daraufhin setzte der Kaiser zu einem weiteren Opfergebet an.

  • Den Traditionen gemäß begutachtete Severus den Ziegenbock, das Wahlsternzeichen des Augustus. Dann war das Opfergebet an der Reihe, das er mit erhobenen Händen rezitierte, während einer der Pontifices ihm soufflierte.


    "Agone?" fragte schließlich zum Abschluss der Victimarius und der Pontifex Maximus bestätigte: "Age!"

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  • Auf den Befehl des Pontifex Maximus hin trat der Cultrarius zum Ziegenbock heran und stach mit einem Messer gezielt in die Halsschlagader des Tieres und durchschnitt daraufhin die Kehle. Das Klagen der Ziege verstummte und sie sank kraftlos zu Boden. Nach wenigen Sekunden war der Platz vor dem Altar voller Blut, das von Opferhelfern gesammelt wurde. Nachdem das Tier ausgeblutet war, wurde schließlich der Bauchraum geöffnet und die Eingeweide entnommen. Daraufhin trat ein Haruspex heran und analysierte die Innereien sorgfältig und geduldig, die sich nun in einer Patera am Altar befanden.


    Die herrschende Stille wurde erst nach einigen Minuten unterbrochen, als der Haruspex mit einem "Litatio" die Annahme des Opfers durch den vergöttlichten Augustus verkündete. Erleichterung machte sich in den Reihen der Teilnehmer breit und auch ich zeigte mich zufrieden, dass das Opfer, das ich organisiert hatte, nicht unter einem schlechten Zeichen stand. Nun galt die Aufmerksamkeit wieder dem Kaiser, der die feierliche Zeremonie mit dem Verlassen des Hippodroms beenden würde.

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