Erneut zur Stellung der Frau im öffentlichen Leben

  • Es kam nicht selten vor, dass Themen nicht an einem Tag abschließend besprochen wurden, so dass sie an einem anderen Tag erneut auf der Agenda des Senates erschienen. So auch heute, was dem leitenden Consul die einführenden Worte leicht machte. "Wir setzen nun unsere Debatte zur Stellung der Frau im öffentlichen Leben fort, die wir kürzlich vertagt haben. Das Wort hat erneut der Senator Claudius Menecrates."

  • Menecrates wusste es nicht vorherzusagen, aber er hoffte, das heutige Thema letztmalig vorzutragen. Insbesondere hoffte er auf ein nennenswertes Ergebnis. Andernfalls würde eine erneute Aufwärmung - von wem auch immer - keinen Sinn mehr machen, weil die Brisanz verlorenging, wenn man ein Thema fortwährend wiederkäute. Dabei besaß dieses Teilergebnis der Kommission hohe Brisanz.
    Nach der Ankündigung erhob er sich. Er fühlte weniger Feuer als die ersten Male in sich, aber an seiner Grundhaltung hatte sich nichts geändert.


    "Werte Senatoren, sicherlich ist den meisten mein Vorstoß in Richtung Festschreibung per Gesetz, die Karrieremöglichkeiten von Frauen betreffend, noch in Erinnerung. Damals ist nicht nur der Entwurf gescheitert, sondern sogar eine hochgradig abgespeckte Kompromisslösung."
    Wie kümmerlich er diese Tatsache fand, machte er mit einer Unterbrechung des Redeflusses deutlich.


    "Ich habe inzwischen unseren Kaiser aufgesucht und wurde von ihm gebeten, noch einmal eine Debatte anzustoßen, in der im Nachhinein ein Meinungsbild erhoben werden soll." Er legte wieder eine Pause ein, weil ihm die Wortwahl Schwierigkeiten bereitete. Er wollte nicht zynisch werden, daher gönnte er sich ein Durchatmen, bevor er fortfuhr.


    "Das Interesse des Kaisers liegt in der Klärung der Frage, wie wir die Mores Maiorum aktuell für uns auslegen wollen bzw. was wir, die Senatoren, für unsere Zeiten für sinnvoll erachten."


    Auch hier legte Menecrates eine Pause ein, aber dieses Mal, um dem Kaiserwunsch Raum zu geben und ihn nicht vorschnell abzuwürgen. Denn dass Menecrates ihn abwehren wollte, stand außer Frage.


    "Da ich einmal das Wort habe, möchte ich gleich meine Meinung dazu äußern. Für mich ist eine Modernisierung der Traditionen undenkbar. Rom fußt auf einem Wertegerüst und das Aufweichen dieses Systems hatte Instabilität zur Folge. Der Aufweichprozess begann vor Jahrzehnten, als Frauen den Senat bevölkerten und er wurde bisher nur gewandelt, nicht gestoppt. Was aber passiert, wenn Frauen die Karrieren von Männern beschreiten, hatte uns die Zeugin Sergia Fausta während einer Befragung eindrucksvoll bewiesen. Sie trat unsere alten Werte mit Füßen. Sie prahlte, sie verhielt sich fordernd, respektlos und verhöhnte offen die anwesenden Offiziere, Senatoren und den Consul. Die Ermittlungskommission ist zu dem Schluss gelangt, dass es maßgeblich Sergias Grundaussage 'Lasst euch nichts vorschreiben und nichts gefallen!' bewirkt hat, dass sich Frauen und Mütter dem Sklavenaufstand angeschlossen haben.


    Ich für meinen Teil möchte das Bild tugendhafter römischer Frauen nicht verlieren. Es soll nicht im Strudel der Wertezerstörung untergehen. Deswegen appelliere ich heute noch einmal: Stellt eure Befindlichkeiten, eure Sympathien und Abneigungen in den Hintergrund. Es geht um unser aller Rom. Lasst uns zusammenarbeiten und im Idealfall einen gemeinsamen Gesetzesentwurf kreieren, der all unsere Sorgen berücksichtigt.


    Meine Sorgen stellen Frau in einer ritterlichen oder senatorischen Position in Rom dar, sowie Frauen an der Waffe mit Ausnahme von Sklavinnen, das allerdings im gesamten Reich."


    Die Spannung, mit der er sich setzte, konnte er nicht verhehlen. Entweder es würde drückend still bleiben oder es kam Bewegung in das lethargische Gremium. Ein Mittelding schloss er aus, wobei das eigentlich am naheligendsten wäre.

  • Diesmal war Macer etwas besser vorbereitet als in der ersten Debatte und er begrüßte es auch sehr, dass diesmal nicht gleich ein Gesetzentwurf vorgelegt wurde, sondern erst einmal Ideen diskutiert werden sollten. "Ich denke, wir reden hier von mehreren verschiedenen Aspekten eine wichtigen Themas", meldete er sich zu Wort. "Zum einen ist es ja das Wesen der Mores Maiorum, dass sie nicht in Form eines Gesetzes schriftlich niedergelegt sind und dass unsere Vorväter auch nie eine Veranlassung dazu hatten. Ich denke, dies hat einen guten Grund und gehört mit zur Tradition eben dieser Regeln, dass sie eben nicht wie das Zwölftafelgesetz oder ähnlich alte Vorschriften niedergelegt sind, sondern einer steten Auslegung und Weiterentwicklung bedürfen." Er machte eine kurze Pause, damit jeder Zuhörer bemerkte, dass er zu einem anderen Aspekt wechseln wollte. "Eine andere Frage ist die, welche Personen für bestimmte Ämter und Aufgaben zugelassen werden oder von wem sie dafür ausgesucht werden. Hier haben wir zahlreiche gesetzliche Regelungen beispielsweise das Mindenstalter im Cursus Honorum betreffend und ebenso gibt es beispielsweise Regelungen, wen der Pontifex Maximus als Vestalin auswählt oder welche Merkmale ein Mann haben muss, der sich zur Armee meldet. Hier mag es sinnvoll sein, festzuschreiben, dass ein Sitz im Senat nicht an eine Frau vergeben werden kann, auch wenn ich derzeit keine Gefahr sehe, dass von diesem Usus wieder abgewichen wird wie es schon einmal passierte." Es folgte eine weitere Pause und dann ein weiterer Aspekt. "Die Frage, wer eine Waffe führen darf, ist für mich wiederum ein anderer Aspekt desselben Themenkomplexes, den ich nicht an Geschelcht, Stand oder ähnliches knüpfen würde. Es gibt viele Gründe, eine Waffe zu führen und einzusetzen und ebenso gibt es Passagen in unserem Codex, die die Benutzung einer Waffe für diesen oder jenen Zweck unter Strafe stellen. Nicht die Tatsache, dass seine Frau eine Waffe führt scheint mir das entscheidende Problem zu sein, sondern es ist entweder ihre Neigung zum Aufstand oder die Tatsache, dass überhaupt eine Waffe geführt wird. Eine Neigung zum Aufstand ist schelcht für Rom, egal ob derjenige, der diese Neigung zeigt, eine Waffe führt oder nicht und egal welches Geschlecht er hat. Eine Waffe im Aufstand zu führen ist ebenfalls schlecht für Rom und auch dabei ist es meines Erachtens völlig egal, welchen Standes oder Geschlechts die jeweilige Person ist. Hier sind also wohl eher unsere Gesetze zu überprüfen, ob sie alles das, was direkt schlecht für Rom ist, unter angemessene Strafe zu stellen, anstatt pauschal etwas zu untersagen, was weder hinreichend noch notwendig ist, um Rom Schaden zuzufügen."

  • Wie der Kaiser es versprochen hatte, nahm er auch heute an der Debatte teil. Seine bloße Anwesenheit zwischen den beiden Consuln machte wohl jedem Senator klar, dass er die Debatte hier befürwortete. Falls es in eine Richtung ging, die ihm zu weit ging, würde er einschreiten. Vorerst sollten die Senatoren aber ungestört debattieren.

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  • Sextus blieb erst einmal still. Es war nicht so, dass ihn die Diskussion nicht interessierte. Wobei, nachdem dies nun mittlerweile die dritte Sitzung war, in der Claudius Menecrates einfach nur vor großem Publikum darüber jammerte, wie gemein die mittlerweile verstorbene Sergia Fausta doch zu ihm gewesen war, hielt sich Sextus' Begeisterung für das Thema doch in sehr engen Grenzen. Von der Frage nach der Pietas ganz zu schweigen, war es doch ebenfalls Teil der römischen Gebräuche, über Tote entweder nur Gutes zu sagen, oder zu schweigen. Aber nunja, manche Gebräuche schienen dem Claudius einfach wichtiger als andere.


    Aber der eigentliche Grund, warum Sextus gerade schwieg: Er hatte wirklich gerade keine Lust, zum wiederholten Male den Claudier mit Anlauf in die Pfanne zu hauen. So gar keine Lust. Wenn er sich nun aber hierzu doch äußern müsste, würde es zweifelsfrei darin enden, dass dem gesamten römischen Senat deutlichst vor Augen geführt würde, wie wenig Ahnung der Claudius von der Welt, in der er lebte, hatte. Daher hoffte Sextus einfach, dass er es jetzt einfach endlich bleiben lassen würde.

  • Der Kaiser sah fragend in den schweigenden Senat. Seinen Informationen zufolge hatte es das letzte Mal eine lebhaftere Diskussion gegeben. Ob die Senatoren von seiner Anwesenheit eingeschüchtert waren? Sicherlich hatte es die Runde gemacht, dass er über die etwas voreilige Diskussion über die Voraussetzungen für Procuraturen etwas pikiert gewesen war.


    Er räusperte sich also schließlich und ergriff ebenfalls das Wort. "Die Einwände von Consular Purgitius sind in der Tat bedenkenswert. Trotzdem möchte ich anmerken, dass ich es ausdrücklich begrüße, wenn der Senat darüber diskutiert, welche Auslegung der Mores Maiorum für unsere Zeit auslegen sollten. Gerade auch bezüglich Frauen." Er sah noch einmal in die Reihen der Senatoren. "Ich hoffe ausdrücklich auf euren Rat, welche Posten ihr und ich zukünftig an Frauen vergeben sollte und welche nicht mehr. Die Tendenz unserer jüngsten Geschichte ist relativ klar: Nach der relativen Freiheit unter Divus Traianus und Iulianus wurden die Betätigungsmöglichkeiten für Frauen wieder eingegrenzt. Gelegentlich vergebe ich jedoch noch, wie meine Vorgänger auch, Posten in der zivilen Verwaltung an verdiente Frauen. Das schien mir bisher als adäquate Praxis, die sich ja auch mit dem deckt, was im Osten unseres Reiches geschieht." Er machte ein Pause. "Aber wie wird diese Praxis von euch heute gesehen? Sollten Frauen noch stärker auf ihr herkömmliches Betätigungsfeld in Ehe und Familie, womöglich in Priesterschaften zurückgeführt werden? Oder verlieren wir dadurch Talente in Bereichen wie Finanzen, Ökonomie, Haushaltsleitung und dergleichen, die dem häuslichen Bereich ja durchaus nahe liegen?"
    Er wies noch einmal auf den Purgitier. "Ich denke, dass wir auch bedenken müssen, in welcher Form wir die Mores Maiorum für unsere Zeit festschreiben wollen und müssen. Das ist meines Erachtens aber der zweite Schritt. Zuerst müssen wir klären, wie wir sie in unserer Zeit verstanden wissen wollen. Consular Claudius hat uns dafür bereits eine mögliche Interpretation angeboten. Was denkt der Rest von euch darüber?"

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  • Sextus hatte wirklich nichts sagen wollen. Dieses Thema war bestenfalls lächerlich und begründete sich nur auf der Eitelkeit eines einzelnen Mannes, nichts weiter. Daraus eine Senatsdiskussion zu machen und die Entscheidungsfähigkeit des Kaisers in Zweifel zu ziehen war der Gipfel der Dekadenz. Aber bitte, wenn der Kaiser auf dieses Possenspiel bestand, würde er eben auch seinen Beitrag dazu leisten als braver Schauspieler in dieser Komödie.


    “Eigentlich wollte ich zu diesem Thema nichts sagen, da es mir dem Grunde nach schon höchstgradig fragwürdig erscheint, einer einzelnen Frau, die nachweislich zum Zeitpunkt des Aufstandes schon seit Monaten nicht mehr in Rom war und keine Kontakte pflegte, sondern sich um ihre Kinder kümmerte, der Frau eines Senators, der derselbe Respekt entgegengebracht werden hätte müssen, wie jedem Mitglied dieses Hauses hier selbst, durch ihre nach dem Aufstand stattgefundene Aussage gegenüber einem Mann, der sie nicht mit dem ihr gebührenden Respekt behandelt hat, der ihr entgegen der Sitten nicht den Beistand ihres Mannes oder ihrer männlichen Verwandten gewährte, sondern sie allein vernahm und sie von Prätorianern hierfür vorführen ließ, die Schuld an eben jenem Aufstand zuzuweisen. Alle Welt weiß, dass Frauen sehr viel mehr den Emotionen verhaftet sind, ebenso wie der Eitelkeit. Wen wundert da tatsächlich, wenn eine Frau eine ihr gegenüber stattfindende Kränkung mit einer weiteren Kränkung beantwortet?
    Doch genug davon, ist die Sergia doch verstorben, und ist es ebenfalls Sitte, über die Toten nur gutes zu sprechen oder andernfalls zu schweigen.


    Wenn der Kaiser aber so sehr darum bittet, die Meinung jedes Einzelnen hier im Senat zu hören bezüglich der Mos Maiorum und der Frauen, will auch ich reden. Und dazu erst einmal die Fakten darlegen:
    In unserem großartigen Imperium leben etwa siebzig Millionen Menschen. Davon besitzen nur etwa ein Drittel das römische Bürgerrecht. Doch sind dies alles wirklich Quiriten? Nein, es sind Männer und ihre Familien, die das Bürgerrecht erworben haben durch Dienst bei den Auxiliaren, in der Verwaltung und andere Dienste. Dazu die Nachfahren freigelassener Sklaven aus aller Herren Länder, die nach unserem Recht römische Bürger werden können. Dann noch die Nachfahren der ehemaligen socii des römischen Reiches in den Kriegen der frühen Republik oder der Königszeit, die es aus Dankbarkeit erhalten haben. Und natürlich jene Menschen, die es ebenfalls aus Dankbarkeit erhalten haben, da sich ihre Herren und Könige freiwillig dem römischen Reich angeschlossen haben und dies vertraglich als Anerkennung erhalten haben.
    Wirkliche Römer, echte Quiriten, die sich auf die Mos Maiorum berufen können, machen im Bestfall – im BESTfall – zwei Prozent unserer Bevölkerung aus.
    Und von diesen zwei Prozent, wieviele davon können sich darauf zurückziehen, ihre Frauen nicht ebenfalls zur Arbeit hinzuzuziehen? Und bei wievielen Quiriten stehen ihre Frauen an ihrer Seite, sind ebenso wie sie Schuster, Bäcker, Müller, Metzger? Stehen ebenso wie sie und flechten Körbe, flechten Netze, helfen bei der Feldarbeit und versorgen das Vieh, bestellen den Acker?


    Es war und ist immer römische Sitte gewesen, eine neue Provinz durch einen zum Gesetz erhobenen Vertrag an das Reich zu binden. So die Übernahme der Provinz friedlich vonstatten ging oder mit Hilfe einheimischer Stämme, wird in diesen Verträgen üblicherweise festgelegt, dass die neue Provinz ihre Gebräuche, Feste, Götter und Herrscher behält, ebenso wie ihre Truppen – gleichgültig, ob es sich dabei jeweils um Männer oder Frauen handelt. So diese Herrscher Frauen in ihren Armeen dulden – wie einige germanische Stämme und auch einige Stämme des Ostens – so sei es ihnen unbenommen, diese zu unterhalten.
    Um fremdländische oder unbekannte Gottheiten nicht zu verärgern, haben wir hier in Rom das Pantheon errichtet, um sie zu ehren.


    Es war stets römischer Brauch, von Besiegten oder befreundeten Völkern das anzunehmen, was als gut und nützlich erachtet wurde, und ihnen anzubieten – freiwillig! Ohne Zwang! - das anzunehmen, was wir schon wussten.
    Niemals allerdings war es römischer Brauch, uns über andere Völker aufzuschwingen und ihnen unsere Gebräuche, unsere Sitte und unsere Eitelkeiten aufzuzwingen.


    Und nun also sollen die Sitten ein paar hundert Glücklicher den siebzig Millionen unseres Imperiums per Gesetz aufgezwungen werden?


    Wir werden dafür nicht in den Osten gehen müssen, die die Rechte ihrer Vorfahren und ihre Sitten verteidigen werden, weil Frauen dort weit höhere Stellungen einnehmen können. Weil Frauen dort ganz selbstverständlich in den Städten, Gemeinden und Provinzen auch hohe Ämter einnehmen können, oder die gar von einer Königin regiert werden.
    Wir werden auch nicht in den Norden gehen müssen, wo wilde Frauen Seite an Seite mit ihren Männern sich schreiend in die Schlacht stürzen, um andere, Rom feindlich gesinnte Stämme zu bekämpfen.
    Nein, wir werden Krieg haben gleich hier in Rom, wo sich die Peregrinen und die armen Bürger um ihre Freiheit und ihre Selbstbestimmung betrogen sehen werden, wo ein solches Gesetz, welches die Mos Maiorum zum allgemeingültigen Recht erhebt, nur als weitere Eitelkeit einer weltfremden Oberschicht gesehen werden wird, die sich nicht um die Sorgen und Nöte der unteren Bevölkerungsschichten schert.


    Bezüglich der Frage, wem der Kaiser seine Gunst einer Stellung in seiner unmittelbaren Nähe zutraut und wem nicht, möchte ich es so halten, wie ich es auch mit meinem eigenen Hausstand zu halten pflege: Der Herr des Hauses ist der Herr des Hauses. Und er allein entscheidet, wen er in seiner Nähe wissen will und wen nicht. Und wenn unser Kaiser also einer Frau zutraut, seine Post zu bearbeiten, seine Empfänge zu planen oder gar seine persönlichen Finanzen zu verwalten, wer bin ich, ihm das zu verwehren? ICH muss ja nicht jeden Tag mit dieser theoretischen Person verbringen.“


    Damit war wohl klar, wo Sextus stand. Nein, seine Verwandten würden den Teufel tun und irgendwelche Karrieren anstreben. Dafür würde er schon sorgen. Aber er war nicht so dumm, so kurz nach einem Aufstand in Rom einen reichsweiten Aufstand zu provozieren, nur weil Claudius Menecrates eine Kränkung selbst nach dem Tod von Sergia Fausta einfach nicht vergessen konnte. Und Sextus würde sich für diese kleinliche Rache auch sicher nicht einspannen lassen.

  • Gracchus hatte dieser Angelegenheit durchaus interessiert entgegen gesehen, weniger indes ob der Zukunft Roms Frauen, sondern mehr der Klärung der Zusammenhänge der Unruhen in Rom wegen. Eine Antwort auf diese Zusammenhänge wurde jedoch nicht gegeben, was erneut ein wenig unbefriedigend war, insbesondere da ein Zusammenhang, welcher - nach Gracchus' Ansicht - weiterhin nicht als Tatsache bewiesen war, sondern bisherig nur Spekulation, dazu herangezogen wurde, die mores maiorum zu zitieren. Da indes der Kaiser Meinungen hierzu forderte, sah auch der Flavier sich in der Pflicht die seine zu äußern.
    "Ich stimme Senator Purgitius' Worten zu, dass es einen guten Grund gibt, weshalb die mores maiorum nicht als solche niedergeschrieben sind. Nicht nur, da sie bisweilen in sich konträr sind und einer Auslegung be..dürfen, sondern gleichsam da sie einem steten Wandel unterliegen, welcher dem Wandel Roms folgt. Die Väter unserer Vorväter haben einst uns eine Richtung gegeben und die ersten Steine für Roms Straße in die Zukunft gelegt, doch der Weg, welchen wir seitdem beschreiten wird in jedem Augenblicke erst von uns selbst gepflastert, den Gegebenheiten des vor uns liegenden Geländes Re'hnung tragend, und nimmt bisweilen ob dessen auch sonderbare, doch notwendige Wendungen. Ich erachte dies keinesfalls als widersinnige Modernisierung der Traditionen oder Aufweichung eines vollendeten Systems, sondern als alerte Anpassung an veränderte Gegebenheiten. Rom wäre niemals groß geworden ohne die mores maiorum, doch Rom wäre längst in sich zer..fallen oder von fremden Reichen verschlungen worden, hätten unsere Väter an einem präzisen Wortlaut der Sitten festgehalten, welche einst für eine Kleinstadt mit ein paar hunderten Einwohnern determiniert wurden. Die Essenz der mores maiorum ist es, dass sie Männer hervorbringt wie uns, Männer, welche ihr Leben darauf verwenden, sie zu verinnerli'hen und zu leben, und welche darob berufen und tauglich sind, unsere Gebräuche und Rom an die Gegebenheiten der Welt um uns her zu adaptieren, um seine Zukunftsfähigkeit und Blüte zu gewährleisten."
    Keinen anderen Sinn konnten sie schlussendlich nach Ansicht des Flaviers ihrem Leben zuschreiben.
    "Ist ein solcher Zeitpunkt, eine solche Notwendigkeit erreicht, Rom in Hinblick auf die Tätigkeiten von Frauen an Ver..änderungen anzupassen?"
    Er schüttelte den Kopf.
    "Ich kann dies nicht sehen, gleichwohl konnte ich keinen Anlass dazu in Erfahrung bringen."
    Zwar war Gracchus zu Beginn dieser Senats-Causa nicht in alle Einzelheiten des Aufstandes eingeweiht gewesen und dies auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht, doch in Hinblick auf Frauen in öffentlichen Ämtern hatte er sich durchaus kundig gemacht.
    "Bis auf die Zeugin Sergia Fausta konnte uns bisher kein Beispiel einer Frau im öffentlichen Leben präsentiert werden, welche durch unsittli'hes oder ungebührliches Verhalten wäre aufgefallen. So sehr dies Ereignis auch herausragend gewesen sein mag, so sehr trage ich Bedenken aufgrund eines Einzelfalles diverse Gesetze Roms zu ändern."
    In gänzlich verquerter Konsequenz müsste dies schlussendlich auch dazu führen, dass alle Sklaven der Arena oder gar alle Sklaven ausnahmslos hingerichtet wurden, war doch der Aufstand augenscheinlich durch eine Sklavin initiiert worden.
    "Mehr noch, was passiert wenn Frauen Karrieren beschreiten, ist nicht nur am Beispiel der Sergia zu sehen, sondern ebenso an Frauen wie Aelia Adria, Flavia Nyreti oder Tiberia Livia. Mitni'hten möchte ich zurück in die befremdlichen Zeiten der Senatorinnen Roms, doch davon auszugehen, dass eine öffentliche Karriere bei einer Frau unvermeidlich evoziert, unsere Werte mit Füßen zu treten, ist schlichtweg nicht gerechtfertigt! Aufgrund einer fehlenden Substantiierung der Annahme, dass eine geänderte Rechtslage zur Ausübung öffentlicher Ämter durch Frauen generell zu einer Ver..besserung Roms würde führen, sehe ich daher keinerlei Grund, an der derzeitigen Gesetzeslage etwas zu ändern oder gar zu versuchen, die mores maiorum in ein Gerüst aus Sprache zu zwingen."
    Nur einen Augenblick dachte Gracchus daran, dass der Vorteil dessen wäre, dass in dieses Gerüst auch hineingezwungen werden müsste, dass nur Männer altehrwürdiger römischer Familien einen Sitz im Senat erhielten und keinesfalls Männer zweifelhafter provinzieller Herkunft.
    "Gleichwohl bin ich der Ansicht, um das Bild tugendhafter, römischer Frauen zu fördern genügt es nicht, römischen Frauen ein anstößiges Leben zu verbieten, sondern es bedingt ebenso sehr ihnen ein tugendhaftes Leben zu ermögli'hen. Nicht Verbote fördern unseren Wohlstand und Roms Gedeihen, sondern vielmehr die Beseitigung von Widrigkeiten. Tugendhafte Menschen schließen sich nicht grundlos Aufständen an, weder Frauen und Mütter, noch Männer und Väter, sondern nur dann, wenn es einen Grund dafür gibt, welcher derart dräuend, ist sein Leben dafür zu riskieren."
    Zumindest diesbezüglich hatte Gracchus durchaus sehr fundierte Erfahrung vorzuweisen.
    "Statt auf Basis eines einzigen Vorfalles mit überschaubarer Konsequenz über die Stellung der Frau im öffentlichen Leben zu debattieren, sollten wir unsere Zeit darob vielmehr darauf verwenden, diesem Grunde na'hzugehen und ihn zu beseitigen!"

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  • Menecrates sah seine Aufgabe erfüllt. Er sollte das Thema erneut im Senat ansprechen, um ein Meinungsbild einzuholen. Die Moderation der Senatsdebatte oblag aber nicht ihm, sondern dem amtierenden Consul. Würde die Meinung der Senatoren in die von ihm angestrebte Richtung tendieren, sähe er sich motiviert, seinerseits dazu beizutragen, dass ein Ergebnis zustande kam. So aber sparte er sich die Nerven und Energie, obwohl ihm die eine oder andere Erwiderung auf bösartige Äußerungen auf der Zunge lag. Er schluckte sie hinab und überließ anderen die Bühne.

  • Der Consul wartete eine Weile. "Gibt es weitere Wortmeldungen?" fragte er schließlich. Immerhin hatte der Kaiser persönlich dazu aufgerufen. Aber niemand schien sich bemüßigt zu fühlen. Oder interessiert zu sein.
    Am Ende blieb sein Blick fragend am Augustus hängen.

  • Der Kaiser war ein bisschen überrascht. Er hatte klarere Positionen erwartet. Eine Mehrheit der Senatoren schien es aber tatsächlich ihm allein zu überlassen, welche Personalpolitik er im Bezug auf Frauen betrieb. Aber das war ja auch ein Votum.
    "Ich danke für die Rückmeldung. Wie es der Wunsch des Senats ist, werde ich dann die einzelnen Beiträge abwägen und meine Schlüsse für die Zukunft daraus ziehen." Dringend schien das Thema den Senatoren ja nicht zu erscheinen.


    Mit Blick auf die Consuln fügte er noch an: "Von meiner Seite wäre keine Abstimmung notwendig. Die Vielzahl der Meldungen hat mir auch so genügend Inspirationen gegeben."

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