Theatrum Magistri Vici I: König Ödipus

  • Es war nicht leicht gewesen das Theater von Mogontiacum wiederzueröffnen. Denn lange Zeit verwaist, hatte es zuerst einige kleinere Instandsarbeiten gekostet, anschließend war da auch noch die Frage nach einer geeigneten Schauspielertruppe gewesen. In Mogontiacum hatte er keine vorgefunden, weshalb er auch schon während des Wahlkampfs begonnen gehabt hatte sich in der ganzen Provinz umzuhören, ob nicht doch wo eine passende Truppe umherzog, die für wenigstens ein Jahr in der Stadt bleiben wollte. Endlich fand er seine ersehnten Schauspieler in Vindonissa im Süden von Germania Superior. Gleich sobald ein Händler ihm von ihnen erzählt hatte, hatte Carbo an sie geschrieben und zu seinem großen Glück hatten sie zugesagt!


    So hatte Carbo jetzt ein Theater, Schauspieler und genug privates Geld, um die Aufführung von wenigstens zwei Theaterstücken je eine Woche lang zu finanzieren. Die Schauspieler waren Profis, weshalb es nicht lange dauerte, bis sie bereit für den ersten Vorhang waren. Für die Eröffnung der carboschen Theatersaison hatte er "König Ödipus" ausgewählt, ein beliebter Klassiker. Was die Sache noch spannender machte war, dass Carbo seine Theaterspiele in griechischem Stil aufführen lassen wollte, was hieß, dass nur Männer auftreten und diese große Masken mit übertriebenen Fratzen tragen würden. Sowas hätte Mogontiacum noch nicht gesehen!
    Am Tag der Eröffnung der ersten Aufführung ließ es sich Carbo natürlich nicht nehmen mitdabei zu sein. Gewiss würde er das nicht jede Woche und bei jedem neuen Stück tun, doch beim aller ersten Mal musste es einfach sein. Das Theater war gut besucht und die Menge schnatterte wild durcheinander, bis Carbo sich zeigen ließ auf der Bühne und die Menge ihm Beifall klatschte. Beide Hände erhoben gebot er Ruhe, dann rief er der Menge zu: "Vicani des Vicus Apollinensis, Bürger von Mogontiacum, hört mich an! Ich bin Norius Carbo, Magister Vici dieses Bezirks! Ich schenke euch hiermit diese Aufführung, wie auch alle nachfolgenden während meiner Amtszeit! Sowahr ich hier stehe verspreche ich euch, dass ihr ein Jahr lang ins Theater werdet gehen können!" die Menge jubelte daraufhin und Carbo zog sich mit einem Grinsen im Gesicht zurück. Es tat gut so öffentlich bejubelt zu werden, ausgesprochen gut.
    Während Carbo den Platz verließ, erschien eine Reihe von Statisten und die obligaten drei Schauspieler in ihren Masken und nahmen ihre Positionen ein und das Stück begann.

  • Andriscus erhob sich halb von seinem Platz und applaudierte wie alle anderen in dem Theater annerkennend.
    Lange Zeit lag das Theater still. Warum....da wäre der Italiker überfragt aber sicher gab es genug Gründe dafür.
    Jetzt aber hatte anscheinend ein neuer Magister Vici sich dazu entschlossen einen Hauch von Kultur ins verschlafen Mogontiacum zu bringen und versicherte in seiner Eröffnungsrede dass dies hier nur der Anfang wäre. Es sollten noch viele weitere Vorstellungen folgen was sich früher oder später als wahr heraus stellen würde.


    Gemächlich ließ sich Andriscus wieder auf seinen Platz sinken und uberfog mit raschem Blick die Menge welche sich hier versammelt hatte. Bisher hatte er kein bekanntes Gesicht ausmachen können. War auch nicht allzu schwer da Andriscus so gut wie niemanden kannte in Mogontiacum. Was wiederum nicht ganz nachvollziehbar war da er hier aufwuchs und Dienst in der Ala verrichtete.
    " König Ödipus" sollte zum Besten gegeben werden ..ein Stück von dem Andriscus nicht allzu viel wusste. Aber deshalb war er ja nun hier um den totalen Durchblick zu erlangen.

  • Auf den Ehrenplätzen für Decuriones, Militärkommandeure und Provinzbeamte hatte sich auch Witjon mitsamt seiner Familie eingefunden. Er wollte die Eröffnung der Aufführungsreihe nicht verpassen, die er immerhin selbst nicht unerheblich mitfinanzierte. So grüßte er die ihm bekannten Honoratioren Monontiacums, schüttelte Hände und hielt etwas Smalltalk. Die Zuschauerränge waren gut gefüllt trotz der kühlen Temperaturen. Die Leute waren es in diesen Breitengraden gewöhnt, dass öffentliche Ereignisse auch schonmal bei Kälte stattfanden. Solange es nicht scheite oder regnete, konnte man deshalb auch im Herbst und Anfang Winter ins Theater gehen. Und schließlich trat der Initiator des Stückes zur Begrüßung auf die Bühne. Norius Carbo hatte sich in Schale geworfen und hielt nunmehr eine kleine Ansprache. Anschließend begann das Stück. Während einige Statisten und die Schauspieler ins Blickfeld traten, raunte Witjon Octavena zu: "Dann wollen wir mal sehen, wozu meine Finanzhilfen gut waren." Er hatte ihr natürlich berichtet, dass er auf Norius Carbos Bitten ihn bei der Finanzierung des Wahlkampfes und der Theateraufführungen unterstützte.

  • Carbo verließ nach seiner kleinen Ansprache die Bühne und lief danach die Stufen der Zuschauerränge hinauf und setzte sich auf einen noch freien Platz, um ebenfalls das Stück zu verfolgen, als da auch schon der Prologos, der erste Teil des Stücks begann.


    Prologos (1-50)


    Eine Palastfassade ist als Bühnenbild angedeutet und davor kommen Jünglinge, Kinder und Priester zusammen und legen Öl- und Lorbeerzweige auf die Altäre und setzen sich auf die Stufen, als da König Ödipus aus dem Palast tritt.


    Er ruft: "Oh Kinder! Kadmos', des alten, neuer Stamm! Was sitzt ihr flehend mir auf diesen Stufen da, mit des Schutzsuchenden Zweigen reich geschmückt, indes die Stadt von Weihrauch überquillt, zugleich von Bittgesängen und von Schmerzgestöhn?"
    König Ödipus spricht damit einen Priester an, der als Sprecher der Schar fungieren soll und will von ihm ihr Begehr hören, als dieser ihm antwortet:


    "Nun, Herrscher meines Landes Ödipus! Du siehst, wie wir, verschiednen Alters, an deinen Altären sitzen! Das andre Volk, mit Kränzen reich geschmückt, hockt an den Märkten und der Pallas beiden Tempeln und des weissagenden Asche des Ismenos." Der Priester führt weiter aus, dass die Stadt in Aufruhr ist und das Vieh stirbt und Frauen unfruchtbar sind und die Pest sich in der Stadt ausbreitet. Der Priester führt aus, dass sie König Ödipus nicht achten würden, doch da er sie immerhin damals bei seiner Ankunft als Jüngling sie alle vor der grausamen Sphinx gerettet hatte, so soll er die Stadt erneut erretten, egal ob mit der Hilfe eines Gottes, oder ohne. Er soll ihr Flehen erhören und die Stadt wieder aufrichten.
    König Ödipus entgegnet, dass er als König schon längst über dieses Problem nachdenkt. So hat er ja schon deshalb Kreon, Menoikeus' Sohn und Ödipus' Schwager, ausgesandt, um beim Orakel des Phoibos Apollon erkunden zu lassen, wie der Stadt zu helfen sei. Zudem gibt der König bekannt, dass er in Sorge um Kreon sei, da er schon ungewöhnlich lange fort ist. Das ist das Stichwort für den Priester, um zu rufen: "Nun, zur rechten Zeit sprachst du von ihm. Gerade geben mir die Zeichen, Kreon schreite dort heran."


    "Oh Herr Apollon! Käm er doch mit einem rettenden Geschick, strahlend wie sein Auge!"


    "Gut gelaunt ist er, wie's scheint; denn sonst käm er nicht, das Haupt so reich bekränzt mit früchtereichem Lorbeer."


    Ödipus ruft daraufhin den jetzt auftretenden Kreon, sein Schwager und Menoikeus' Sohn, an und will von ihm wissen, welchen Spruch des Gottes Apollon er ihnen bringe. Kreon, ein Schauspieler in der Maske eines jungen Mannes, antwortet ihnen nicht sofort direkt darauf, doch als Ödipus ihn weiter drängt, so spricht sein Schwager: "So will ich sagen, was ich von dem Gott gehört: Es befiehlt uns Phoibos klar, des Landes Schandfleck, auf diesem Erdenstück genährt, hinauszujagen, nicht bis unheilbar er wird, ihn fortzunähren."


    Natürlich will Ödipus sofort wissen, wie das zu bewerkstelligen sei und Kreon antwortet ihm, dass dies durch Ächtung, oder Sühne, die Tod mit Tod vertilgt, zu lösen sei. Als der König daraufhin wissen will, wer dieser Mann sei, der so viel Leid über diese Stadt bringe, verkündet Kreon, dass vor Ödipus einst Laios König ihrer Stadt gewesen war und dass er auf offener Landstraße ermordet wurde und es nun gilt diesen Mörder zu finden und zu bestrafen, um den Zorn der Götter zu besänftigen. Ödipus drängt auf Kreon weiter ein wo dieser Mörder zu finden sei, doch dieser weiß nur, dass König Laios einst mit einem kleinen Gefolge ausgezogen war, um das Orakel zu befragen, doch starb er unterwegs wie gesagt. Auch alle seine Begleiter wurden erschlagen, bis auf einen, der floh und von dieser Episode erzählte. Doch konnte niemand die Sache weiterverfolgen, so Kreon, da damals noch die schreckliche Sphinx die Stadt des Laios fest in ihren Fängen hielt, ehe Ödipus kam und sie in ihren Rätselspielen besiegte.


    König Ödipus ist besorgt, dass der Mörder des Laios auch ihm nach dem Leben trachten könnte, weshalb der das Volk dazu aufruft von den Stufen aufzustehen und die Kränze mitzunehmen. Ein anderer soll Kadmos' Volk (also die Bevölkerung Thebens) hier versammeln, da Ödipus persönlich mithelfen will den Mörder zu fassen und seiner Stadt Theben damit endlich wieder Frieden bringen zu können.


    Die Jünglinge, Kinder und Priester ziehen ab, Ödipus und Kreon gehen in den Palast.



    Sim-Off:

    Schauspieler in dieser Szene: König Ödipus, Priester, Kreon


    Sim-Off:

    Zum besseren Verständnis: Das antike griechische Theater setzte sich nach Sophokles einerseits aus einem 12-15 köpfigen Chor zusammen, der immer erst nach dem Prologos einzog und dann in der runden Orchestra vorn bei den Zuschauertribünen stand und singend, oder unisono sprechend die gezeigte Handlung kommentierte, oder in diese eingriff. Ansonsten agierten andererseits auch noch auf der hinter der Orchestra liegenden Skené (der eigentlichen Bühne mit dem Bühnenbild) nur 3 Schauspieler, die alle Rollen zu spielen hatten, z.B. durch Maskenwechsel.


    Ich erwähne das nicht nur, damit auch ihr genau wisst, wie das abläuft und was genau zu sehen ist, sondern auch, weil ich nicht genau sagen kann, wer diese Priester, Jünglinge und Kinder genau sind, die in meiner Textausgabe da ganz zu Beginn der Szenenbeschreibung erwähnt werden, da sie natürlich nicht zu den 3 Schauspielern zählen können, aber auch nicht zum Chor, weil der erst später im nächsten Teil, dem sogenannten Parodos einzieht. Aber sie untermalen wunderschön die Eingangsbeschreibung wie ich finde, weshalb ich sie so auch übernommen habe (und im ersten Post der Einfachheit jetzt einmal "Statisten" getauft habe.

  • Carbo merkte schon, wie lange es tatsächlich her war, seit er zuletzt ein richtiges Theaterstück gesehen hatte, denn es begeisterte ihn bis in die Haarspitzen, König Ödipus, Kreon und den anderen bei ihrem Spiel zuzusehen. Er hatte das Theater zuvor extra immer während der Proben gemieden, da er sich diesen besonderen Moment nicht verderben wollte, wenn er endlich wieder in die Welt der griechischen Tragödie und der Komödie abtauchen konnte. Er liebte solche Theaterstücke einfach. Ja...vielleicht, so ein ganz versteckter, eigennütziger Teil seines Geistes denkend, hatte er die kommende Theaterreihe nicht für die Bevölkerung Mogontiacums, sondern aus purem Eigennutz für sich selbst auf die Beine gestellt, damit er auch fern der Heimat Noricum hier in Germanien an einem Ort regelmäßig Schauspiele ansehen konnte, wo (seiner bisherigen Erfahrung nach) normalerweise keine stattfinden und er dies wie gesagt nur zu seiner puren Unterhaltung organisiert hatte.


    Naja, wie gesagt, so dachte nur ein kleiner schlechter Teil Carbos, jenen Taugenichts von Teilstück des Verstandes, den wohl jeder Mensch in sich trägt, denn der übergroße Rest seines Ichs hatte das mogontiacische Theater natürlich in erster Linie für die hier lebenden Menschen reaktiviert, damit sie in einem vergnügten Leben schwelgen konnten, wie die verwöhnten Schnösel aus Rom mit ihrer permanenten Zerstreuung durch Wagenrennen und Gladiatorenkämpfe.


    Gespannt verfolgte der frisch gebackene Magister Vici den Prologos der Tragödie. Heute war noch ein ganz besonderer Tag zusätzlich für Carbo, denn natürlich kannte er den Text des Stücks und es zählte zu einem seiner Lieblingswerke des Sophokles, doch hatte er es nie zuvor auf einer Bühne gesehen. Bis heute. Der Prologos fand mit dem Abgang der drei Schauspieler sein Ende und die Parodos, das erste Chorlied beim Auftritt desselben fand nun seinen Anfang.



    Parodos (151-215)


    Der fünfzehnköpfige Chor thebanischer Greise zieht in die Orchestra ein. Er repräsentiert die Stadt, die ihre Not beklagt und die Götter um Errettung anfleht.


    Der Chor beginnt zu singen:


    O du von Zeus hold redendes Wort, was bist du für eins wohl
    Von der goldereichen Pytho
    Zu der glänzenden gekommen, zu Thebe?
    Weit bin ich gespannt im furchtsamen Sinne,
    Von Ängsten taumelnd.
    Klagender, delischer Päan,
    Ringsum dich fürchtend,
    Wirst du ein neues oder wiederkehrend
    Nach rollenden Stunden mir vollenden ein Verhängnis?
    Sag's mir, der goldenen Kind,
    Der Hoffnung, du, unsterbliche Sage!


    Zuerst dich nennend, komm ich,
    Zeus' Tochter, unsterbliche Athene,
    Und den Erdumfassenden und
    Die Schwester Artemis, die
    Den kreisenden, der Agora Thron,
    Den rühmlichen besitzet,
    Und den Phöbos fernhin treffend. Jo! Jo!
    Ihr drei Todwehrenden! Erscheinet mir!
    Wenn vormals auch, in vergangener Irre,
    Die hergestürzt war über die Stadt,
    Vertrieben ihr die Flamme des Übels,
    So kommet auch jetzt, ihr Götter!


    Unzählig nämlich trag ich Übel,
    Und krank ist mir das ganze Volk.
    Nicht einem blieb der Sorge Speer,
    Von welchem einer beschützt wird. Noch erwachsen
    Die Sprossen des rühmlichen Lands,
    Noch halten für die Geburt
    Die kläglichen Mühen aus
    Die Weiber. Einen aber über
    Den andern kannst du sehn,
    Wie wohlgeflügelte Vögel,
    Und stärker denn unaufhaltsames Feuer,
    Sich erheben zum Ufer des abendlichen
    Gottes, wodurch zahllos die Stadt
    Vergeht. Die armen aber, die Kinder,
    Am Felde tödlich liegen
    Sie unbetrauert. Aber drin die grauen
    Fraun und die Mütter
    Das Ufer des Altars, anderswoher
    Andre die grausamen Mühn
    Abbüßend umseufzen,
    Und der Päan glänzt und die seufzende Stimme
    Mitwohnend.


    Darum, o goldene
    Tochter Zeus', gutblickende, sende
    Stärke. Und den Ares, den reißenden, der
    Jetzt, ohne den ehernen Schild,
    Mir brennend, der verrufne, begegnet,
    Das rückgängige Wesen treibe zurück
    Vom Vaterlande, ohne Feuer, entweder ins große
    Bett Amphitrites oder
    In den unwirtlichen Hafen,
    In die thrazische Welle.
    Am Ende nämlich, wenn die Nacht gehet,
    Herein ein solcher Tag kommt.
    Ihn dann, o du, der richtet von zündenden Wetterstrahlen
    Die Kräfte, Jupiter! Vater! unter deinem
    Verderb ihn, unter dem Blitz!
    Lycischer König, die deinen auch, vom heiligfalschen
    Bogen möcht ich die Pfeile,
    Die ungebundensten, austeilen,
    Wie Gesellen, zugeordnet!
    Und den zündenden, ihn, der Artemis Schein,
    Womit sie springt durch lycische Berge!
    Auch ihn nenn ich, benannt nach diesem Lande,
    Den berauschten Bacchus, den Euier,
    Mit Mänaden vereinsamt; dieser komme,
    Mit der glänzend scheinenden Fackel brennend,
    Auf ihn, der ehrlos ist vor Göttern, den Gott!


    Das Lied des Chors verstummt und die Parodos ist zu Ende.


    Sim-Off:

    Schauspieler in dieser Szene: Chor

  • 1. Epeisodion (216-462)


    Ödipus verlässt den Palast und wendet sich an den Chor. Er apelliert an ihn, dass er, Ödipus alleine nicht weit kommen würde bei der Forschung nach dem Übeltäter, weshalb er auf die Hilfe seines Volkes baut. Er gebietet jedem, der etwas genaueres zum Mörder des Laios, Sohn des Labdakos, weiß, hervorzutreten und zu sprechen. Der, oder diejenige sollten nur keine Angst davor haben, selbst wenn sie sich selbst beschuldigen sollten, da König Ödipus sie bloß des Landes verbannen würde nach einer Selbstanzeige, körperlich unversehrt. Und wenn aber jemand anderen kennt, der die Tat verübte, so darf er keinesfalls schweigen, denn Belohnung winkt demjenigen und des Königs Dank noch dazu. Sollte aber einer einen Freund, oder Kumpanen decken, der der Täter war, dann soll dieser eine verflucht sein. Niemand soll ihn aufnehmen, oder mit ihm sprechen und auch von den Opfern und Gebeten an die Götter soll er ausgeschlossen sein und kein geweihtes Wasser darf er mehr erhalten. Ödipus macht sich für das Opfer, König Laios, stark und will sein Waffenbruder sein und will dem Mörder das gleiche Schicksal eines Verfluchten und Verbannten herabbeschwören, wie zuvor auch schon einem, der den Mörder decken sollte. Dann jedoch tritt Ödipus einen Schritt vor und erhebt die rechte Hand zum Tadel an den Chor, denn sie, das Volk von Theben war auch in seinen Augen mitschuldig an der Misere. An ihnen wäre es gelegen nachzuforschen und trotzdem hatten sie dies versäumt. Doch jetzt, da er, Ödipus, ihr König wäre und Bett und Frau des Toten hat (die von Laios, wie auch Ödipus die Leibesfrucht austrug), so will Ödipus für Laios fechten, als ob dieser sein eigen Vater wäre, bis der Mörder gefunden und gefasst wäre. Diejenigen, die sich diesem Wunsch des Königs verweigern und bei der Suche nicht mithelfen wollen wünscht Ödipus das Verderben und dass deren Frauen unfruchtbar werden, während die anderen hingegen, die ihm helfen wollen, mit dem Segen aller Götter frohgemut ans Werk gehen sollen.


    Nach diesem langen Monolog des Ödipus lässt sich der Chorführer natürlich nicht beirren und tritt nun seinerseits vor, um sich selbst und das Volk von Theben zu verteidigen, nachdem Ödipus ja auch diesem Verfehlungen an der Sache vorgeworfen hatte. So spricht er, dass er zumindest nicht der Mörder sei und auch nicht sagen könnte, wer es sonst noch gewesen sein könnte. Nur Phoibos Apollon alleine könnte dies wissen, wer der Täter sei. Ödipus entgegnet, dass der Gott ihnen mit seinen seherischen Kräften wohl kaum helfen würde, woraufhin der Chorführer entgegnet: "Ich weiß, Phoibos, dem Herrn, an Seherkraft fast ebenbürtig ist der Herr Teiresias. Von dem könnts einer, der dies untersucht, am deutlichsten erfahren." Doch auch dies hat der König schon bedacht, denn Ödipus reißt die Arme auseinander und ruft: "Ha! Auch dies versäumt ich nicht, denn dies ist schon ins Werk gesetzt. So sandte ich, wie Kreon riet, zwei Boten nach ihm aus. Dass er nicht längst schon hier ist wundert mich."
    Daraufhin sprechen sie noch kurz über den Fall, ehe auch endlich schon der alte, blinde Seher Teiresias erscheint. Er wird von einem Knaben geführt und von den beiden Boten des Ödipus begleitet. Ödipus läuft gleich zu ihm und beschwört ihn in einem erneuten längeren Monolog darin, rasch seine Seherskunst zum Wohle der Stadt und ihrer aller einzusetzen und den Namen des Mörders des Laios zu nennen. Teiresias jedoch will nicht so recht mit der Sprache herausrücken, was Ödipus gar nicht gefällt. Teiresias sagt dem König mehrmals, dass er nicht sprechen wolle, zu seinem eigenen und auch zu Ödipus' Wohl. Ödipus zettert weiter und will unbedingt, dass der Alte endlich mit der Sprache herausrückt, ja er geht sogar soweit Teiresias selbst als Komplizen dieser Tat zu betiteln, was den Seher gar nicht gefällt und ihn sogar dazu bringt, doch noch allen zu verkünden, was die Götterkraft ihn sehen ließ: "Wirklich? Ich fordere dich auf, bei dem Gebot, das vorhin du verkündet hast, zu bleiben und von dem heutigen Tage an die Leute hier nicht wieder anzureden, auch nicht mich; denn dieses Land heilloser Besudler bist DU!"


    Ödipus kann gar nicht glauben, was sich der Alte da anmaßt! Doch Teiresias wiederholt seine Anschuldigung. Er selbst, Ödipus, sei der Mörder des Laios! Ja, der König stecke sogar noch tiefer im Übel, als er ahne. Doch Ödipus stellt sich taub für des Sehers Anschuldigungen und verschmäht und verhöhnt den Seher, ja droht ihm sogar. Er geht sogar soweit, dass er auch Kreon der Komplizenschaft bezichtigt, auch wenn Teiresias gleich einwirft, dass der König von seinem Schwager nichts zu befürchten hätte, sondern nur Ödipus von sich selbst. Doch Ödipus rückt nicht ab von seiner neuesten Idee. Kreon und Teiresias hätten sich verschworen, um Ödipus den Thron zu rauben, damit an dessen Stelle dann, der Schwager König der Thebaner werden könne! Wo hätte sich Teiresias denn schon bewährt? Gewiss hätte er nicht einmal die Sehersgabe und sei blind und taub für die Ratschlüsse der Götter, so Ödipus an den Seher. Denn, wieso hatte er, Teiresias, damals mit seiner Göttergabe nicht die finstre Sphinx besiegt mit ihrem Rätsel, um die Stadt zu retten? Wieso hatte da er, der nichtsahnende Ödipus extra des Weges kommen müssen, um dies Leid hinwegzunehmen? Das schon wäre der Beweis, dass Teiresias ein Scharlatan, aber niemals Seher ist! Wäre er nicht schon blind und alt, so der König, er würde ihn schlimmste Qualen jetzt und sofort angedeihen lassen.
    Dem Chorführer fällt auf, dass nun beide im Zorn sprechen, doch wird er einfach ignoriert und Teiresias setzt dazu an, sich zu verteidigen. Er selbst sei nämlich alleinig der Diener des sehenden Gottes Apollon und könne daher niemals ein Gefolgsmann des Kreon sein. Außerdem habe Ödipus seine Blindheit verhöhnt, wo er doch gleichzeitig selbst nicht sieht, wie tief er im Übel stecke und auch nicht, wo er gerade wohne und mit wem er hause. Er sei ein Feind der seinen, für den es einst nur treffend war, aus diesem Land gejagt worden zu sein durch der Mutter und des Vaters Fluch. Bald schon würde Ödipus bestimmt selbst erkennen, in welch verderblichen Ehehafen er da eingefahren sei bei der Besteigung dieses Thrones und der Annahme dieses, seines Eheweibes. Deshalb solle er nicht Kreon und ihn beschmutzen, wo doch er selbst der Schlimmste aller Sterblichen sei!


    Ödipus hat genug. Weg mit Teiresias! Dieser hingegen erwidert, er wäre ja gar nicht erst gekommen, hätte Ödipus ihn nicht rufen lassen. Ödipus bereut es, den Alten geholt zu haben, wo er seiner Meinung nach ja nichts als Schwachsinn von sich gebe. Daraufhin der Seher: "So bin ich von Geburt, so wie dir scheint, ein Narr, in den Augen deiner Eltern aber ein kluger Mann." Das rüttelt Ödipus noch einmal auf. "Wie, welchen Eltern? Bleib! Wer hat mich gezeugt?" Der Seher sagt, dass dieser Tag Ödipus zeugen würde...und auch vernichten!
    Ödipus glaubt es nicht. Er sei immerhin bis jetzt sehr erfolgreich gewesen in allem, was er angefangen hatte. Doch Teiresias sagt ihm gerade dieser Erfolg hätte ihn vernichtet. Doch diese Worte prallen an dem König einfach ab und Ödipus bleibt bei seiner Hybris als strahlender Retter dieser Stadt, der er ja sei.
    Nun hat auch der Seher genug: "So geh ich denn und du, Knabe, bring mich fort!"
    "Ja, bring er dich fort, denn hier bist du im Weg und lästig! Pack dich und du kannst nicht weiter quälen!"
    "Ich gehe fort, doch werf ich ins Antlitz dir das Wort, um dessenwillen ich herkam, denn dein Arm erreicht mich nicht. Ich sage dir: den du mit Heroldsrufen und Flüchen suchest, jener Laiosmörder, der Mann ist hier am Ort. Ein Fremder, meint man, zugezogen, doch dann wird als gebürtiger Thebaner er sich entpuppen! Von einem Sehenden zum Blinden, Jetzt reich, doch dann als Bettler, wird er am Stabe sich ins Elend tasten. Es wird bekannt, dass er mit seinen Kindern haust, als ihr Bruder und zugleich als Vater, und von der er abstammt, des Weibes Sohn und Gatte, und des Vaters Genoss' im Eh'bett und zugleich sein Mörder. Nun, König, geh' hinein und denke diesem nach, und lüg' ich dir zuletzt, dann höhne mich!"


    Der Seher und sein Knabe gehen zur Stadt. Ödipus kehrt in den Palast zurück.



    Sim-Off:

    Schauspieler in dieser Szene: König Ödipus, Chorführer, Teiresias

  • 1. Stasimon (463-511)


    Das erste Epeisodion ist vorbei und der Chor beginnt wieder zu singen:


    Wer ist's, von welchem prophezeiend
    Gesprochen hat der delphische Fels,
    Als hab Unsäglichstes
    Vollendet er mit blutigen Händen?
    Es kommet die Stunde, da kräftiger er
    Denn sturmgleich wandelnde Rosse muss
    Zu der Flucht die Füße bewegen.
    Denn gewaffnet auf ihn stürzt
    Mit Feuer und Wetterstrahl
    Zeus' Sohn, und gewaltig kommen zugleich
    Die unerbittlichen Moiren.


    Geglänzt hat nämlich vom
    Schneeweißen, eben erschienen
    Ist von Parnassos die Sage,
    Der verborgene Mann sei überall zu erforschen.
    Denn er irret unter wildem Wald
    In Höhlen und Felsen, dem Stier gleich,
    Der Unglückliche mit Unglücksfüßen, verwaist,
    Die Prophezeiungen flieht er,
    Die, aus der Mitte der Erd,
    Allzeit lebendig fliegen umher.


    Gewaltiges regt, Gewaltiges auf
    Der weise Vogeldeuter;
    Das weder klar ist noch sich leugnet,
    Und was ich sagen soll, ich weiß nicht,
    Flieg aber in Hoffnungen auf,
    Nicht hieher schauend noch rückwärts.
    Denn was ein Streit ist zwischen
    Den Labdakiden und Polybos' Sohn,
    Nicht vormals hab ich's
    Gewusst, noch weiß ich jetzt auch,
    In welcher Prüfung
    Ich begegne
    Der fremden Sage von Ödipus,
    Den Labdakiden ein Helfer
    Im verborgenen Tode.


    Zeus aber und Apollon
    Sind weis und kennen die Sterblichen.
    Daß aber unter Männern
    Ein Seher mehr ist geachtet denn ich,
    Ist nicht ein wahres Urteil.
    Mit Weisheit die Weisheit
    Erwidre der Mann.
    Nicht möcht ist aber jemals, eh ich säh
    Ein gerades Wort, mich unter
    Den Tadelnden zeigen. Denn offenbar
    Kam über ihn die geflügelte Jungfrau
    Vormals, und weise erschien sie,
    In der Prüfung aber freundlich der Stadt. Darum
    Nach meinem Sinn niemals
    Wird er es büßen, das Schlimme.


    Das Lied des Chors verstummt und das erste Stasimon ist zu Ende.


    Sim-Off:

    Schauspieler in dieser Szene: Chor

  • Carbo verfolgte gespannt die Handlung. Die Zwischenlieder des Chors interessierten ihn weniger, dafür boten die Schauspieler im Prologos und dem 1. Epeisodion eine umso bessere Darbietung. Auch wenn er die Handlung schon kannte, bekam er eine Gänsehaut, als Teiresias der Seher Ödipus als Mörder des Laios anprangerte! Die Darsteller waren einfach zu gut!
    Ein wahrer Glücksgriff, den Carbo mit ihnen da gemacht hatte. Sicher, durch die übergroßen Masken die sie tragen mussten, waren sie in ihrem Spiel eingeschränkter, als sie es ohne gewohnt waren, doch trotzdem verstanden sie es die dargebotenen Handlungen und Gefühle auf der Bühne perfekt über ihre Gestik und der Variation ihrer Stimme zu transportieren. Ein Vorteil, den die Schauspieler durch ihre Masken gewannen war, dass diese ihre Stimme verstärkte beim Sprechen und sie so besser als sonst zu hören waren, selbst oben noch in den letzten Reihen. Jetzt, nachdem Carbo wieder einmal eines der Lieder des Chors überstanden hat, begann sogleich das 2. Epeisodion. Voller Vorfreude setzte er sich ein wenig auf, um besser sehen zu können und blickte hinunter auf den Ort des Geschehens.


    2. Epeisodion (512-862) (1. Teil)


    Kreon tritt wieder aus dem Palast hervor und eilt ganz an den Rand der Skené und ruft dem vor ihm stehenden Chor unter Klagen zu, dass er soeben erst gehört habe, was Ödipus von ihm denkt. Er ertrage es nicht, so Kreon, dass durch den König alle Welt jetzt glauben sollte, dass er ein Mörder sei, der dem König nach dem Leben trachte, er wolle so nicht länger leben, denn dieses Gerede über ihn wäre nicht harmlos, sondern äußerst schadhaft für Kreons Ruf.
    Da tritt der Chorführer mit seiner Greisenmaske einen Schritt hervor und ruft zu Kreon aus der Orchestra hinauf: "Nun kam dieser Vorwurf, doch vielleicht mehr vom Zorn erzwungen als aus klarem Kopfe."
    "Das Wort jedoch, es trat ans Licht, dass meinem Rate folgend der Seher seine Lügensprüche sprach?"
    "Gesagt zwar wurde das, doch weiß ich nicht, in welchem Sinn."
    "Und geraden Auges und geraden Sinns wurde dieser Vorwurf gegen mich erhoben?"
    "Ich weiß es nicht. Was die Mächtigen tun, ich seh es nicht. Doch eben kommt er selber aus dem Hause dort."


    Ödipus kommt nun ebenfalls aus dem Palast wieder hervor und sieht sogleich seinen Schwager da stehen. Er ruft ihn an, wie Kreon -immerhin als verschworener Mordsbruder gegen ihn- es wagen könne einfach so vor seinem Palast zu erscheinen und welche Schwäche er denn an ihm, Ödipus, entdeckt haben mochte, dass er sich überhaupt zu so einer schändlichen Tat entschloss? Ob er nicht auf die Idee gekommen war, dass der König schon längst bescheid wusste, doch einfach nur noch nichts dagegen unternommen hatte und wie er sich überhaupt Erfolgschancen ausrechne, so ganz ohne Unterstützung aus dem Volk, oder von Freunden? Kreon ruft nun seinerseits Ödipus an und die beiden giften sich eine Weile gegenseitig an, bis Kreon dann von seinem König wissen will, welches Leid dieser denn schon durch ihn erlitten hätte?
    So antwortet dieser ihm: "Drangst du doch nicht in mich, ich solle nach dem ehrenwerten Seher jemanden entsenden?"
    "Und steh noch jetzt zu diesem Rat."
    Hernach will Ödipus von seinem Schwager wissen, wie lange es eigentlich schon her sei, dass Laios, der alte König, tot sei? Schon sehr lange, so die Antwort Kreons. Und weiter fragt Ödipus, ob Teiresias auch damals schon als Seher gewirkt habe? Kreons Antwort lautet auch hier, dass dies durchaus der Wahrheit entspräche und der Seher schon damals hoch geachtet gewesen sei. Ob er wohl dann Ödipus schon damals einmal erwähnt habe?
    Doch das muss Kreon verneinen. Das Verhör des Königs geht weiter. So will er als nächstes wissen, ob man nicht schon damals nach dem Verschwundenen gesucht hätte? Ja, doch die Suche sei ergebnislos geblieben. Mit der nächsten Frage meint der König nun, Kreon endlich in die Enge zu treiben. Er fragt ihn, wieso der Seher das denn schon nicht damals ausgesprochen habe? Darauf weiß Kreon keine Antwort, weshalb er es für besser hält darüber zu schweigen. Doch dann ist er am Zuge, jetzt wolle er seinerseits Ödipus ins Kreuzverhör nehmen.
    Darauf der König: "Frag zu! Gewiss nicht wird man mich als Mörder fangen."
    Kreon beginnt seine Fragen damit, ob Ödipus denn nicht seine, Kreons Schwester, Iokaste, zur Frau hätte und mit ihr zu gleichen Teilen über dieses Land herrschen würde? Natürlich sei das so, so der König. Er würde alles für sein geliebtes Eheweib tun. Kreon führt weiter aus, wenn dem so sei, so wäre er selbst den beiden doch als dritter gleichgestellt? Ödipus bejaht das und gibt zu bedenken, dass gerade deshalb Kreons Verrat an ihm so schändlich sei.
    Doch der Schwager erwidert darauf, dass, wenn dem wirklich so sei, es doch keinen Grund für ihn gebe, Ödipus töten zu wollen, denn wozu? Kreon will kein Herrscher sein, oder herrschaftlich handeln müssen. Denn jetzt bekommt er alles neidlos, was er will und ist mit jedem gut Freund. Als König wäre er gezwungen zu regieren, wieso sich so etwas auflasten, wo er jetzt schon genügend kummerlose Macht und einen hohen Rang besitzt?
    Zum Beweis, dass er recht gesprochen habe, solle Ödipus zum Orakel eilen und selbst nachforschen, ob Kreon ihn denn nicht wahrheitsgetreu die Worte der Pytho weitergetragen habe? Solle er wirklich entdecken, dass er gelogen habe zusammen mit dem Seher, so könne Ödipus ihn ruhig fangen und töten, dann auch mit Kreons Segen! Doch ohne Beweise solle er ihn zu keiner Zeit anklagen. Auch meint er, dass nur die Zeit einen Mann als gerecht erweisen würde, einen schlechten Menschen jedoch erkenne man auch schon bloß an einem Tag.


    Der Chorführer ist anscheinend Kreons Meinung, denn er spricht da: "Gut sprach er für jeden, der sich in Acht nimmt vor dem Fall,. Herr! Wer schnell denkt, strauchelt leicht."
    "Wenn einer einen Anschlag plant im Dunkeln, schnell vorgeht, so muss schnell auch ich entgegenplanen. Wart ich aber in aller Ruhe zu, so wird sein Tun von Erfolg gekrönt, meines aber zuschanden sein."
    "Was also wünschst du? Aus dem Lande mich zu werfen?"
    "Nein, Nein! Sterben sollst du, nicht verbannt sein nur; DAS will ich!"
    "Erst, wenn du zeigst, was es mit dem Neide auf sich hat."
    "Du sprichst wie einer, der nicht weichen, noch gehorchen will."
    "Ja, denn ich sehe, du bist nicht bei Sinnen."


    Ödipus meint daraufhin, für seinen Teil wäre er es schon, was Kreon wiederum verneint. Er sei schlecht. Die beiden sind drauf und dran in einen Streit darüber auszubrechen, ob Ödipus schlecht sei und man ihm deshalb nicht mehr gehorchen müsse, als sie da der Chorführer unterbricht und ruft: "Hört auf, ihr Herren! Zur rechten Zeit für euch seh ich dort Iokaste aus den Häusern kommen, mit der den jetzt entstandnen Zwist ihr gütlich regeln sollt."
    Und wirklich, die Königin Iokaste, Gemahlin des Ödipus und Schwester des Kreon, tritt anmutsvoll aus dem Palast. Der sie verkörpernde (männliche) Schauspieler ist eher klein und sehr zierlich und trägt neben Frauengewändern eine Frauenmaske mit ganz besonders feingliedrigen Zügen. Iokaste ruft die beiden Streithähne an, wie sie sich hier vor dem Palast eigentlich so sehr über persönliche Belange streiten könnten, wo doch gleichzeitig das ganze Land so sehr leidet und krank ist? Einer strengen Mutter gleich schickt sie Ödipus zurück in den Palast und Kreon solle auf der Stelle nachhause gehen. Kreon will seiner Schwester klar machen, was Ödipus ihm antun will. Ja, mit Recht! so Ödipus, denn immerhin hätte er ja Teiresias und Kreon beim Aushecken dieser finsteren Verschwörung entdeckt.
    "Nicht glücklich will ich sein, sondern elendig zugrunde gehen, wenn ich dir irgendwas von dem, was du zur Last mir legst, getan."
    "Oh bei den Göttern, glaube dieses Ödipus, vor allem aus Scheu vor diesem Göttereid, dann auch vor mir und diesen hier, die bei dir stehn!"



    Sim-Off:

    Schauspieler in dieser Szene: König Ödipus, Kreon, Iokaste, Chorführer

  • 1. Kommos (649-696)


    "Vertraue, woll es, denk es,
    Ich bitte, König!
    "


    "Wie, willst du, dass ich weiche dir?"


    "Den, der nie vormals törig war,
    Und nun im Eide groß,
    Ehr ihn!
    "


    "Weißt du, was du verlangst?"


    "Ich weiß es."


    "Sag, was du meinst!"


    "Du sollst den heilig Lieben
    Niemals in Schuld
    Mit ungewissem Wort
    Ehrlos vertreiben.
    "


    "Wenn du dieses suchest, suchst
    Du mein Verderben oder Landesflucht.
    "


    "Das nicht! bei aller Götter
    Vorläufer Helios!
    Denn gottlos, freundlos
    Im äußersten will ich untergehn,
    Wenn solchen Gedanken ich habe.
    Mir Unglücklichen aber ermattet
    Vom welkenden Lande die Seele,
    Wenn die auch kommen, zu Übeln die Übel,
    Zu den alten die euern.
    "


    "So mag er gehn, muß ich durchaus gleich sterben,
    Ehrlos verbannt vom Lande mit Gewalt.
    Von dir, von diesem nicht erbarmet mich
    Der Jammermund. Der sei durchaus mir Abscheu!
    "


    "Feig bist du, wenn du traurig weichst, und wenn du
    Schwer über deinen Mut springst. Solche Seelen,
    Unwillig tragen sie mit Recht sich selbst.
    "


    "Lässt du mich nicht und gehst hinaus?"


    "Ich gehe,
    Von dir misskannt, doch gleichgesinnt mit diesen.
    "


    Kreon geht ab.


    "Weib! willst du diesen
    Ins Haus hinein nicht bringen?
    "


    "Weiß ich erst, was es ist."


    "Ein Schein ist unbekannt in die Worte
    Gekommen, aber es sticht
    Auch Ungerechtes.
    "


    "Von ihnen beiden?"


    "Gewiss."


    "Und welches war das Wort?"


    "Da mir genug, genug das Land schon müd ist,
    So dürft es wohl so bleiben, wie es steht.
    "


    "Sieh, wo du hinkommst mit der guten Meinung,
    Wenn du das Meine lässest und das Herz umkehrst.
    "


    "Ich hab es gesagt, oh König!
    Nicht einmal nur, du weißt es aber,
    Gedankenlos, ausschweifend
    Im Weisen, erschien' ich,
    Wenn ich von dir mich trennte.
    Du! der mein Land, das liebe,
    In Mühn umirrend,
    Recht hat geführt mit günstigem Winde,
    Auch jetzt noch fahre glücklich, wenn du kannst.
    "


    Sim-Off:

    Schauspieler in dieser Szene: König Ödipus, Kreon, Iokaste, Chor


    Sim-Off:

    Zum besseren Verständnis: Der Kommos ist ein wechselseitiger Klagegesang in der griechischen Tragödie, indem abwechselnd ein Schauspieler und dann wieder der Chor singen. Der Kommos tritt für gewöhnlich innerhalb eines Epeisodions auf, weshalb ich das bei diesem Stück so aufgeteilt habe, dass ihr nicht ein einziges fettes Epeisodion + Kommos darin erhaltet, sondern das 2. Epeisodion in drei Teile zergliedert wird; 1. Teil, Kommos, 2. Teil.

  • Ach was war das für ein rauschender Kulturgenuss! Woche für Woche jagte ein Theaterhighlight das nächste!


    Auf Sophokles' "König Ödipus" als Eröffnungsspektakel, folgte in der Woche darauf "Antigone" und als Abschluss der Thebanischen Trilogie sein posthum veröffentlichtes Drama "Ödipus auf Kolonos" in der dritten Woche. Dann durften sich die Leute am Satyrenspiel "Kyklops" von Euripides erfreuen und zittern, wenn darin Odysseus die Höhle des Zyklopen Polyphen betrat. "Kyklops" machte auf der Bühne danach dem Stück "Medea" Platz.


    In der sechsten Woche stand die erste Komödie von Carbos Amtszeit am Programm. Das städtische Theater zeigte auf seine Veranlassung hin "Lysistrata" von Aristophanes. Einer Geschichte, in der sich die Frauen Athens und Spartas miteinander verschworen hatten, um endlich Frieden zwischen den Männern zu erzwingen. Dafür besetzten sie unter Führung der Titelheldin die Akropolis und verweigerten sich sexuell ihren Männern. Das Stück kam grandios beim mogontiacischen Publikum an und wollte das groteske Stück auch in der nächsten Woche noch einmal sehen. Dann, in der nächsten Aufführung saß der Krieg in der Komödie "Die Wespen", ebenfalls von Aristophanes, auf der Anklagebank.


    So ging es dann das ganze Jahr hindurch weiter, bis zur letzten Woche von Carbos Amtszeit als Magister Vici des Vicus Apollinensis. Die letzte Woche, also auch das letzte von ihm organisierte Theaterstück fürs Volk. Danach wäre sein Vertrag mit der Schauspieltruppe aus Vindonissa erfüllt und nach ihrem einjährigen Aufenthalt hier würden sie Mogontiacum wieder verlassen, um woanders ihre Kunst zu zeigen. Das lokale Theater wäre dann wieder verwaist. Carbo seufzte schwer, als er vor dem Theater stand und sich dies durch den Kopf gehen ließ, ehe er einen Schritt nach vorn setzte und das Theater betrat, um der letzten Aufführung beizuwohnen. Es war wirklich unendlich schade, dass dieser wöchentliche Höhepunkt der Stadt nun nicht mehr vorhanden wäre. Er musste zugeben, bei all seiner Arbeit und den vielen Amtspflichten bei weitem nicht alle Stücke der Vindonissier gesehen zu haben, doch trotzdem hatte er es sich angewöhnt gehabt, es sich nach einem harten Arbeitstag einmal die Woche mit ein wenig kultureller Zerstreuung und Unterhaltung im Theater gut gehen zu lassen und auszuspannen, während er seinen literarischen Helden dabei zusah, wie sie kämpften, oder starben, lachten, oder weinten, das Glück ihres Lebens fanden, oder elendig zugrunde gingen.
    Da er den Leuten für das Ende seiner Ära nichts bedrückendes, oder schweres aufbürden wollte, hatte Carbo wieder eine Komödie von Aristophanes ausgewählt; "Die Frösche". Darin steigen Dionysos und Xanthias in die Unterwelt hinab, um die toten Tragödiendichter Aischylos und Euripides miteinander um den Ehrensitz des Meisters der Tragödie wettstreiten zu lassen. Dabei zündeten die Schauspieler ein wahres Feuerwerk an Zitaten aus den beiden Werken der konkurierenden Dichter und das Publikum ergötzte sich aufs beste an all den getätigten Anspielungen und Übertrumpfungsversuchen. Carbo sah währenddessen mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu. Am Ende entschied sich Dionysos schließlich für Aischylos als dem Gewinner. Das Volk applaudierte, die Schauspieler verbeugten sich grinsend. Es war eine grandiose Vorstellung gewesen, doch nun war es vorbei und der letzte Vorhang gefallen.



    Sim-Off:

    Ich beende mit diesem Post das Ausspielen des Theaterstücks "König Ödipus", da Carbos Amtszeit zu Ende und somit einfach keine Zeit mehr ist, die restlichen Teile zu posten. Ich hoffe ich enttäusche damit niemanden. SimOn wurde es natürlich zur Gänze aufgeführt.

  • Still und leise wurden die Aufführungen mitverfolgt. Je nach Szene wallten Emotionen auf, Gelächter,. traurige Mienen, zornige Rufe.
    Jene, die von der Als anwesend waren, inklusive Andriscus, waren beeindruckt welch intensive Impressionen die einfache Darstellung von Ereignissen ein Theaterstück haben könnte.
    Für einige war es neu. Das Leben schrieb für jeden einzelnen eine Geschichte die im grossen Sinne in Vergessenheit geraten würde.


    Langsam leerten sich die Tribünen und unter den Zusehern entstanden kleinere Gespräche oder auch Diskussionen.

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