Christliche Gemeinschaft in der Casa Didia | Brüder und Schwestern, von Gott geliebt

  • Nach einem langen Tag tätiger Nächstenliebe bei den Ärmsten der Armen ist Philotima in das Haus zurückgekehrt.
    So viel Leid hat sie heute wieder erblickt. Wie gering dagegen der Bruchteil, den sie hat lindern können. Erst einmal hat sie ein Bad genommen, um den Schmutz und die Erinnerung an die eklen Gerüche von sich zu waschen. Dies ist eine der ganz wenigen Annehmlichkeiten, die Philotima ihrem sündigen Fleisch nicht verwehrt. Sie hat es schon immer geliebt zu baden. Das klare Wasser um sich zu spüren, das Gefühl der Reinheit. Mit einer Bürste hat sie ihren knochigen Körper abgeschrubbt. Das Haus hat sogar einen Wasseranschluss. Auch ihr grünes Kleid hat sie gewaschen und im Garten zum Trocknen aufgehängt. Ihr zweites Kleid, das sie nun trägt, ist aus grobgesponnener Wolle. Sie besitzt nicht viel Irdisches. Die Gemeinschaft teilt ihre Güter.
    Philotimas Haare sind noch feucht und hängen in einem losen Zopf geflochten über ihrem Rücken.
    Sie gesellt sich zu den anderen Mitgliedern der christlichen Untergrundgemeinschaft.
    "Guten Abend Brüder und Schwestern. Was habt ihr heute im Geiste unseres Herrn vollbracht?"

  • Ich war natürlich total begierig Philotima meine Errungenschaften zu zeigen. Sie war wirklich eine tolle Frau! Sie kannte so viele Geschichten und Gleichnisse. Und war dabei so selbstlos und gütig. Und weise!
    "Philolima, ich habe wieder Brot und Kekse aus dem Tempel verteilt. An die armen Seelen unten am Tiber. Ich habe auch ein paar Münzen mitgebracht. Wir können den Waisenkindern die neuen Decken kaufen die sie für den Winter noch brauchen."
    Stolz holte ich den kleinen Beutel mit Münzen aus meiner Leinentasche. Dann zauberte ich auch den besonders feinen Kuchen hervor.
    "Und einen extra Ieckeren Kuchen habe ich uns auch davon mitgebracht. Von Bäcker Gustus auf dem Quirinal!" Ich strahlte übers ganze Gesicht.

  • Philotima hört den Bericht ihres Bruders in Christo und lächelt milde. Wären doch alle so gut wie Volusus. Soeben will sie ihn loben, da steht mit einem Mal der köstliche Kuchen auf dem Tisch. Philotimas Blick wird streng. Doch beginnt sie bedacht:
    "Mein Bruder, ein gutes Tagewerk hast du vollbracht. Dein Einsatz für unsere armen Geschwister ist unermüdlich und dass du den Fleck des Götzendienstes auf deiner Seele in Kauf genommen hast, zum größeren Wohl und um unserer guten Sache willen, ist im höchsten Maße barmherzig."


    Sie wendet sich auch an die anderen Mitglieder der Hausgemeinde, denn diese Frage ist sehr umstritten. Hitzige Diskussionen hat es hier an diesem Tisch darüber gegeben und in der Vergangenheit, in einer anderen Gemeinde, hat man Philotima eine Radikale, eine Häretikerin gar genannt.
    Doch Philotima weiß: Durch Beten und Leiden allein ist das Himmelreich nicht zu gewinnen. Bisweilen gilt es, sich die eigenen Hände schmutzig zu machen, bisweilen gar die eigenen Seelen. Für die gute Sache natürlich. Stets für die gute Sache.
    Salbungsvoll spricht sie:
    "Denn das erste muss es stets sein, deren Hunger zu stillen. Lasst euch nicht beirren, Brüder und Schwester. Seligmachend ist die Armut der Genügsamen und Bescheidenen. Doch in den schwachen Seelen, da ist das Nagen des Hungers des Teufels liebstes Einfallstor. Erst laben wir sie mit Speisen und Wärme. Dann mit der frohen Botschaft. So soll euer Licht vor den Menschen leuchten."


    Darauf mahnt sie Volusus:
    "Der Pfad der Gerechten ist schmal, Bruder. Haben wir hier im Haus nicht Brot genug? Was bringst du uns dieses Naschwerk? Hättest du nicht besser daran getan, es ebenfalls den armen Seelen am Tiber zu geben?"

  • Ach wie schön! Da aalte ich mich aber ein bisschen in Philotimas Lob. Philotimas Lob, das war das beste! Das war schon fast der direkte Weg ins Paradies! Und ihre Absolution erst. Ja ich brachte ein großes Opfer für die Gemeinde! Natürlich opferte ich selbst den Götzen nichts. Aber andere dabei zu unterstützen war auch nicht gerade toll. Aber für die große Sache mussten nun mal Opfer gebracht werden. Und das tat ich!


    Aber dann. Oh,oh! Dann brach der Donner über mich herein. Natürlich wurde Philotima nicht laut. Aber der Tonfall ihrer Mahnung Iieß mir das Blut in den Adern gefrieren! Warum hatte ich dieses Naschwerk mitgebracht?
    "Oh... äh..." Ich hatte Philotima eine Freude machen wollen. Ein besonderer Kuchen für einen besonderen Menschen. Ich wurde rot.


    "Ich...äh..." Ja, Volusus, selten dämlich! Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Das war überhaupt nich im Sinn der guten Sache! Betreten schlug ich meine Augen nieder.
    "Du hast recht, Philotima. Das war nicht überlegt. Ich gehe heut Abend nochmal los und verteile ihn. Und gebe meine Ration vom Abendessen mit dazu."
    Autsch. Wenn ich etwas gar nicht gut konnte war das hungrig ins Bett gehen. Aber diese Strafe hatte ich verdient.

  • Volusus sieht seinen Fehler und erlegt sich selbst eine Buße auf.
    "So sei es."
    Der Kuchen steht noch immer da und verlockt. Doch nun erhebt sich Philotima und stellt ihn resolut bei Seite. Auch für die Gemeinschaft wird es Tage des Feiern geben, aber nicht heute. Und vor allem nicht mit für die Armen entwendetem Opfergut.
    Verlangt sie zu viel?
    Volusus Sünde ist die Völlerei.
    Ihre ist der Stolz.


    Die Mitbrüder und -schwestern fahren fort, von ihrem Tagewerk zu berichten:
    Melinus hat einer reichen Dame auf dem Markt, die gerade sehr viel Tand kaufte, ins Gewissen geredet. Er hat ihr eine Spende für das Waisenhaus abgerungen.
    Catula ist zu ihrer Familie zurückgegangen, um zu ihnen vom HERRN zu sprechen.
    Thaïs, die nach ihrer Bekehrung ihr Freudenhaus geschlossen hat, war wieder bei den Prostituierten und Zuhältern an der Via Appia, um auch sie von ihrem schändlichen Tun abzubringen. Sie haben sie verprügelt. Die Gemeinschaft spendet ihr Trost und Philotima macht ihr kühle Umschläge.
    Gnaeus ist nach langem Zaudern in vielen Gebeten zu dem Entschluss gekommen, in die Stadtkohorten einzutreten. Er sagt offen, dass er große Furcht hat, entdeckt und bestraft zu werden, dies aber auf sich nehmen will, um der Gemeinschaft und um ihrer Sache willen. Philotima bestärkt ihn darin.
    Achatius hat rote Farbe besorgt. Die nächste Aktion steht bevor. Denn wie in tiefem Schlaf dämmert die heidnische Masse ihrer Verdammnis entgegen. Es gilt sie aufzurütteln und ihr Bewusstsein zu wecken.
    Lanata hat warme Umschlagtücher für die Armen gewebt. Diese werden herumgegeben und gelobt.
    Jeder tut, was er kann.

  • << Einsatzbefehl: Spezialeinsatz


    Das "Christianernest", so wurde das Anwesen von den Prätorianern genannt. Die beiden Contubernia unter Stilos Kommando erreichten die Casa Didia in der Dunkelheit. Das gleichmäßige Schlagen ihrer genagelten Sohlen auf die Straße war nicht zu überhören. Stilo gab das Signal zum Halten. Je zwei Mann schickte er zum Absichern in entgegengesetzte Richtung an die jeweils nächste Kreuzung. Zwei weitere Mann schickte er vor zum Erkunden des Geländes. Die übrigen Zehn warteten mit ihm, den Blick auf das Anwesen gerichtet.

  • In der Casa Didia schien es um diese Uhrzeit ruhig. Aus ein paar Fenstern leuchtete schwacher Kerzenschein. Was man von Außen nicht sah war das Treiben im Keller. Auch nach der Verhaftung von Philotima und Molliculus kam die Gemeinde zusammen. Achatius hielt die Gottesdienste ab. Er war lange genug Christ um die Brüder und Schwestern anleiten zu können.

  • Eudoxus war, die Kapuze seiner Panuela, über den Kopf, mit der übrigen Gemeinde im Keller der Casa Didia eingetroffen: "Salvete, gibt es hier einen Fischhändler, der besondere Fische im Angebot hat?", hatte er gefragt, auch wenn er von den Älteren einige irritierte Blicke riskierte. Aber hatte nicht der Herr Iesus Christus selbst seinen Jüngern den Rat gegegeben, dass sie klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben sein sollten? So hatte Eudoxus die Kette mit dem Anhänger des Zeichens des Fisches, I·Ch·Th·Y·S, welches ihm sein damaliger Taufvater in Antiochia ausgehändigt hatte, auf dem Hinweg im Saum seines Mantels verborgen.

    Jetzt hatte er den Mantel abgelegt und trug das Zeichen über seiner Tunika:

    "Salve Bruder Achatius", grüßte er ehrerbietig.

    Der ältere Achatius gab heute Nacht mit dem Gottesdienst die Speise für die Seele. Später würde es auch noch ein Liebesmahl, Speise für den Leib, geben. Auch Eudoxus hatte ein kleines Brot mitgebracht, denn wenn alle miteinander teilten, pflegte es für alle zu reichen, auch das hatte der Herr gelehrt.

    Der Jüngling setzte sich auf den Boden und lauschte andächtig der Predigt des Älteren.

    Selbst wenn Schwester Philotima, die eine begnadete Rednerin vor dem Herren war und Bruder Molliculus, der beherzte Streiter Christi, in die Fänge der Hure Babylon geraten waren, hatte der Herr Iesus ihnen allen doch versprochen, dass seine Ecclesia niemals von den Pforten der Hölle überwältigt werden würde. Ja mehr noch, die Tage seiner Wiederkunft waren nicht mehr fern, wenn die Brüder und Schwestern nur genug innere Stärke bewiesen.

    So fühlte sich auch Eudoxus wunderbar gestärkt, und mutig sein wollte er auch.

  • Einen Wachhund schien es hier nicht zu geben, Stille umfing das Anwesen. Der Erkundungstrupp machte keinen Hehl aus seiner Anwesenheit, schaute durch die Fenster und inspizierte das nähere Umfeld. Warmes Kerzenlicht flackerte hinter den Fenstern, das einzige Licht in der Dunkelheit. Es war schon erstaunlich, dass ein Nest von Kriminellen so viel Frieden und Behaglichkeit ausströmen konnte. Das war natürlich Maskerade, sonst wären die Prätorianer nicht hierher beordert worden.


    Die beiden Männer, die Stilo zur Erkundung vorgeschickt hatte, kehrten zur Einheit zurück. Sie beschrieben ihm das Gebäude und das Gelände. Es folgte die Befehlsausgabe. Stilo nahm sich die Zeit, die Befehle von den Männern, die ihren kleinen Trupp anführten, jeweils wiederholen zu lassen, um sicherzugehen, dass sie diese verstanden hatten. Man verlor dadurch nur wenige Augenblicke und gewann an Zuverlässigkeit. Es gab keinen Anlass zur Hektik.


    Die Fenster des Erdgeschosses und eventuelle Wirtschaftseingänge wurden nun von außen mit mitgeführten Querstangen und Seilen verbarrikadiert. Da ging schnell, machte wenig Lärm und verursachte keine Sachschäden. Einen Schuppen mit Gerätschaften sperrten sie ebenfalls ab, damit niemand sich hineinflüchten oder an den Geräten bedienen konnte.


    Offen blieb nur der Haupteingang, vor dem Stilo in einiger Entfernung stand und die Arbeit seiner Männer koordinierte.

  • Pinus der endlich von seiner Strafarbeit erlöst worden war und wieder Dienst in der Castra verrichten durfte, hatte Gelegenheit zur Bewährung bekommen. Im war die Ehre zu Teil geworden einen Trupp Prätorianer zu einem Spezialeinsatz zu begleiten. Jetzt kam er von hinten herbeigelaufen und meldete. „Optio Seius Stilo, Miles Canutius Pinus meldet der hintere Bereich ist wie befohlen abgesichert worden.“

  • 122-5fe47dc144a1f40eb12c35583ac628bdd10291d8.jpg Achatius


    Achatius beendete die Predigt. Nach einer kurzen Pause blickte er in die Augen der Anwesenden. Trebatia Caeca, die jeden Tag an ihrem Stand die Brote verkaufte die ihr Mann backte. Neben ihr dieser, der Bäcker Trebatius Calvus. Daneben Theognis, der Staatssklave aus der Regia. Eudoxus, der Jüngling aus Antiochia. Die alte Amalia hatten ihn geschickt denn er schien bereit für das Reich des Herrn einstehen zu wollen. Und Laodice von der niemand genau wusste was sie den Tag über so trieb, die aber immer besonders hungrig war.


    "Brüder und Schwestern! Rom ist bereit seine Augen zu öffnen! Die Schändung des Götzentempels und die Beseitigung der obersten Götzendienerin haben ihnen gezeigt dass es keine Götzen gibt die ihren Zorn über die Stadt bringen! Aber noch zögern viele! Zu viele! Noch steckt die alte Furcht tief in ihnen. Es braucht mehr Überzeugungskraft um sie wachzurütteln! Es braucht uns! Wir müssen diese armen Seelen retten bevor Gottes Zorn über die Ungläubigen hereinbricht und diesen Sündenpfuhl vernichten wird! Denn nur wessen Seele rein und bekehrt ist wird das Paradies erblicken!"


    Achatius ließ eine kurze Pause folgen um dann mit mehr Nachdruck zu sprechen. "Wir dürfen nicht zulassen dass die Opfer unserer Brüder und Schwestern ungehört verhallen! Wir müssen weitere Taten folgen lassen!" Er senkte seine Stimme wieder. "Was also können wir noch tun?"

  • Gerade noch hatte Eudoxus einen Moment, wirklich nur einen Moment lang, an die anmutige Schwester Aglaja gedacht, die sich um die Kinder im Waisenhaus der Binah kümmerte. Und auch wenn Eudoxus wusste, dass er für sie nie andere als brüderliche Gefühle haben sollte – wenn der HERR wiederkehrte, würden sie alle gemeinsam schließlich nur noch reinen Herzens wie die Engel sein, dachte er doch daran, ihr später noch süßes Gebäck für ihre Pfleglinge vorbeizubringen. Damit würde er ihr eine Freude machen, und vielleicht würde sie ein wenig mit ihm plaudern…


    Bruder Achatius sprach mitreißend, und als er einem nach dem anderen in die Augen blickte, schlug Eudoxus Herz ihm bis zum Halse. Er schämte sich plötzlich für seine profanen Gedanken. Hier ging es um das Heil der Menschheit, und er hatte an Süßigkeiten und an eine junge Frau gedacht. Er war eine Schande. Als der Prediger Achatius die Opfer der Vergangenheit beschwor und mit einer Frage endete:

    "Wir dürfen nicht zulassen dass die Opfer unserer Brüder und Schwestern ungehört verhallen! Wir müssen weitere Taten folgen lassen! Was also können wir noch tun?", hob er mit hochroten Wangen einen Finger:


    „Brüder und Schwestern in Christo, verzeiht mir, dass ich mich zu Wort melde, denn ich bin jung an Jahren und noch nicht lange hier in dieser Stadt.
    Der Hort der Götzenanbeter wurde geschändet, und eine ihrer höchsten Götzendienerinnen hat ihr Leben unter dem Messer einer tapferen Glaubensschwester beendet!….“

    Diese alte Schwester war Euxodus immer etwas irre erschienen, aber zweifellos war ihr Handeln vom Göttlichen inspiriert. Er schluckte. Die liebliche Aglaia war vergessen. Seine Stimme wurde sicherer, eindringlicher. Er wusste, dass die Jüngeren, Unerfahrenen darauf drängten, loszuschlagen. Und er selbst wollte es auch:


    "Bald findet eines ihrer götzendienerischen Feste statt, das Agonium Martiale. Sie opfern ihrem Götzen Mars in der Regia einen Widder.

    Gleichzeitig findet ein anderes Fest statt, die Liberalia. So huldigt das heidnische Volk dem Krieg, dem Fressen und Saufen und der Unzucht.

    Aber der Herr selbst sprach: 'Feuer auf die Erde zu werfen, bin ich gekommen, und was gäbe ich dafür, dass es schon brennte'

    Das Feuer reinigt das Böse. Es wird die Sünder läutern, und die Wankelmütigen endgültig wachrütteln."


    Etwas Großes wollte auch Eudoxus, etwas, das seine Hingabe an die Sache ein für alle Mal bewies, und fort mit Gedanken an Mädchen und Gebäck:


    "Ich schlage vor, die Regia des Cultus Deorum selbst durch reinigendes Feuer zu zerstören, und zwar noch vor dem Tag des Festes, dem siebzehnten März. Ihre Zerstörung wird der letzte Beweis dafür sein, dass die sogenannten „Götter“ kein bisschen existierten. Was ist deine Meinung dazu, Bruder Theognis?“


    Hier in der Ecclesia waren sie, ob frei oder unfrei, ob arm oder reich, ob Mann oder Frau, grundsätzlich gleich, auch wenn einige Brüder und Schwestern auf Grund ihrer Autorität führten. Theognis war ein Staatssklave eben dieser Regia.
    Er kannte sich also in dem Gebäude aus und würde wissen, ob der Plan überhaupt gelingen konnte.


    Eudoxus schaute zu Theognis. Dann senkte er wieder in Bescheidenheit den Kopf. Immer noch klopfte sein Herz in seiner Kehle, und sein Blut rauschte in seinen Ohren.

  • Theognis wiegte seinen Kopf. "Das ist eine ausgezeichnete Idee, Eudoxus! Die Regia ist das Zentrum des Götzenglaubens. Aber, aber," Theognis Stimme war immer weinerlich. "Die Regia besteht fast nur aus Stein. Wie soll sie brennen?"

    "Da gibts doch bestimmt viele Akten drin! Pergamente und Wachstafeln! Die werden brennen wie Zunder!" warf Caeca vorlaut ein. "Und sonst müssen wir Mehl ausschütten und aufwirbeln! Viel Mehl! Die Bäckerei vom alten Gaius hat es in die Luft gejagt weil er nicht vorsichtig war."

    "Das stimmt." pflichtete Calvus seiner Frau wie immer bei.

    "Das wird wahrlich brennen wie das Feuer des Herrn! Und es wird die Welt endlich läutern!"

    "Gut, gut. Aber wie kommt das Mehl in die Regia?" Theognis blickte ratsuchend zu Eudoxus. Immerhin war das mit der Regia seine Idee und Eudoxus schien ein kluger Kopf.



  • Das die Regia und auch die umherliegenden Gebäude aus Stein waren, stimmte leider. Schwester Caecas Gedanke jedoch war sozusagen die zündende Idee. Nun galt es, den Bruder Theognis etwas zu bearbeiten, dessen täglicher Umgang mit Götzendienern ihn zweifellos etwas weinerlich hatte werden lassen. Solch ein Umgang war bestimmt schwer zu ertragen für seine reine Seele. Aber viele, die die Ersten sind, werden die Letzten und die Letzten werden die Ersten sein, hieß ja das Wort des Herren, und vielleicht war es gerade Theognis bestimmt, ein großer Märtyrer zu werden.


    Eudoxus hob nun den Kopf: „ Auf Mehl bin ich nicht gekommen, das ist so ein ganz und gar ausgezeichneter Gedanke, Schwester Caeca“, gab er zu:
    „Und du Bruder Theognis stellst genau die zweckmäßige Frage: Wie bekommen wir Mehl in die Regia hinein? Du bist der Einzige hier, der das Gebäude kennt, so bitte ich dich in Demut, mich sofort zu unterbrechen, sobald ich mich in meinen Gedankengängen irre.“


    Eudoxus wusste bereits, dass er, wenn er seine Mitbrüder lobte, eine wohlwollende Atmosphäre schuf, in der seine Vorschläge bereitwilliger aufgenommen wurden:


    „Die Regia wird streng bewacht, nehme ich an? Und die dort arbeitenden Sklaven werden in der Nacht eingeschlossen oder auch bewacht? Jeder von ihnen trägt zumindestens einen Titulus um den Hals oder sogar eine besondere Tätowierung seines Eigentümers?"


    Er machte eine Pause, um Theognis Zeit zum Antworten zu lassen:


    „Nun, dann gibt es dennoch eines, was ohne besondere Kontrolle in das Innere der Regia gelangt, liebe Brüder in Christo“


    Eudoxus war ein Kaufmannssohn, der folgende Gedanke lag ihm nahe. Er selbst fühlte jedoch, dass er ihm eingegeben wurde, und er ganz und gar das Werkzeug des Göttlichen war. Er fuhr fort:


    „Ich spreche von Amphoren, voll des süßen Weines, die für alle, die an diesem unreinen Ort arbeiten, von einem Weinhändler geliefert werden. Jede davon umfasst eine amphora an Wein. Sie hat immer eine doppelte Kennzeichnung: Vor dem Brennen die des Herstellers und nach dem Brennen dann den Firmenstempel ihres Eigentümers. Die Kennzeichen ante cocturam können nicht gefälscht werden, die post cocturam aber sehr wohl. Das heißt, wir müssten beim betreffenden Weinhändler einige dieser leeren Amphoren besorgen, sie mit Mehl befüllen, beschriften und dann wieder unter die anderen bringen. Ein besonderes Zeichen bringen wir auch noch an, damit wir wissen, welche unsere sind. Und – einige sollten auch anstatt mit Mehl mit Öl befüllt werden, was das reinigende Feuer noch viel besser von einem Raum zum anderen trägt.“


    Er hob die Hand: „Ich melde mich für den Einsatz freiwillig, und ich will auch Buße tun, da es die Sünde des Diebstahl ist, die ich dem Weinhändler antun muss. Bruder Theognis, kannst du mir den Namen des Händlers besorgen?“


    Eudoxus wartete auf Bruder Achatius Urteil. Er war der Gemeindeälteste, und er würde das letzte Wort haben in einem solch gefährlichen Unternehmen zum Preise des Herren:
    „Vielleicht erbarmt sich der HERR auch unser und schickt uns Feuer vom Himmel, um unser Werk zu vollenden.“, sagte er noch und schwieg nun. In ihm breitete sich eine große Vorfreude aus, die seinen unruhigen Geist mit einem alles überwältigenden Strahlen erfüllte: Sie alle hier würden daran beteiligt sein, das Strafgericht, welches der Herr zweifellos über die Hure Babylon hereinbrechen lassen würde, zu beginnen. Das Heil erwartete sie alle.


    Sim-Off:

    * amphora = 26,2 l.

  • Stilo, noch immer tiefenentspannt, nickte dem Miles Canutios Pinus wohlwollend zu. Dann wandte er sich an alle.


    "Ich definiere nach Sichtung, wer mitgenommen wird."


    Stilo hatte keineswegs vor, nur störrische Schreihälse oder Leute mit Fischanhängern mitzunehmen ... bewusst würde er Willkür walten lassen und die Christianer nach für sie nicht nachvollziehbaren Kriterien festnehmen. Nichts machte eine Einheit so ineffektiv wie Berechenbarkeit. Zufrieden betrachtete er seine Männer: die dunkle, tödliche Seite von Rom. Heute würden sie das Imperium von einem weiteren lästigen Geschwür freischneiden.


    "Wir bleiben zunächst ruhig und höflich. Droht die Situation sich zuzuspitzen, schlagen wir ohne Warnung sofort zu. Ich wiederhole: Wir warnen im Ernstfall nicht vor." So weit kam es noch. Am besten, man sagte auch gleich dazu, was genau man vorhatte und machte die Beine breit für einen Tritt in die Nüsse.


    Seine Männer waren nichtsdestoweniger heute nicht mit Schwertern ausgerüstet, sondern mit Lanzen, die sie auf Rücksicht auf das Pomerium in Stoff eingewickelt hatten und jetzt auswickelten. Einen Schild trugen sie auch nicht mit sich. Bei einer Konfrontation mit einer kleinen Gruppe von wahrscheinlich unbewaffneten Zivilisten hielt er die bloße Lanze für die bessere Lösung. Man konnte störische Leute, wenn man beide Hände am Schaft hatte, nach Herzenslust damit zurückstoßen oder versemmeln, ohne sie gleich umzubringen, wohigegen ein einzelner Schwertstoß den sicheren Tod bedeutete. Für den Notfall hatte die Lanze noch das andere Ende.


    "Unsere Autorität ist unangreifbar. Wir sind der in Blut und Eisen manifestierte Wille des Kaisers. Niemand wiedersetzt sich Rom, ohne dafür zu bezahlen. Was uns in diesem Nest auch erwartet: Setzt euch durch. Das sind Mörder und Tempelschänder. Canutius! Deine Aufgabe ist es, zu verhindern, dass jemand hinter mir durch die Tür entwischt. Nimm dir zwei Kameraden dazu. Und nun geben wir dem Ungeziefer, was es verdient. Abmarsch!"


    Sie marschierten entschlossen noch vorn und Pansa donnerte mit der Faust an die einzige noch nicht verbarrikadierte Tür. Stilo brüllte: "Aufmachen! GARDE!"

  • "Ein Brandzeichen" bestätigte Theognis die Frage nach der Besitzkennzeichnung. Er zog seine Tunika am Hals etwas nach unten. Da war das Siegel des Collegium Pontificum in seine Haut gebrannt. "Wir älteren werden nicht eingeschlossen. Aber es ist sehr schwer heimlich in der Nacht fortzugehen." Es war immer ein Wagnis für den Sklaven zum Gottesdienst zu erscheinen und meist musste er Buße tun für seine Notlügen. Heute glaubten die anderen Sklaven er hätte späten Schreibdienst beim Flamen Curiatius Fistus der die Staatsklaven oft bis in die Nacht mit Akten beschäftigte. "Den Weinhändler kann ich herausfinden!"


    122-5fe47dc144a1f40eb12c35583ac628bdd10291d8.jpg Achatius

    Achatius nickte wohlwollend. "Ein wundervoller Plan, liebe Brüder und Schwestern! So viele Unschuldige werden erwachen im Anblick der Wahrheit! Der Herr wird ..."


    Ein ferner Donnerhall unterbrach seine Worte. Und dem folgte ein Wort das sogar hier im Keller noch zu verstehen war: Garde.

    Caeca riss entsetzt die Augen auf. Und auch Theognis wurde sehr klein.


    "Habt keine Furcht, liebe Brüder und Schwestern! Ihr habt nichts unrechtes getan und Gott, der gütige Vater wird seine schützende Hand über euch halten. Verhaltet euch ruhig und löscht alle Kerzen bis auf eine. Ich werde sie abweisen."

    Achatius lächelte allen zu und wandte sich zur Treppe. Oben angekommen schloss er die Tür zum Keller. Auf dem Weg durch die Küche und zur Porta betete er zu Gott um Kraft und Segen.


    Als er die Porta öffnete vor der die Männer der Garde standen (viel zu viele Männer!) lächelte er selig. "Guten Abend! Leider ist ken Mitglied der Familie Didia zuhause."

  • Eudoxus hatte sich früher ab und zu vorgestellt, wie es wäre, wenn SIE an die Porta klopfen würden „AUFMACHEN! GARDE!“, um über die Gerechten des Herren zu kommen.

    Er hatte sich das schwere Geräusch der Militärstiefel, die Schwerter und Knüppel in grobschlächtigen Händen und die gebellten Befehle der Milites ausgemalt. Doch als nun seine Vorstellung so unerwartet anfing, Realität zu werden, konnte er es zunächst nicht fassen. Die großen Pläne schienen durch seine Finger zu gleiten wie Sand. Er verstummte, und einen Augenblick lang sahen sich die Christianer nur angsterfüllt an.


    Der ehrwürdige Bruder Achatius fand als Erster seine Stimme wieder. Er sprach seiner Herde wie ein wahrer Hirte Mut zu, befahl die Kerzen bis auf eine zu löschen und ging dann die Treppe hinauf, um der Aufforderung der Prätorianer Folge zu leisten.


    Die Versammelten im Keller der Casa Didia löschten folgsam das Licht bis auf eines. Eudoxus ahnte die Brüder mehr als dass er sie im Dunkeln sah. Er schluckte, und es war ihm, als sei seine Kehle mit Nägeln gespickt.


    Dennoch betete er mit krächzender Stimme das Vaterunser, Worte, welches der HERR selbst seinen Jüngern gelehrt hatte, als er auf Erden wandelte: "Pater noster, qui es in caelis... ", und leise fielen andere ein. Als sie an die Stelle „ Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.“, kamen, spürte Eudoxus, wie ihn eine große Hingabe und Liebe durchströmte. Die Ecclesia hier tat Gottes Willen, und alles was ihnen passieren konnte, war dann ebenfalls sein Wille.


    Mit einem Ohr lauschte Eudoxus jedoch auch auf das, was oben mit Bruder Achatius geschah.

  • Die Prätorianer quollen durch die Tür wie eine schwarze Springflut. Der Ianitor (Stilo hielt ihn aufgrund seines Verhaltens für einen) wurde einfach zur Seite geschoben. Jemand packte den harmlos aussehenden alten Mann und drückte ihn frontal an eine freie Wand.


    "Hände an die Wand, Beine auseinander und dann keine Regung", brüllte der Prätorianer ihm aus nächster Nähe ins Genick.


    So viel zum Thema Höflichkeit. Allerdings musste man dem Soldaten zugute halten, dass er dem Ianitor nicht an der Wand die Nase gebrochen hatte, sondern ihn tatsächlich nur plattdrückte. Auch Sklaven waren Wertgegenstände, die es nach Möglichkeit zu erhalten galt. Immerhin war dies das Haus einer angesehenen römischen Familie. Und so war das Einzige, was diesem Sklaven womöglich wehtat, sein gebrochener Stolz. Ein zweiter Prätorianer stellte sich als Wächter mit dazu. Das bedurfte keines Befehls, Einsätze wie diese wurden minutiös trainiert und jeder kannte seine Rolle.


    Die übrigen Männer schwärmten aus und kontrollierten die Vorhänge, Schränke und Ecken, ob sich irgendwo jemand verbarg. Auch unter den Möbeln und selbst oben wurde nachgeschaut und gar in den Latrinen. Man ließ keinen toten Winkel, ohne ihn vorher geprüft zu haben. Ein lebendes Netz, das sich von vorn nach hinten durchzog.


    Als Vorletzter trat mit der Ruhe eines Löwen Stilo in die Casa. Sein Rücken wurde durch Iullus Canutius Pinus und zwei weitere Kameraden gesichert, die nun zurückblieben, um die Tür zu bewachen. Zufrieden beobachtete Stilo, wie seine Männer sich systematisch durch die Casa arbeiteten, zügig und professionell. Der Ausbildungsstand seiner Truppe und auch der sie unterstützenden Urbaner war hervorragend, jemand hatte grandiose Vorarbeit geleistet. Sie kontrollierten die Casa Windeseile und stellte es auf den Kopf, jedoch verursachte man keine Sachschäden, es sei denn, man würde auf eine verschlossene Tür stoßen. Dann würde Stilo zunächst den Ianitor nach dem Schlüssel fragen lassen und erst, wenn dieser keinen besaß, würde man das Hindernis mit Gewalt aus dem Weg räumen.


    Schließlich erreichten die Prätorianer auch die Kellertür und der faule Pansa, angsteckt vom Tatendrang seiner Kameraden, prüfte, ob diese sich öffnen ließ.

  • An der Porta


    Achatius hatte keine Chance. Er war ein freigelassener Haussklave und nicht mehr der Jüngste. Allerdings hatte er auch kein Bestreben sich zu wehren.

    Rächet euch selber nicht, meine Liebsten, sondern gebet Raum dem Zorn; denn es stehet geschrieben: Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der HERR.

    So ward es verkündet. Und so würde es geschehen!


    Achatius blickte auf die Wand und betete im Stillen zu Gott dass es in diesem Haus gerade viel Raum für seinen Zorn gab.



    Im Keller


    Das von Eudoxus angeleitete Gebet gab den im Halbdunkel Verharrenden Augenblicke trügerischer Sicherheit. Dann begann über ihnen der Lärm. Poltern und Rumpeln. Zimmertüren, Kistendeckel, Schranktüren wurden geöffnet und geschlossen, Möbel verrückt.

    "Die Tür! Wir müssen den Riegel vorschieben!" flüsterte Calvus auf einmal aufgeregt. "Eudoxus, gib mir die Kerze, schnell!" Mit dem winzigen Licht in der Hand schlich er hastig die Treppe nach oben. Leise schob er den Metallriegel in die Mulde in der Wand. Gerade noch rechtzeitig denn im nächsten Augenblick versuchte sie jemand zu öffnen. Calvus pustete die Kerze aus.


    Im Keller war es nun stockdunkel. Caeca wimmerte leise. Nicht laut genug als dass es oben zu hören war. Doch laut genug für Theognis und Eudoxus.

  • Die Schritte und das Poltern über ihren Köpfen verstummte nicht. Und Bruder Achatius kehrte nicht wieder – war er der Erste, der die Märtyrerkrone errungen hatte? Eudoxus machte sich Sorgen um ihn, aber da lenkte Calvus ihn ab:
    Die Tür, sie hatten die Tür vergessen zu verschließen! Sie hatte einen metallenen Riegel, doch was war ein Riegel schon gegen die Schergen des Bösen, die über sie gekommen waren? Dennoch gab Eudoxus Calvus die Kerze, und der treue Bruder eilte, die Kellertür zu verriegeln.


    Caeca wimmerte leise vor sich hin. Sie war Calvus Frau, mochte er sie maßregeln in ihrer Schwäche, Eudoxus stand es nicht zu. Trotzdem stieg Wut in ihm auf, weil sie weinte, und er hätte sie am liebsten geschüttelt und ihr gesagt, sie solle den Mund halten. Seine Nerven waren aufs äußerste gespannt, und das Wimmern zerrte an ihnen.


    Die Mauern des Kellers schienen ihn zu erdrücken. Das Ganze war eine Falle, eine Todesfalle. Sie kamen hier nicht mehr raus.


    „Wir sitzen in der Falle wie ein Fuchs in seinem Bau, Bruder Calvus.“, flüsterte Eudoxus dem Älteren zu, und lauter sagte er:

    „Aber bedenkt doch: was haben wir eigentlich zu verbergen? Wir haben nichts aufgeschrieben von unseren Plänen. Und wir haben kein Verbrechen begangen.
    Wir treffen uns regelmäßig, sprechen über die Weisheiten unserer Schriften und nehmen dann ein bescheidenes Mahl ein. Weder Philosophie noch Caritas sind in Rom verboten. Ein Bürger sollte mit ihrem Befehlshaber in Ruhe sprechen. Ich bin dafür, der Garde die Tür zu öffnen, anstatt darauf zu warten, dass sie gewaltsam eindringt.“


    Eudoxus war kein Römer, und Theognis gerade recht nicht. Aber Calvus war ein Bürger, nahm er an, und wenn selbst der große Lehrer Paulus sich auf sein Bürgerrecht berufen hatte: Warum sollten sie es ihm nicht gleich tun?


    „Doch meine Stimme ist nur die unbedeutenste unter euch, Brüder in Christo.“, fuhr Eudoxus fort: „Ich bitte euch noch einmal in Demut, meinen Vorschlag zu überdenken und zu entscheiden.“

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