Geblendet kniff Terpander die Augen gegen die tiefstehende Wintersonne zusammen, als er mit dem Brief in der Hand das Tor der Castra Praetoria hinaufschaute. Die Anlage als Militärlager zu bezeichnen, war eine Untertreibung, ihn erinnerte sie eher an eine Burg. Wie hoch mochten die Mauern sein, zehn Meter? Von den Wehrtürmen schauten die Wachposten auf die Straße hinab, genau wie ihre Kameraden zu beiden Seiten des Tores, die darauf achtgaben, dass niemand Unbefugtes die Castra betrat. Das ganze Bollwerk kommunizierte: Halt dich fern! Du bist hier unerwünscht. Und doch führte Terpanders Weg in diese Richtung. Wenn er Scato hier nicht fand, dann hatte er ein Problem. Nach der Reise von Mantua aus war er nicht nur müde, durchgefroren und verdreckt, sondern auch mittellos. Nichts davon würde sich ändern, wenn er zu seiner Herrin nach Mantua zurückkehrte - ihre Türen waren ihm seit seiner unfreiwilligen Abreise verschlossen. Das, was andere Sklaven sich wünschten - die Freiheit - wäre für Terpander eine Katastrophe. Er war pleite und er war alt, sein Wert sank von Jahr zu Jahr und war nun an einem Punkt angelangt, wo seine Herrin nicht länger bereit war, ihn durchzufüttern.
Seine einzige Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben lag darin, ihren Sohn zu finden, der nach Rom aufgebrochen war, um bei den Cohortes Urbanae sein Glück zu versuchen. Allerdings hatte Scato, der zu seiner Familie kein sonderlich enges Verhältnis pflegte, nur einen einzigen kurzen Brief geschrieben, der bestätigte, dass er gut angekommen war und seine Ausbildung begonnen hatte. Ob er sie jedoch auch fortgesetzt hatte oder zwischendurch hatte abbrechen müssen, was nicht unwahrscheinlich war bei der harten Ausbildung einer Elitetruppe, wusste niemand.
Als Sklave war es nicht gerade üblich, einen Bürger einfach abzufangen und anzusprechen, aber es war ein Notfall. An dieser Stelle kam er mit demütiger Passivität nicht weiter. Und so sprach Terpander einen der Soldaten an, die gerade die Castra verließen.
"Salve, dominus", sprach er mit gesenktem Blick und anhand der Anrede wusste der Angesprochene, dass er einen Sklaven vor sich hatte und keinen Landstreicher. "Ich suche den Sohn meiner Herrin, einen Sisenna Iunius Scato, der in der Castra Praetoria vor einigen Wochen eine Ausbildung begonnen hat. Falls deine Zeit es erlaubt, könntest du mir dabei helfen, in Erfahrung zu bringen, ob ich ihn hier finden kann?"