Wo wir hier schon eine Gesetzesreform diskutieren, iwürde ich für diejenigen Leser, die vielleicht nicht ganz so fit im römischen Recht sind eine kleine historische Standortbestimmung abliefern:
Wo befindet sich das römische Recht im von uns bespielten Jahr 117 n.Chr. und wie sieht es aus?
Bei "Wo" könnte man absolut sagen: Auf dem Gipfel der Hochphase der größten Blüte. Im ersten und zwiten Jahrhundert befindet sich das römsiche Recht was Dynamik, Innovation und wissenschaftlichem Standard auf dem absoluten Höhepunkt und damit auf einem Niveau, den man nach dem Niedergang ab dem 3. Jahrhundert erst viele hundert Jahre später wieder erreichen würde. In dieser Zeit errichten die klassischen römischen Juristen die Fundamente unserer heutigen Zivilrechtsordnung und ihre Schriften gelten den nach ihrer Wiederentdeckung im Mittelalter in der Form des Corpus Iuris Civilis den Juristen des Mittelalters als "Ratio Scripta". Vor allem in Deutschland hat das Recht des CICiv eine enorme Auswirkung auf die (Zivil)rechtsordnung genommen. Deswegen fand ich es immer schade, wenn auch natürlich nicht verwunderlich, dass das römische Recht hier im IR so eine Nischenrolle spielt.
Aber genug des Fan-Geschwafels.
Wie stellt sich das Recht Anno Domini 117 da? Ich kann das hier natürlich nur ganz grob skizzieren.
Das "Staatsrecht" wird den meisten hier in groben Zügen gut bekannt sein. Die republikanische Fassade hinter der sich die Monarchie des Prinzipats befindet. Der Staat ist bei weitem noch nicht im späern Zwangsstaat angekommen, aber man nimmt auch nicht mehr die Rücksicht auf die republikanische Ideologie wie noch Augustus.
Daraus ergibt sich für die Staatsorganisation eine gewisse Schlagseite. Die alten republikanischen Ämter bestehen weiter und üben in teilweise auch durchaus ihre republikanische Funktion aus. Während das Konsulat in direkter Konkurrenz zum Prinzips steht und darob weitgehend entkernt wurde hat sich an der Aufgabe des Prätors für das Privatrecht relativ wenig geändert. Der Formularprozess des römischen Privatrechts überlebt den Fall der Republik weitgehend unbeschadet. Erst 130 wird Hadrian den Juristen Julian damit beauftragen das Edikt des Prätor Urbanus, mit dem dieser die Entwicklung des Privatrechts lenken konnte, festzuschreiben.
Geprägt ist die Staatsorganisation auch von dem Nebeneinander von kaiserlicher und republikanischer Verwaltung. Sichtbar an den unterschiedlichen Kassen (aerarium vs. fiscus) und der Aufteilung der Provinzen in senatorische und kaiserliche. Formalrechtlich betrieb der Princeps aber nur einen sehr, sehr großen Haushalt. Wichtigste Rechtsinstrumente des Princeps waren die Tribunicia Potestas und das Imperium Proconsulare mit denen er weitgehende Kontrolle über den römischen Staat ausüben konnte.
Eine geschriebene Verfassung a la Grundgesetz gab es natürlich nicht.
Der Senat ist was seine ureigene politische Handlungsfähigkeit angeht, weitgehend entkernt. Trotzdem bedient sich der Princeps normalerweise des Instruments des Senatus Consultum um gesetzgeberisch tätig zu werden. Im Gegensatz zur Republik hat ein Senatus Consultum allerdings mittlerweise Gesetzeskraft.
Das SC ist aber nicht die einzige Möglichkeit für den Princeps in die Rechtsentwicklung einzugreifen. Besonders Augustus hat gelegentlich sogar noch die Volksversammlung bemüht. Die stirbt aber im Laufe der Zeit so gut wie komplett ab. Nur die Leges de Imperio der Principes sind irgendwann noch Plebiszite.
In die Gerichte kann er Kraft seiner volkstribunizischen Vollmachten, namentlich das Interzessionsrecht direkt eingreifen. Wenn jemandem eine Gerichtsentscheidung nicht passte, konnte er in seiner volkstribunizischen Funktion diese Entscheidung stoppen.
Vor allem später raus werden die Kaisergerichte immer prominenter und die kaiserliche Kanzlei ist immer mehr am Rechtsverkehr beteiligt. Es ist wahrscheinlich dieses sich entwickelnde Übergewicht des Kaiserapparates, das die Vitalität der römscihen Jurisprudenz letztlich erdrückt und zerstört.
Aber das ist 117 noch lange nicht der Fall
Eine weitere Möglichkeit wie der Kaiser die Rechtsentwicklung steuern konnte, war die Verleihung des Ius Respondendi an Juristen. Respondierjuristen konnten Gutachten mit kaiserlicher Autorität abgeben, die dann im Prinzip Gesetzeskraft hatten. Wenn man dir das Ius respondendi verliehen hat, hastes geschafft.
Der für die heutige Juristerei bei weitem relevanteste Teil des römischen Rechts ist der des Zivilrechts. Zu Gebinn des 2. Jhdts funktioniert das ganz grob folgendermaßen:
Der Gerichtsmagistrat ist wie in der Republik der Prätor. Dieser erlässt für seine Amtszeit sein Jurisdiktionsedikt. Darin verzeichnet er, welche Klagen er zulassen möchte. Praktisch übernimmt jeder Prätor das Edikt seines Vorgängers und ergänzt es im das was er für richtig hält.
Eine große Kodifikation wie das BGB gibt es nicht. Der Römer denkt sein Recht aus Vertrag oder Delikt etc. von der Klagemöglichkeit (actio) her. Was der Prätor nicht als klagbar deklariert hat, war im Grunde unwirksam.
Was steht also in diesem Edikt? Weiß man nicht genau. Soweit ich weiß hat kein Orignal überlebt. durch die Schriften der Klassiker kann man sich aber sehr viel zusammen setzen.
Eine Formel des Praetor Urbanus sieht z.B. folgendermaßen aus:
Octavius Iudex esto. Si paret Numerium Negidium Aulo Agerio HS decem milia dare oportere, iudex Numerium Negidium Aulo Agerio HS decem milia condemnato, si non paret absovito.
Also soll der zum Richter bestimmte Octavius besagten Numerius zur Zahlung von 10.000 Sesterzen verurteilen, wenn sich erweist, dass er Aulus (aus einer Stipulatio) diese 10.000 schuldet. Wenn nicht, soll er ihn frei sprechen.
Dieser Octavius ist übrigens nicht der Prätor, sondern der vom Prätor eingesetzte Richter, der über das für und wider der konkreten Streitfrage entscheidet. Der Prozess ist also in 2 Teile geteilt, einem beim Prätor (in iure), wo die Klagformel genehmigt wird und einem vor dem Richter in der Sache (apud iudicem) der den Streit materiell entscheidet.
Klagbar waren nicht nur die uns heute bekannten Verträge des Kaufvertrages, oder des Miet-, Pacht-, Dienst- oder Werkvertrages, sondern auch genuin römische Vertragstypen wie die oben erwähnte Stipulatio, die durch förmliches Versprechen zustande kommt und nur römsichen Bürgern offen stand. ("Centum mihi dare spondes" - "spondeo")
Das römische Privatrecht hat im Prinzip seit des XII Tafeln eine kontinuierliche, organische Entwicklung durch verschiedene "Rechtsschichten" die sich einfach übereinanderlegen durchgemacht, die von intensiven Kodifizierungsmaßnamhen und Systematisierungsversuchen weitgehend verschont wurde. Deswegen wirkt das ganze Gebilde von außen sehr undurchdringlich und chaotisch.
Ich frage mich, ob wir sowas hier nachbilden könnten.
Das ungeliebte Stiefkind des römschen Rechts war immer das Strafrecht. Im Gegensatz zur absoluten Rafinesse, die die Herren beim Zivilrecht an den Tag gelegt haben, schien ihnen das Strafrecht verhältnismäßig wurscht zu sein. Im Corpus Iuris Iustinians, in dem wie gesagt die Schriften der Klassiker verwertet wurden, sind von den 50 Büchern der Digesten nur die letzten paar zu strafrechtlichen Themen.
Charakteristisch römisch ist es aber trotzdem und auf gar keinen Fall so wie hier im IR der Codex Iuridicialis.
Die Straf- und Polizeigerichtsbarkeit in Rom lag insbesondere beim Praefectus Urbi und beim Praefectus Vigilum.
Bevorzugt gestraft wurde mit Geldstrafe. Die Freiheitsstrafe wie wir sie heute kennen, gab es nicht. Aber natürlich die Todesstrafe, auch wenn deren Vollstreckung weniger der Fall war, als man vielleicht denken würde. Man bevorzugte es, nach ausgesprochener Todesstrafe den Verurteilten ins Exil entweichen zu lassen. Insbesondere wenn der Verurteilte von höherem sozialen Status war. Bei den Unterschichten ging man da weitaus summarischer vor. Als später das Reich zu groß wurde, als dass man noch sinvoll hätte irgendwo hin fliehen hätte können, hat man einfach eine Verbannungsstrafe draus gemacht.
Notorisch ist die römische Strafjustiz auch für die Folter, die man bei Sklaven zur Gewinnung eines Geständnisses einsetzen durfte.
Das erstmal so weit. Bei Fragen ergänze ich das hier gerne. Auch wenn ich irgendwo Mist gebaut haben sollte, gerne sagen, dann korrigiere ich das.