Tablinum I MFG et Fabii Torquatii

  • Eine sonnenverwöhnte Bank im von Schatten durchwirkten Winter hatte Gracchus einst eine zufällige Bekanntschaft mit lunia Axilla beschert, und das Drängen seiner Gemahlin dafür Sorge getragen, dass er auf ihrer Vermählung mit Cnaeus Fabius Torquatus gelandet war, welcher ihm bis dato in seiner Funktion als Procurator a Memoria nur flüchtig bekannt gewesen war. Diese Hochzeit war nicht außergewöhnlich gewesen, indes jedoch auch nicht derart dröge, dass er sie bereits wieder hätte vergessen, dabei durchaus derart vergnüglich, dass er der Bitte des Fabiers um ein Treffen gerne hatte entsprochen. Nach einer Sitzung des Collegium Pontificum hatte der Flavier sich etwas frisch gemacht, trug auch nicht mehr die toga praetexta, sondern nurmehr eine dunkelgrünfarbene Tunika aus fein gewirktem Wolltuch, deren Säume durchzogen waren mit goldfarbenen Fäden - welche zwar wie alle Kleidung der flavischen Familie edel anmutete, jedoch in ihrer patrizischen Alltäglichkeit eher dem informellen Charakter des Treffens entsprach. Auch das Tablinum, in welchem Gracchus sich bereits befand, strahlte jene zurückhaltende Eleganz aus, stellte zwar durch edle Materialien und die Büsten der flavischen Kaiser Vespasianus und Titus das Bewusstsein um die eigene Stellung heraus, ohne jedoch zu protzen.
    "Cnaeus Fabius Torquatus und sein Sohn Titus Torquatus", führte ein junger Sklave die beiden Gäste in das Tablinum.
    "Willkommen! Bitte, nehmt doch Platz"
    , wies der Flavier auf zwei Stühle, welche ihm gegenüber um einen kleinen, runden Tisch aus Walnussholz standen. Der schöne Demostratos brachte drei Gläser und eine Kanne verdünnten Wein, den er sogleich ausschenkte. Es war nicht der allerbeste Wein aus den exquisiten Vorräten des Flavius Felix, doch durchaus ein schmackhafter Tropfen.
    "Wie geht es deiner Gemahlin, Fabius? Ich hoffe, sie befindet sich wohl."
    Gleichwohl Gracchus kein Freund belangloser Gesprächseröffnungen war, so mochte er doch die lunia nicht unerwähnt lassen, da letztlich ihre bisherige Verbindung über Torquatus' Vermählung mit dieser bestand.

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  • Nach meinem langwährenden gesellschaftlichen Tiefschlaf blickte ich dem Treffen mit Consular Flavius enthusiastisch entgegen. In Gesellschaft von Rang und Namen fühlte ich mich seit jeher am wohlsten, denn dort konnte ich meine besten Eigenschaften ausleben. Informelle Zusammenkünfte und Klüngeleien betrachtete ich als meine Bühne, die ich - nun da ich in den erlauchten Kreisen Roms auch sichtbar war - gerne für meine Zwecke oder die meiner Anvertrauten nutzte. Vor meiner Rückkehr an den Kaiserhof, vor allem aber vor meiner Hochzeit mit Axilla, war dies anders gewesen, sodass ich im einen oder anderen Moment mit meiner Bedeutungslosigkeit gehadert hatte. Mittlerweile jedoch bewegte ich mich, meiner Stellung sehr wohl bewusst, mit Selbstbewusstsein über das gesellschaftliche Parkett Roms und bemühte mich auch nicht dieses nach außen hin zu kaschieren. Im Gegenteil - als mich unsere Sänfte zur Villa Flavia trug, lächelte ich triumphierend hinab und erinnerte mich gelassen zurück an jene Zeiten, als ich mich noch selbst zum gemeinen Volk hatte zählen müssen.


    Selbstverständlich wusste ich aber um die Skepsis des alten Patriziats gegenüber Emporkömmlingen und Aufsteigern wie ich einer war, sodass ich mein triumphierendes Lächeln bereits an der Porta ablegte und an diesem Tage auch in Bezug auf meine Kleidung mit seltener Bescheidenheit glänzte: Ich trug eine einfache, türkisfarbene Tunika und hatte - entgegen meinem Faible für allerlei Prunk und Goldschmuck - lediglich meinen goldenen Ritterring angelegt. Der flavische Senator war mir bei der letzten Zusammenkunft ohnehin als einer derjenigen der Nobilitas in Erinnerung geblieben, die sich mehr durch ihren Intellekt als durch ihren Reichtum auszuzeichnen versuchten und darob auch nicht viel auf äußerliches gaben. Und selbst wenn ich falsch liegen sollte, schien mir das Risiko bei allzu offen nach außen getragenem Prunk zu hoch, einen womöglich bei der zurückliegenden Hochzeit entstandenen positiven ersten Eindruck unbedacht mit meinem Geltungsbedürfnis zu torpedieren.


    An der Villa angekommen blickte ich noch einmal kurz zu Titus, der sich wie immer wortkarg und undurchsichtig verhielt. Manchmal bedauerte ich, dass ich mit Calvia nur ein Kind gezeugt hatte, denn andernfalls hätte ich mir denjenigen Sohn herauspicken und fördern können, der mir am Nächsten war. So musste ich das Schicksal der Fabii Torquati nun in die Hände eines Bengels legen, der mir oftmals fremd war und der fast nichts mit mir gemein zu haben schien. Wenigstens hatte er mittlerweile seine weibische Wehleidigkeit abgelegt und hatte es als seine Pflicht anerkannt, seinen Weg in der Politik zu gehen.


    Sodann führte uns ein junger Sklave des Hauses zum Tablinum, wo sich der Consular bereits eingefunden hatte. Dabei blieben mir die durchaus prunkvolle Einrichtung und die erhabenen Büsten natürlich nicht verborgen, denn dafür hatte ich einen besonderen Blick und sicher auch ein gewisses Interesse. Gleichwohl widmete ich dem Consular ob seiner Bedeutung sofort meine gesamte Aufmerksamkeit und stimmte lebhaft in seine Begrüßung mit ein. “Senator Flavius, es ist mir eine ausgesprochene Freude, dass du uns in deinem Hause empfängst“, entgegnete ich mit breitem Lächeln und nahm sogleich die Nachfrage nach meiner Gattin auf. “Axilla geht es ausgezeichnet. Ich soll dir ihre Grüße ausrichten“, flunkerte ich. Nicht hinsichtlich ihres Gehabens, sondern hinsichtlich ihrer Grüße. Wobei ich auch ersteres nicht als eindeutig gegeben betrachten konnte, war die anfängliche Euphorie – wie es wohl bei jeder Ehe so war – doch leider etwas dem Alltag gewichen und damit einhergehend auch das gegenseitige Interesse zumindest dezent abgeklungen. “Ich hoffe selbiges gilt für deine Gattin Aurelia?“, spielte ich den Floskelball zurück und führte beinahe im selben Moment Titus ins Gespräch. “Darf ich dir meinen Sohn vorstellen? Titus Fabius Torquatus“, sprach ich und deutete dabei in Richtung meines Sprösslings, nachdem ich Platz genommen hatte.

  • Das protzige und selbstdarstellerische Gebaren seines Vaters war Titus seit jeher ein Dorn im Auge, dessen besondere Ausprägung an diesem Tage ließ ihn aber besonders angewidert zurück. So recht konnte Titus sich keinen Reim darauf machen, woher diese offen zur Schau gestellte Arroganz kam. Ob er wohl irgendetwas damit kompensieren wollte? Vielleicht. Sicher war es seine Art der Welt zu zeigen, dass er sich für etwas besonderes hielt. Titus selbst befand sich in Anbetracht dessen in einer Zwickmühle. Einerseits hatte er erkannt, dass er seinen Platz finden musste und dafür auch auf die Hilfe und Kontakte seines Vaters angewiesen war - andererseits löste dieses Abhängigkeitsverhältnis Übelkeit in ihm aus und mahnte ihn dazu, sich möglichst schnell von solcherlei Zwängen zu lösen. Ein erster Schritt dazu sollte sein Kennenlernen mit Senator Flavius sein, am Ende dessen er hoffentlich einen Schritt weiter im Prozedere der Lossagung war.


    Den ganzen Weg über zur Villa hatte er kein Wort mit Torquatus Senior gesprochen, was angesichts der schwierigen Beziehung und der persönlichen Distanz aber in den meisten Situationen der Zweisamkeit eher die Regel denn die Ausnahme war. So wandelte Titus wie ein Geist an der Seite seines Vaters zur Villa und sodann ins Tablinum und überließ - wie der Sohn es auch sonst gewohnt war - erst einmal ihm die Bühne, die dieser sichtlich genoss. Titus selbst wohnte dem höflichem Geplänkel zunächst nur als stiller Zuschauer bei, bis der Alte ihn in die Runde einführte und er den Senator respektvoll grüßte. "Salve, Senator Flavius." Während der Vater beinahe überschwänglich freudig erregt zu sein schien, blieb der Ausdruck des Sprösslings starr und ohne Regung. Stattdessen blickte er eindringlich zum Senator, von dem er schon hier und da etwas gehört hatte und der den Gerüchten zufolge eher seinem Gemütswesen entsprach als dem seine protzigen Vaters. Dies zumindest ließ Titus hoffen.

  • "Vielen Dank, so ri'hte ihr denn bitte wiederum auch meine Grüße aus"
    , quittierte Gracchus die Grüße Axillas, und schloss mit einem
    "Auch meine Gemahlin befindet sich wohl"
    das unwichtige Geplänkel ab, zweifelsfrei überzeugt, dass dies der Wahrheit entsprach - schlussendlich war Prisca zurück in Rom und hatte ihre Kinder um sich, was konnte sie sich mehr wünschen? Sodann wandte er sich dem jungen Fabier zu, der gerade im rechten Alter schien, um erste, ernsthafte Schritte in der Politik zu gehen - somit nicht der Sproß aus Torquatus' Verbindung mit Axilla konnte sein, was indes ohnehin irrelevant war. Und obgleich eine gewisse Ähnlichkeit zu seinem Vater nicht zu verhehlen war, so hatte der doch viel weichere, beinahe zarte Gesichtszüge, welche eine latente Aufmerksamkeit des Flaviers erregten.
    "Es ist mir eine Freude, dich kennenzulernen, Fabius. Dein Vater hat bereits in seiner Nachri'ht erwähnt, dass du den Schritt in Politik und Cultus publicus wagen möchtest. Wie ausgereift sind diese Pläne?"
    Da Gracchus die beiden nicht näher und insbesondere den bisherigen Werdegang des jüngeren Fabius nicht kannte, mochten diese Pläne von der Einholung eines Ratschlages eines Pontifex, über ein tirocinium fori bis hin zu konkreter Unterstützung im Wahlkampf alles beinhalten können. Seine Frage stellte der Flavier dabei in Richtung des Vaters, denn wie auch immer die Pläne des Jüngeren mochten aussehen - in Rom bestimmten die Väter den Weg ihrer Söhne, und obgleich Gracchus an dieser Konvention in seiner Jugend selbst verzweifelt war, so würde er sie niemals offen infrage stellen. Was Titus Torquatus antrieb, würde er - sofern es dazu überhaupt kommen mochte - ein andermal herausfinden.

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  • Mir gefiel es, dass der Senator ohne Umschweife zur Sache kam - auch wenn ich mich selbst durchaus als bewandert in der unverfänglichen Konversation erachtete und ich mich gelegentlich auch daran erfreuen konnte. Im Anschluss wollte ich mir auf jeden Fall noch einen Eindruck über das politische Meinungsbild des Consulars verschaffen, doch zunächst war es an mir meinen Sohn in ein möglichst gutes Licht zu rücken. Ich nippte kurz am Wein, der zwar verdünnt war und allein schon deshalb nicht meinen üblichen Trinkgewohnheiten entsprach, den ich aber als Weinkenner dennoch wertzuschätzen wusste. "Titus hat eine ausgezeichnete Ausbildung genossen", begann ich einleitend und blickte dabei kurz in dessen Richtung, bevor ich meine Hände faltete. "Beinahe seine gesamte Jugend ist er in Alexandria aufgewachsen, wo ich bei der Classis gedient habe. Dort wurde er am Museion in den allgemeinen Lehren der Rhetorik, Ethik und Grammatik unterrichtet und erwarb darüber hinaus besondere Kenntnisse im Rechtswesen", referierte ich zunächst zur schulischen Erziehung von Titus und schlug sodann die Brücke zum Senator: "Ich stamme aus einer ritterlichen Familie, sodass mein Weg in Militär und Verwaltung schon vorbestimmt war. Zweifelsfrei liegt Titus' Talent aber vielmehr in der Politik - also möchte ich mit all meinen mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten dafür Sorge tragen, dass er diesen Weg auch beschreiten kann. Und wer könnte ihn besser in die richtige Bahnen lenken als du, Senator?"


    Natürlich war es nicht selbstverständlich, dass ein Sohn aus einem Ritterhaus den Cursus Honorum beschritt, sodass ich diesbezügliche Bedenken auch sofort auszuräumen gedachte. "Ich bin zuversichtlich, dass ich alle nötigen Schritte beim Kaiser einleiten kann, um auch die standesrechtlichen Voraussetzungen für Titus zu schaffen. Daneben benötigt er aber jemanden, der ihn in diesem mir völlig fremden Lebensweg unterweisen kann. Da er sich darüber hinaus auch den Dienst an den Göttern widmen will, schienst du mir als angesehenes Mitglied des Senats und des Collegiums als bester Ansprechpartner, um einen Fuß in die Tür zu bekommen." Nun wollte ich noch etwas konkreter werden: "Es wäre mir eine ausgesprochene Ehre, wenn du Titus im Rahmen eines tirocinium fori auf eine Laufbahn in der Politik vorbereiten würdest und ihn daneben möglicherweise auch dem Collegium Pontificium näherbringen könntest. Selbstverständlich sei dir im Falle einer Zusage auch meine Unterstützung in jedweder Hinsicht zugesichert", schloss ich nun eindeutig ab und blickte erwartungsvoll zum Consular, während ich meinen Weinbecher leerte.

  • Wie er ohnehin wenig über die Fabier wusste, so war Gracchus auch der Fakt neu, dass der ältere Torquatus in der Classis hatte gedient, eine Einheit, deren Mitglieder dem Flavier generell suspekt waren. Dies hatte nichts mit ihrer Funktion zu tun, auch nicht mit Herkunft oder Stand, nein, es war schlichtweg dem Umstand geschuldet, das Gracchus das Reisen an sich bereits ein Übel war, das Reisen auf einem Schiff jedoch eine echte Tortur. Männer, welche freiwillig einen Dienst taten, der beständige Anwesenheit auf einem Schiff inmitten des Meeres inkludierte, mussten darob etwas zu verbergen haben. Verstohlen blickte Gracchus über den Rand des Glases hinweg, das er eben an seine Lippen hatte gesetzt, doch an Fabius Torquatus schien nichts suspekt. Allfällig da er letztendlich schon viele Jahre im Palast diente. Wer darüberhinaus seinem Sohn eine gedeihliche Ausbildung in Alexandria zuteil werden ließ, konnte so so verkehrt nicht sein.
    "Ah, am Museion! Mein ältester Sohn, Gracchus Minor, hat dort ebenfalls seine Ausbildung ab..geschlossen. Allerdings"
    , er zögerte kurz und blickte zu dem jüngeren Fabier.
    "Nun ja, dies war zweifelsohne bereits vor deiner Zeit."
    Immerhin war Minor längst in den Senat erhoben, obgleich er bisher nicht allzu viel damit hatte anzufangen gewusst, wie der Vater wieder einmal nicht umhin kam voller Bedauern - und ein wenig Unmut - festzustellen. Die besten Grundbedingungen waren letztendlich nutzlos, so ein Mann sie nicht annahm, um seine Zukunft zu gestalten. Während andere aus weit weniger opportunen Bedingungen weit mehr zu gestalten bereit waren. Blasierte Emporkömmlinge, welche laut polternd und blökend sich die Stufen des Cursus Honorum hinaufkauften und dabei Sitte und Anstand mit Füßen traten, waren dem Flavier ein Graus - wie etwa der Usurpator Vescularius einer gewesen war, oder der germanische Rohling, der kaum dass er ein Konsulat inne hatte altehrwürdiges Recht außer Kraft gesetzt und seine Amtszeit verlängert hatte. Hinwieder hing dies Gracchus' Ansicht nach nicht von Geburt aus mit Stand und Herkunft zusammen, wiewohl auch eine patrizische Herkunft kein Garant für Vortrefflichkeit war, sondern lediglich ein guter Nährboden. Die Anlage eines jungen Mannes zu Höherem zu fördern, welcher bereits in seiner Ausbildung ein Talent dazu hatte gezeigt, war darob für Gracchus nicht unbedingt nur eine Frage des Standes.
    "An deinen Überlegungen gibt es nichts zu beanstanden und ich bin durchaus bereit, deinen Sohn in diese Welt einzuführen so er sich als taugli'h erweist."
    Ein Mann mit mehr machthungrigem Ehrgeiz hätte den Preis hierfür zweifelsohne weit über eine unspezifische Zusage für Unterstützung getrieben, insbesondere in Anbetracht Fabius' Nähe zum Kaiser. Doch Gracchus hatte nicht nur selbst bereits seine Pflicht erfüllt und einen Status erreicht, welcher ihn kaum noch zu Höherem antrieb, das Geschacher mit immateriellen Werten war ihm schlichtweg ebenso zuwider wie das mit Sesterzen.
    "Eine Frage jedoch musst du mir zuvor noch beantworten, Fabius. Wer ist dein Patron, und hat er Kenntnis von diesem Ansinnen?"
    Es war immerhin naheliegend, ein solches Gesuch - zumindest für den Einstieg in die politische Welt - an seinen Patron oder dessen Patron zu richten, was wiederum nicht immer mochte möglich sein - immerhin verrichteten viele Senatoren auch ihren Dienst in den Provinzen. Bevor er sich festlegte mochte Gracchus sich jedoch versichern, dass er niemanden auf die Füße trat oder aber mit dem jungen Fabius seine Opponenten stärkte.

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  • Die positive Resonanz des Flavius auf das Vorgebrachte entlockten mir ein zufriedenes Grinsen, war ich mir doch ganz sicher, dass ich für das Vorankommen meines Erben den richtigen Mann auserwählt hatte. Zwar musste ich mir eingestehen, dass ich den Flavier kaum kannte und auch feststellen, dass sich um das Gebaren des Consulars das eine oder andere Gerücht rankte - zweifelsohne konnte ich im Hinblick auf die Vorteile dieser Verbindung aber darüber hinwegsehen. Flavius Gracchus war einer der angesehensten Senatoren Roms und hatte sich im Gegensatz zu anderen potentiellen Kandidaten über die Jahre nicht rarer bis unsichtbar gemacht. Viel gewichtiger war aber noch, dass die Ausbildung bei einem Mitglied der Nobilität den Malus der niederen Herkunft zumindest zu überblenden geeignet war und Titus womöglich auch Stimmen im Patriziat sicherte. Wenn der Bengel nur wertzuschätzen wüsste, welch große Mühe ich in die Planungen seiner Zukunft investierte. "Ausgezeichnet", quittierte ich in freudigem Tonfall die grundsätzliche Zustimmung zur Ausbildung meines Sohnes und setzte instinktiv zum Trinken an, bis ich bemerkte, dass ich den Becher bereits geleert hatte.


    Dass der Senator mein Angebot der Unterstützung nicht sofortig für ein konkretes Ansinnen nutzte, erweckte in mir keine besondere Aufmerksamkeit, konnte er doch zu gegebener Zeit bedenkenlos darauf zurückkommen. Stattdessen erkundigte er sich nach meinem Patron. "Mein Patron ist Consular Purgitius", entgegnete ich sogleich auf die Nachfrage hin, die zweifelsfrei darauf abzielte, eventuelle politische Verstrickungen zu erforschen - sei es aus Gründen der Streitlust, um einen Widersacher zu erzürnen oder sei es deshalb, um genau dies zu vermeiden. So, wie ich den Flavier einschätzte, war aber eher letzteres der Fall. Glücklicherweise hatte ich in Purgitius Macer einen Patron, der ebenso mehr für seinen Pragmatismus und weniger für seine Streitlust bekannt war, sodass ich etwaige Bedenken des Flavius direkt auszuräumen gedachte. "Der Consular hat bei meinen letzten Aufwartungen allerdings zum Ausdruck gebracht, dass er sich in absehbarer Zeit primär seinen familiären Verpflichtungen widmen will, die über die Jahre der politischen Verantwortung sicher etwas weniger im Fokus standen. Deshalb kann ich dir versichern, dass es nicht seinem Willen widerspricht, wenn ich die Ausbildung meines Sohnes in deine Hände lege." Da meine Nachforschungen zu Consular Flavius keine Indizien hervorgebracht hatten, die den Schluss auf eine verdeckte oder offenen Fehde mit Purgitius Macer zuließen, sondern vielmehr ein respektvolles und kollegiales Verhältnis vermuten ließen, hoffte ich, etwaige Bedenken in diese Richtung mit dem Gesagten ausgeräumt zu haben.

  • Selbstredend bemerkte auch der schöne Demostratos, dass das Glas des Fabiers geleert war und eilte sich es wieder aufzufüllen.
    "Ah, Senator Purgitius"
    , nickte Gracchus währenddessen zufrieden. Zwar gehörten sie nicht zum gleichen Lager, doch Gracchus schätzte den Purgitier als einen gemäßigten Mann, und mehr noch ob seiner Attitüde stets konstruktiv und sachlich zu bleiben. Nur ein einziges Mal hatte er erlebt, dass Senator Purgitius emotional wurde, und dies hatte ihn nur noch mehr in seinem Ansehen erhoben, war es doch bei jener Gelegenheit gewesen, bei welcher sich der barbarische, germanische Consul ein zweites Amtsjahr hatte erschlichen.
    "Nun, in diesem Falle steht einem tirocinium fori deines Sohnes bei mir nichts im Wege."
    Der Flavier beugte sich ein wenig über den Tisch, um Cnaeus Fabius Torquatus seine Hand zu reichen, das Übereinkommen zu besiegeln.

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  • "Ausgezeichnet", entgegnete ich der Zusage des Consulars zufrieden grinsend und reichte auch meine Hand zur Übereinkunft. Sodann griff ich gierig nach dem vom schönen Demostratos neuerlich gefüllten Glas, dessen Schönheit mir aber - war ich doch gänzlich dem weiblichen Geschlecht zugeneigt und erachtete jedwedes andere Gebaren als obszön - genauso wenig ins Auge stach wie auch überhaupt dessen Anwesenheit aufgrund seiner Stellung als Haussklave. Stattdessen fixierte ich weiter den Gastgeber und wollte die Gunst der Stunde nutzen, auch abseits von Titus' Weg in die Politik über die allgemeine politische Lage zu schwadronieren. Immerhin war es mir auch stets ein Anliegen, meine Beziehungen zu den einflussreichen Männern Roms zu pflegen. "Ich würde diese Übereinkunft zwischen uns hier und heute gerne auch zum Anlass nehmen, unsere bisher zweifellos sehr flüchtige Verbindung zu intensivieren, so du ebenso Interesse daran hast, Consular Flavius", begann ich einleitend und nahm schon meines ausgeprägten Selbstbewusstseins wegen an, dass mein Interesse auch auf Gegeninteresse stieß. Daher fuhr ich auch ohne Umschweife fort: "Glücklicherweise hat uns unser Augustus zumindest im Großen eine geordnete und ruhigere Zeit beschert, verglichen mit den turbulenten vergangenen Tagen." Da ich während eben dieser Tage nicht die Nähe zum Kaiserhof hatte, sondern im fernen Alexandria weilte, wusste ich nicht näher um das Schicksal der Flavier unter Salinator oder Palma und ob sie profitiert oder gelitten hatten, sah es aber durchaus als Fakt an, dass die römische Galeere nun unter Aquilius Severus in weitaus ruhigeren Fahrwassern trieb. "Natürlich bin ich schon meiner Position wegen aber über gewisse Schwelbrände informiert, die wohl immer im Kleinen lodern. Daher wüsste ich gerne, was dich und deine Familie beschäftigt?"

  • Da es noch ein wenig würde dauern bis es Zeit für die Cena war und Ikarus für die Zwischenzeit keinen anderen Termin hatte vorgesehen - immerhin war es nicht vorauszuahnen gewesen wie viel Zeit die beiden Fabier für ihr Anliegen veranschlagen würden -, war es Gracchus durchaus recht, nach der eigentlichen Causa noch ein wenig nicht mehr gar so zielgerichtete Konversation zu betreiben. Letztendlich mochte auch ihm diese Art der Beziehungspflege nutzbringend sein, schlussendlich hatte er derzeitig selbst keine direkten Kontakte in den Plast und konnte im Zweifelsfalle sich nur auf seine gute Reputation verlassen. Er trank noch einen Schluck Wein und sann kurz über die Frage Fabius' nach, ehedem er zu einer Antwort ansetzte.
    "Die gegenwärtige Zeit ist in der Tat eher ruhig und beschaulich, gleichwohl hat mich die Erfahrung gelehrt, dass es besser ist die Schwelbrände bereits im Keime zu er..sticken als später sich einer Feuersbrunst gegenüber zu sehen."
    Gracchus hatte dabei den Vescularier und den Bürgerkrieg in Gedanken, was er indes - insbesondere in dieser Runde - niemals würde aussprechen.
    "Die Kunst besteht darin, vorauszusehen, welches Rauchgekräusel zu einem Schwelbrand gehört und welches nur zu einem harmlosen Glimmen, das im nä'hsten Augenblicke ohnehin schon erstickt ist."
    Rückwirkend betrachtet war dies stets einfach zu bestimmen, doch deplorablerweise verlief die Zeit des Menschen nur linear.
    "Derzeitig enerviert mich, aber auch meine Familie, das Erstarken der Christianer, ihr Einfluss auf die pax deorum und auch auf die Menschen dieser Stadt. Ihre Dreistigkeit, mit ihren Parolen die Gebäude der Stadt zu ver..unzieren oder gar in aller Öffentlichkeit gegen den Augustus und unsere Götter zu wettern verdrießt mich zutiefst. Dass die Menschen Roms auf ihren Wegen durch die Stadt nicht mehr sicher sind, da zuletzt anscheinend auch einige Mordanschläge den Christianern zugeordnet werden, dies beunruhigt mich hingegen ernstli'h."
    Der Tonfall des Flaviers konnte nicht verhehlen, dass er den Christianern nicht das geringste an Sympathie entgegen brachte. Indes war nun war tatsächlich die Chance gekommen, die Position des Fabiers zu seinem Vorteile zu nutzen.
    "Ist dir bekannt, wie der Augustus derzeit zu dieser Sekte steht?"
    Ohne die Zustimmung des Augustus würde es niemals möglich sein, dass decretum christianorum zu ersetzen oder auch nur abzuändern, daher war diese Informationen durchaus für Gracchus' künftige Schritte relevant.

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  • Als der flavische Senator mein metaphorisches Bild weiterzeichnete, kniff ich die Augen etwas angestrengter zusammen und verdeutlichte ihm mit einem Nicken beiläufig meine Zustimmung zur Gefahrenprävention, wurde aber noch hellhöriger, als sich sein Ärger - und dieser war unüberhörbar vorhanden - über die Christianer entlud. Salbungsvoll sprach der Consular über den pax deorum und die ernsthafte Bedrohung, die die Christianer für Volk und Imperator darstellten. "Die Christianer...eine gefährliche Brut, zweifelsohne", stimmte ich zunächst, wenngleich auch weniger emotional, in die Tirade mit ein. Der pax deorum war nämlich gewiss etwas, was mich weitaus weniger beschäftigte als den Consular. Der Flavier hatte sich als Pontifex den Göttern in besonderer Weise verpflichtet und entstammte zudem einer alten und traditionsreichen Blutlinie. Ich selbst dagegen war schon immer ein - gelinde gesagt - Skeptiker gewesen, was den Cultus anging. Ich hatte während meiner Zeit auf See und in Alexandria Männer, Frauen und Kinder krank werden, leiden und sterben gesehen, gleichsam hatte ich erlebt, wie Tagelöhner an einem Abend eine Insula erspielt hatten - allerdings hatte ich nie ernstlich einen Zusammenhang mit dem Fluch oder Segen der Götter herstellen können. Dies schon deshalb nicht, weil die Ägypter einen anderen Götterkult pflegten als wir und so auch die Christianer wiederum zu ihrem Gott beteten. Waren die Christianer nun verflucht und verdammt? Offensichtlich nicht, wenn sie noch die Kraft zu Sabotageakten und Anschlägen aufbringen konnten. Titus dagegen war schon immer götterfürchtig gewesen und sicher war dies einer der zahlreichen Gründe, warum wir uns so fremd waren. Nichtsdestotrotz war ich dazu in der Lage, die Sichtweise des Consulars zu teilen, wenn es dem gemeinsamen Zweck diente - denn ein gemeinsames Feindbild schweißte bekanntlich zusammen. "Nun, der Augustus steht den Christianern zweifellos äußerst kritisch gegenüber, denn wie könnte er einer Sekte seinen Wohlwohlen schenken, die ihn und unseren Staatskult offen ablehnt oder gar gewaltsam bekämpft", stellte ich zunächst fest. "Sicher misst er aber dieser Bedrohung nicht die gleiche Vehemenz bei wie du, Consular. Noch nicht", sprach ich vieldeutig und mit funkelnden Augen. "Gewiss könnte ich bewirken, dass die Verfolgung der Sekte etwas mehr in den Fokus seiner Bemühungen rückt. Du sprichst von Mordanschlägen - kann denn ein bestimmter Mordanschlag den Christianern zweifellos zugeordnet werden?", hinterfragte ich sodann, ohne mich skeptisch zu zeigen. Wenn dies nicht der Fall war, konnte man ihnen einen solchen auch genauso gut anhängen, um eine härtere Verfolgung zu rechtfertigen. Gleichwohl wollte ich ergründen, ob der flavische Groll genereller oder spezifischer Natur war.

  • In Hinblick auf den kritischen Blick des Augustus echappierte Gracchus beinahe ein missfälliges Schnauben. Als hätte nicht ein Augustus das decretum christianorum erst erlassen, als hätten nicht mehrere Augusti die Christianer über Jahre, Jahrzehnte hinweg bereits toleriert obgleich diese nie einen Hehl daraus hatten gemacht, die römischen Götter und die Göttlichkeit des Augustus zu leugnen! Und auch Aquilius tolerierte dies seit Jahren! Doch Gracchus kannte den Fabier nicht, um abschätzen zu können wie offen er diesem gegenüber in Hinblick auf den Kaiser konnte sein, so dass er das aufsteigende Schnauben hastig seine Kehle hinunter schluckte. Immerhin jedoch bot Fabius seine Hilfe an.
    "Nun, nachgewiesen werden konnte ihnen letztendlich nichts."
    In diesem Falle wäre zweifelsohne auch die Verfolgung der Straftaten nicht weiter schwierig.
    "Doch in Senator Ovidius Corvinus' Falle gab es zahllose Indizien, welche auf die Christianer ver..muten ließen. Der Fall des Anschlages auf den Vigintivir Iulius Caesoninus ist noch nicht abgeschlossen, ob dessen auch dem Senat oder dem Collegium Pontificum noch kein Ergebnis vorliegen, doch anscheinend soll es dort ebenfalls Indizien geben, welche auf eine Beteiligung der Christianer hindeuten."
    Der Flavier zuckte ein wenig die Schultern. Sein Groll auf die Sekte war zweifelsohne zu groß als dass er im Zweifel für die Angeklagten würde plädieren.
    "Darüberhinaus ... der Schaden am Frieden mit den Göttern und für den Staat ist ein weitaus größerer als der eines oder zweier Leben. Diese Sekte ist wie ein Schimmelpilz in einem Speicher voll nahrhaften Getreides. Wenn er die Oberfläche errei'ht und entdeckt wird ist längst das ganze Korn befallen und ungenießbar."

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  • Der Groll des Flaviers über die Christianer und ihre vermeintlichen Machenschaften war in seinen Worten unüberhörbar. Der Vergleich mit einem Schimmelpilzbefall ließ gar den Schluss zu, dass er die Christianer auf die sittlich tiefste Ebene stellte und ein entschiedenes Handeln seinem Gusto nach eher früher als später geboten war. Ich strich mir nachdenklich über mein Kinn, die Chance witternd, unser gerade noch etwas loses Bündnis mit einem wohlwollenden Akt der Unterstützung auf eine verbindlichere Stufe zu hieven. "Wenn zahllose Indizien auf eine solch zerstörungswütige und gemeinschädliche Bedrohung hinweisen, sollte der Kaiser sicher auch dahingehend sensibilisiert werden", sprach ich zunächst schleierhaft, wurde aber im selben Moment konkreter: "Eine Gelegenheit dazu mag sich wohl in einer vertraulichen Runde der stadtrömischen Entscheidungsträger ergeben, deren Organisation der Kaiser in meine Hände gelegt hat. Der Kaiser möchte gerade im Lichte des jüngst ermordeten Vigintivirs die Maßnahmen gegen die Kriminalität in den Straßen Roms erörtern", weihte ich den Consular und Pontifex ein. "Deine Einschätzung hinsichtlich der Involvierung der Christianer als allseits geschätzter Senator und Vertreter des Collegiums wäre dem Kaiser sicherlich von großem Wert. Ich würde dich daher gerne auf die Liste der Teilnehmer setzen, so du dies wünschst", erklärte ich sodann mit einem vertrauensvollen Lächeln. Genauso wie ich meinen Feinden gegenüber unerbittlich war, konnte ich meinen politischen Freunden gegenüber äußerst loyal und großzügig sein - und Consular Flavius Gracchus wollte ich zu meinen Freunden zählen. Darob war ich auch gewillt, ihn im Rahmen meiner Möglichkeiten in ein Gremium einzuführen, wo Meinungen und Beschlüsse, verglichen zum sperrigen Senat, etwas unbürokratischer ausgetauscht und gefasst werden konnten - und dies selbst im Hinblick darauf, dass die Verfolgung dieser merkwürdigen Sekte mir nicht wichtiger war als die Verfolgung jedes anderen Verbrechens, das sich auf den Straßen Roms ereignete.

  • Das Angebot Fabius' war wahrhaftig mehr als Gracchus sich in diesem Moment hatte erhofft, und zweifelsohne eine Gelegenheit eine Änderung der Gesetzeslage im Hinblick auf die Christianer soweit vorzubereiten, dass der Senat dies letzendlich nur noch konnte konsentieren - all jene sentimentalen und mildtätigen, oder schlimmstenfalle gar der Christianer-Sekte zugeneigte Senatoren eingeschlossen.

    "Es wäre mir eine große Freude und Ehre dem Augustus auf solche Weise zu Diensten sein zu können"

    , verschlüsselte der Flavier sein 'ja, ich will' in angemessener Weise und ein schmales Lächeln kräuselte einen Augenblick lang seine Lippen, ehedem es einer etwas besorgteren Miene wich.

    "Diese ... vertrauli'he Runde - ist dies ein Zeichen der Unzufriedenheit des Augustus?"

    Vorerst ließ Gracchus offen, ob die Unzufriedenheit sich auf den Senat oder andere stadtrömische Entscheidungsträger beziehen mochte.

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  • Das schmale Lächeln des Consulars verdeutlichte mir hinreichend, dass er meiner Idee nicht abgeneigt war und die Einbindung in des Kaisers privater Runde ihm ermöglichte, seine Sorgen im Hinblick auf die Christianersekte in den Fokus staatlichen Handelns zu rücken. Ich schenkte dem Flavier ein zufriedenes Lächeln zurück, sah ich doch in der Annahme meines großzügigen Angebots bereits einen ersten Schritt der Verfestigung unserer Beziehung.

    Sodann richtete der Consular seinen Blick auf das Gemüt des Princeps, über das ich - wenn ich darüber im Bilde war - als Procurator a memoria natürlich zu schweigen hatte. Gleichwohl erschienen mir Anlass und Umgebung so sicher und die erfragte Information nicht derart prekär, dass ich zumindest oberflächlich einige Worte darüber verlieren konnte. Ich beabsichtigte nicht, eine Vertrauensperson zu gewinnen, indem ich das Vertrauen einer anderen Person brach - ein Zusammenbringen beider konnte aber meinem Unterfangen höchst zuträglich sein, sodass sich meine Worte nicht nur in einem bloßen Hinweis auf meine Verschwiegenheitspflicht erschöpfen sollten: "Unzufriedenheit wäre wohl zu hoch angesetzt. Dennoch, der Kaiser möchte die Probleme gerne beim Schopfe packen und etwas bewirken." Woran etliche seiner Vorgänger gescheitert waren. "Dazu muss er die Problematik aber auch allseitig erforschen und vollumfänglich verstehen. Es entspringt wohl mehr seinem Pragmatismus, dass er zunächst nach einer Lösung in vertraulicher Runde sucht, um diese selbstredend im Nachgang auch den zuständigen Institutionen vorzulegen und legitimieren zu lassen." Selbst wenn der Kaiser einen Alleingang machen könnte, setzte er - so wie ich ihn kannte - eher auf Einvernehmen und Eintracht. "Dies scheint mir aber ohnehin auch in Senatskreisen - bitte korrigiere mich - der übliche Vorgang der Lösungsfindung zu sein", fügte ich hinzu, fest in der Annahme, dass man sich auch im Senat nicht von Beginn an mit allen Positionen und Gedanken auseinandersetzen konnte und wollte, sondern erst zuletzt einen beschlusszugänglichen Vorschlag nach außen präsentierte.

  • Ein wenig nachdenklich nahm der Flavier einen Schluck Wein. Augustus Aquilius hatte sich bisherig nicht sonderlich hervorgetan durch ein gesteigertes Interesse an Staat oder Stadt. Er mischte sich selten in die Angelegenheiten des Senates und überließ den Cultus gänzlich den Pontifices. Indes, dass er sich nun ein wenig mehr in die Belange Roms einzumischen gedachte war sein gutes Recht - wenn nicht gar seine Pflicht -, und musste schlussendlich nicht gleich eine Gefahr bedeuten - weder für Rom, noch durch ihn. Mit dem Wein schluckte Gracchus seine allfällig etwas zu wahnhaften Gedanken hinab.

    "Fürwahr, eine Proposition in erster Ausführung einer Runde von mehr als einem dutzend Männern zu präsentieren - diesen Fehler macht jeder Mann zweifelsohne nur ein einziges Mal"

    , bekräftigte er darob.

    "Insbesondere so es sich bei dieser Runde um ein politisches Gremium handelt. Manch ein durchaus tauglicher Vorschlag wurde im Senat nur deshalb nicht ver..abschiedet, da diverse Lager sich in Zwistigkeiten über Details verloren."

    Manche Lager verloren sich gar in Zwistigkeiten, der bloßen Zwistigkeiten wegen.

    "Letztendlich vermag ein Impuls des Augustus solcherlei durchaus auch zu verhindern."

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  • Ich quittierte unser offensichtliches Einvernehmen in der Frage der Lösungsfindung mit einem zustimmenden Nicken und leerte sodann meinen Weinkelch, da sich das Gespräch meinem Empfinden nach allmählich dem Ende zuneigte. Natürlich gebaren es Anstand und Höflichkeit, dass der Hausherr und Senator dies bestimmte und dem fügte ich mich entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten gegenüber einem Flavius Gracchus auch bereitwillig. Gleichwohl ließ ich offenkundig werden, dass es von meiner Seite für heute nichts mehr zu besprechen gab, indem ich nichts mehr Neues hervorbrachte.

    »Ich werde dich über dieses Treffen in Kenntnis setzen, sobald es spruchreif ist.«

  • "Ich danke dir"

    , quittierte der Flavier dies und bemerkte an einem Wink seines Sekretärs, dass es Zeit wurde, sich anderweitigen Angelegenheiten zu widmen und darob die Gäste zu verabschieden.

    "Nun, sofern es weiters nichts zu bespre'hen gibt, erwarte ich Titus Torquatus in zwei Tagen um die hora tertia, um sein Tirocinium zu beginnen."

    Er verabschiedete die beiden Fabier und geleitete sie bis zum Atrium, von wo aus Ikarus ihnen den Weg bis zum Ausgang wies - weniger aus Notwendigkeit, denn aus Höflichkeit.

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