Der neue Schankjunge

  • Scato nahm wortlos am Tisch platz. Da Terpander gerade versteinert schien vor lauter Schreck, griff er sich eine der gebratenen Lukanerwürste und verzehrte sie mit der Hand. Das würde dem alten Griechen den Abwasch sparen. Dass jeder Satibarzanes für einen Sklaven hielt, fand er lustig. Der Mann gab sich auch keine Mühe, wie irgendetwas anderes zu wirken. Scato spülte die Bratwurst mit einem Schluck Posca herunter und ließ die anderen reden. Dass er mal den Mund hielt, war eine Seltenheit. Tiefenentspannt lehnte er sich im Klappstuhl zurück und lutschte seine Finger einzeln ab. Sonst liebte er seinen Dienst bei den Cohortes Urbanae, aber gerade hatte er überhaupt keine Lust darauf, seine Mittagspause zu beenden.

  • Terpander konnte gerade niemanden bedienen. Er war vor lauter Wut erstarrt. Dieser fette kleine Schwanzlutscher, ganz offensichtlich bettelte er mit jeder Körperfaser nach einer harten Behandlung, sollte ein Peregrinus sein, ein Freund von Lurco? Warum wurde das eigentlich betont, sollte Terpander sich dieser Witzfigur gegenüber nun irgendwie anders verhalten? Sein Kopf fuhr herum und Satibarzanes traf ein Blick, der ganze Heere hätte ins Jenseits befördern können. Und dann sollte Tiberios den Fettsack auch noch unterrichten. Wären die Herren klug, würden sie Terpander diese Arbeit erledigen lassen, aber offenbar hatten sie ein Interesse daran, dass Satibarzanes fett, faul, unattraktiv und unfähig blieb.


    Terpander bewegte die Finger, so dass sie deutlich vernehmbar knackten. Wenn er etwas nicht ausstehen konnte, waren es Leute, denen "Opfer" auf die Stirn geschrieben stand. Er war es als spartanischer Vollbürger gewohnt, Heloten zu jagen und zu quälen, wann immer ihm danach war, und gerade eben hatte er den Drang, dies auf andere nichtswürdige Volksgruppen auszuweiten. Die römische Expansion führte offenbar vorsätzlich zur globalen Verweichlichung, damit ihnen auf dem Schlachtfeld keine Männer mehr gegenübertraten, sondern Satibarzanites. Als Tiberios dem Neuzugang auch noch im Scherz anbot, ihn zu verprügeln, hatte Terpander genau darauf Lust. Der Scriba war genau so ein Knilch wie der Fettsack, nur in dünn, er passte hervorragend zu Satibarzanes. Gäbe es eine spartanische Expansion, würden die Dinge ganz anders laufen. Dann gäbe es solche Gestalten nicht. Entweder, sie würden gestählt werden oder getötet. Wobei der dürre Tiberios vermutlich schon als Säugling von einer Klippe geschmissen worden wäre.


    Normalerweise fand Terpander sein Sklavendasein in Ordnung, aber gerade eben verlangte es ihm ein übermenschliches Maß an Beherrschung ab, nun einfach nach der Karaffe zu greifen und allen Posca einzuschenken, auch Satibarzanes und Tiberios.

  • Tiberios war etwas unwohl dabei, von Terpander bedient zu werden; am liebsten wäre er aufgesprungen und hätte ihm geholfen, aber dominus Lurco hatte ihm gesagt, er solle sich setzen.
    Deshalb saß Tiberios auf der Stuhlkante, was er für einen Kompromiss hielt. Außerdem kam er neben dominus Scato zu sitzen, worüber er sich freute, denn so konnte er ihn ab und zu ganz leicht und verstohlen mit einer Hand streifen, wenn er über den Tisch nach dem Brot griff.


    Nun lag eine ganze Wurst auf dem Teller, die für ihn sein sollte, und Tiberios griff vorsichtig zu und kaute vergnügt.
    Er war als Jugendlicher recht kurz gehalten worden; der pingelige maiordomus seines früheren Herren war der festen Überzeugung gewesen, dass ein junger Scriba nicht so viel Nahrung wie beispielsweise ein junger Sänftenträger benötigte.


    Dann bemerkte Tiberios Terpanders Basiliskenblick, den er Satibarzanes schenkte, und er runzelte die Stirn.
    Terpander sollte den armen jungen Mann in Ruhe lassen, unter Angst hatte noch kein Mensch wirklich paideia erworben.


    Also lehnte sich der junge Grieche zurück und sagte betont fröhlich:.


    Dominus Satibarzanes, du hast doch bestimmt schon Erfahrung mit Terpanders seltsamen Humor gemacht ?
    Terpander, es ist nicht zu glauben, dass du vom griechischen Mutterland stammst, du erinnerst mich sehr an meine Leute zuhause. Bist du sicher, dass du nicht in Alexandria geboren bist?
    Vielleicht finde ich so etwas raus, wenn ich genauer nachforsche.
    Auf jeden Fall, wie gesagt, muss man sich daran gewöhnen,und dann merkt man, dass der gute Terpander gar nicht so schlimm ist wie er tut.“

    er sah Scatos Sklaven fest an, während er lächelte.


    Gerade fühlte sich der furische Sklave sehr sicher. Mit den domini Scato und Lurco am Tisch würde Terpander es nicht wagen, ihn wieder gegen irgendeine Wand zu klatschen oder ihm sonst etwas anzutun.


    Weil er es sich aber mit dem älteren Griechen auch nicht verderben wollte, fügte er an:
    „Nach dem Essen helfe ich dir aber mit dem Geschirr, und dann erbitte ich deinen weisen Rat, was dominus Satis Unterricht angeht.“

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