Ein dickes Übel - Viridomarus

  • "Der Jüngling? So hat den Terpander auch lange niemand genannt." Dann fiel Scato auf, dass Viridomarus wohl eher Tiberios meinte und Scato lachte freundlich. "Ach sooo ... danke ... finde ich auch. Gehört nur leider nicht mir, ist nur ausgeborgt. Er soll unseren Neuzugang ein wenig unterrichten."


    Tiberios kümmerte sich all die Zeit über rührend um Satibarzanes. Aber wo blieben nur Lurco und Terpander?


    "Pst, Tib", flüsterte Scato, "wie du selbst schon festgestellt hast, macht Terpander manchmal Scherze. Man darf nicht jedes Wort bei ihm auf die Goldwaage legen."


    Damit beantwortete er die Frage von zuvor. Denn Scato war seinerseits keineswegs nur über Schmerz und Angst von seinem Lehrer ausgebildet worden. Das Gegenteil war der Fall. Vermutlich wollte der alte Grieche eher deutlich machen, wer hier der Maiordomus war, obwohl er diesen Titel offiziell gar nicht führte. Wie auch, wenn es im Haus eigentlich nur ihn als Sklaven gab und er der Platzhirsch war.


    Scato wandte sich wieder Viridomarus zu. "Marmor? Tun es nicht auch Edelsteine? Nein, im Ernst, ich fürchte, diese Art der Zahnpflege ist mir zu teuer. Dann muss es eben weiter Urin tun. Tiberios, schenke unserem Gast bitte ein Glas Posca ein und für seinen Begleiter ebenso. Du wolltest also wirklich nur nach dem Haus schauen, Viridomarus?"


    Er musterte seinen Gast intensiv. So, wie Lurco den Mann beschrieben hatte, war dies nur eine Seite der Medaille. Trotz seiner weichen Statur war er ein harter Geschäftsmann. Er legte ihm eine stramme Wurst auf den Teller und schob ihm den hin.

  • Viri lachte tief und freundlich auf.


    "Mein lieber Scato, Du sollst Dir Deine schönen Zähne doch nicht mit einer Statue oder einem Mamorblock pollieren, sondern mit Mamorstaub. Dieser fällt bei Arbeiten mit Mamor immer an. Im Grunde ist er ein Überbleibsel bei Produktionen. Aber ein wertvolles für Deine Gesundheit. Ich kaufe unter anderem diesen Staub auf und verkaufe ihn für die gehobene Zahnpflege weiter. Der Mann von Welt putzt sich die Zähne mit weißen Geld, nicht wahr? Wo bleibt denn nur Lurco? Er ist doch hoffentlich nicht unpässlich? Und der ältere Herr, der mir vorhin die Tür öffnete? Wer ist der gute Mann?", fragte Viri mit Unschuldsmiene und gönnte sich einen herzhaften Bissen von der Wurst, ohne dabei Scato aus den Augen zu lassen.


    "Was sollte ich denn sonst hier wollen? Scato Dein Beruf macht Dich zu einem ganz schön misstrauischen Burschen. Aber das müsst Ihr auch sein um unser aller Leben beschützen zu können. Nein ich bin nur vorbei gekommen, um Euch dieses Einzugsgeschenk zu überreichen und natürlich um ein klein wenig Zeit mit Euch zu verbringen, ein bisschen zu plaudern, was man so unter lieben Freunden macht. Deine Wurst ist vorzüglich", lobte Viri.

  • Tiberios schenkte Viridomarus Posca ein, und während er das tat, bemerkte er, dass er selbst intensiv nach Zimt roch. Dieser Terpander und sein Zimtöl!
    Dann trat er wieder zurück.
    Viridomarus hatte ihn gelobt, und insgeheim freute Tiberios sich, dass Scato das hörte.


    Aber so langsam machte sich der junge Alexandriner Sorgen um Terpander. Es sah ihm nicht ähnlich, nicht zu erscheinen und Tiberios war so weit, ihm den Gefallen zu tun, sich rumscheuchen zu lassen, als wäre der ältere Grieche tatsächlich sein Maiordomus, damit er ihm nicht mehr böse wäre.

  • Viridomarus schenkte Tiberios ein freundliches Lächeln und stellte fest, dass der junge Mann wie Kuchen roch. Da musste er Abhilfe verschaffen. Er winkte seinen Sklaven heran und trug ihm auf, aus der Sänfte seine Diensttasche zu holen. Nubius eilte sofort los und kam einige Minuten später wieder, mit einer schweren Tasche in der Hand.


    "Mir ist Dein außergewöhnlicher Duft aufgefallen junger Mann. Falls Du vernascht werden möchtest, ist Zimtduft die richtige Wahl denn Du schnupperst wie ein Kuchen frisch aus dem Backofen. Aber für einen jungen Mann Deines Alters habe ich etwas passenderes.


    Parfüme, Düfte, Wohlgerüche mein lieber Junge sind Leben.


    Ob als Rauchwerk bei bei religiösen Zeremonien, zum Überduften übler Gerüche an öffentlichen Orten, oder auch zum Befeuchten der Haut. Denke hier nur an das kostbare Rosenwasser, dass in Theatern verspritzt wird und eben zur Hautpflege Verwendung findet.


    Meine Parfüms für die Haut beruhen auf Unguenta ebenso auf Salben. Die Duftsalben bestehen aus einer flüssigen Grundlage und einer duftenden Essenz, natürlich enthalten sie auch Konservierungsstoffe wie Salz, Gummen oder Harze, um die flüchtigen Bestandteile des Parfüms festzuhalten. Wie die Hände eines Mannes umschließen sie die teuren Essenzen in der Basis.


    Unguenta enthalten zwei Komponenten und zwar Öle und feste Anteile. Erstere bestehen aus verschiedenen Ölen, Letztere aus wohlriechenden Substanzen. Eines der häufigsten Unguenta enthält Myrtenöl, Kalmus, Zypresse, Zyprus, Mastix und Granatapfelrinde.


    Telinum wird aus frischem Olivenöl, Zyperngras, Kalmus, echtem Steinklee, Bockshornklee, Honig, Marum und Majoran hergestellt.


    Eine der am häufigsten verwendeten wässrigen Grundlagen ist Omphacium, ein aus grünen Oliven und unreifen Trauben extrahiertes Öl.


    Zur Gewinnung duftender Essenzen aus Blüten, Samen, Blättern, Rinde und anderem wohlriechendem Pflanzenmaterial werden eine ganze Reihe von Extraktionsmethoden benutzt. Du würdest staunen wie viele Rosenblätter für ein winziges Fläschen reinen Rosenöls von Nöten sind.


    Cyperus ist eines der beliebtesten Parfüme, ebenso Telinum. Die Rezepte sind natürlich streng geheim, aber dennoch darfst Du heute einmal danach duften", erklärte Viridomarus, öffnete eines der Fläschchen und tupfte Tiberios von der wertvollen Flüssigkeit etwas hinter die Ohren.


    "Bitte", sagte er freundlich und reichte Scato den Flakon, damit er ebenfalls daran schnuppern konnte.

  • Tiberios lächelte freundlich, denn der wohlbeleibte Freund der domini Scato und Lurco erschien ihm äußerst liebenswürdig.
    Und es war sehr interessant was er über die Duftherstellung zu erzählen wußte,
    Tiberios hörte aufmerksam zu.
    Als Viridomarus ihm etwas des teuren Parfüms hinters Ohr tupfte, wurde er rot vor Verlegenheit:
    "Danke, dominus Viridomarus, tatsächlich liebe ich Telinum!", sagte er begeistert:" Und danke für die interessanten Erläuterungen. Du bist zu gütig."
    Er verbeugte sich nochmals.

  • Viridomurus machte es sich wieder bequem und nickte freundlich.


    "Gerne, Großzügigkeit und Geschäft gehen Hand in Hand mein Lieber. Du kannst nichts verdienen, wenn Du nicht bereit bist auch etwas zu investieren. Hier ist genau wie überall geben und nehmen angesagt. Und wenn Du so wundervoll duftest, wird sich sicher so manch einer fragen, weshalb duftet dieser Jüngling so herrlich? Nach was duftet er und wo kann man diesen Duft erwerben, dann scheue Dich nicht den Namen des duftenden Viridomarus zu erwähnen.


    Die Liebe zu den ganz besonderen Düften haben die Römer übrigens von den Griechen übernommen, wie vieles andere auch. Sie erweiterten die Liebe zu den Wohlgerüchen, wie sie allen übernommenen Angewohnheiten ihren eignen Stempel aufdrücken.


    So sagt man, dass sich kein Römer die Liebe ohne Düfte vorstellen kann. Und sind wir ehrlich, es gehört zum täglichen Leben in Rom zu duften und dies möglichst intensiv. Gerade die Damenwelt verschlingt Düfte und Kosmetika, was mir eine besondere Freude ist.


    Die Damen nutzen Öle, Salben, Essenzen, Pomaden, Puder und Pasten. Jene Frauen die für mich die duftenden Kosmetika herstellen, sind fleißiger als die Bienen im Stock.


    Wusstest Du, dass die Römer neben den beliebten Düften auch duftende Pflanzen der Griechen übernmmen haben? Besonders zu erwähnen wären hier Veilchen, Lilien, Rosmarin, Salbei, Anis und vor allem die Königin der Düfte - die Rose.


    Die Römer bereicherten auch hier ihr Angebot um Quitte, Narzisse, Jasmin, Iris und Kassia. Kassia ist ein zimtartig riechendes Öl aus China, vermutlich duftest Du genau danach mein lieber Freund.


    Es gibt sagenumwogene 85 Pflanzenarten die zur Parfümherstellung bekannt sind. Natürlich verwendet man auch noch ganz andere Produkte und Grundstoffe, tierische, mineralische und pflanzliche.


    Wenn sich Römer in etwas verliebt haben, verschreiben sie sich der Sache ganz, so salben sie sich mit kostbaren Duftölen, baden Rosen- und Wermutwein, parfümieren ihre Gewänder und sogar ihre Haustiere, entzünden zu jeder Tages- und Nachtstunde Räucherkerzen und sie würzen sogar ihre Speisen und Getränke mit Duftstoffen.


    In ihren Häusern parfümieren Römer Einrichtungsgegenstände, Fußböden und Wände. Andere wiederum verbrennen auf den Hausaltären Weihrauch und Myrrhe oder teure ätherische Öle in Lampen.


    Der Weg des Duftes ist so manigfaltig wie die Düfte selbst", erklärte Viri ganz in seinem Element.

  • Dass es mal wieder die Griechen waren, die den Römern etwas Schönes beigebracht hatten, schmeichelte dem jungen Alexandriner.


    Zufrieden lächelnd trat Tiberios auf Scato zu und beugte seinen Kopf etwas herunter:
    „Was magst du lieber leiden, dominus Scato, Kassia oder telinum?“, fragte er und hielt ihm erst seine Handgelenke, dann seinen Hals so hin, dass der Römer beide Parfüms erschnuppern konnte.


    Das Telinum von Viridomarus war wesentlich hochwertiger als das, was sich Tiberios leisten konnte, und er selbst fand es genau nach seinem Geschmack.


    Dieser Gast schien ein so leutseliger, freundlicher Herr zu sein, der sogar seinen Spaß daran fand, sich mit dem Personal zu unterhalten, dass der furische Sklave sich traute, ihm eine eigene Frage zu stellen:


    „ Es wäre sehr gütig von dir, mir einen Rat zu geben, dominus Viridomarus.“, begann er:
    „ Ich suche einen Duft, der Schwermut und Müdigkeit vertreibt, jedoch die Sinne und den Verstand für das Studium anregt. Kannst du mir etwas empfehlen?“


    Tiberios dachte dabei an seine verehrte domina Furia Stella. Wenn er etwas Neues für seinen Dienst in der Bibliothek dazu lernen konnte, wollte er das sehr gerne.

  • "Ich mag Cassia", schwärmte Scato verträumt. Warum, war klar - er war von Terpander auf süßen, schweren Zimtduft geeicht worden. "Marmorstaub, das werde ich kaufen, sobald ich welchen auftreiben kann. Froschessig ist wirklich widerlich." Das Zahnpflegemittel dürfte der Schilderung von Viridomarus folgend nicht so schwer aufzutreiben sein.

  • [Blockierte Grafik: https://www.minpic.de/k/abfm/1krmpp/Satibarzanes


    Satibarzanes half, die Gäste zu bedienen und freute sich darüber, dass ihm jemand etwas erklärte, ohne ihn zusammenzupfeifen. Tiberios hatte sogar das eine oder andere Lob für ihn übrig. Dass er sich einem Sklaven unterordnen sollte, störte Satibarzanes nicht im Geringsten, so lange dieser Sklave nicht Terpander war, der ihm Übles wollte. Vor dem Kerl hatte er richtiggehend Angst. Zum Glück war der nun irgendwo im Obergeschoss zugange.

  • " Gut, dann Cassia", sagte Tiberios ergeben. Er wollte ja gerne Scato gefällig sein.
    Er zwinkerte Satibarzanes zu:
    "Und was meinst du, dominus Sati?", fragte er:
    "Stehst du etwa auch auf Cassia?"


    Das mit dem Marmorstaub für die Zahnreinigung würde er sich auch merken, das konnte nichts schaden.
    Tiberios fragte sich kurz , ob er nicht die Arbeit dominus Satibarzanes überlassen und schnell oben nachsehen sollte, ob es Terpander gut ging. Aber dann tröstete er sich: Dominus Lurco war bei ihm, und dominus Scato hatte ihm dazu keinen Befehl gegeben.


    Außerdem hoffte er, gute Tipps von dominus Viridomarus für die furische Bibliothek zu bekommen.

  • "Dominus Sati?" Satibarzanes schaute verwundert, dann lächelte er. "So kannst du mich gern nennen. Früher nannte man mich Barti. Mit einem neuen Namen kann man besser nach vorn schauen, auch wenn es ein neuer Spitzname ist. Haare sind seit dem Brand ohnehin kaum noch übrig."


    Er strich seine verbliebenen Bartstoppeln und schnupperte gehorsam.


    "Beides duftet wunderbar! Wir hatten im Ganymed eine Auswahl von Duftölen und Parfums, sie mussten preiswert und geruchsintensiv sein und vor allem süß! Manche rochen wie Honig. Die mochte ich am meisten. Rosenwasser ist vermutlich zu teuer für uns, aber wir hatten ein Parfum, das roch ganz ähnlich. Das trug Evenor immer im Haar, er wollte nach Frühling riechen, damit er jünger wirkt. Und die Zwillinge nutzten irgendwelche Küchenöle mit Kräutern, von dem ihre Haut ganz scharf schmeckte. Das mochten sie. Wenn man sie angefasst hat, musste man die Hände waschen, sonst brannte einem das Auge, wenn man es sich rieb. Es gibt so viele gut riechende Parfums und Öle."

  • Lurco packte Terpander an den Schultern und schob ihn tiefer in den Raum hinein.


    "Setz Dich hin, oder mach es Dir anderweitig gemütlich. Was immer Dich umtreibt, sieh zu dass Du es aus Deinen Gedanken bekommst. Ich gehe nach unten und schaue nach was los ist. Warte", bat Lurco und tat genau das.


    Er ließ Terpander in dem noch unmöblierten Schlafzimmer zurück und ging kurz nach unten. Er grüßte den Neuankömmling Viridomarus mit einem freundlichen Nicken, doch bevor dieser zu einer Erwiderung ansetzen konnte, war Lurco schon wieder nach oben zu Terpander verschwunden.


    "Wir haben einen speziellen Hausgast, falls Du diesen Burschen gemeint hast, nach dem Motto rund und gesund, dann war das kein Hausierer. Dass kannst Du mir glauben. Schnapp Dir einen der Teppiche oder was Du gebrauchen kannst und hau Dich einen Moment aufs Ohr. Vielleicht magst Du mir nachher erzählen was los war. Falls nicht, auch gut. Ich rufe Dich wenn der Griechen-Schreck Viri wieder weg ist.


    Pass auf Dich auf Terpander und bleib hier", sagte Lurco freundlich und ließ Terpander oben allein. Was immer vor der Tür mit Viri und dem Griechen geschehen war, würde er nachher oder nie erfahren.


    Er gesellte sich unten wieder zu den anderen und grinste Viridomarus zum Gruß an.


    "Salve Viri, willkommen in unserem Haus", sagte Lurco freundlich.

  • Zitat

    Original von Satibarzanes
    "Dominus Sati?" Satibarzanes schaute verwundert, dann lächelte er. "So kannst du mich gern nennen. Früher nannte man mich Barti. Mit einem neuen Namen kann man besser nach vorn schauen, auch wenn es ein neuer Spitzname ist. Haare sind seit dem Brand ohnehin kaum noch übrig."


    Er strich seine verbliebenen Bartstoppeln und schnupperte gehorsam.


    "Beides duftet wunderbar! Wir hatten im Ganymed eine Auswahl von Duftölen und Parfums, sie mussten preiswert und geruchsintensiv sein und vor allem süß! Manche rochen wie Honig. Die mochte ich am meisten. Rosenwasser ist vermutlich zu teuer für uns, aber wir hatten ein Parfum, das roch ganz ähnlich. Das trug Evenor immer im Haar, er wollte nach Frühling riechen, damit er jünger wirkt. Und die Zwillinge nutzten irgendwelche Küchenöle mit Kräutern, von dem ihre Haut ganz scharf schmeckte. Das mochten sie. Wenn man sie angefasst hat, musste man die Hände waschen, sonst brannte einem das Auge, wenn man es sich rieb. Es gibt so viele gut riechende Parfums und Öle."



    Tiberios lächelte : „Wenn du darauf bestehst, nenne ich dich auch dominus Satibarzanes. Aber wenn ich das einmal sage, ist vermutlich schon Zeit, die Schenke zu schließen – so lang ist das. Was für ein toller Name, ist das persisch ? Und Du kommst wirklich aus dem Ganymed , dem Lupanar, das abgebrannt ist? Evenor und die Zwillinge – waren das die anderen Jünglinge? Ich hoffe, ihnen geht es gut.
    Der junge Grieche pfiff durch die Zähne:


    „Schreckliche Geschichte dieser Brand. Gut, dass dich die domini Scato und Lurco aufgenommen haben, die sind beide sehr gütig.“
    Der furische Sklave nahm eine leere Platte zur Hand und trug sie Richtung Küche:


    Tiberios wurde nun ernster, aber behielt den Plauderton bei:
    „Dann war dein Chef dort doch ein Typ namens Kyriakos. Was ist das für ein Mensch?“, fragte er,
    aber als er Satis Miene sah, fügte er an:
    „Vergiss meine Fragen, ich bin nur neugierig, das ist ein Fehler von mir und ich glaube von den meisten Leuten aus Alexandria. Erzähl mir nur, was du Lust hast. Und wenn du mich was fragen willst, frag nur!“

  • Als Lurco ihn ein wenig schob, griff Terpander reflexartig nach dessen Oberarmen. Es war keine Abwehr, sondern eine Geste der Versöhnung, wie wenn man jemandem die Hand auf die Schulter legte, nachdem man ihn versehentlich angerempelt hatte. Eine Geste, die eine unbeabsichtigte Berührung in etwas Freundschaftliches verwandelte.


    "Ja, ich meinte diesen Mann, Herr. Er erzählt gern ... Geschichten", sagte Terpander vorsichtig. Er durfte niemanden offen der Lüge bezichtigen. "Bitte sei vorsichtig damit zu glauben, was er dir sagt. Und danke für dein Ohr."


    Nachdem Lurco gegangen war, folgte Terpander dessen Rat und zog sich einen zusammengerollten Teppich aus einem Raum, den er als Lager benutzte. Er rollte ihn allerdings nicht aus, sondern legte sich bäuchlings auf die Rolle, um ein paar Minuten lang sein Herz und sein Gemüt zu beruhigen, ehe er aus dem Fenster spitzeln würde, was Viridomarus da unten bei den Herren trieb.

  • "Ja, richtig, ich habe vorher im Lupanar gearbeitet. Den meisten, die überlebt haben, geht es ganz gut, denke ich, von Python abgesehen. Der Name Sati ist in Ordnung, es gefällt mir", antwortete Satibarzanes freundlich. "Meine Mutter kommt aus Persepolis, wurde mir gesagt. Viel weiß ich allerdings nicht von ihr, da sie mich nicht aufzog. Seit ich mich erinnern kann, lebte ich auf den Straßen von Aquincum, darum kann ich auch nicht sagen, wie ich die erste Zeit als Kleinkind überlebte oder wie alt ich war, als man mich ausgesetzt hat.


    Als ich 17 war, traf ich Kyriakos. Er war in keinem guten Zustand, seine Füße waren verletzt und er hatte ein Baby dabei, so dass ihm auch noch die Hände gebunden waren. Sein einziges Ziel war, nach Rom zu gelangen, aber seine Kräfte waren am Ende. Ich wusste, wie man überlebt und habe den beiden geholfen. Er war sehr dankbar und versprach mir vieles zum Lohn, aber ich glaubte ihm kein Wort. Ich wollte auch nichts haben. Er sagte, er würde mich mit nach Rom nehmen und wir würden dort Arbeit finden und nicht mehr auf der Straße leben. Was soll ich sagen - er hat sein Wort gehalten. Bis zu dem Tag, an dem unser Lupanar abbrannte."


    Satibarzanes spielte mit dem Verband.


    "Kyriakos ist eine gebrochene Seele. Er ist nicht immer gerecht und kann ziemlich unangenehm werden. Aber er ist nicht herzlos. Nur sieht er alles durch die Augen des Kriegers, der er mal war, bis jemand seine Füße verletzte und ihn für immer zum Krüppel machte. Wenn er schlechte Laune hat, sollte man einen Bogen um ihn machen. Ansonsten kümmert er sich stets um alle. Auch um jene wie mich oder die Zwillinge, die vom Rest der Welt vergessen wurden. Aber um ihn ... habe nur ich mich gekümmert. Und später seine Freundin Velia. Sonst war er der Welt sehr gleichgültig, die er versucht hat, zu einem besseren Ort zu machen."


    Als er das erzählte, wurde Satibarzanes traurig. Er fühlte sich auf einmal schäbig, dass er fortgelaufen war und Kyriakos und die anderen im Stich gelassen hatte. Kyriakos hatte das nie. Er war immer dagewesen, ganz gleich, wie oft er Satibarzanes beschimpft und ihm gedroht hatte, ihn fortzujagen - er hatte es nie getan.

  • Tiberios hörte aufmerksam zu.
    Satis Beschreibung von Kyriakos klang anders, als er sich den Mann vorgestellt hatte. Nach der Beschreibung von Ianitor Aischylos war der einfach ein frecher Erpresser. Und dann noch Lupo – ergo ein Mann, der für Geld alles tat. Daher hatte auch Tiberios angenommen, dass er sich jede Minute, falls er mit ihm sprechen wollte, bezahlen lassen müsste – aber das war nun gleich, denn Tiberios hatte seiner domina versprochen, den Lupanarbesitzer nicht aufzusuchen.
    Domina Furia Stella hielt ihn sogar für gefährlich, zumindest hatte sie das angedeutet.


    Aber die Welt zu einem besseren Ort machen, das war ein großes Wort. Gut, Kyriakos hatte Straßenjungen aufgenommen. Doch sie hatten auch für ihn anschaffen müssen. Tiberios fragte sich, ob die Geschäfte Kyriakos‘in letzter Zeit gut gelaufen waren. Denn wenn nicht, wäre die Geschichte mit Eireann aus purer Not geboren.
    Kyriakos Vorgehen zeigte überhaupt, dass er die römischen Sitten wenig zu kennen schien. Er hätte mehr Geld dafür bekommen, die entflohene Sklavin einfach zu den Furiern zurücktzbringen – Sklavenjäger wurden entlohnt.


    Tiberios schob seine Gedanken über diese krude Mischung aus Naivität, Gewalttätigkeit und ab und zu aufblitzende Güte beiseite, darüber musste er in Ruhe nachdenken; jetzt galt seine Aufmerksamkeit seinem zukünftigen Schüler.


    „Du warst also schon immer ein Straßenkind und hast ein hartes Leben geführt..“, sagte der junge Alexandriner nachdenklich:
    „ Doch deine schlechten Erfahrungen sind nicht in Hass gegen alle umgeschlagen, was für mich bedeutet, dass du von Natur aus einen guten Charakter hast, dominus Sati.
    In der jetzigen Situation nach dem Brand ist es vielleicht gut, dass dein ehemaliger Chef nicht für dich sorgen muss, sondern dass du ein eigenes Auskommen findest. Vielleicht kannst du deinen früheren Kameraden sogar jetzt besser helfen als früher.“


    Tiberios lächelte etwas grimmig, aber sein Blick wurde düster:


    „ Wie du Kyriakos beschreibst, dass klingt fast nach Terpander. Nein, erschrick nicht, ich glaube mit Terpander ist alles komplizierter als es im Moment erscheinen mag.
    Als wir uns das erste Mal getroffen haben, hat er zwar auch versucht, mich auf seine Weise zu bilden – du weißt schon, durch einen Schrecken.
    Doch ansonsten war er sehr lieb zu mir, er hat mich sogar in den Arm genommen, um mich zu trösten, )*
    Sein verändertes Verhalten gilt nicht nur dir persönlich dominus Sati. Terpander scheint niemanden mehr zu mögen bis auf die domini Sato und Lurco. Mir hat er gesagt, die Erynnien verfolgen ihn. Das verändert einen Mann, ganz sicher. Ich hoffe sehr, dominus Lurco bekommt heraus, wie er ihm helfen kann“


    Tiberios seufzte:
    „Ich weiß , dass das für dich schwierig ist, weil ihr im gleichen Haushalt lebt, doch lass dich bitte nicht allzu sehr von Terpander einschüchtern. Er ist gerade nicht er selbst. Sein Gerede, dass man nur aus Angst lernt – er war dominus Scatos Lehrer, meinst du denn, aus dominus Scato wäre so ein guter, großherziger Herr geworden, wenn man ihn als Kind nur gequält hätte?“


    Tiberios Stimme klang weich, wie immer wenn er Scato erwähnte, dann schüttelte er den Kopf, um trübe Gedanken zu verscheuchen:


    Wenn wir später noch Zeit haben, denn ich glaube , die domini haben nur Mittagspause, zeige ich dir, wie man mit einem Teller Mehl Buchstaben lernen kann.
    Ich bin mir übrigens sicher, du hast ein ausgezeichnetes Gedächtnis; viele Menschen, die nicht lesen und schreiben können, haben das.
    Ich hoffe, du wirst Spaß haben – es ist eine ziemliche Schweinerei.“,

    er lachte und legte Sati ganz leicht die Hand auf die Schulter.


  • "Ich weiß nicht, ob mein Leben hart war. Verglichen mit Minenarbeitern oder den Soldaten, die zerhackstückelt von der Front kamen, fand ich es ganz gut. Zwei Einheiten gibt es in Aquincum, die Legio XII Gemina und die Classis Pannonica. Leider wollte mich keine haben, aber manche Soldaten mochten die Straßenkinder ein wenig mehr als andere, so dass ich immer etwas zu Essen hatte. Das Einzige, was manchmal hart ist, sind die Winter. Die sind in Pannonien kälter als in Rom. Ansonsten war eigentlich alles in Ordnung."


    Mit den Menschen der obersten Schichten maß er sich nicht, das wäre Unfug. Er maß sich mit den Angehörigen der Basis, welche den Großteil der Bevölkerung ausmachten.


    "Wenn Terpander von Erynnien verfolgt wird, ist es kein Wunder, dass er schlechte Laune hat. Vermutlich hat er einfach Angst. Und dann bin ich auch noch neu in seinem Haushalt, er kennt mich nicht und ich soll ein neuer Dominus sein. Ich bringe seine ganze Welt durcheinander. Ich denke, wir gewöhnen uns schon aneinander, er braucht einfach ein wenig Zeit."


    Dass er vor dem Mann wirklich Angst hatte, als wäre der selbst ein hinabgestiegener Rachegeist, war ein Umstand, mit dem er klarkommen musste, wenn er sein neues Leben meistern wollte. Satibarzanes war entschlossen, zu bestehen. Tiberios hatte Recht - wenn er erst Geld verdiente, würde er vielleicht den anderen helfen können. Nur Castor und Pollux durften nichts davon erfahren, sonst blieb das Geld nicht lange in seinem Besitz.


    "Dass du mir Buchstaben beibringen willst, ist sehr freundlich, Tiberios. Leider kann ich dich noch nicht dafür bezahlen, außer mit körperlichem Vergnügen, da ich noch kein Gehalt bekommen habe. Das wird auch noch dauern, bis die Taberna überhaupt eröffnet hat und Gewinn bringt, eine Zeit lang werde ich für Kost und Logis arbeiten, was mehr als genug ist für mich. Eine Nackenmassage vielleicht zum Ausgleich?"


    Die Berührung an seiner Schulter nahm er zum Anlass für dieses Angebot, da er gewohnt war, in diesen Bahnen zu denken und auf kleinste Signale möglicher Kunden einzugehen.

  • Du bist dennoch ein tapferer Mann, dachte Tiberios nur und nickte zu dominus Satibarzanes‘ Ausführungen.
    Was Terpander betraf, war er sich nicht so sicher wie Sati. Aber er wäre der Letzte gewesen, ihn zu entmutigen oder ihm zu verstehen zu geben, dass er nicht klar kommen würde..


    Insgeheim hoffte der furische Sklave auch, dass Terpander zu seiner alten Gelassenheit zurückkehren würde. Dann hätte es zwischen ihm und Scatos ehemaligen Hauslehrer einen halb scherzhaft, halb ernst gemeinten Wettstreit um dominus Satis Ausbildung gegeben. Gewöhnlich profitierte ein junger Schüler davon, wenn zwei Lehrer sich ins Zeug legten und ihr Bestes gaben..


    So sagte Tiberios nur:
    „Mach nicht all zu viel mit dir selbst aus, dominus Sati. Es gibt auch für einen selbstherrlichen Maiordomus Grenzen."


    Als dann Satis Angebot der Bezahlung kam, verstand der junge Grieche sofort, dass es das Einzige war, was der Andere ihm anbieten konnte.


    Sehr höflich erwiderte er:
    „Ich bin mir sicher, deine Nackenmassagen sind ausgezeichnet, und du würdest mir großes körperliches Vergnügen bereiten, dominus Sati.
    Ich danke dir sehr für dieses Angebot.
    Aber über die Bezahlung für Unterricht mach dir keine Sorgen. Ich schulde dominus Lurco noch einen Gefallen und arbeite ihn hier ab.“


    Am liebsten hätte er noch angefügt:
    „ES sei denn, du selbst möchtest es unbedingt tun, ich zumindest liebe Massagen.“
    doch er rief sich sofort zur Ordnung. Dominus Sati war so ernsthaft, da würde es noch eine Weile dauern, bis er den leichtfertigen Plauderton verstehen würde.


    Der furische Sklave sammelte die Tücher ein, mit denen sie dominus Scato und dominus Viridomarus die Hände gesäubert hatten.
    Würde dominus Lurco zu Tisch kommen, musste er sie ohnehin noch einmal erwärmen.

  • Lurco hörte den Tischgesprächen aufmerksam zu und aß dabei einige Datteln. Das was Sati zu erzählen hatte, war die traurige Geschichte eines Straßenjungen wie sie so oft vorkam, dass die Menschen um sie herum solch ein Schicksal schon als selbstverständlich hinnahmen. Rom war der Nabel der Welt, die Stadt in der alle Entscheidungen getroffen wurden.


    Verglich man Rom mit einem Baum, lebten die einen auf den obersten blühenden Ästen, während andere sich im Unrat zu dessen Wurzeln herumschlagen mussten. Und die Urbaner waren die Gärtner, die versuchten den Baum so gut es ging gesund zu halten und den Unrat von ihm zu beseitigen, so dass jeder den Stamm erklimmen und sich einen kleinen Ast in dem ganzen Gewirr suchen konnte. Aber bis jeder Freie seinen Ast gefunden hatte oder ihn auch nur erklimmen konnte, war es noch ein sehr weiter Weg.


    "Danke für Deine offenen Worte Sati. Tiberios hat Recht. Natürlich gibt es immer schrecklicheres Leid, dennoch ist Dein Schicksal deshalb kein leichtes oder das von Kyriakos. Und jetzt wurde er noch seiner gesamten Existenz beraubt. Ich hoffe die Sache klärt sich im Guten für ihn. Das Du ihm beigestanden hast, ehrt Dich Sati. Und nebenbei schulde ich Dir noch Geld, dass Du mir geliehen hattest. Du bekommst nachher Deine 10 Sesterzen", antwortete Lurco aufmunternd.

  • Viridomarus lauschte den Gesprächen und lächelte dabei so leutseelig, wie ein gütiger Onkel. Terpander nannte sich der gute Spartaner nun, der ihm damals eine schöne Stange Geld eingebracht hatte. Unpässlich lag er nun oben da nieder. Viridomarus konnte es ihm nicht verdenken. Der Mann hatte ihn erkannt, natürlich hatte er das. Er war eine strahlende, außergewöhnliche Erscheinung. Niemand der jemals mit ihm zu tun hatte, vergaß ihn wieder.


    Allen voran nicht solche Sklaven wie "Terpander". Einst glaubte der Mann zu Höherem berufen zu sein, bis ihn die Fangnetze von Viridomarus dem Händler in die Knie gezwungen hatten. Werhafte Beute war er gewesen und lohnend. So manche Frau wie auch so mancher Mann hatten sich nach dem Griechen die Finger geleckt.


    So klein war die Welt, dass man sich hier wiedertraf. Oh man sah dem Guten an, dass er sich fürchtete. Enttarnt zu werden als das was er einst war, war gewiss nicht Terpanders Wunsch. Und Viri selbst hegte kein Interesse daran den Mann bloß zu stellen. Was hätte er davon, außer ein sehr kurzweiliges Vergnügen das Gesicht des Spartaners entgleiten zu sehen.


    Nein, daswar nicht Virus Art. Er wollte Terpander nicht verraten, er wollte ihn erpressen.
    Viel einträglicher war so ein Mann, gebunden an Viris Schweigen. Ein kostenloser, persönlicher Vollstrecker mit dem ihn offiziell gar nichts verband.


    Herrlich, der Besuch hatte sich schon an der Tür gelohnt. Er würde nach dem armen Mann nachher einmal sehen gehen.


    Jetzt jedoch verschränkte er seine Finger über seinem dicken Bauch und lächelte in die Runde.


    "Ein trauriges Schicksal Sati, aber Du scheinst gewillt zu sein zu lernen. Dies wird Deine Leiter aus dem Sumpf. Vor allem benötigst Du ein fescheres Aussehen. Du arbeitest hier? Dann zeige Dich von Deiner besten Seite. Einige lehnen das Hervorheben von Äußerlichkeiten ab. Aber ist das Äußere nicht das, was man zuerst von uns sieht? Es ist unser Aushängeschild an die Welt dort draußen Sati.


    Und da sind wir wieder bei den Düften. Ein Duft muss seinen Träger unterstreichen, ihm umschmeicheln und umspielen. Er darf sich nicht in den Vordergrund drängen, ein guter Duft ist wie ein guter Sklave, stets da, unbemerkt und dennoch tut er unschätzbar sein Werk.


    Ich würde Dir gerne den gewünschten Rat geben Tiberos, aber dazu muss ich wissen, wer den Duft tragen soll. Je mehr ich über die Person weiß, je besser meine Empfehlung", sagte Viridomarus gut gelaunt.

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