Zuvor: ~ Cubiculum ~ | Servius Annaeus Vindex
Ich hatte mir vorgenommen, mir endlich die Stadt anzusehen und so verließ ich, nachdem ich den Brief an meinen Vater geschrieben hatte, die Domus Annaea. Bei meiner Ankunft hatte ich nicht viel über die Lage nachgedacht, ich war einfach den jeweiligen Wegbeschreibungen der Leute gefolgt. Jetzt stelle ich fest, dass das Haus am Südhang des berühmten Esquilinus mons liegt. Ich orientiere mich kurz und erblicke zu meiner Linken die Stadtmauer, entscheide mich also dann für den Weg nach Westen. Ich weiß, dass dort der Oppius mons mit seinen Bauten liegt.
Zuvor allerdings komme ich an den Gebäuden des Ludus Magnus vorüber und halte kurz inne. Es ist die größte Gladiatorenschule, die Rom zu bieten hat, und man kennt ihren Namen weit über die Stadtgrenzen hinaus. Aktuell scheint sie allerdings ein wenig ruhig, weder Kampfeslärm ist zu hören noch sind irgendwelche Kämpfer zu sehen. Es mag nicht die edelste Methode sein, um einen Lebensunterhalt zu verdienen, aber ich behalte die Option dennoch im Hinterkopf. Vielleicht ergibt sich eines Tages etwas, das ich noch nicht vorhersehen kann. Die Fenster an den hohen Mauern, die soweit ich weiß zu einer Porticus gehören, die die Arena komplett umschließt, deuten darauf hin, dass hier sehr viele Gladiatoren untergebracht werden können. Wahrlich eindrucksvoll. Doch wenn ich die Stadt wenigstens halb ansehen will, muss ich weiter.
Mit einer raschen Drehung entscheide ich mich für den Weg nach Norden, denn ein paar Bauten in der Ferne wecken mein Interesse. Nach kurzer Zeit stelle ich dann allerdings fest, dass es sich lediglich um die Thermen des Titus handelt. Gegen Thermen ist an sich nichts einzuwenden, aber schon mein Vater sagte 'Hast du eine Therme gesehen, kennst du sie alle', was im Kern auch irgendwie richtig war. Außerdem bin ich hier scheinbar nicht auf die öffentlichen Thermen angewiesen für die Hygiene. Lediglich für die geschäftlicheren Angelegenheiten sollte ich später einmal wissen, in welchen Thermen was geschieht und wo ich wen treffen kann. Aber auch das hat noch Zeit.
Auf dem Weg um die Thermen herum sehe ich weiter im Norden die Subura, die ich wenigstens gesehen habe möchte. Je näher ich allerdings komme, desto unwohler wird mir. Der Gestank nimmt zu, die Häuser wirken eher beklemmend als angenehm und aus den Gassen sind unverkennbar die typischen Geräusche des horizontalen Gewerbes zu vernehmen. Ich wage mich nicht in die Subura, wenn es nicht sein muss, und stattdessen wende ich mich hinter den horrea, die hier stehen, wieder nach Westen. Noch in Gedanken erreiche ich dann völlig unvermittelt das Marsfeld, einen Ort über den auch die allermeisten Menschen außerhalb Roms bescheid wissen. Und da ich ziemlich genau weiß, was mich hier erwartet, mache ich mich auf zum Theater des Pompeius.
Schon nach kurzer Zeit erstreckt sich die zugehörige Porticus vor mir, in der Caesar erdolcht wurde, doch ich will alles sehen. Das erste aus Stein erbaute Theater Roms ist ein definitiv geschichtsträchtiger Ort, egal was man vom Erbauer oder vom prominentesten Opfer halten mag. Mit der Außenfassade mit ihren drei Reihen voller Bögen und Säulen war das Gebäude auch eines der beeindruckendsten Bauwerke der Zeit vor den Kaisern gewesen und hat bis heute nichts davon verloren. Ob allerdings immer noch der Senat gelegentlich auch hier tagt, weiß ich nicht. Hoffentlich finde ich es eines Tages heraus. Hier in der Nähe steht aber auch noch ein anderes Theater, das ich unbedingt sehen möchte, also gehe ich weiter zum Fluss und folge kurz seinem Lauf.
Dann komme ich schon nach wenig Zeit am Ziel an: das Marcellustheater. Theoretisch hat viel Ähnlichkeit mit den Theatern in Griechenland und Asia, aber die Theater dort sind an Berghänge gebaut worden. Das Marcellustheater steht auf freier Fläche und wurde dennoch in gleicher Art konstruiert. Es ist so bewundernswert wie ich es mir vorgestellt habe. Vielleicht tatsächlich sogar ein bisschen mehr als die alten Theater, es kommt aber nicht an den großen Nachfolger heran, an dem ich vorhin schon vorbeikam, wo ich aber nicht stehen bleiben konnte, weil es etwas überfüllt war. Ich umrunde das Theater weiter und habe jetzt fast freien Blick auf den Tiber, den pons Fabricius und den Tempel des Aesculapius auf der Tiberinsel. Ach, Aesculapius... zu Hause nennen wir ihn immer noch Asklepios, das werde ich mir jetzt nicht abgewöhnen. Gute Leute arbeiten hier, das habe ich gehört, aber an die Qualität der Tempel von Pergamon und Epidauros kommt diese nette, kleine Insel nicht heran.
Ich lache still in mich hinein als ich plötzlich ungewohnte Geräusche vernehme. Es fällt mir wieder ein, hier ist ja auch das Forum Boarium, der Viehmarkt. Meine Kleider sind gerade erst frisch gereinigt, daher werde ich einen kleinen Umweg in Kauf nehmen und Vieh Vieh sein lassen. Hinter dem Forum erwartet mich etwas viel besseres als Schweine, Ochsen und Ziegen: der Circus! Naja, der Circus Maximus, denn hier gibt es ja auch mehrere dieser Anlagen. Schon die verhassten Könige Roms vor der glorreichen Zeit der Republik haben hier Wagenrennen und andere Wettkämpfe gesehen, ein wirklich altehrwürdiger Platz in dieser gewaltigen Stadt. Ausgerechnet heute findet aber nichts hier statt, sehr schade.
Gegenüber des Circus erkenne ich aber die Strukturen auf dem Palatin, deswegen weiß ich genau, wo ich mich gerade befinde und schlage einen Weg nach Norden ein, denn am Ende der Straße, auf der ich bin, sind die Kaiserforen und das Forum Romanum. Hinter den Häusern zu meiner Linken erhebt sich der Capitolinus mons mit dem Tempel des Iupiter, etwas versetzt dahinter der Tempel der Iuno Moneta. Der Anblick ist so faszinierend, dass ich gar nicht merke, dass ich plötzlich am Rande des Forum Romanum stehe...
Ein bisschen flavour für alle