Cubicullum Suboptio Matinius Sabaco

  • <<< RE: Officium III - Centurio Classicus - Marineinfanterie


    Schnucklig. Sabaco blickte sich um. Das erste Mal, dass er eine eigene Unterkunft besaß. Damit hatte er nicht gerechnet, weil die Optiones der Legio bei den Mannschaften untergebracht waren. Er warf sein Gepäck auf den Boden. Das Pferd hatte seinen Platz im Stall gefunden, wo es Heu und Hafer fressen und sich ausruhen konnte, bis er es eines Tages wieder benötigte. So schnell würde das nicht der Fall sein. Da es sich um ein altes, ruhiges Tier handelte, war das in Ordnung.


    Sabaco strich mit der Hand über den Schreibtisch und die Stuhllehnen, ehe er in den Schrank schaute. Ein Schrank, wie genial war das! Keine Truhe, in deren dunklen Tiefen man nie etwas fand und sich beim Wühlen darin jedes Mal fast den Rücken brach. Nein, man hatte Sabaco einen richtigen Schrank gegönnt, lichtdurchflutet und übersichtlich.


    Er öffnete das Fenster, um hinauszusehen. Der Anblick ließ sein schwarzes Herz höher schlagen. Er hatte direkten Blick auf das Treiben bei den Anlegestellen! Er schob den Tisch längs davor so, dass er beim Arbeiten mit einem Blick nach links hinaussehen konnte. Blickte er nach rechts, sah er die Tür. Bei so einem guten Ausblick wäre er ein Narr, sich mit dem Rücken zum Fenster zu setzen, nur damit die Gäste nicht als Erstes seinen Arsch sahen, wenn sie eintraten. So mit dem verdrehten Tisch war es ein guter Kompromiss.


    Nachdem er den Schrank eingeräumt hatte nahm er die Tunika, die er nicht am Leib trug über den Arm und ging damit zur Werkstatt.


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  • <<< RE: Die Werkstätten


    "Legt alles dort auf den Boden. Danke fürs Helfen."


    Nachdem die beiden hilfsbereiten Milites alles abgeladen und sich wieder verzogen hatten, begann Sabaco seinen Schrank einzuräumen. Dabei ging er sehr sorgfältig vor, so wie er es gelernt hatte. Die Tuniken waren sauber zusammengelegt und exakt gestapelt, auch die übrigen Habseligkeiten lagen so, dass er sie mit einem Griff benutzen konnte. Waffen und Rüstungen packte er auf die entsprechenden Ständer und Halterungen. Das Fenster, was er offen gelassen hatte, um frische Luft hineinzulassen, verschloss er nun. Er warf einen Blick auf das Bett, aber Nein. Später. Sabaco war noch nicht fertig damit, sich umzusehen.


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  • <<< RE: Unterkünfte der Nautae (Matrosen) und Marini (Marinesoldaten)


    Sabaco schloss hinter sich die Tür. Meist stand sie tags wie nachts sperrangelweit offen, damit er die Stimmen und Geräusche seiner Kameraden hörte und sie vorbeilaufen sah. Er warf die kleine Papyrusrolle, auf die er die Anordnung zusätzlicher Fleischrationen für Seppi aufgeschrieben hatte, in den Ofen. Wenn Seppi sich bereits wegen seiner freundlichen Nachfrage fast einschiss, wäre er bei der kleinen Gefälligkeit vermutlich kreischend aus der Tunika gesprungen. Das Papyrus flammte kurz auf und schrumpelte knisternd in sich zusammen.


    Sabaco setzte sich an seinen Arbeitstisch und starrte durch das offene Fenster hinaus zu den Schiffen. Es schneite, dabei hatten vor einigen Tagen noch frühlingshafte Temperaturen geherrscht. Nun war nachts wieder Frost und das dunkle Holz glänzte nass. Er zog einen Stapel Tabulae zu sich heran, die ihm jemand hingelegt hatte, und nahm seinen Griffel zur Hand, um die aktuelle Stärkemeldung für den Nauarchen aufzustellen.

  • Marco, der Bursche Cimbers klopfte an die Türe der Unterkunft. Er hoffte der Matinier wäre dort, sonst würde er ihn auch noch suchen müssen.

  • "Herein!"


    Sabaco, der seinen Arbeitstisch quer zum Fenster stehen hatte, damit er einerseits genügend Licht zum Arbeiten bekam, andererseits sowohl das Fenster (aus sentimentalen Gründen) als auch die Tür (aus praktischen Gründen) im Blick hatte, sah von seiner Tabula auf und wartete, wer da wohl irgendwas wollte.

  • Auf einem der vielen Papyri auf seinem Arbeitstisch fand sich ein Gedicht. Es war in seiner maritimen Metaphorik deutlich von Sabacos Eindrücken bei der Classis geprägt.


    Die Waldquelle und die See

    von einem Seehund für dich


    Schwarz modernde Waldesquelle

    liegt unruhig, im Schlafe erbebt

    Sie träumt wie die brechende Welle

    sich aus ihren Tiefen erhebt.


    Da werf von den Steinen den ersten

    ich ihr in das trübe Gesicht

    Die Quelle gluckst leise, nicht berstend

    es ist keine Brandung in Sicht.


    So bleibet der Wildheit nur Traume

    Die Leidenschaft ebbet sehr bald

    Nicht brechend in Brandung noch Schaume

    Im Herzen längst älter als alt.


    So träg bist du, Quell, keine Seele

    in deinem Morast ich noch seh

    Du rufst mich, doch bald schon ich fehle

    Denn Seehunde locket die See.


    Sie lieben der Gischt Regenbogen

    Die Schätze am endlosen Grund

    Den Tanz in türkisgrünen Wogen

    Den allesverschlingenden Schlund.


    Dein Wesen so trist, ohne Wellen

    Die Sehnsucht umsonst nie verlosch

    Für tümpelnde Waldesquellen

    Eignet sich besser ein Frosch.



    Mit zusammengezogenen Brauen hatte er die Rolle am Ende zuschnappen lassen und sie beiseite geschubst.



    Sim-Off:

    Eigentliche Antwort ist über diesem Post zu finden. Der Thread kann übergangslos mit der Handlung fortgesetzt werden; das Gedicht spielt keine Rolle dafür.

  • Der Marini trat ein und traf auf einen Mann vor einem Tisch voller Schreibkram. Ein Grund mehr für ihn sich nicht für die höheren Ränge zu interessieren. Supotio Matinius?!...der Centurio läßt dich rufen,...du sollst stante pede in seinem Quartier erscheinen. Es war nicht das erste Mal daß der Centurio ihn schickte irgendwelche Unteroffiziere zu holen. Er sagte zwar nie stante pede, jedoch stand dies ausser Frage,...außerdem hörte es sich sehr wichtig an, wertete ihn als Überbringer auf und es war immer schön anzusehen wie die Herren Unteroffiziere sich aufgrund seiner Aussage beeilten.

    Es war halt die kleine Freude in seinem Leben.

  • "Salve dir auch", murrte Sabaco etwas angefressen, da kein Salve gefallen war und er auch keine Ahnung hatte, wer der Kerl war, der hier reinplatzte - er hatte sich nicht vorgestellt. Er meinte, ihn unter den Marini gesehen zu haben.


    Mehr Gedanken aber machte er sich um den Anlass der Anweisung. Wer wusste, was los war, dass er stante pede erscheinen sollte. Sabaco vermutete keinen Anschiss. Die meisten Vorgesetzten hatten die Angewohnheit, geradezu unheimlich ruhig und höflich zu werden, wenn sie einen ins Visier nahmen. Wenn der Centurio stante pede was von ihm wollte, gab es vielleicht einen Notfall.


    Sabaco erhob sich und stapfte in der Tat sehr viel zügiger los, als er es ohne den Hinweis stante pede getan hätte.


    RE: Cubiculum Centurio Classis >>>

  • << RE: Zwei Soldaten am Rhenusstrand


    Mit einem vollen Seesack betraten sie Sabacos kleine Wohnung. Die Unterkunft hatte den Charme eines Officiums. Zur Hälfte traf das zu, denn am Fenster stand ein aufgeräumter Schreibtisch. Sie wirkte sehr ordentlich, aber auch kahl, ohne irgendetwas Persönliches darin. Ansonsten gab es einen Tisch mit zwei Stühlen, eine Pritsche und eine Truhe, sowie einen Rüstungsständer und ein Regal für die Ausrüstung. Die gekauften Habseligkeiten stellte Sabaco neben den Tisch mit den zwei Stühlen. Das ewig brennende Feuer fütterte Sabaco mit drei Holzscheiten, die in einem Korb aus Weidengeflecht bereitstanden, damit es schön prasselte. Entsprechend warm war es in der Unterkunft, denn von der Außentemperatur her wäre ein Heizen völlig unnötig gewesen.


    "Komm rein, mach es dir bequem", verlangte Sabaco gut gelaunt.


    Nachdem er das Feuer gefüttert hatte, half er Nero, den Tisch zu decken und mit dem gekauften Essen und den Getränken zu bestücken.

  • Nero folgte Sabaco in dessen Stube und schaute sich neugierig um. Draußen war es warm und hier in der Stube war es knusprig-heiß! Nero hatte keine Ahnung welches Klima Sabaco hier authentisch nachbilden wollte. Vermutlich irgendeine Wüstenregion, überlegte Nero und strich sich über die Glatze und staunte nicht schlecht, als Saba erneut das Feuer fütterte. Die Einladung musste Sabaco nicht zweimal aussprechen und Nero machte sich gemeinsam mit seinem Gastgeber daran, den Tisch zu decken. Gut gelaunt grinste er zu dem Seehund herüber.


    "Ein alte Weisheit sagt, nur gelangweiltes Feuer ist gefährlich. Aus dem Grund würden wir es füttern, ihm Geschichten erzählen und von unserem Essen kosten lassen. Sagt Dir das was?", fragte Nero gut gelaunt und naschte von dem Brot, dass sie mitgebracht hatten.


    Er öffnete eine Weinamphore und schenkte ihnen beiden großzügig ein. Mit einem Geräusch reinen Wohlbefindens nahm er Platz und hob den Becher.

    "Danke für die Einladung", freute er sich.

  • "Diese Weisheit sagt mir nichts."


    Sabaco schaute plötzlich argwöhnisch drein, fühlte sich ertappt, musterte Neros Gesicht. Dann wischte er den Gedanken beiseite. So war der Gubernator nicht. Und woher sollte Nero auch wissen, was sich bei der Taberna Silva Nigra zugetragen hatte ... niemand wusste es. Es gab keine Zeugen. Er ließ sich auf dem anderen Stuhl nieder.


    "Feuer ist beseelt, Nero, das spürt man. So wie die See oder der Rhenus. Die Penaten leben darin, unter anderem, aber vielleicht ist da noch mehr. Mir ist wichtig, dass das Feuer in meinem Ofen niemals ausgeht, so lange ich an einem Ort wohne. Außerdem mag ich es gern warm. Zu erfrieren ist unter den möglichen Todesarten einer der angenehmsten, sagt man, doch der Zustand davor, die Kälte, das ist grausam."


    Er griff nach dem Becher unverdünnten Weins, hob ihn, blickte Nero in die Augen und sprach: "Auf uns." Er trank den Wein, als wäre es Wasser, leerte den Becher in einem Zug. Hitze flutete sein Inneres, er rutschte mit der Hüfte nach vorn und streckte die Beine aus, während er entspannte. Treuherzig schlug er die Augen auf und schaute Nero an.

  • "Auf uns Sabaco", stimmte Nero mit ein und trank seinen Becher auf Ex aus. Er schloss kurz die Augen, genoss den Moment und das Gefühl wie der Wein seine Kehle entlang nach unten wanderte, ehe er Sabaco wieder anblickte.


    "Ja das stimmt Saba, Feuer ist beseelt und jedes Feuer hat seinen eigenen Charakter. Einige Feuer sind brüllende Ungeheuer, die alles und jeden voller Wut verschlingen. Manche Feuer sind freundlich, wärmen Speisen und Seelen. Aber Feuer verlangt auch Respekt und Aufmerksamkeit. Man muss ihm dienen und es bedienen, dann mag sich auch das kleinste Feuer von seiner gütigen Seite zeigen. Missachtet man seine wahre Natur, dann wird es sie im vollen Maße entfesseln. Und eines ist gewiss, selbst in der kleinsten Flamme, steckt die Macht einer Feuerwalze. Es liegt an uns und unserem Umgang mit dem Feuer, ob es uns wohlgesonnen ist oder ob es uns verschlingt.


    Viele behaupten, man hätte das Feuer gezähmt, es bedändigt. Aber das ist eine Illusion Sabaco, Menschen glauben gerne daran über alles und jeden die Kontrolle zu haben. Aber weder über das Feuer noch über die Penaten die in manchen Feuern wohnen haben wir Kontrolle. Viel verlangt so ein Feuer nicht. Wie gesagt neben Aufmerksamkeit und Respekt, benötigt es etwas Unterhaltung und Zuspruch. Ist ein Feuer da so anders, als ein Mensch?


    Ohne jene Gaben wird ein Feuer gefährlich, oder es geht aus. Auch darin gleicht es dem Menschen. Dein persönlicher Brauch, Dein Feuer am brennen zu halten, wo Du wohnst gefällt mir sehr gut. Wir beide wissen was wahre Kälte bedeutet. Und wer sich einmal die Zeit nimmt, in die tanzenden Flammen eines Feuers zu schauen, oder in die warmen Funken der Nachtglut, der weiß was er sieht Sabaco.


    Heute sind wir hier um das Feuer und das Leben zu ehren und nicht über Kälte zu sprechen. Die hat heute hier nichts verloren. Ich Danke Dir für die Einladung. Wie bist Du auf den Brauch gekommen? Was hat Dich dazu veranlasst? Erzähle es mir", bat Nero und füllte ihnen beiden Wein nach.

  • Mit einem Anflug von Bestürzung registrierte Sabaco, wie Nero seinen unverdünnten und nicht gerade schwachen Wein trank. Ihm schwante, dass es eine dumme Idee gewesen sein könne, einen Seemann unter den Tisch trinken zu wollen, der obendrein 20 Jahre mehr Übung darin hatte als er selbst.


    "Niemand weiß das heiße Herz des Feuers wahrhaft zu würdigen, der nicht den klammen Griff des Winters in seinen Knochen gespürt hat." Sabaco sprach achtsam, denn ihm durfte nichts Falsches diesbezüglich herausrutschen. "Manche behaupten, man würde gegen Kälte abstumpfen, aber das stimmt nicht. Man lernt höchstens, sich mit dem Zittern abzufinden und damit, auf Füßen zu gehen, die man nicht spürt und mit Händen zu greifen, die beinahe vollständig steif sind. Wofür es keine Akzeptanz geben kann, sind die gesundheitlichen Folgen solcher Kälte. Der Klassiker ist die Lungenentzündung. Dann kommst du entweder in eine warme Umgebung und wirst gepflegt, oder du stirbst."


    Einmal. Einmal hatte er jemanden aus Mitleid mitgenommen. Armándos. Das hatte Ärger gegeben. Er schaute böse und schüttelte den Kopf. Er konnte sie nicht in die Casa Matinia schleppen. Theoretisch könnte sein Haus sie alle durchfüttern ... praktisch nicht. So funktionierte das nicht, so funktionierte Rom nicht. Er trank auch den zweiten Becher. Der von Nero war noch voll, so konnte er ihm nicht nachschenken, aber sich.


    "Wir wollten nicht von Kälte sprechen. In meinen Adern fließt hispanisches Blut, ich benötige Sommer, Sonne und Wärme. Wie bist du von Cappadocia nach Germania gekommen? Es ging ja alles drunter und drüber bei dir, ich stelle mir die Abreise chaotisch vor. Und hast du manchmal Heimweh?"


  • Nero trank seinen Wein genüsslich aus, während er Sabaco zuhörte.

    "Es gibt verschiedene Arten von Kälte Sabaco, zwei grobe Einteilungen sind die äußerliche und innerliche Kälte. Ebenso gibt es verschiedene Arten von Feuer, das in Deiner Feuerschale und das in Deinem Herzen, sind auch zwei Formen davon. Hispanisches Blut? Dem sagt man Feuer nach, aber nicht nur den Menschen, sondern auch den Pferden, hast Du das gewusst?


    Die Reise war genau wie die Abreise Saba, chaotisch beschreibt es noch milde. Aber Du hast Recht, es war ein Chaos, nicht nur was die Organisation anging, sondern auch ein Chaos der Gefühle. Ob ich manchmal Heimweh habe? Gute Frage, die gar nicht so leicht zu beantworten ist. Cappadocia war mehr als ein schöner Landstrich Sabaco. Es war unsere Heimat, nun ist es der Platz an dem meine Rache stattfinden wird. Falls sie jemals stattfinden wird.


    Ich hoffe es, denn man sollte jedem die passende Rechung präsentieren. Das schließt mich wohl nicht aus und wer weiß, wer mir meine Rechnung unter die Nase hält. Ob ich Cappadocia eines Tages wiedersehe, weiß ich nicht. Das Land trägt viele Erinnerungen und ich würde es gerne wiedersehen, dass steht fest. Cappadocia ist heiß und kalt zugleich, es hat sogar einen Landstrich andem Feuer offen aus der Erde brennt. Ein Ort, der fast unwirklich erscheint Sabaco, aber er ist real.


    Heimweh habe ich glaube ich nicht nach Cappa, sondern nach einer Person. Wie steht es mit Dir? Möchtest Du die Sonne Hispanias wieder auf der Haut spüren? Erzähl mir davon", bat Nero und füllte sich Wein nach.

  • Nach einem weiteren Becher begann Sabaco den Wein endlich vernünftig zu merken. So taute er ein wenig auf.


    "Ich brauche dir nichts mehr zu berichten, Nero. Wenn ich rede und dir nur einen Splitter erzähle, ergänzt du ihn zu einem Ganzen. Du liest mich wie ein Buch. Nur mich, oder alle Menschen? Reden wir trotzdem, der Gemütlichkeit wegen. Ja, ich vermisse die Sommer am Strand von Tarraco. Wir machten Feuer, wir grillten, badeten, tranken. Ocella war damals noch dabei. Die Hunde tollten um uns herum, wir spielten mit Lederbällen, Stöcken, versuchten irgendwas zu bauen, meist eine Angel, ein Floß oder ein Haus, oder wir balgten. Aber ist es wirklich Tarraco, was mir fehlt? Oder ist es die Zeit meiner Jugend? Die Menschen? Dann bin ich verloren, so wie du."


    Trauer für Nero, Neid für den Toten. Sabaco fragte sich, was ihm selbst fehlte, dass ihn niemals wer so ins Herz schloss. Er schob die Teller, Becher und Amphoren auf dem Tisch beiseite und kuschelte sich auf die Unterarme. In dieser Haltung goss er sich nach.


    "Ich gehe meist in die Stadt, unter die Menschen, um mich aufzumuntern. Kurzzeitig funktioniert das. Aber wie sollen Saufkumpanen, die man irgendwo aufgabelt, Freunde ersetzen, oder eine Prügelei die Zeit mit den Jungs auf der Straße, oder ein schneller Fick die verflossene Liebe. Das funktioniert nicht. Man will mehr davon, weil es besser als nichts ist, immer mehr, aber es ist nie genug, Nero, niemals genug. Verstehst du?"


    Das erste Mal gab er zu, dass ihm die Kontrolle über diese Dinge längst entglitten war. Für einen Offizier ein drohender Genickbruch. Doch Sabaco musste trinken, er musste sich schlagen und das innere Feuer und den Schmerz umarmen. Er musste herumhuren ohne Wahl und ohne Maß, nur um einen Menschen in seinen Armen zu spüren, aß aus purer Gier Dinge, die ihm nicht schmeckten, genau wissend, was ihn all das kostete, und war doch unfähig, damit aufzuhören, denn etwas anderes hatte er nicht. Wenn all das nicht mehr half, um sich noch lebendig zu fühlen, dann rief er das Feuer. Auch die Strafe für Brandstifter war ihm bewusst. Sie schreckte ihn nicht.


    "Kommst du mit in die Stadt? Der Abend ist noch jung und ich war lange nicht draußen. Ich lade dich ein. Und unterwegs erzählst du mir, was du an den Tagen tust, an denen du dich heimatlos fühlst."

  • Nero nahm ebenfalls eine lockere Haltung ein und trank den nächsten Becher in kleinen Schlucken, um dabei zu überlegen.


    "Ich lese nur Menschen die mich interessieren, also sehr wenige", lachte Umbrenus leise und nahm noch einen Schluck. Er gönnte sich einen kleinen Bissen vom Brot und schob einige Oliven hinterher. Dabei lauschte er Sabacos Worten, ohne ihn zu unterbrechen. Das was Saba sagte, klang fremd und vertraut, nah und fern.


    "Tarraco ist nur ein Wort für das wonach Du Dich sehnst. Ebenso ist Tarraco das Wort für Deine innere Leere die Du fühlst. Ob es Tarraco ist? Nein Sabaco, Tarraco ist es nicht was Du vermisst. Was Du vermisst, spricht sich so leicht aus und ist extrem schwer zu finden. Du kannst fressen, saufen, schlagen, huren soviel Du willst Sabaco. Es gibt eine Leere, die lässt sich nicht mit all jenen Dingen füllen. Das weißt Du genauso gut wie ich. Du kannst die Dosis steigern, Du kannst mehr fressen, mehr saufen, mehr huren, aber die Dosis bringt keine Linderung, sondern neue Qual.


    All die Völlerei um die Leere zum Schweigen zu bringen, verdeutlicht nur wie gewaltig diese Leere ist. Das Begreifen der schieren Größe dieses Monuments in Deinem Inneren, lässt Dich verschüchtert zurück. Du versteckst Dich vor Dir selbst und erneut geht der Kreislauf der Völlerei los, in einer vagen und doch sinnlosen Hoffnung, dass einer der Bissen, einer der Schlückchen oder eine der Huren das befriedigt, dass dort derart nach Nahrung schreit. Du kannst es nicht besänftigen, denn es akzeptiert ausschließlich eine einzige Nahrung und die Sabaco kannst Du nicht liefern. Die Nahrung bekommst Du geschenkt oder niemals.


    Du bist so verloren wie ich Sabaco, ich könnte Dich belügen und Dir erzählen, dass alles gut wird. Aber so ein Mann bin ich nicht. Du fragst mich und ich antworte Dir ehrlich. Vielleicht kann ich Dir eines Tages eine andere Antwort geben, eine die Du gerne hören möchtest. Aber hier und heute, ist die Antwort so dunkel wie die Asche die ein loderndes Feuer hinterlässt und genauso kalt.


    Das was Du Dir da antust, nennt man Ersatzbefriedigung und wie Du aus dem Wort schon heraushörst, ist es nur ein Ersatz. Dazu noch ein ziemlich schlechter. Ich bin kein Menschenfreund Sabaco, was soll ich unter Menschen? Du willst nicht mehr von den belanglosen Saufkumpanen, Du willst auch nicht mehr von den namenlosen Huren oder den Freunden die keine sind.


    Was Du willst ist das Echte Sabaco. Du willst einen Freund, der die Bezeichnung wert ist. Eine Frau die nicht nur die Schenkel öffnet, sondern ihr Herz und jemand der mit Dir trinkt um zu lachen und nicht um sich auszukotzen. DAS möchtest Du, DAS ist Deine Sehnsucht. Sie heißt LIEBE und nicht Tarraco.


    Wir bleiben hier die Stadt ist nichts für Dich und für mich ebenso wenig. Was ich an den Tagen tue, an denen ich mich heimatlos fühle? Also Du meinst was ich jeden Tag in der Woche abends so mache? Also... ich stelle mir ein Getränk bereit und öffne die Schatzkiste. Meist greife ich mit geschlossenen Augen hinein und berge einen Schatz. Dann erzähle ich, woher er stammt, was er bedeutet. Was rund um ihn herum schon geschehen ist. Manchmal sage ich es sogar laut, so als wäre jemand da, der mir zuhört. Aber da ist schon lange niemand mehr, der sich meine Spinnereien anhört. Nur Stille, sonst nichts", sagte Nero ohne jeden Groll in der Stimme, prostete Sabaco zu und trank seinen Becher aus.


    Nero füllte sich nach und grübelte, was sie unternehmen konnten.

    "Entschuldige, ich wollte etwas erzählen was gute Laune verbreitet, darin bin ich nicht sonderlich geschickt", grinste er entschuldigend.

  • Sabaco schenkte sich ebenfalls nach. Da ihm auffiel, dass er vergessen hatte, etwas Festes zu sich zu nehmen, tunkte er Brot in den Wein und biss die aufgeweichte Ecke ab.


    "Das hört sich nicht tröstlich an", brummelte er, "jeden Tag Selbstgespräche über die gleichen Dinge zu führen, weil keiner dir zuhört. Dabei sind deine Geschichten durchaus hörenswert, doch es bedarf Ohren, die bereit sind, zu hören. Da wir beschlossen haben, künftig zusammen den Feierabend zu verbringen, kannst du sie fortan mir erzählen, wenn dir danach ist. Es mag sein, dass wir beide heimatlos sind, weil wir das verloren haben, was uns Heimat war, doch zu zweit ist der Weg nicht so lang und vor allem nicht so trist."


    Sabaco nickte in Richtung des Larenschreins an der Wand. Zwischen einigen Tonfigürchen, der Kerze und der Opferschale stand auf einem zusammengefalteten Tuch das kaputte Navigationsgerät, das Nero ihm geschenkt hatte. Sabaco zwinkerte dem Gubernator zu.


    "Ich verstecke mich nicht vor mir selbst, glaub mir. Wer und was ich bin, weiß ich sehr gut. Ich bin so sehr ich selbst, wie es mir unter den gegenwärtigen Umständen möglich ist. Und wie ich es sein kann, ohne aus der Classis geworfen zu werden."

  • Nero zuckte die Schultern und lächelte aufrichtig.

    "Hörmal ich habe mein Bestes versucht, als alter Nörgler und Brummbär war das für den Anfang schon richtig gut. Du hast mich ja noch nicht was trübsinniges erzählen hören oder?", antwortete Umbrenus gut gelaunt und hob den Becher um Sabaco zuzuprosten.


    Nero nahm einen Schluck und wurde wieder ernst.

    "Das haben wir beschlossen und ich freue mich sehr darüber. Ich erzähle Dir gerne eine meiner Geschichten, wenn Du sie hören möchtest. Es sind auch nicht immer die gleichen. Mancher Gegenstand bekommt auch schon mal eine neue Vita verpasst, einfach um das Ganze etwas aufzulockern. Manche Geschichten bleiben, da sie Ohren zuletzt hörten die mir wichtig sind. Vielleicht haben wir beide einen neuen Hafen gefunden? Oder zumindest einen neuen Strand? Das wäre ein Anfang der mir gefällt", erklärte Nero und aß einige Bissen Brot und Käse.


    Als Sabaco Richtung Larenschrein nickte, schmunzelte Nero verlegen.

    "Das ist ein Platz mit dem ich nicht gerechnet hätte, vielen Dank. Ich hoffe es bringt Dir von ganzem Herzen Glück und führt Dich an Dein Ziel. Wo immer das sein mag Sabaco und möglicherweise begleite ich Dich ein Stück oder sogar den ganzen Weg. Wer weiß? Auf uns", sagte Nero und hob erneut den Becher.

  • "War das gerade ein Lächeln?" Sabacos Mundwinkel zogen sich weit auseinander und offenbarten sein klaffendes Trümmergebiss, das ihn leicht lispeln ließ. "Wusste gar nicht, dass du das kannst. Ich sage es keinem weiter." Für einen Moment hatte der Gubernator ganz anders ausgesehen als sonst, dann war es schon wieder vorbei - aber nicht ganz. Denn nachdem er das kaputte Instrument auf dem Larenschrein entdeckt hatte, glomm noch ein Schmunzeln nach. "Unser Hafen ist hier. Das ist jetzt unser Heimathafen. Ich liebe das Wort. Heimathafen. Das sagt doch alles, oder? Ich will doch sehr hoffen, dass du bis zum Ende dabei bleibst. Auf uns."


    Wie es seine Art war, stieß Sabaco nicht an, sondern drückte seinen Becher fest gegen den von Nero, ehe er ihn in einem langen Zug leerte. Der wievielte war das jetzt? Inzwischen bewegte sich der Gubernator langsam hinter seinem Ende des Tisches hin und her und wirkte ziemlich unscharf. Doch Sabaco vermochte noch weitestgehend deutlich zu sprechen.


    "Ein Navigationsgerät hilft einem nur, den Weg zu finden, wenn man das Ziel kennt. Meine Ziele sind vage. Meine Aufgabe gut erledigen, vielleicht ergibt sich die eine oder andere Beförderung. Du hast einen Plan für ein Grundstück, meintest du am Strand? Das würde nützen. Meinen Sohn ... Resultat einer ausgebrannten Liebschaft ... würde ich gern einmal von nahem sehen. Und Stilo noch einmal."


    Er blickte zur Tischplatte, als er an ihn dachte, weil der Trennungsschmerz im Laufe der Monate kein bisschen weniger geworden war. Geschrieben hatte Stilo ihm auch noch nicht, vermutlich hatte er ihn einfach vergessen. Sich in die Arbeit und sein neues Leben gestürzt. Sabaco sah wieder auf.


    "Mehr Ziele habe ich im Moment nicht. Was sind deine?"

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