Das Imperium schlägt zurück – V. Didius Molliculus und Flavia Philotima in der Hand der Prätorianer

  • Ich wusste dass ich Lurco auf den rechten Pfad geführt hatte! In der Nacht nach unserem Gespräch hatte ich geträumt dass wir uns im Paradies begegnen.


    "Danke!" Freute ich mich aufrichtig über das Essen. "Gott segne dich! Du bist ein guter Mensch, Purgitius." Ich nahm auch das Papyrus. Der Fisch würde ihn zu unseren Brüdern und Schwestern führen. "Hier, erst malst du eine Hälfte." Ich zeichnete sie auf. "Und dann die andere." Stolz wie ein Kind gab ich ihm das Papyrus.


    Dann zog ich das Lederband mit dem kleinen hölzernen Anhänger unter meiner Tunika raus. Als man uns verhaftet hatte wurden nur alle Waffen konfisziert. Wobei wir sonst ja auch nichts dabei hatten. "Immer verbunden mit Christus, Gottes Sohn."

    Meinen Anhänger hatte Achatius geschnitzt. Aus dem Holz von einem alten Kirschbaum.

  • Lurco betrachtete Didius und lächelte ihn wehmütig an.


    "Sehr gerne. Ich wünschte dem wäre so Didius, jedoch versuche ich tatsächlich ein guter Mensch zu sein. Lass Dir den Proviant schmecken, wann ich zu Dir zurückkehren kann, weiß ich leider nicht. Du bist Gefangener der Prätorianer und ich gehöre zu den Urbanern. Grundlos werden wir uns nicht über den Weg gelaufen sein Didius. Nichts geschieht ohne Grund. Danke für die Zeichnung des Fisches", antwortete Lurco und steckte das Papyrus ein. Gefühlt wog dieses Blatt Tonnen.


    Lurco trat ganz nah an die Gitterstäbe heran und betrachtete den Fischanhänger von Didius. Er musste dagegen ankämpfen, für einen Augenblick die Augen zu schließen. Didius hatte sein mögliches Todesurteil um den Hals hängen. Purgitius hätte am liebsten zugegriffen und ihm den Anhänger vom Hals gerissen. Aber dafür war er zu ehrlich, dafür war er zu sehr Urbaner. Wenn er diesen Mann retten wollte, dann mit lauteren Mitteln.


    Denn nur die würden überhaupt noch helfen. Jeder Prätorianer wusste weshalb Didius einsaß, er hingegen wusste es nicht. Er hatte nur dass was Didius ihm von sich erzählt hatte und sein Gefühl, dass dieser Mann eigentlich zu Rom und Mars gehörte. Das sich dieser Mann grauenvoll verirrt hatte. Er wollte nicht auf diesen Mann einschlagen, so brachte man keinen Menschen zurück der sich verlaufen hatte. Er wollte ihm die Hand reichen und ihm das Rom zeigen, dass Didius so schmerzlich vermisste. Er wollte ihm beweisen, dass es dieses Rom gab das lächelnde güte Gesicht, genauso wie die andere Seite - die grauenerregende, hinterhältige Fratze. All das war Rom. Letztendlich war Rom genau dass, was jeder einzelne der es repräsentierte daraus machte.


    Lurco betrachtete den Fischanhänger lange, ehe er nickte.


    "Das bedeutet der Fisch also, verbunden mit Gottes Sohn, Christus. Ich verstehe Didius, leider muss ich Dich erneut verlassen und wie bereits gesagt, wann ich zurückkehre kann ich Dir nicht sagen. Möglicherweise kann ich überhaupt nicht zurückkehren. Falls dem so ist Didius, pass auf Dich auf. Ich habe einiges von Dir gelernt, schon allein dadurch dass ich Dich kennenlernte Didius. Dich persönlich", sagte Lurco.


    Unter anderem hatte Didius ihn gelehrt, dass nicht alles war wie es schien. Und das nicht jede böse Tat einen bösartigen Hintergrund hatte. Vermutlich wurden die schlimmsten Taten verübt, mit der festen Überzeugung Gutes zu tun. Mochte Mars diesen Mann beschützen und leiten.

  • Nichts geschieht ohne Grund. Oh ja, Purgitius Lurco. Der Herr hatte dich zu mir geführt um dich in seine Herde aufzunehmen! Denn er wird dich retten, der Herr. Du und ich, wir sehen uns im Paradies.

    "Ja. Verbunden mit Gottes Sohn." Einen Moment überlegte ich, ob ich Lurco meinen Fischanhänger geben sollte. Dann würden die anderen wissen dass er eine reine Seele hatte. Aber nein. Er würde nach seiner Taufe seinen eigenen Anhänger bekommen.

    "Es war mir eine Freude dich kennen lernen zu dürfen. Du wirst deinen Weg finden und wir werden uns wieder sehen. Gott sei mit dir."

  • Lurco klopfte kurz an die Gitterstäbe.


    "Das war es mir auch Didius und ich hoffe Dein Weg endet nicht hier. Gott sei mit Dir Didius", antwortete Lurco, auch wenn sie beide unterschiedliche Götter dabei meinten, so waren ihre Ansichten doch fast gleich. Als Lurco sich mit einem letzten Nicken verabschiedete und Didius wie auch den Carcer verließ, hatte er das Gefühl einen Kameraden zurück lassen zu müssen.

  • Ich hatte Hunger. Oder träumte ich das nur? War ich wach? Oder war ich tot? Ich hatte auf einmal Angst. Angst dass ich gestorben war ohne es zu merken. Vielleicht war Purgitius Lurco der Richter gewesen. Er hatte mich geprüft. Und für nicht würdig für die himmlischen Heerscharen befunden. War das hier die Hölle? Fegefeuer hatte ich mir anders vorgestellt. Heiß. Wie Feuer. Aber das war meine irdische Interpretation. Die heilige Geschichte war voll mit Bildern und Metaphern. Warum also nicht auch das Fegefeuer als solche nehmen?


    Es verzehrt einen.

    Ja, ich war verzehrt worden. Verschluckt von diesem Carcer. Außerdem hatte ich das Gefühl dass ich mich auch selbst verzehrt hatte. Also zumindest mein Magen.

    Es brennt unendlich heiß.

    Nein. Heiß war es hier nicht. Aber das war vielleicht die Metapher. Heiß wie eintönig. Heiß wie kalt. Heiß wie unbarmherzig. Heiß wie die schlimmste Empfindung. So wie hier.

    Nach dem Feuer bleibt nichts übrig.

    War ich noch? Oder war ich gar nicht mehr? Vielleicht bildete ich mir das nur ein? Bildete mir mich nur ein?


    Aber ich hatte Hunger. Oder träumte ich das nur? "Oder ist der Hunger das Feuer?" fragte ich und erschrak auf einmal vor der Stimme die da sprach.

  • Der dicke Molli ... oder auch der dicke Didi. So wurde der Gefangene genannt.


    Stilo bedauerte, dass dessen Speck schwand, und seine Truppe trauerte mit ihm. Man fand den Dicken lustig, hatte noch nie einen Gefangenen mit solcher Leibesfülle beherbergt. Man kam ihn begaffen, erhielt Abwechslung und gute Laune zum Lohn. Mit der Zeit aber schmolzen seine Pfunde nur so dahin, wurde aus dem dicken Didi zusehends der normale, der langweilige Didi. Einer von vielen, die da in den Zellen vermoderten.


    So machte man sich einen Spaß daraus, ihm beim Betreten des Kerkers energiereiche Nahrung zuzustecken. Daran mangelte es in der Castra Praetoria nun wirklich nicht, man fütterte ihn ohne Gegenleistung. Käse, gekochte Eier, Kochschinken und blanken Speck - zusätzlich zur normalen Ration aus einem Getreidefladen. Dazu hin und wieder Bier, denn das, so sagte man, würde besonders gehaltvoll sein. Dann schauten sie zu, ob er sich betrinken würde und wie das wohl aussehen mochte.


    Böse Zungen könnten behaupten, dass sie ihn mästeten ... dass sie sehen wollten, wie weit man seine Leibesfülle auf die Spitze treiben konnte. Sie selbst würden freilich entgegnen, nur die Gesundheit des römischen Bürgers im Sinne zu haben, der solche Nahrungsmengen schließlich gewohnt sei.

  • Nach dem Darben kam das große Fressen. Die himmlischen Heerscharen hatten mich erhört! Und sandten den Lohn für meine irdischen Mühen! Halleluja und hosianna! Vielleicht war ich doch schon tot und das hier eine Art Vorhof zum Himmel. Ein Warteraum. Wie wenn man in einem Haus darauf wartete, in das Tablinum des Patrons vorgelassen zu werden. Sozusagen das Atrium von Gott. Ein etwas schäbiges Atrium zugegeben. Aber die Verpflegung war gut!


    Meistens sah ich sie nicht. Die Engel. Sie schoben das Essen in die Zelle. Dann waren sie auch schon wieder weg. Verschluckt von der Dunkelheit. Den ersten Tag konnte ich gar nicht glauben, was da stand. Speck und Eier! Ausgehungert (gierig!) wie ich war fiel ich darüber her. Und verdarb mir direkt den Magen. Die ganze Nacht (oder das, was ich dafür hielt als ich versuchte zu schlafen) quälte mich das Rumoren in meinem Bauch. Was mich nicht davon abhielt, am nächsten Morgen über den Käse und Schinken her zu fallen.


    Die Stärkung meines Körpers hatte leider auch eine Stärkung meines Geistes zur Folge. Ich versuchte das zu ignorieren. Und konzentrierte mich ganz auf das Essen. Das Essen wurde nun zu meinem einzigen Lebenszweck. Gott ließ mich ziemlich lange in seinem Atrium warten. Aber dass er mich schlecht bewirtete, das konnte man ihm nun wirklich nicht vorhalten!


    Bald kam auch Bier. Kein Getränk, das mir normalerweise über die Lippen gekommen wäre. Dieser bittere Geschmack. Aber hier war jeder Geschmack besser als kein Geschmack. Und ich muss schon sagen, man gewöhnt sich doch irgendwie daran. Bald war es doch irgendwie ganz süffig. Lecker!


    Und meine Laune wurde besser. Um Gott zu zeigen, dass ich ein guter Klient war, fing ich an in seinem Atrium kleine Messen zu halten. Ich sang lauthals seine Lieder. Ziemlich schief? Ach was, nur die Lautstärke zählte! Außerdem predigte ich die Predigten, die Philotima uns erzählt hatte. Zumindest das, was ich noch zusammen brachte in meinem verwirrten Hirn (erst ausgetrocknet, dann mit Bier getränkt). Wenn meine Kehle befeuchtet war ging das besonders gut! Dann erzählte ich dem Atrium vom Kampf von David gegen Goliath und wie die Christenzwerge den römischen Zyklopen besiegen würden. Von der Gerechtigkeit des Königs Salomon, der die guten Kinder (wir!) von den schlechten (Götzendiener) teilte. Und wie der Sohn Gottes aus Wasser Bier werden ließ. Gottes Kinder waren schon ein verrückter Haufen wenn man es so betrachtete!


    "HERR, HERR, HERR" sang ich lauthals durch das Atrium des Paradieses. "Du bist der Hirte und ich bin dein Schaf! Preiset den Herrn! Preiset den Herrn! Den Heeeeeerrrrrrnnnnnn!"

  • Ein in diesen Tiefen noch nie gehörtes Geräusch hallte durch die steinernen Gänge: Applaus. Ohne es zu wissen, beschleunigte der dicke Didi mit seinen Predigten und seinem Gesang die Fahrt des Teufelskreises. Die Prätorianer, zu deren Lieblingsgefangenen er avancierte, belohnten ihn für seine Darbietungen nicht nur mit menschlicher Zuwendung, sondern mit allerlei Gaben, die sie ihm von ihrem beträchtlichen Sold aus eigener Tasche kauften. So gesellten sich auch süße Küchlein, mit Schafskäse gefüllte Fladen, trockene Feigen und sogar in Honig glasierte Datteln zu Didis Menü. Der Duft dieser Köstlichkeiten wehte durch die Gänge bis in die anderen Zellen und sogar manchem Prätorianer knurrte der Magen von dem, was diesem verwöhnten Gefangenen aufgetischt wurde.


    "Eigentlich ist es ein Jammer", fand Stilo, "dass er uns dereinst verlassen muss. Wir hatten noch nie einen singenden Gefangenen. Auch wenn er uns als Zyklopen bezeichnet."


    "Kopf hoch", sagte Felix. "Die Mühlen des Gesetzes mahlen langsam. Wir werden noch viel Freude an ihm haben." Und er fädelte eine Würstchenkette durch die Gitterstäbe.

  • Vielleicht war das doch nicht das Atrium. Vielleicht war es doch das Paradies! Kuchen! Feigen! Glasierte Datteln! Die Englein brachten mehr und mehr Köstlichkeiten. Würstchen am laufenden Band! "Preiset den Herrn ihr himmlischen Wächter!"


    Meine mittlerweile ziemlich schäbige Tunika war mir in den vergangenen Wochen (oder waren das schon Monate?) wie ein kleines Zelt um den Körper geschlabbert. Aber langsam füllte ich sie wieder aus. Mehr noch, sie spannte schon etwas um die Hüften.


    Macht aber nichts. Ein bisschen Bier würde das alles wieder wegspülen!

  • Pansa brachte dem dicken Didi eine Tunika, die ihm besser passen würde. So sauber, noch nach dem berüchtigten Bleichmittel riechend, das ein Kennzeichen neuer weißer Tuniken war, wirkte sie hier unten fehl am Platz in den Händen des imposant gebauten Prätorianers. Stilo, der selbst muskulös gebaut war, wirkte neben Pansa durchschnittlich. Nachdem sein Kamerad die neue Tunika durch das Türchen in der Zellentür gegeben hatte, quoll noch etwas weiches hinterher. Immer größer wurde es, wackelte beim Stopfen beinahe wie ein Tier, das sich ins Innere zwängte. Am Ende fiel ein Kissen in die Zelle.


    "Der Gefangene ist hier schon sehr lange", murmelte Pansa leise. "Das ist doch ein römischer Bürger. Geht das überhaupt?" Für Mitleid war Pansa eher nicht bekannt, der mit sadistischem Vergnügen sogar seine eigenen Kameraden schikanierte. Aber das Schicksal des römischen Bürgers, der aus einem ehrenwerten Haus stammte, schien etwas in ihm zu bewegen. Vielleicht die Erkenntnis, dass auch ihn sein Status als Bürger am Ende kaum schützen konnte, wenn jemand wollte, dass er aus der Öffentlichkeit verschwand.


    Stilo tätschelte ihm den gewaltigen Bizeps und wandte sich zum Gehen. "Du denkst zu viel über Dinge nach, die uns nichts angehen. Bei uns liegt keine Verantwortung für das hier. Komm."


    Besorgt blickte Pansa noch einmal in Didis Richtung, dann folgte er Stilo auf ihrem weiteren Kontrollgang durch den finsteren Carcer.

  • Nach dem Essen kam eine saubere Tunika. Ein Engel brachte sie mir. Ich konnte einen Blick auf ihn erhaschen als er sie in das Atrium Gottes schob. Ich sah deutlich den heiligen Schein um seinen rundlichen (kindlichen?) Kopf. Sein Gesicht blieb im Dunkeln. Unpersönlich. Ja, so war das bei Engeln!


    Die Tunika war so weiß, so strahlend wie sie nur im Paradies existieren konnte! Nach der Tunika kann ein Kissen! Ein Kissen!

    "Kissen!" entfuhr es mir dann auch. "Gepriesen seien die Heerscharen Gottes! Gelobt sei sein Reich!"

    Würdevoll zog ich meine dreckige alte Tunika aus. Wusch mir die Hände mit etwas Wasser. Bevor ich die neue Tunika berührte. Und anzog. Sie duftete. Nach Alltag. Frieden. Heiler Welt. Zufrieden schaute ich an mir herab. Es konnte jetzt nicht mehr lange dauern bis ich Gott vorgestellt werden würde.


    Ich nahm das Kissen und legte es ans Kopfende meines Strohbetts. Und mich dazu. So weich. So heimelig. So himmlisch! Als ich einschlief träumte ich von meinem Haus im Paradies, das ich mir mit Philotima teilte.

  • Man sprach davon, dass die Zeit des "Dicken Didi" sich neigte. Dass sein Schicksal beschlossen worden war, doch niemand konnte es verifizieren. Eines Tages stand Stilo in dieser Tür, auf den gefallenen Römer hinabsehend, den Sohn aus gutem Hause, der trotz aller Privilegien am Ende doch vom Weg abgekommen war. Für Mitleid gegenüber anderen war Stilo nicht gemacht, kannte es nur als vage Ahnung dessen, was andere in jenen Momenten fühlen würden, doch Selbstmitleid war ihm nicht fremd.


    Der weiche Körper des Gefangenen erinnerte ihn an die üppigen Rundungen seiner Madara, die Rom nie erreicht hatte. Ein Schiffsunglück, munkelte man, vielleicht die Piraten des Tarkyaris. Stilos Heiratsantrag - er würde nie ausgesprochen werden. War der Verlust einer der Gründe, warum Stilo zuließ, dass man diesen Mann so verwöhnte, dass er selbst ihn prall und rund sehen wollte? Vielleicht könnte ein Medicus beantworten, was in seinem Geist vorging, doch Stilo würde keinen konsultieren. Er wusste nur: Ohne Didi würde sein Kerker ein Stück trister sein.


    "Was wünschst du als deine letzte Mahlzeit?", fragte er und fühlte sich leer dabei.

  • War Gott in mir oder war ich in Gott? War ich im Paradies oder war das Paradies in mir? Allmählich verblasste ich. Aber Gott blieb. Die Erlösung blieb. Das Paradies blieb. Wo war Philotima? Geliebter Engel Philotima! War Philotima auch nur in mir? Vage erinnerte ich mich an eine andere Zeit. An eine andere Geschichte. Eine andere Zukunft.


    Philotima und ich hatten alle Götzentempel zerstört. Sie war der Brückenbauer geworden. Sie hatte all unsere Brüder und Schwestern gerettet. Und ins Paradies geführt. Ins Licht. Das verdorbene Rom war in Dunkelheit versunken.


    Dunkelheit. Vielleicht war das hier die Zukunft? Vielleicht war Philotima ohne mich gegangen? Hatte mich in der Dunkelheit zurückgelassen? Oh, geliebter Engel Philotima!


    Ein Licht. Eine Stimme! Ein Engel! Eine letzte Mahlzeit?


    "Also ist es an der Zeit ihr zu folgen?" Ich lächelte glückselig. "Völlerei ist eine Sünde. Genuss ist eine Sünde. Bringt mir Brot und Wein und ich will es mit euch teilen, meine lieben Brüder!"

  • War das Ende in mir, oder war ich das Ende? Oder war ich der Anfang, war ich das Wort? War ich Wort gewordenes Leben? Dem das Schweigen, das Ende immer schon inne gewesen war?


    Ich würde euch gerne erzählen von meinem Leben, Brüder und Schwestern. Von meinem Leben das die Welt verändert hat. Von meinem Ende, das die Welt verändert hat. Doch die Wahrheit ist, dass meine Stimme verklungen ist. Verklungen in der Finsternis des grauenvollen Götzendieners. Andere werden meine Geschichte erzählen müssen. Denn die himmlischen Heerscharen warten auf mich.


    So trete ich denn vor ihn, meinen herrlichen Schöpfer. Hier bin ich, Volusus Didius Molliculus, deine vollkommene Schöpfung. Kein Bildnis steht vor mir, kein Laut dringt an mein Ohr. Und doch schließ er mich mit liebevollen Worten in seine Arme. Endlich. Endlich bin ich heimgekehrt in sein himmlisches Land.



    ~ Und so enden das Leben und die Geschichte von Volusus Didius Molliculus. ~

  • Stilo mahlte verärgert mit den Zähnen. Er wusste, was ihn erwarten würde, noch bevor er durch die Luke in die Zelle von Volusus Didius Molliculus blickte. Er kannte den würgereizerregenden Geruch, der an die Hinterräume einer Fleischerei erinnerte, den übelerregenden Gestank alten Fleisches an der Schwelle zur Verwesung. Pansa hatte es geschafft, Didius noch vor der Zeit zu Tode zu mästen. Stilo traf keine Schuld, jetzt so wenig wie je, und Pansa würde disziplinarische Konsequenzen zu spüren bekommen. Doch all das änderte nichts an dem ärgerlichen Resultat. Um der Form Genüge zu tun, ließ Stilo einen Medicus in die Zelle rufen und den Tod feststellen. Dann gab er den Befehl, wie üblich zu verfahren.


    Die Bestrafung von Hochverrätern endete nicht mit ihrem Tod. Sie erstreckte sich weit darüber hinaus. Die Wunden von Roms Schwertern reichten tief und bluteten weit, besonders, wenn sie von schwarzen Klingen geschlagen wurden.


    Gemonische Treppe >>

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