• Da es in Rom gerade ein Thema gibt und ich vor vielen Jahren meine universitäre Abschlussarbeit darüber geschrieben habe, hier einige Infos zu römischen Schreibwaren:


    - Schreibmaterial Nummer 1 waren Wachstafeln, welche mit einem Stilus beschrieben wurden.

    - Das Wachs war nur hauchdünn aufgetragen, denn es diente bloss als Kontrastschicht zum Holz. Helles Holz = dunkel gefärbtes Wachs. Dunkles Holz = natürlich gelbes Wachs

    - Auf den Tafeln wurden mit Tinte manchmal Adressen oder Nutzungszwecke vermerkt.

    - Das Wachs war in der Wärme Italiens ohne weiteres Erwärmen leicht wieder zu glätten.

    - Die Anzahl Funde gibt Aufschluss über die Verbreitung. Während man in Germania und Britannia eher wenige Wachstafeln gefunden hat, fand man in den zentraleren Regionen des Imperium sehr viele und in Nordafrika wieder weniger.


    - Andere Möglichkeiten waren Papyrus oder (falls es noch teurer sein durfte) auch Pergament.

    - Die Tinte wurde nicht aus Tintenfischen gewonnen sondern aus einer Mischung aus Gummi Arabicum, Essig und diversen Farbstoffen wie z.B. Beerensäften (Rezept ohne Angabe von Mischverhältnis oder Mengen bei Plinius zu finden).

    - Entgegen der weit verbreiteten Meinung, dass man mit Federn geschrieben habe, ist das nicht überliefert! Die Römer nutzten Schilfrohr als Federn, da dieses leichter zu schneiden war und die Papyri nicht beschädigte beim Schreiben. (Ich habe das selbst mehrfach ausprobiert und es stimmt.) Es gibt keine Malereien, Reliefs oder Texte, wo vor dem 6. Jahrhundert n.Chr. von Federn die Rede ist.

    - Die Tinte war wasserlöslich! (Nero zwang einen Autor, dessen Werk er nicht mochte dazu, die Seiten wieder blank zu lecken!)


    - Bimssteine wurden genutzt um Tinte von Holz wegzuradieren.


    - In Britannien wurden aus Abfallholz von Bauvorhaben der Legionen auch kleine Holztäfelchen hergestellt, welche man in der Mitte zusammenfaltete und mit Schnur zu Leporellos zusammenband. Diese Vindolandatäfelchen wurden bis heute nur in Britannien gefunden.

  • Das Wort Feder ist nicht zwingend eine Feder eines Vogels. Eine Schreibfeder kann aus vielen Arten bestehen. Auch ein Stilus ist eine Art Schreibfeder. Ein Füllfeder hat auch keine Federn.

  • Liebe Matinia Musa, ich habe keine Kritik an dir oder deinen Texten geübt sondern lediglich das Thema zum Anlass genommen, mein Wissen zu teilen. Sonst hätte ich dir nämlich eine PN geschrieben und nicht in der Öffentlichkeit etwas abgesetzt.


    Aus über 20 Jahren Kontakt mit Personen an Römerfesten weiss ich, dass die riesige Mehrheit der Menschen annimmt, dass die Römer mit Gänsefedern geschrieben haben und das ist halt nicht der Stand der Forschung.

  • Danke für den Überblick! :)


    Bist du sicher, dass die Tinte generell nicht wasserlöslich war? Traf das auf alle Tinten zu? Ich habe hier eine Eisengallustinte nach traditioneller (allerdings laut Hersteller mittelalterlicher) Rezeptur, die nicht verschmiert, wenn ich mit dem nassen Aquarellpinsel drüber gehe. Auch die Römer kannten schon Eisengallustinten. Ggf. waren diese auch wasserfest?

  • Florus, deine Abschlussarbeit würde ich sehr gerne lesen, soetwas interessiert mich sehr.

    Die Eisengallustinte ist wasserfest, soweit ich weiß und die Römer kannten sie. Sie war allerdings die teuerste Tinte. Keinesfalls für Alltagskorrespondenz.

    Soweit ich weiß, wurden auch Gold und Silbertinten hergestellt, die aber dann nicht wasserfest waren.

    Und Purpurpergament als das teuerste Pergament.

    Was war mit den Calami? Waren sie nicht aus Metall?

    Interessant ist auch die Form der Codices, also wann genau man die Schriftrollen zugunsten der Buchform aufgegeben hat.

    Ich dachte Spätantike, weisst du darüber genaueres?

  • Zitat

    Florus, deine Abschlussarbeit würde ich sehr gerne lesen, soetwas interessiert mich sehr.


    Der Bitte schließe ich mich an. :)


    Eisengallustinte war und ist teuer, aber sie war vorhanden und ist wasserfest. Für besondere Dokumente und Werke hätte sie demnach theoretisch zur Verfügung gestanden. Wurde sie genutzt? Wenn ja, in welchem Rahmen?


    Wie war es mit Tusche? Tusche ist nach dem Trocknen wasserfest und die Römer kannten sie*. War sie ggf. erschwinglicher und alltagstauglicher als Eisengallustinte?


    _______________________________

    *https://de.wikipedia.org/wiki/Dipinti

  • Die Alltagstinte war wasserlöslich. Eisengallustinte benutzte man nur für wichtige Schriften, welche zwingend haltbar sein mussten. Also Dokumente oder "publizierte" Bücher. Ich kenne keine Forschung über deren Verbreitung und kann daher keine Zahlen nennen.


    Tusche gibt es in der Form als Farbe für die Wandinschriften bei Wahlkampf etc. Ich kenne aber keine Funde auf Papyri oder Pergament mit Tusche.


    Calamus ist das lateinische Wort für Schilfrohr, also sind die Calami Schilfrohre und keine Metallgegenstände. Sowohl Gänsefeder als auch Metallfeder reissen beim Schreiben die Oberfläche des Papyrus ganz leicht auf, so dass die Tinte darunter läuft und sich in den Fasern spinnennetzartig ausbreitet.

    Ich weiss, dass es Funde gibt, welche von einige Leuten als Metallspitzen für Schreibwerkzeuge interpretiert werden. Es gibt dafür aber keinen überlieferten Namen und diese Interpretation ist bei den meisten derartigen Funden mehr als umstritten. Die mir bekannten Funde sind derart gross und grob, dass es sich kaum um Schreibwerkzeug handeln kann, wenn man sieht, wie klein die Schrift auf Papyrusfunden ist.


    Gold- und Silbertinten sowie Purpurpergament sind nach meinem Wissen für unsere Zeit noch nicht nachgewiesen sondern erst im frühen Mittelalter.


    Das Wort Codex kommt aus dem Lateinischen "caudex". Dies heisst Holzblock und ist daher ursprünglich eine Sammlung vieler mehrseitiger Wachstafeln, welche zu einem solchen Holzblock zusammengebunden wurden. Ein Codex war nie eine Papyrusrolle! Das Wort wurde nie dafür verwendet.

    - Wachstafeln gab es in vielen unterschiedlichen Grössen, bis hoch zu einem Format ähnlich wie A1! Es gibt ein Relief, auf welchem die öffentliche Tilgung von Schulden zu sehen ist, wo Scribae auf ihren Schultern Wachstafeln zur Zerstörung bringen. Diese haben mindestens Grösse A2!

    - Auf dem Forum Romanum wurden jeden Tag mindestens einmal die Nachrichten aus dem Imperium ausgehängt. Geschrieben auf Wachstafeln. Die Sklaven der reichen Familien schrieben diese ab und brachten die "Zeitung" zu ihren Herren zum Frühstück.

    - Es gibt zwei Zwischenformen, z.B. im Mittelalter das "Rollbuch". Zusammengebundene Seiten, gerollt.


    Was meine Arbeit angeht, so ist diese leider nicht gut genug, um publiziert zu werden. Teile daraus vielleicht, aber sicher nicht die Ganze!

  • Danke für die interessanten Informationen :)

    Ein Codex war nie eine Papyrusrolle!

    Entschuldige, dies war ein Missverständnis, das wollte ich keinesfalls damit aussagen. :hmm:


    Meine Quelle für Calami aus Metall war u. a. diese:

    Zitat


    Die Schreibfeder (calamus) war meist aus Rohr (canna), einem vergänglichen organischen Material geschnitten; daher ist es nicht verwunderlich, wenn sich nur wenige Exemplare z.B. in einem Brandgrab in Intercisa erhalten haben [11]. Ganz selten scheinen sie, wie das hier vorgestellte Objekt, aus Bein hergestellt worden zu sein. Auch bronzene Schreibfedern, die die Form der Rohrfeder imitieren, haben sich nur in wenigen Exemplaren erhalten [12]

    https://homepage.univie.ac.at/…rum/forum0300/14jilek.htm , ist allerdings aus dem Jahre 2000 und evtl. überholt?

    LG

  • Das ist spannend und öffnet ein wenig den Blick. Scheinbar gibt es doch Funde, wenn auch nur sehr wenige, welche die Form eines Calamus nachahmen. Im Artikel genannt sind bloss etwa ein halbes Dutzend bronzener Funde. Das ist nicht gerade viel und die Datierungen sind nicht angegeben, so dass wir leider aus diesem Artikel nicht erfahren, ob sie aus dem frühen 2. Jahrhundert oder erst aus dem 4. Jahrhundert sind.


    Die Schreibfeder aus Bein im Artikel ist in das 3. Jahrhundert datiert und daher etwas zu spät für das IR.


    Da der Artikel erschien bevor ich meinen Abschluss gemacht habe, wundere ich mich, dass ich diesen damals nicht gelesen hatte. Vielleicht hat es genau mit der Datierung der Funde zu tun, denn ich konzentrierte mich auf die Schreibmaterialien aus dem späten 1. und frühen 2. Jahrhundert.


    Übrigens habe ich gerade eine Cicero-Stelle gefunden, in welcher er über Sepia-Tinte schreibt, also gab es diese auch. Sie war aber gemäss Cicero ebenfalls wasserlöslich.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!