Die Navis lusoria "Keto"

  • Ruga sah Sabaco mit kalten Augen an. Die Tatsache, daß er ihn nicht hatte hopsgehen lassen machte sie nicht zu Freunden.

    Die Männer die in Kontakt mit den Toten waren müssen sich reinigen und mir danach assistieren. Alle Besatzungsmitglieder opfern dem Flußgott und der Schiffspatrona was ihnen am wertvollsten ist, sie mussten es auf der Fahrt und während des Frevels bei sich gehabt haben.

    Er wandte sich ab und sah die Keto an. Das Boot muss gesäubert sein und an die Stelle an der die Toten lagen wird eine Feuerschale aufgestelllt. Die Mannschaft tritt komplett auf der Mole an. Nur die Assistenten und ich betreten das Schiff für das Opfer. Wieder sah er Sabaco kalt an. In einer Stunde,...

    Er machte eine mustergültige Kehrtwende und stiefelte in Richtung der Unterkünfte. Er musste noch ein paar Ritualutensilien vorbereiten.

  • Sabacos eben noch fragendes Gesicht verhärtete sich zu einer Wand aus Eis, als Ruga ihn auf diese Weise anstarrte.


    Du hast keine Freunde und niemand mag dich, Ruga, antwortete er gedanklich. Auf der Latrine setzt sich ein Neuankömmling stets auf den Sitz, der am weitesten von dir entfernt ist. Deine Vorgesetzten beachten dich nur, wenn du Unmenschliches leistest. Deine Kameraden reden nur mit dir, wenn du einen ausgibst und für jeden einzelnen Fick in deinem Leben musst du irgendwen bezahlen. Wenn du gehst, lästern die Huren über deine peinlichen Vorlieben und geben dir den Spitznamen, den du verdienst. Du behauptest, dass du dein Leben genau so willst, aber das ist eine Lüge. Du hast gelernt, dir dein Schicksal schönzureden. Du bist ein armes Würstchen, Ruga, das all die Jahre vergeblich gekämpft hat, und lässt deinen Frust an anderen aus. Dabei vergisst du, dass dein größter Feind dir aus dem Spiegel entgegenblickt.


    Doch die lebhafte Vorstellung von Rugas vermeintlich unerfülltem Dasein vermochte ihn heute nicht zu trösten. Das Wertvollste, was Sabaco bei sich hatte, trug er auf seiner Haut. Ohne Furcht hätte er den Gehörnten Rhenus um sein Opfer gebracht, läge es in seiner Macht. Doch seine dicke Untertunika, deren braune Ärmel bei dem warmen Wetter unter der blauen Diensttunika hervorlugten, hatte für neugierige Fragen gesorgt. Stolz hatte er von ihrer Qualität berichtet und woher er sie hatte. Jeder wusste, was diese Tunika ihm bedeutete.


    Eine Stunde später stand ein umgezogener Sabaco mit den anderen auf der Mole. Sein Gesicht war ausdruckslos und sein Zorn auf Ruga verflogen. In den Händen trug er zusammengelegt die braune Wolltunika, die er heute Morgen angelegt hatte, damit Ocella bei seiner ersten Fahrt auf der Keto dabei sei. Stoisch starrte er vor sich hin und ließ Ruga und dessen Assistenten ihre Arbeit machen.

  • Nach einer Stunde tauchte Ruga wieder auf, er trug über seiner Rüstung nunmehr eine Schärpe die ihn als Coronarius auswies.In seiner rechten Hand trug er eine Schale mit Flusswasser und einem Bündel Rosshaar, welches er nun vor den angetretenen Marini, welche mit den Toten in Berührung gekommen waren, in die Schale tauchte und damit die ausgestreckten Hände benetzte. Während er das tat bat er den Flussgott um Verzeihung und dem redlichen, jedoch wider besseren Wissens erfolgten Handeln mit Nachsicht zu begegnen. Das Streben des Menschen nach Gewissheit durfte kein Nachteil sein, wenn die Reue ehrlich ist. Ernst sah er die 6 Marini an, alles gute Männer die ehrenvoll dem Kaiser dienten. Es war nicht ihre Schuld, es war die Schuld der Mörder, die ihre Kameraden gemeuchelt und in den Fluss geworfen haben.

    Ruge betrat über die Planke das Boot und besprenkelte die Stelle an der die Toten gelegen hatten ebenfalls mit Wasser aus der Schale. Dann rief er die Mannschaft ihr Opfer zu bringen, während er die Feuerschale entzündete.

    Das Wasser des Rhenus blieb ruhig, die Keto schaukelte sanft in den Dünung, nichts wies auf ein Veto der Götter hin.

    So betrachtete Ruga mit ernstem Blick die Männer und ihre Gaben, die sie fein säuberlich vor die Feuerschale legten.

    Ruga nickte ihnen zu und murmelte jedem Marini ein beruhigendes ...redempti... zu.

    Da trat Sbaco vor ihn und die Keto begann zu wanken, merklich mehr als vorher. Mit ausdruckslosem Gesicht hob er die rechte Hand. Das Wanken wechselte wieder in die sanfte Dünung. Ruga war selber überrascht, ließ es sich jedoch nicht anmerken.

    Was auch immer es war, was das Schiff genau bei Sabacos Opfergabe bewegte, er hielt die Hand hoch und meinte, Deine Opfergabe missfällt den Göttern,...sie scheint bereits in ein Gelübte gebunden, wähle ein anderes Opfer!

    Etwas besseres fiel ihm nicht ein, zumal die Keto weiterhin unauffällig im Wasser blieb.

    Sollte er doch seine zweifellos teure Tunica behalten und stattdessen etwas anderes opfern,...wenn es ruhig blieb war es schon in Ordnung.

  • Ich bin zu fett, dachte Sabaco.


    Die Keto schwankte, während er über Deck stapfte. Das Bier, der Met. Sie hinterließen mittlerweile ihre Spuren um seine Körpermitte. Auch beim Essen sah er keine Veranlassung, warum er aufhören sollte, wenn er noch nicht rundum satt war und noch etwas vor ihm in der Schüssel lag. Diesem griechischen Schlankheits- und Schönheitswahn sollten andere frönen. Es dauerte einen Moment, bis er realisierte, dass das Wanken des Schiffes nicht mit seinen Schritten übereinstimmte. Erschrocken blieb er stehen und sah ins Wasser in der Annahme, etwas Großes und Schweres sei mit der Keto kollidiert. Spontan stellte er sich die Leichen von Adalrich und Tiro vor, die ihnen mit der Strömung bis hierher gefolgt waren und es sogar geschafft hatten, um die Ecke in den Hafen einzubiegen. Vielleicht hatten sie sich mit irgendeiner Wasserpflanze am Ruder verfangen?!


    Doch als Ruga die rechte Hand hob und das Opfer damit unterbrach, hörte das Wanken mit einem Mal auf, so dass Sabacos Verdacht zu Ruga wechselte, doch der stand fest auf beiden Beinen und hatte nicht herumgewackelt. Sabaco begriff nicht, bis der Coronarius ihm erklärte, was Sache war. Die Götter wiesen die Tunika zurück. Terentius Ruga kam nun in den seltenen Genuss, einen überglücklichen Sabaco zu erblicken, der den zusammengefalteten Stoff an sein Herz presste, und nun rasch eines der ledernen Armbänder von seinem Handgelenk fummelte. Das Flechtband hatte ihm einst ein Kamerad als Glücksbringer geschenkt, es hatte keinen materiellen Wert, dafür symbolischen. Doch der reichte bei weitem nicht heran an den der Tunika.


    Es war das erste Mal, dass Sabaco glaubte, ein Gott würde es gut mit ihm meinen. Das musste der Gehörnte Rhenus sein, der hier große Macht besaß und der Sabaco gut kannte, weil er oft in seinen Fluten schwamm. Er war es, der mit den Wellen sein Urteil gesprochen hatte. Noch länger kannte er Ocella, der jeden Tag an seinem Ufer entlangritt und darüber wachte. Der Rhenus kannte sie beide und er hatte in ihre Herzen geschaut. Sabaco musste sein Lararium umbauen!


    Mit der freien Hand legte er das Armband zu den übrigen Opfergaben vor die Feuerschale, mit der anderen drückte er immer noch die Tunika an sich, als er zurücktrat und wartete.

  • Nero hatte die Toten berührt, er hatte sie sogar eigenhändig zurück in den Rhenus befördert. Nun stand er neben den anderen Männern bereit um die Opfergaben in den Fluss zu werfen. Es sollte den Flussgott wie die Schiffspatrona milde stimmen. Etwas von persönlichem Wert sollten sie opfern, etwas dass sie auf dieser Fahrt bei sich getragen hatten. Dort wo die Leichen gelegen hatten, brannten die Feuerschalen. Nero legte eine Kette vor die Feuerschale. Sie war für andere nichts besonders, zeigte aber eine aus Horn geschnitzte Schlange. Als er die Schlange am Lederband abgelegt hatte und zu den anderen zurückgetreten war, murmelte Ruga jedem von ihnen ein redempti zu. Die Schlange würde im Feuer vergehen und dem Wasser übergeben werden. Erneut.


    Als Saba die Keto betrat, fing sie an zu tänzeln. Etwas gefiel ihr nicht. Ruga beruhigte sie mit erhobener Hand und erklärte das Opfer von Sabaco für nicht akzeptiert. Die Tunika war bereits an ein Gelübde gebunden, so sagte er. Doch an welches? Und war seine Tunika von Sabaco ebenso an einen Schwur gebunden? Und wenn dem so war, an welchen?


    Vermutlich war auch hier das Feuer genau wie das Wasser im Spiel. Feuer das vor Kälte schütze und wohin doch alles zurückkehren sollte. Bis auf diese Tunika, sie nicht. Sie wurde nicht angenommen. Saba opferte eines seiner Armbänder und sah derart glücklich aus, dass man ihn fast nicht wiedererkannte. Rhenus, die Keto, Rugo und die Götter an sich meinten es heute gut mit Sabaco und ihnen allen.


    Nero schmunzelte kaum merklich.

  • Die Opfergaben legte er nach und nach in die Feuerschale. Es war ihm herzlich egal ob Sabaco Freude empfand. Er murmelte alte Verse und löschte das Feuer als alle Gaben verbrannt waren indem er einen Deckel auf die Feuerschale gab.

    Es gab ihm schon zu denken, daß das Schiff schwankte, gerade als der Matinier zum Opfer kam.

    Besonders daß es auf seine Handbewegung wieder damit aufhörte. Es war das erste Mal, daß er den Göttern derart nah war.

    Er hob den Deckel an und mischte Talk in die noch heiße Asche. Die dunkle Mischung strich er in die leere Wasserschale und schritt zu der Stelle an welcher die Toten einst lagen. Dort schmierte er mit dem Roßhaarbüschel einen Bannspruch aus der schwarz-grauen Masse. Wieder wankte das Schiff, diesmal jedoch leichter und weniger bedrohlich. Ruga wertete das als Anerkennung des Opfers.

    Zufrieden drehte er sich zu den Marini der Keto um und nickte ihnen zu. Factum est. Die Schale war leer. Für ihn gab es hier nichts mehr zu tun. Er wandte sich an Sabaco. Die Asche lasst über Nacht, morgen könnt ihr sie wegschrubben...so wie es aussieht wurde das Opfer angenommen...

    Für ihn war die Sache nun erledigt, er verließ kurz darauf die Keto. Es galt noch sein eigenes Schiff zu prüfen,...für die nächste Ausfahrt.

  • Sabaco nickte Ruga zu, es wurde förmlich zum Abschied salutiert.


    Er freute sich so darüber, dass er seine Tunika hatte behalten dürfen, dass er vergaß, in Gedanken über Ruga herzuziehen. Er war vollends auf das Gute fokussiert, dass ihm heute widerfahren war und das ihn ablenkte vom Gedanken an die beiden gemeuchelten Tirones. Aber er hatte auch gesehen, was Nero in die Schale gegeben hatte, was die Flammen verzehrt hatten, was Asche und Rauch geworden und für immer von der Welt verschwunden war.


    Sabaco betreute seine Männer bei den noch anstehenden Aufräumarbeiten, ehe er sie in den wohlverdienten Dienstschluss entließ. Es war ein langer Tag gewesen und die meisten fielen vermutlich wie ein Stein ins Bett. Für ihn jedoch gab es noch etwas zu tun.


    Nachdem alle gegangen waren, nickte er dem Gubernator zu. "Ich muss mich noch in der Principia melden ..." Ihn zu verabschieden oblag dem Gubernator. Sabaco konnte nicht einfach gehen. Das mit der Schlangenkette tat ihm leid, doch das durfte er nicht sagen. Ihm kam ein Gedanke, den er für später verwahrte.

  • Umbrenus beobachtete mit Argusaugen das Reinigungsritual, dass Ruga durchführte. Eine Mischung von Dankbarkeit und Erschöpfung machte sich in ihm breit. Dankbar dass Ruga dazu in der Lage und fähig war die Keto zu reinigen und zu besänftigen. Erschöpft da es arg an den Nerven von Nero gezerrt hatte, die Toten an Bord zu haben und ihr Miasma dass sie hinterließen. Die schwarzen Flecken verkündeten von der Reinigung, die Tilgung des Übels, dass sie an Bord ihres Schiffes geholt hatten. Sie alle, nicht Sabaco, denn sie waren eine Mannschaft. Nur so lebte und funktionierte ein Schiff.


    Als der Optio Spei die Keto verließ, schaute Nero ihm einen Augenblick hinterher, ehe sich sein Blick auf Sabaco heftete. Der Suboptio hatte ihn angesprochen und damit aus seinen Gedanken gerissen.


    "In Ordnung, wegtreten", antwortete Nero umgänglich und gab damit Sabaco die Erlaubnis sich zu verabschieden. Er selbst würde noch einen Moment auf der Keto bleiben, er würde einen Augenblick allein mit ihr reden.


    Nero trat in die Nähe der beiden Flecken und schaute auf das Russ. Selbst im Tod hatten diese beiden Nichtsnutze ihnen noch Ärger gemacht. Sie sollten besser wählen, wen sie in die Classis aufnahmen. Gute Männer und Schiffe gerieten bei solchen Untauglichen in Gefahr. Vermutlich hätten sie eh das erste Schlingern eines Schiffes nicht überstanden. Sie wären über Bord gegangen, aber bei Neptun, warum mussten sie zurück kommen und an Bord gehievt werden?


    Nero wischte die Gedanken beiseite. So wie die Keto gereinigt worden war, musste er sich selbst von diesen Erinnerungen befreien. Sie durften nicht an Bord bleiben, weder real noch mental. Umbrenus setzte sich auf die Reeling Richtung Rhenus und ließ die Beine baumeln, während er hinaus aufs Wasser starrte und auf Nacht und ihre Dunkelheit wartete.

  • Die Nacht zog auf und ließ den Tag verblassen. Die Toten waren dem Fluss zurückgegeben worden, das Schiff hatte seine Reinigung erhalten. Nero klopfte auf die Reeling, schwang sich zurück an Bord und machte sich selbst auf den Weg. Ein warmes Bett und ein warmes Getränk warteten auf ihn.

  • Die Flusspatrouillen waren für Sabaco mittlerweile Routine. Meist fuhr man nicht nur den Rhenus entlang, sondern erledigte unterwegs noch Aufträge. Aufgrund ihrer Geschwindigkeit diente die Navis Lusoria unter anderem auch zum Depeschendienst. Oft transportierte Sabaco Nachrichten von einem Ort in den nächsten und verdiente sich dadurch etwas dazu.


    Da die Keto einen kleinen Laderaum besaß, verwendete man sie auch als Schnelltransporter. Jetzt, vor dem Winter, sollte die Keto Holzkohle für die Castra Classis abholen. Sabaco hatte das organisiert, er war in Sorge. Noch immer grassierte die Krankheitswelle, doch in seiner Einheit waren bisher keine ersten Fälle aufgetreten, nur Halskratzen und Schnupfen. Vermutlich, weil er penibel darauf achtete, dass seine Männer warm gekleidet waren und auch kein Genörgel duldete, wenn hier und da einer schwitzte. Alles war besser, als zu frieren. Jetzt gedachte er, es ihnen mit der Holzkohle anstelle des Brennholzes diesen Winter richtig schön warm und gemütlich zu machen.


    Er hatte sich informiert. Holzkohle hatte je Kubikmeter einen deutlich höheren Brennwert. Man sparte also Platz beim Transport und bei der Lagerung. Die Glut lag deutlich höher als bei Holz, was eine bessere Wärmeproduktion ermöglichte, und es musste seltener nachgelegt werden. Außerdem war es leichter, Kohle fürs Heizen zu lagern, da sie weniger empfindlich auf Feuchtigkeit reagierte als Holz, das nach Möglichkeit in einem absolut trockenen, geschlossenen Raum aufbewahrt werden sollte, ehe man es verwendete.


    Na, mal schauen. Sabaco war auf sein Experiment gespannt, diesen Winter die Stuben mit Holzkohle statt Holz zu heizen.


    RE: Officium Gubenator Titus Umbrenus Nero >>

  • << RE: Officium Gubenator Titus Umbrenus Nero


    Eine weitere Flusspatrouille stand an, die sie mit einer Transportfahrt verbinden würden. Confluentes war das Ziel.


    Die heutige Herausforderung bestand darin, dass sie auf dem Hinweg mit der Strömung fahren würden und dann, auf dem Rückweg, wenn sie schon erschöpft waren und die der Laderaum der Keto bis obenhin mit Holzkohle gefüllt war, ging es gegen die Strömung wieder nach Hause. Auch der Wind machte ihnen einen Strich durch die Rechnung - er blies auf der Hinfahrt in ihren Rücken und auf der Rückfahrt würde er ihnen ins Gesicht fauchen. Germania war keine freundliche Provinz.


    Es würde ein hartes Stück Arbeit werden, die veranschlagte Menge Holzkohle nach Mogontiacum zu bringen, doch das war nichts, was Sabaco seinen Marini nicht zutraute. Ein wenig Post hatten sie auch dabei. So schlimm war es nicht, sie würden das Ding schon schaukeln.


    Gleichmäßig tauchten die Ruder ins Wasser. Elegant glitt die Keto um die Kurve. Sabaco warf einen Blick auf Nero. In besonders dicker Kleidung saß er achtern auf einem Fell, einen dicken Stapel Formulare in den Händen, die Sabaco ihm vorbereitet hatte, damit es aussah, als würde er eine weitere Kontrolle von Sabacos Eignung als Suboptio Navalorum durchführen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen und der Tag versprach, kalt, nass und grau zu werden. Meile um Meile glitt die Keto durch die Kälte in Richtung Norden. Stille lag über dem Land und kein Vogel sang.


    "Was für eine verschissene Drecksprovinz", lachte Sabaco.

  • Das Rudern hielt warm, zumindest oben herum. Die Beine waren durch dicke Wollbeinlinge schützt. Ansgar mochte die Herbstzeit eigentlich. Die Farben der Natur, das Streben der Menschen sich für den Winter vorzubereiten. Wieder und wieder ließ er das Ruder vorn einsinken und zog es im Rhythmus der Kameraden wieder auf sich zu.

    Es hieß es geht nach Confluentes zur Transportsicherung. Die Kameraden hofften auf einen nächtlichen Aufenthalt, denn gegen den Strom zurück nach Mogo zu rudern war schon anspruchsvoll und sollte ausgeruht von statten gehen.

    Wieder war der Gubernator mit an Bord. Anscheinend war es mit der Eignung des Suboptios noch nicht zu einer Entscheidung gekommen. Obwohl dieser sich nicht dämlicher anstellte als alle anderen Offiziere.

    Vorn am Bug stand er und starrte nach vorn. Plötzlich lachte er und sagte etwas, was Ansgar nicht verstand. Zu weit saß er von ihm entfernt.

    Doch wenn diesen Kerl etwas erfreute, dann hieß es für die Keto nichts Gutes. Ansgar versuchte im Dämmerlicht etwas zu sehen und gleichzeitig den Rhythmus zu halten.

    Was mochte den Sub so erheitern?

  • Neros Blick wanderte fast liebevoll über die Keto, ehe sein Blick den üblichen steinernen Ausdruck annahm und jeden einzelnen der Mannschaft streifte und zum Schluss auf Sabaco haften blieb. Die Aufgabe war klar, Holzkohle ranschaffen und das unter den gegebenen Möglichkeiten. Die Mannschaft zeigte was sie konnte, gleichmäßig und kraftvoll wurde gerudert. Der Hinweg war noch einfach, der Rückweg vollbeladen gegen die Strömung würde ihnen einiges abverlangen. Aber sie waren Classis Nero machte sich keine Sorgen darüber, ob die Männer dazu fähig waren. Wer auf der Keto oder einem der anderen Schiffe anwesend war, hatte es verdient oder lag unten bei den Fischen.


    Bei dem Gedanken warf Nero einen grimmig-misstrauischen Blick auf den Fluss. Nicht dass ihnen wieder wer vor den Bug schwamm und an Bord des Schiffes gezogen wurde. Auf dem Wasser trieb nichts umher, was dort nicht zu treiben hatte. Jedenfalls nichts, was Umbrenus besorgt hätte. Bei Sabacos Spruch zog er fragend eine Augenbraue hoch und schaute demonstrativ über die Mannschaft. Er hoffte Saba würde den Wink mit dem Zaunpfahl verstehen. Die Mannschaft bestand aus Germanen und der Witz kam vielleicht nicht sonderlich gut an.


    Schließlich konnte er nicht immer auf Sabaco Acht geben, aber besser war es. Neros Blick wanderte zum Himmel, alles in bester Ordnung, die Fahrt ging gut voran.

    "Sub auf ein Wort zu mir", rief Nero nach vorne in seiner üblichen Schiffslautstärke, dass hieß er hätte damit vermutlich jeden Sturm übertönt.

  • Das markerschütternde Gebrüll von Nero riss Sabaco aus seiner guten Laune. Was hatte er denn jetzt schon wieder falsch gemacht. Durch den Mittelgang stapfte Sabaco nach hinten, wo er sich hinhockte, damit er nicht auf seinen Vorgesetzten herunterblickte.


    "Hm?"

  • Neros Blick verfinsterte sich derart, dass sich so manch anderer eingeschissen hätte. Auf Gewitterwolken folgte üblicherweise ein Gewitter und das Donnerwetter von Nero war nicht gerade eines der sanften Art. Nero betrachtete Sabaco eine Weile stumm, blickte erneut über das Schiff und die Mannschaft und starrte dann seinen Suboptio an. Einen Augenblick später hatte er sich zu ihm gehockt und sein Blick wurde ein Spur milder.


    "Suboptio Dein "Germanenwitz" auf einem Schiff voller Germanen, Germanen von denen Dein, mein und unser aller Überleben abhängt ist fehl am Platz. Es gleich woher diese Männer stammen, es sind gute und loyale Männer. Das ist alles was zählt. Die Provinz interessiert nicht, alles was zählt ist dieses Schiff und die Mannschaft die zu diesem Schiff gehört. Das Schiff ist unsere Heimat unsere Mutter, die Besatzung ist unsere Familie. Und wie es im Leben nunmal so ist, kann man sich seine Familie nicht aussuchen Subopito Matinius. Aber jeder hier würde mit seinem Leben diese Planken der Keto und Deinen Arsch verteidigen, also etwas mehr Respekt Deinem Schiff und Deinen Männern gegenüber.


    Du willst sie führen? Du willst kommandieren? Du willst also über dieses Schiff herrschen? Nur zu, dann beherrsche Dich zuerst selbst. Selbstbeherrschung Matinius. Bevor Du etwas von anderen verlangst, liefere. Du hast mehr drauf als diese erbärmliche Saufboldverhalten. Du bist ein Classis, verhalte Dich so. Wärst Du stolz auf Dich als einer Deiner Mannen? W...K... Wohl kaum. Also verhalte Dich so, dass Du Dir selbst mit Freude oder grimmigen Blick folgen würdest.


    Privat Saba, so etwas will ich nie wieder sehen, ich kann nicht immer da sein um Dir den Arsch oder den Kopf zu retten. Ich muss Dich guten Gewissens mit diesem Schiff fahren lassen könnten und mit diesen Männern. Werde keiner von den Kommandanten, die einen Dolch der eigenen Männer zwischen die Rippen bekommen und dann aufgedunsen und grünblau den Rhenus runtertreiben. Der Dolch aus dem Dunkeln, ist die Verzweiflung des kleinen Mannes. Männer die Dir vertraut haben und bitter enttäuscht wurden. Das ist ihre einzige Möglichkeit hohe Tiere zu fällen, glaub es mir. Es geschieht öfter als Du glaubst. Du wirst diesen Schnitzer gut machen, mit einer Sonderration die Du aus eigener Tasche spendierst. Klar?", flüsterte Nero, so dass es nur Sabaco verstehen konnte und boxte ihn vor die Brust.


    Er war kein Mann der einen anderen Offizier vor versammelter Mannschaft zusammenfaltete, das was gesagt werden musste war nur für die Ohren des Sub bestimmt, dienstlich wie privat. Der Ruf zu ihm jedoch war für alle gedacht. Ein Gubernator hatte sie alle im Blick, zu ihrem Schutz.

  • Als der Sub zum Gubernator gerufen wurde folgte ihm eine Welle aus geflüsterten Beschimpfungen. Ansgar bekam Fragmente davon mit als er sich zum Rudern nach vorne beugte. Doch er gab nichts nach hinten weiter. Zum einen war er kein Freund von sinnloser Rebellion, zum anderen empfand er es als normal, daß Römer und besonders Offiziere abschätzig über ihre Soldaten sprachen. Wie die anderen Marini war er ein Peregrini und verdingte sich unter dem Adler weil er sich erhoffte seinen Stand in dieser Welt durch das römische Bürgerrecht zu verbessern. Andere sahen das freilich nicht so.

    Doch so wie es aussah redete ihm der finstere Gubernator ins Gewissen. Der Sub war ein grober Kerl, sicherlich vortrefflich im Kampf. Was die Führung anging, so hatte er noch Nachholbedarf. Ansgar ruderte weiter und reagierte auf die wiederholte Nachfrage seines Hintermanns mit den Worten,

    Nichts ist, kalt ist,...ruder´ damit dir warm wird!

  • Die Belehrung des Gubernators nahm Sabaco wohlwollend zur Kenntnis. Ein Gutmensch war er, der Umbrenus Nero. Ein Offizier des alten Schlages. Glaubte noch an Ehre und irgendwelche alten Werte. Sabaco würde mit ihm nicht darüber diskutieren, jetzt erst recht nicht und später auch nicht. Er mochte diese gute Eigenschaft und wollte sie nicht mit seiner eigenen Verderbtheit kaputtreden. Lieber genoss er schweigend, dass Nero noch nicht so verroht war wie er selbst. Der Offizier, dem Sabaco gern gefolgt wäre, war nicht er selbst, er saß vor ihm, dick eingepackt und beschützt.


    "Jawohl, Gubernator. Ich nehme mir deine Worte zu Herzen und es wird geschehen, wie du sagst."


    Die Bestätigung klang vielleicht etwas sanfter, als man von Sabaco gewohnt war. Er gab sich keine Mühe, zerknirscht zu schauen, das war er nicht, seine gute Laune war völlig regeneriert.


    Nach dem Signal, dass er wegtreten durfte, marschierte er zurück durch den Mittelgang, eine Faust hinter dem Rücken, zufrieden das hässliche Wetter betrachtend. Langsam kroch ein fahleres Grau über die Baumwipfel, doch die Sonne würde heute nicht scheinen. Ach, irgendwie ergriff ihn Nostalgie ... Sehnsucht nach seinen Kameraden von der Legio IX Hispania, Stilo, Speckpansa, Helga. Und doch war er froh, heute hier zu stehen.


    Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, so ist es noch nicht das Ende.


    Derlei positive Binsenweisheiten wäre ihm früher nie in den Sinn gekommen. Doch nun war er glücklich. Sabaco war rundum glücklich. Er hatte seinen Platz gefunden. Hier in der Classis Germania, auf dem schlanken hellen Leib der Keto, inmitten seiner Männer, auch wenn er es ihnen nicht leicht machte, ihn zu mögen.


    Gegen Mittag erreichten sie Confluentes. Grau und Kalt blies der Wind von Süden. Die Luft roch nach Frost, die Gesichter glommen rot.


    Die Rast war kurz, genügte gerade zum Pinkeln und Proviant mampfen, während die Kohle eingeladen wurde. Keinesfalls würde es eine Übernachtung geben. Sabaco war kein netter Kerl, aber Leistung bringen und verlangen, das konnte er. Seine Männer mochten ihn zähneknirschend an ihrer Spitze dulden, doch er holte alles aus ihnen heraus, vergeudete kein Potenzial. Sie waren warm eingepackt und er organisierte Kohle, damit sie nicht froren. Wenige würden seine Sorge richtig einordnen können, doch sie war ehrlich.


    Auf dem Rückweg öffnete Germania seine Himmelsschleusen. Der Wind fauchte ihnen ins Gesicht, schleuderte Schneeregen auf sie hinab, den ersten dieses Jahres. Sabaco musste lachen, verkniff sich aber einen weiteren antigermanischen Kommentar. Er machte es sich vorn bei den Bordschützen bequem und genoss die intensive Sinneserfahrung, die ihm alle Sorgen aus dem Geist fegte wie ein reinigender Regen.


    Was für ein Leben!

  • Die Belehrung nahm Sabaco erstaunlich gelassen, ja fast freudig entgegen. Das war ein gutes Zeichen, anstatt das er sich mit Händen und Füßen gegen einen gut gemeinten Rat zur Wehr setzte. Vielleicht hatte er erkannt, in welcher Gefahr er sich selbst brachte. Möglich war genauso gut, dass er schlicht seine Ruhe haben wollte, aber danach hatte Saba nicht ausgesehen. Seine Pläne gingen weiter, als die meisten vermuteten. Doch das hieß nicht, dass er vor Angriffen oder Gehässigkeiten gefeit war. Die Kohle die sie abholten war für sie alle bestimmt. Für die römischen wie die germanischen Hintern, damit sie bei der Kälte nicht froren. Leichter machte man allerdings derartige Geschenke, wenn man sie dem Empfänger nicht um die Ohren schlug oder ihn damit niederprügelte. Das würde Sabaco auch noch lernen.


    Nero hing noch einen Moment seinen Gedanken nach und warf einen sichernden Blick auf die Truppe. Wen er hier vor wem beschützte war oft die Frage. Am Ende beschützte er alle, damit sie zu einer Mannschaft zusammenwuchsen. Der Wind blies ihnen kalt und eisig entgegen, aber er war derart dick eingepackt, dass ihm trotzdem warm war. Diese verdammten Beinlinge waren doch tauglicher als er es sich eingestehen wollte. Und ebenso war Unterwäsche gar nicht schlecht. Ein eisiger Wind der einen ins Gemächt fasste, war alles andere als angenehm. Aber heute saß er hinten am Heck, besser eingewickelt als eine ägyptische Mumie und freute sich darüber das seine Halsschmerzen schon fast vergessen waren.


    Confluentes. Mittag. Neros Blick wanderte zum Himmel, um in den Wolken das Wetter zu lesen. Frost kündige sich an und hing auch in der Luft. Nichts was in dieser Jahreszeit verwundern würde. Das was die Moral und Männer mürbe machen konnte, war Eisregen. Klare, klirrende Kälte bei Trockenheit machte den wenigsten etwas aus. Kälte die durch Nässe in alle Glieder und regelrecht in die Knochen kroch, war etwas anderes. In der kurzen Pause wurde Essen gefasst, die Kohle verladen und dann machten sie sich bereits auf den Heimweg.


    Nun es gab keinen Eis- sondern Schneeregen, der ihnen den Rückweg erschweren wollte. Unangenehm ja, aber ein wahres Hindernis war Schnee nicht. Nero schaute zum Himmel auf, sah dem Tanz der Flocken zu und mummelte sich fester in seine warme Kleidung. Diese Fahrt musste anständig begossen werden, damit die Kälte aus den Gliedern der Mannschaft vertrieben wurde. Kälte und Argwohn, beides musste Saba vertreiben und zwar mit einem warmen Schluck.


    "Sub, einmal zu mir", rief Nero und man hörte seinem Ton direkt an, dass es keinen Grund zur Beschwerde gab.

  • Etwa die Hälfte des Heimwegs hatten sie hinter sich gebracht, als Nero nach ihm verlangte. Sabaco kam etwas umständlich auf die Beine. Er war groß und bulliger als die meisten. Das ergab ein ordentliches Gesamtgewicht. Seine Knie waren damit nicht ganz glücklich. Aber Sabaco war nicht der Typ, der eine Diät halten konnte oder wollte. Nachdem er sich hochgewuchtet hatte, stapfte er nach hinten, wo er beim Gubernator wieder in die Hocke ging. Auf der Wollkapuze, die am Wollmantel hing, lagen schmelzende Flocken. Der dicke Stoff war schwer und feucht, hielt aber noch dicht.


    "Hrrrm?"

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!