Parvus domus Iunia

  • "Das tut mir Leid.", sagte Tiberios: "Die Römer glauben daran, dass ihre verstorbenen Verwandten Laren und virae werden und stets auf ihre Familie achtgeben. Ich finde das einen schönen Gedanken. "

    Er selbst glaubte nicht daran, aber er wollte Demetrios, der über den Tod seiner verehrten Domina immer noch betrübt schien, gerne trösten. Einige Minuten lang schwiegen sie beide.


    „Jede Art von Wasser ist mir gerade willkommen.“, sagte Tiberios dann. Ein flüchtiges Bad im Zuber, indem er sich mit Wasser übergoss, würde er sich gerne gönnen. Doch er freute sich schon auf das sich lang Ausstrecken im warmen Becken einer Therme, in diesen Genuss war er schon lange nicht mehr gekommen.

    „Ein Balneum mit Hypocaustum ist wirklich eine teure Angelegenheit.“, stimmte er zu:

    „Auf dem Sklavenmarkt nahm ich jedoch ab und zu den Geruch nach Schwefel wahr, und ich könnte wetten, dass es heiße Quellen ganz in der Nähe gibt. Man könnte das heiße Wasser mit Rohren hierher leiten, wie es bereits an vielen Orten, an denen solch ein Geschenk der Götter vorhanden ist, getan wird, und man kann den Heizwert berechnen und außer den Baukosten und der Wartung ist es dann umsonst...“

    Er unterbrach sich, schüttelte leicht den Kopf über das Bild, welches er vor seinem inneren Auge gehabt hatte, legte es ad acta und lächelte Demetrios an:

    „In einer fernen Zukunft nehmen wir das in Angriff“, sagte er in scherzhaftem Ton:

    „Wenn wir einmal soviel Zeit und auch Geld gespart haben, dass wir nicht mehr wissen, was wir damit anfangen sollen.“


    Er merkte, dass er den älteren Sklaven anfing, gerne zu haben. Nicht wie einen Vater, den hatte er nie wirklich gekannt, sondern wie einen alten weisen Menschen, die schon so viel erlebt hatte in seinem Leben, dass er er den Drang nicht mehr empfand, andere anders als mit Güte zu behandeln. Und außerdem nannte er ihn Tibi.


    Gleichzeitig wusste Tiberios jedoch auch, dass er es nicht fertig bringen würde, seine freundliche Domina noch einmal um Schreibzeug oder gar um das Porto nach Satala zu bitten. Sie sorgte für ihn, obwohl er ihr noch kein bisschen nützlich gewesen war, und sie hatte sehr viel Geld für ihn bezahlt.

    Aber ihm fiel schon ein, wen er ersuchen könnte, die Nachricht, dass er noch am Leben war, an Optio Furius zu senden. Nicht weil der ihm etwas schuldete oder schenken würde, sondern weil dieser etwas dafür bekommen würde.


    Tiberios verschwand also, tat mit dem Zuber, was ihm Demetrios geraten hatte,und kam dann wieder recht vergnügt mit nassen Locken zurück. Er schüttelte sich wie ein junger Hund.

    „Jetzt kannst du dich mit mir in Caesarea blicken lassen, Demetrios.“, sagte er.

  • Demetrios winkte ein wenig traurig lächelnd ab bei der Erinnerung an Domina Philoxena. "Das muss dir nicht leid tun. Jeder muss an das glauben, was einen tröstet und was für einen Sinn ergibt. Ich wünschte, dass Domina Philoxena als guter Geist über uns wachen könnte, aber ich weiß, dass sie in ihrer Heimat verwurzelt war und nicht hier bei uns ist. Aber hättest du sie gekannt, dann hättest du sie geliebt. Familia war nicht bloß nur ein Wort für diese Frau und sie hatte ein hartes Schicksal, das sie nicht verdient hatte." Fast schon bedauerte Demetrios wie viel er erzählt hatte. Er schüttelte demonstrativ den Kopf um sich von diesen Gedanken zu befreien.


    Bei den lauten Gedanken zum Thema Anbau für die taberna wurde er aber hellhörig. Ob Tiberios wohl eine Ausbildung in Architektur, Mathematik oder dergleichen genossen hatte? Er würde ihn bei Gelegenheit fragen - vielleicht in der Therme. "Geh dich ruhig waschen und dann gehen wir aber wirklich los, sonst läuft uns die Zeit davon."


    Als Tiberios davon flitzte um sich notdürftig im Zuber zu säubern, nutzte Demetrios die Zeit um ein wenig Platz für Tiberios' Sachen zu machen. Das kleine offene Schränkchen enthielt einige kleinere Glücksbringer, einige hübsche Steine sowie zwei Schriftrollen mit griechischen Heldensagen, die Demetrios' stolzester Besitz waren. Er ordnete die Sachen und schob seine gesammelten Quarze und bunten Kiesel ein wenig zur Seite. Das kleine Tischlein mit der Waschschüssel stellte er zwischen die beiden Betten, damit es für sie beide leicht erreichbar war und er faltete nochmal seine anderen Kleider, damit dann auch Platz für Tibis Klamotten wäre. Sollte es nicht genug Platz sein, konnten er immer noch Proxima um eine zweite Kleidertruhe bitten.


    Er ruhte sich noch einmal kurz aus, damit er für den Ausflug auf den Markt fit war und wartete auf dem Bett sitzend auf Tiberios. Dieser kam einige Minuten später besser gelaunt und auch besser riechend mit noch nassen Haaren zurück. Als dieser sich wie ein Hund schüttelte, musste Demetrios auch wieder lachen und die Trübsal war wie weggeblasen. "Na dann lass uns losgehen, damit wir dir was Anständiges zum Anziehen besorgen und danach in die Therme."


    >> Marktplatz

  • „Ich bin wie deine Domina Philoxena Alexandriner.“, erzählte Tiberios und zitierte ein Epigramm des Kallimachos von Kyrene*, dem bekannten Dichter aus seiner Heimatstadt:

    „ Aber ach, all die Kränze der Lust,

    womit ich mir die Schläfe schmückte,

    jede Salbe, die einst mein lockiges Haar zierte,

    ist verflogen, Freund; die Kränze sind alle verwelkt.

    Auch der Zunge Genuss, jeglich liebliche Kost ging mit der Stunde dahin.

    Nur was die Seele mir schmückte, was durchs Ohr ich dem Geist schenkte, das hab ich, o phíle.

    Die Heimat eines Menschen ist zuweilen der Ort, an dem jemand lebt, den man liebt oder geliebt hat; Demetrios. Ich würde dir gerne zuhören, wenn du mir irgendwann einmal von deiner früheren Domina Philoxena und ihrem Schicksal erzählen möchtest.“

    Er legte ganz kurz seine Hand auf die von Demetrios, denn er spürte, dass dem älteren Sklaven die Vergangenheit schwer auf den Schultern lastete.


    Dann aber sah er, dass sein Mitbewohner schon einen Teil des Schränkchens freigemacht hatte und bewunderte die apotropaia, seine hübschen Glücksbringer und Steine und die beiden sorgsam aufbewahrten Schriftrollen. Er hoffte sehr, dass er ihm beide einmal zum Lesen ausleihen würde.

    Er selbst besaß noch gar nichts, was ihm persönlich gehörte und was er dazu stellen konnte.

    Dennoch bedankte er sich für den Platz, denn damit gab ihm Demetrios das Gefühl, dass er eben ganz und gar willkommen war, und dann gingen die beiden Iuniersklaven auch schon los.


  • Er lauschte kurz dem Gedicht, das Tiberios vortrug, während sie sich auf den Weg machten die Taberna zu verlassen. Es war ein wunderschönes Gedicht und er drückte die ihm dargebotene Hand mit einem seligen Lächeln. Demetrios war zwar nicht in Alexandria geboren, aber er hatte Jahrzehnte seines Lebens dort verbracht und hatte erwartet in Alexandria zu sterben. Es war eine merkwürdige Laune des Schicksals, die ihn in seinem Alter noch einmal verpflanzt hatte. "Wir werden eines Tages über sie sprechen, das verspreche ich dir." sprach Demetrios mit belegter und gerührter Stimme. Danach verließen sie das Zimmer um auf den Markt zu gehen.

  • Die Ankunft des Damocles


    Sklavenmarkt - Ein Unbekannter >>>


    Das Obergeschoss der Parvus Domus Iunia umfasste den Wohnbereich, der aus insgesamt fünf kleinen cubicula bestand, von denen jeweils eines von Domina Proxima und eines von Dominus Verax bewohnt wurde. Zwei weitere Zimmer waren möbliert und warteten auf zahlende Kundschaft.

    Gegenüber auf der anderen Seite des Flurs lag das fünfte Cubiculum, welches sich Demetrios mit Tiberios teilte.

    Die Kammer beherbergte zwei Betten, ein kleines Tischlein mit einer Waschschüssel und einem Krug, eine Art kleines offenes Schränkchen mit Regal, in dem man Kleinigkeiten ablegen konnte und eine kleine Holztruhe für Gewänder. Es gab sogar ein Fenster, welches auf den Hinterhof führte.

    Wenn man ans Fenster trat, blickte man auf das Dach der Terrasse, auf der die großen zugedeckten Tongefäße für das henqet standen und auch der Badezuber, wenn man ihn brauchte, aufgestellt wurde; weiterhin auf den Verschlag für die beiden Ziegen und den Hühnerstall. *


    Tiberios beschloss, Damocles erst einmal sein eigenes Bett zu überlassen, dort konnte er sich vorläufig ausruhen. Er bedeutete ihm, sich bäuchlings hinzulegen:

    „Keine Angst um die Laken. Mit kaltem Wasser und Nitrum bekommt man Blutflecken heraus, zumindest wenn ich Plinius Erläuterungen dazu glauben möchte.“, sagte er leichthin, aber sein besorgter Ausdruck strafte seiner Munterkeit Lügen.

    Er öffnete den beweglichen Teil der Fensterscheibe, da er hoffte, dass sich Demetrios irgendwo in der Nähe aufhielt.

    „Demetrios!“, rief er: „Demetrios, wenn du mich hören kannst, komm bitte nach oben!!“


    Sobald der ältere Grieche auftauchte, würde Tiberios losgehen, um den Badezuber mit frischem Wasser zu richten.

    Zuvor holte er aber noch eine seiner neuen Tunikas aus seiner Truhe, um sie Damocles zu leihen. Mit der, die er jetzt trug, würden nicht einmal mehr die ansonsten so anspruchslosen Ziegen etwas anfangen können.


    Sim-Off:

    *Mit Dank an Iunia Proxima für die exakte Beschreibung der Räumlichkeiten.:)

  • Ich erreichte die taberna und unseren Wohnbereich nur Sekunden nach den beiden Männern, da ich allein und ohne Schmerzen natürlich flinker zu Fuß war. Demetrios war im Hof auf der Terrasse und kam gerade herein, als auch ich Tiberios' Ruf hörte. Ich bedeutete dem älteren Griechen sich nicht zu mühen und machte mich selbst auf den Weg ins Obergeschoss.


    Als ich im Zimmer der Sklaven ankam, warf ich einen kurzen Blick auf die Lage und eilte kurz in mein Zimmer. Dort zog ich schnell eine alte Tunika an und schnappte mir einen Tiegel Fettsalbe, ehe ich in den anderen Raum zurückkehrte. Ich wünschte, ich hätte einen Vorrat an Honig, aber das bisschen unten in der Küche wäre für einen Umschlag nicht genug. Mein Gesichtsausdruck war besorgt und ich legte Tiberios mitfühlend eine Hand auf die Schulter.


    "Nimm die Waschschüssel und fülle sie mit jeweils einem Teil Wasser, Essig und Wein und danach hol bitte noch reichlich Suppe und Trinkwasser für unser neues Familienmitglied. Danach kannst du dich bitte um ausreichend Wasser für den Zuber kümmern. Ich kümmere mich um die Wunden, keine Sorge. Demetrios hat heute einen seiner schlechten Tage." Meine Anweisungen waren präzise, aber weder herrisch noch laut. Der letzte Satz war leiser gesprochen.

  • Verus, als Damocles, übernahm tatsächlich erst einmal Bett, in jenes legte er sich bäuchlings, wie es gewünscht war. Denn es war ihm auch insbesondere recht, sich nun zu schonen und seinen Rücken zu entlasten. Ein Problem ergab sich jedoch, wenn man nun seine Tunika entfernte. Man konnte die Kriegswunden erkennen, die nicht durch eine Peitsche verursacht worden waren, sondern durch Schnitte und Feuer. Auch konnte man an seiner linken Schulter das Zeichen der Legionen erkennnen, welches zwar etwas verblasst war aber noch gut genug sichtbar war. Die Tätowierung war gut gearbeitet worden und die Buchstaben der Inschrift waren sauber getrennt. Dort stand in einfachen Lettern: SPQR. Dies wies ihn als Legionär oder ehemaligen Legionär aus, da es Usus in der Legion war, Legionäre bei Eintritt und bestandener Probatio mit einem Zeichen zu versehen. Dieses Zeichen entsprang der alten Zeit, als die Legionen tatsächlich dem Senat und dem Volke von Rom gedient hatten. Dieses Zeichen war inzwischen zu einem Ausdruck von Zugehörigkeit verkommen und wurde viel mehr aus reiner Absicht vergeben, um Personen als zugehörig zu kennzeichnen. Es hatte sogar Ähnlichkeit mit einer Sklavenmarkierung, nur war es nicht durch Zwang oder ein Brandeisen aufgebracht worden, sondern sauber mit hochwertiger Tinte gestochen worden. Verus konnte sich aber nicht vollens verbergen, da er sich das Fleisch nicht vom Arm kratzen wollte und gestand sich das Risiko zu, eine Erklärung für die Tätowierung zu finden. Deserteure gab es ja auch gelegentlich oder er war ein versklavter Kriegsgefangener.


    In der Regel töteten die Parther jedoch römische Legionäre, so dass die Geschichte nicht durchgehend glaubhaft war. Er würde beim Deserteur bleiben müssen, der in Pontus versklavt worden war und so Schutz vor der Strafverfolgung gefunden hatte. Sofern sich Iunia als übereifrige Römerin zeigte, würde sie ihn an den Statthalter melden müssen, und Verus würde von statores abgeholt werden, um ihn als Deserteur entsprechend zu bestrafen. Doch Verus war genau jener Fall sogar recht, da er hier in Caesarea auch Männer stationiert hatte, die ihn im Notfall helfen konnten. Seine parthische Mission war ein Fiasko gewesen aber dennoch rettete ihn die gute Planung. Er hatte vor seiner Mission einige seiner Besten mitgenommen, sie in der Region auf Posten verteilt, um ein Netzwerk zu errichten. Dieses Netzwerk würde noch funktionieren. Einige waren im Dienste des Statthalters aber auch einige wenige als Tuch- und fahrende Händler angesiedelt worden. Die Mission sollte ohnehin mehrere Monate dauern, insofern hatte sich der Aufwand gelohnt. Irgendwie musste er mit seinem Netzwerk Kontakt aufnehmen. Er wusste von Lucius. Dieser hatte sich als Tuchhändler in Caesarea niedergelassen. Und er wusste von Marcus, der im Dienste eines beneficarius beim Statthalter residierte. Zu beiden Männern konnte er sicherlich irgendwie Kontakt aufnehmen. Doch etwas ließ ihn zögern. Es musste einen Verräter geben. Verus und seine Getreuen waren in Parthien bereits erwartet worden. Jemand aus dem Netzwerk hatte sie verraten. Doch Marcus und Lucius waren loyal, das wusste Verus. Doch der Verräter musste noch aktiv sein. Erst einmal musste er herausfinden, welcher von beiden Männern für ihn erreichbar war und danach musste sie den Verräter ausfindig machen, bevor das gesamte Netzwerk gegen die Interessen des römischen Imperiums gerichtet werden konnte.


    Doch in diesem Augenblick waren diese Sorgen gering, denn Verus verspürte einfach nur einen ziehenden Schmerz. Verus stöhnte unter der Pein und versuchte sich lang auszustrecken, damit etwas Eiter und Wundwasser aus den Wunden brechen konnte. Der Waschzuber wurde bereitet, doch Verus konnte dies nicht peripher wahrnehmen, da er bereits in seinem eigenen Albtraum war. Jetzt bemächtigten sich jene Schmerzdämonen seines Körpers, die er bisher durch Willenskraft fernhalten konnte. Die Ruhe erlaubte es ihnen, ihre böse Magie vollens gegen ihn zu richten. "Ich kann nicht...," stammelte Verus, der sich nicht mehr aufraffen konnte, um zum Waschzuber zu gehen. Die noch am Leibe klebende Tunika verband sich mit den Wunden und jenem Sekret. Jede Bewegung wurde unmöglich. Die römische Frau, wohl Iunia Proxima, bemerkte Verus nicht wirklich, da er bereits in eine Art Delirium abdriftete. Auch ihre Worte hörte er inzwischen in einem diesigen und dumpfen Rauschen. Seine Augen drehten sich ins Weiße und er sackte bewusstlos zusammen. Sein Verstand gab auf, auch seine Willenskraft hatte Grenzen. Sie würden ihn in den Waschzuber tragen müssen. Die kontaminierte Tunika musste heruntergeschnitten werden, um die Wunden zu begutachten, die sich zum Teil entzündet hatten. Seine Überlebenswahrscheinlichkeit war gering und nur die Götter würden entscheiden - oder vielleicht ein herausragendes medizinisches Talent.

  • Anstatt der herbeigerufene Demetrios war es die Herrin selbst, die einen Moment lang in das Cubiculum der beiden Sklaven schaute. Sie ging und als sie nach kürzester Zeit wieder kam, trug sie eine ihrer alten Tunikas. Sie legte Tiberios beruhigend die Hand auf die Schulter.

    Der Sklave erhob sich:

    "Damocles heißt er. Es geht ihm sehr schlecht, Domina Proxima", sagte er und in kaltem Ton, in dem Verachtung für derlei Grausamkeit mitschwang: "Er ist schwer misshandelt worden."


    Mit einem Blick schien die Iunia die Lage zu sondieren und gab Tiberios einige Anweisungen.

    „Sofort, Domina“, antwortete der Grieche und beeilte sich, Suppe in einem tönernen Henkelgefäß, einen Löffel und je einen Krug mit Wasser, Essig und Wein auf einem Tablett aus der Küche zu bringen. Sicherheitshalber hatte er auch saubere frisch gewaschene Leintücher dabei. Er stellte das Tablett auf Demetrios Bett ab.


    Dann füllte er die Waschschüssel nach Domina Proximas Anweisung: Ein Drittel Wasser, ein Drittel Essig und ein Drittel Wein und stellte das Behältnis in ihre Reichweite.

    Damocles stöhnte unterdessen und stammelte: Ich kann nicht, und Tiberios betete einen Moment zu Tyche, dass sie ihn nicht verloren.

    Er sagte: „Solltest du mich brauchen, Domina, ich bin unten auf der Terrasse und fülle den Zuber, bitte ruf nach mir.“, dann verschwand er und überließ den schwer verwundeten Neuankömmling der Pflege der Herrin.

  • Ich nickte Tiberios dankbar zu, ehe dieser das Zimmer verließ. Damocles befand sich bereits halb im Delirium und ich versuchte ihm noch schnell einige Löffel Suppe einzuflößen, als er auch schon wirres Zeug faselte und dann das Bewusstsein verlor. Kurz hielt ich mein Ohr an seinen Mund und konnte noch Atemzüge hören. Auch wenn er schwach war, hatte ich nicht das Gefühl, dass er im Sterben lag und fiebrig fühlte er sich aktuell auch nicht an. Das musste aber nichts heißen, da er auch kein junger Mann mehr war. Wundbrand und Fieber konnten auch den stärksten Mann dahinraffen.


    Wahrscheinlich war es nicht das Schlechteste, dass Damocles in Ohnmacht gefallen war. Der nächste Teil würde nicht angenehm werden bei vollem Bewusstsein. Zumindest lag er schon auf dem Bauch, da er Gesicht voran in das Bett gekippt war. Das machte es mir leichter die Tunika von seinem Rücken zu schneiden. Ich schnitt den Fetzen an den Seiten des Rücken einfach auf und entfernte dann sacht den Stoff vom Rücken. An einigen tief eingekerbten Wunden war alles verklebt, aber ob das Fleisch tief entzündet war, konnte man aktuell noch gar nicht erahnen, da alles verkrustet war. Nachdem die Tunika entfernt war, konnte ich damit beginnen die Wunden zu reinigen. Mit einem der Leinenstreifen, getränkt in die Mischung in der Waschschüssel, fing ich an die Schnitte und den Rücken zu bearbeiten.


    Der Mann wachte auch während der ruppigen Säuberung der Wunden weiterhin nicht auf. Die Krusten und das Verklebte waren weggewaschen und das Fleisch nun gerötet. Am Ende trug ich eine dicke Schicht von der Fettsalbe großflächig auf als Schutzschicht für die Haut. Stoff würde nur wieder mit den Wunden verkleben, also verzichtete ich auf einen Verband. Die Fettsalbe sollte hoffentlich auch Ungeziefer von den Wunden fernhalten. Mehr konnte ich nicht tun im Augenblick. Die tiefen Schnitte und die Tätowierung waren mir natürlich nicht entgangen, aber im Moment hatte dies keine Bedeutung. Hier lag jemand, der Hilfe brauchte. Zeit für Geschichten würde es vielleicht noch in der Zukunft geben, wenn die Götter diesem Mann gewogen waren.


    Hoffentlich würde der Mann bald wieder erwachen und dann könnten wir den Rest von ihm waschen und er würde hoffentlich noch ein paar Bissen zu sich nehmen. Sollte sich die Lage aber verschlimmern, würden wir wohl einen Medicus brauchen. Auf jeden Fall würden wir mehr Fettsalbe brauchen, sollte Damocles nicht dem Wundbrand erlegen. Es würde eine Weile dauern, bis diese Wunden verheilen würden.

  • Verus nahm die Behandlung nicht wahr, denn er war längst an einem anderen Ort, und doch lebte er noch. Dieser Mann besaß eine unbeugsame Willenskraft und eine Standfestigkeit, die ihm verbot, ohne Sinn aus der Welt zu scheiden. Verus konnte noch nicht sterben, denn seine Familie war nicht in Sicherheit und seine Rache am Verräter war noch nicht verwirklicht. Es war dieser kalte Zorn, der sein Herz schlagen ließ, und eine stille Liebe begleitete es. Der Prätorianer schlief einen ungerechten Schlaf. Er wurde heimgesucht von den Gesichtern, die er getötet hatte. Der Fluch eines Mannes, welcher Gewalt als seinen Weg gewählt hatte, suchte ihn heim. Die Gesichter riefen ihn auf, seinen Platz in der Unterwelt einzunehmen. Sie riefen deutlich seinen Namen und doch konnte sich Verus schwitzig und fiebernd der Schatten erwehren, während die Gedanken endlos durch diese farblose Welt glitten, die sein verborgenes Gewissen geschaffen hatte. Eines Tages würde er auch diesen Schatten entkommen; eines Tages, würde auch er frei sein von diesen Ketten, doch waren diese Ketten alles, was ihn im Leben hielt. Der Albtraum war für viele Stunden sein Zuhause, reihte sich in eine Hoffnungslosigkeit, die am Ende im Verlust endete. Doch Verus würde aufwachen. Bald.

  • Nachdem ich die Wunden gesäubert und den Rücken dick mit Salbe eingecremt hatte, ging ich geschafft auf die Terrasse im Innenhof, wo Tiberios den Waschzuber mit kühlem Wasser befüllt hatte. Die alte Tunika, die ich anhatte, war noch wesentlich schäbiger und nach der Behandlung auch viel dreckiger, als das was meine Sklaven trugen. Jeder, der mich so sah, würde mich hier für die Sklavin halten, dachte ich mit einem Schmunzeln. Aber vielleicht konnten sie ja zusammen den rätselhaften Sklaven retten. Allerdings fragte ich mich nicht zum ersten Mal, ob ich diese Anstrengungen und Mühen nicht bereuen würde.


    "Das hast du gut gemacht, Tiberios." sagte ich aufmunternd, aber doch recht müde zu Tiberios, der fleißig auf und ab rannte und die aufgetragenen Aufgaben erledigte. "Ich habe seine Wunden gereinigt und mit Salbe bestrichen. Vorher hat er sich schon ein wenig warm angefühlt, also kann es sein, dass er Fieber bekommt." Gegen Fieber konnte man nicht viel machen...kühle Wickel um die Körpertemperatur zu senken. Aber wenn das Fieber brach, hatte er vielleicht eine Chance. "Sollte Damocles die nächsten ein, zwei Tage überleben, dann brauchen wir auf jeden Fall mehr Fettsalbe für seinen Rücken."


    Ein wenig sehnsüchtig blickte ich auf das reinigende Wasser im Zuber und beschloss, dass ich es wohl auch nutzen konnte, wenn Damocles nicht in der Lage war. Sonst wäre die Anstrengung umsonst gewesen und die Tunika konnte ich danach auch noch darin einweichen. "Demetrios kann heute Abend bei Damocles bleiben und nach ihm sehen. Sei so gut und kümmere dich noch eine Weile um die Taberna, während ich schnell in den Zuber springe und die Tunika auswasche. Ich komme dann und helfe dir."

  • Tiberios schaute auf, als seine erschöpfte Herrin auf die Terrasse kam.

    „Wie geht es Damocles, Domina Proxima? „fragte er sofort: „Konntest du mehr über die Natur seiner Verletzungen herausbekommen? Und über ihn? Ich habe auf dem Weg hierher erfahren, dass er kein geborener Sklave ist, und dass er sich nach seiner Familie sehnt. Wüssten wir, wer sie ist, könnte ihn die Hoffnung gewiss im Leben halten.

    Fieber ist nicht immer von Übel, schon Parmenides von Elea hat geschrieben: `Hätte ich nur ein Mittel, um Fieber künstlich zu erzeugen, ich wollte alle Krankheiten heilen.`,das gilt wohl, wenn die Körperhitze nicht zu hoch steigt. Leintücher für Wickel sind da, und ach ja soll ich Fettsalbe besorgen?“

    Tiberios wusste nicht, ob seine Domina sie gekauft oder selbst hergestellt hatte.


    „Ich kümmere mich soweit um die Taberna und die Gäste, sei unbesorgt.“, fuhr er fort - und holte einen Schemel herbei, damit die Iunia bequemer in den Badezuber steigen konnte:

    “Bitte denke daran, dich später auszuruhen, Domina Proxima. Und denke an mich, wenn du die nächtliche Krankenwache einteilst.“, er warf seiner Herrin einen besorgten Blick zu. Sie war sehr tüchtig, aber obgleich Demetrios und er taten, was sie konnten, lastete ein großer Teil der Arbeit auf ihren Schultern, besonders von dem, was die Taberna betraf. Deshalb sollten weder sie noch der alte Demetrios sich auch noch die Nacht um die Ohren schlagen müssen.


    Tiberios hatte Iunia Proximas Cubiculum mit Poleiminze gegen Ungeziefer ausgefegt; das Holz war mit Orangenöl poliert und zwei Kissen waren mit ausgekämmter und in Pottaschenlauge gereinigten Ziegenhaaren gefüllt worden. – eine römische Dame brauchte seiner Meinung nach Kissen, auch wenn die Hüllen nur aus gewöhnlichen Flachsfasern und nicht aus Seide bestanden.

    Der junge Grieche hoffte, wenn sie ihr Zimmer betrat, würde sie sich über die Aufmerksamkeit freuen.


    Dennoch: Mit der Ankunft von Damocles war ein neues, beunruhigendes, nicht durchschaubares Element in ihr so überschaubares, geordnetes Leben eingezogen, das spürte er so deutlich, als hätte man zu ihm gesprochen. Ob zum Guten oder Schlechten, das wusste nur Tyche. Zunächst aber einmal musste der Neuankömmling leben.

  • Verus hatte einen Traum. Einen furchtbaren Traum. Es war eine Welt, in der er allein war, und sich die Welt nicht um ihn scherte. Er war ein Geist, der zwar unendlich und mächtig war, aber er war allein und nichts konnte ihn verletzen. Seine Unsterblichkeit machte alle Dinge bedeutungslos und alles, was er wollte, wurde zu Staub in seinen Händen. Es war ein schrecklicher Nachtmahr, der sich herabbewegte und seine dunklen Schwingen um ihn legte. Die Dunkelheit umschlang ihn, nahm ihn ein und verdrängte das Licht in seinen Augen. Verus hatte Angst, eine fürchterliche Angst, dass alles, was er war, bedeutungslos war. Diese dunkle Leere war nicht zu füllen, nicht einmal mit Hoffnung, denn die Dunkelheit machte alles gleichgültig. Dort war seine Familie. Seine geliebten Kinder standen dort. Doch konnten sie ihn nicht sehen, lebten ihre Leben, als ob es ihn nie gegeben hätte. Dort war ein anderer Verus, eine Person, die lächelte und ein Leben besaß, welches er nicht mehr besaß. Dieser Verus war alles, was er immer sein wollte, und doch war er nicht dieser Mann. Solange er hier war, konnte ihn nichts verletzen und doch traf ihn dieser Schlag an seinem verbliebenen Verstand, der sich stets geweigert hatte. Er versuchte zu schreien aber sein Kopf war unter Wasser; nun ertrank er und schluckte Wasser, immer mehr. Eine Macht zog ihn in die dunkle Tiefe hinab, an ihm schwammen Leichen mit Gesichtern vorbei, die er kannte. Darunter waren auch Menschen, die er getötet hatte. Diese Gestalten trieben im schwarzen Ozean vorbei und bildeten einen Strudel hinab, durch den Verus hinabstieg, in jenes Nichts. Nun verschwand auch die dunkle Farbe und das Nichts kehrte ein. Verus sah nichts mehr, wirklich nichts mehr und war gefangen in dieser endlosen Stille. In sich selbst gefangen, wollte Verus sich befreien, doch Freiheit stand ihm nicht mehr zu.


    Das Fieber war gekommen, brannte, einem Höllenfeuer gleich und schmolz jenes unmenschliches Eis ein, welches seine Aura immer umgeben hatte. Hier war er sterblich und ein Mensch. Seine Finger begannen zu zucken, packten willenlos ins Laken und seine Arme begannen zu krampfen, während er seine Nase zu bluten begann. Blut lief über sein Gesicht, verteilte sich unter seinen Augen und gaben ihm jenes Gesicht, welches er eigentlich war: ein Ungeheuer. Seine Lippen begannen zu zittern und zogen sich ein Stück hinauf, so dass seine gesunden aber auch spitzen Eckzähne sichtbar wurden, dahinter lag ein strahlenden Backenzahn aus Gold, welcher recht zerbissen wirkte. Die Atmung flachte ab, während sein Herz immer heftiger schlug. Verus begann zu husten und riss die Augen. Delirium. "Luna...," rief er lautstark und spuckte dabei schleimigen Speichel aus. Sie war hier. Irgendwie war sie an diesen Ort gelangt. Aus dem Totenreich. Der Schatten in ihrer Gestalt näherte sich dem Bett für alle, außer Verus, unsichtbar. Der Geist legte seine Hand auf die Schulter des Unheiligen, wollte ihn trösten und leistete ihm in seiner Agonie Gesellschaft. Die Augen des Verus verdrehten sich und er sprach mit brechenden Worten: "Es tut mir leid... so leid.... Ich wollte das Leben führen, welches uns alle bewahren würde.... und ich führte das Leben eines ... das Leben eines ..." Er brach ab, da Luna keine Worte verlangte, sondern schlicht seine Liebe. Und er liebte sie über den Tod hinaus; so sehr, dass es alles egal und unbedeutend war, denn auch in diesem Augenblick seiner schieren Qual war sie bei ihm, kam aus den Tiefen jener Vergangenheit, um ihn zu trösten. Das Blut aus seiner Nase versiegte und begann an seinem Gesicht zu trocknen. Sein Herz beruhigte sich und der Krampf löste sich. Der Moment verflog und der klebend-verschwitzte Verus blickte sich verstört um, da Luna mit einem milden Atemzug verschwunden war.

  • Ich schaute ein wenig nachdenklich, da ich mir schon während dem Reinigen der Wunden Gedanken über den Körper dieses Mannes gemacht hatte. Die Information, dass er kein geborener Sklave war, machte nur um so mehr Sinn angesichts der Wunden und der Tätowierung. Aber alle Rätsel wären uninteressant, wenn der Mann am Fieber starb. "Kein geborener Sklave...das macht Sinn. Er hat viele alte Narben und diese Wunden könnten mehr als nur Züchtigung durch einen Sklaventreiber sein. Er hat auch eine SPQR-Tätowierung...aber ich weiß nicht so recht, was das bedeuten soll. Sagen dir solche Tätowierungen etwas?" Ob der Mann wohl ein Deserteur war oder bei einem Gefecht in Gefangenschaft geraten war? Es wurden nur immer mehr Fragen und nirgends gab es Antworten.


    "Ich bin keine Expertin was Fieber und medizinische Texte angeht...aber er ist kein junger Mann und wenn ihn das Fieber im Griff hat, dann kann es ihn schnell davontragen zu den Göttern. Deshalb auch die kalten Wickel. Heute Abend schafft Demetrios das schon...er hat wieder Probleme mit dem Rücken, aber neben dem Kranken kann er sitzen und die Wickel erneuern. Mach dir deshalb keine Sorgen. Du kannst in einem der anderen Zimmer schlafen und sobald es Damocles besser geht, überlegen wir uns, wie wir die Zimmer neu aufteilen." Die Hälfte der Zwischenwände waren nur aus Brettern und nicht tragend für die Struktur...da konnte bestimmt eine Lösung gefunden werden.


    Ich ließ meine Hand ein wenig spielerisch in den Zuber gleiten und durchs Wasser fahren. Es war kühl, aber am frühen Abend war es immer noch sehr warm und es würde erfrischend sein. "Wenn du morgen einkaufen gehst, dann kannst du dich nach neuer Fettsalbe umsehen und falls Damocles über den Berg kommt, dann brauchen wir auch neue Sandalen und ein, zwei Tuniken für ihn. Diesen Tiegel habe ich noch aus Alexandria mitgebracht, aber es sollte auch hier am Ende der Welt bestimmt so etwas geben." Nachdem viele Duftstoffe und Parfüms mit solchen Fettsalben als Basis gemischt wurden, sollte es nicht allzu schwer sein, neue Salbe zu finden. Dankbar sah ich zu Tibi, als er mir den Schemel vor den Zuber stellte. Ich begann mich aus meiner Kleidung zu schälen, damit ich ein fixes Bad nehmen konnte. "Bringst du mir dann noch eine frische Tunika von oben, bitte?"

  • Nachdem die Iunia in den Hof gegangen war um mit Tiberios zu sprechen und ein schnelles Bad zu nehmen, hatte Demetrios sie am Krankenbett abgelöst. Der Rücken des Damocles sah zum Fürchten aus. Alles war noch gerötet und wulstig zu all den anderen Narben, die der Mann aus früherer Zeit hatte. Anscheinend schien er einen schlechten Traum zu haben, da er versuchte sich ein wenig hin und her zu wälzen und etwas von einer Luna faselte.


    Demetrios erhob sich von seinem Bett und nahm einige der frischen Leinenwickel und begann diese routiniert in kühles Wasser zu tauchen und dann um Beine und Arme zu wickeln. Der Mann schien sich ein wenig wehren zu wollen, aber er war fiebrig und schwach und wer weiß, wovon er träumte in seinem Fieberwahn. Immer wieder entschuldigte er sich bei einer Luna. Ob das wohl eine Verwandte oder die Frau des Mannes war?


    Nach einigen Stunden, in denen Demetrios die Umschläge regelmäßig gewechselt hatte, schien der Mann die Augen aufzuschlagen. Das Fieber schien noch nicht gebrochen zu sein und der Mann sah sehr verwirrt drein. Aber da er wach war, konnte man versuchen ihm ein wenig Suppe einzuflößen. "Damocles, hörst du mich? Hier ist ein wenig Suppe. Mund auf und versuche zu schlucken..." sprach der alte Grieche, während er ihm versuchte einen Löffel Suppe zu verfüttern.

  • Ich schaute ein wenig nachdenklich, da ich mir schon während dem Reinigen der Wunden Gedanken über den Körper dieses Mannes gemacht hatte. Die Information, dass er kein geborener Sklave war, machte nur um so mehr Sinn angesichts der Wunden und der Tätowierung. Aber alle Rätsel wären uninteressant, wenn der Mann am Fieber starb. "Kein geborener Sklave...das macht Sinn. Er hat viele alte Narben und diese Wunden könnten mehr als nur Züchtigung durch einen Sklaventreiber sein. Er hat auch eine SPQR-Tätowierung...aber ich weiß nicht so recht, was das bedeuten soll. Sagen dir solche Tätowierungen etwas?"

    Tiberios nickte: "Legionäre haben solche Tätowierungen zuweilen auf einer Schulter. Ich habe solche ...in den Thermen schon gesehen, Domina.",er lächelte einen Moment in sich hinein, als er sich des angenehmen Anblicks breitschultriger und stattlicher Jünglinge entsann, was nicht nur in den Thermen so gewesen war. Dann brachte er seiner Domina eine frische, lange Tunika mit einer Stickerei am Kragen und ging, um Demetrios in der Taberna abzulösen.

    Viel mehr von Damocles hörte er an jenem Abend mehr. Er hatte kein Problem damit, sich später in seinen Mantel gehüllt auf einer der Bänke schlafen zu legen; an Bord der Piratenschiffe hatte er wesentlich unbequemer geschlafen.

    Am nächsten Morgen jedoch brach er auf zum Markt, die Fettsalbe zu holen, nachdem er aus der Kasse einige Asse genommen und quittiert hatte.

  • Verus konnte geistig abwesend, etwas Suppe zu sich nehmen. Dies war mehr Reflex, denn willensbestimmte Handlung. Gepeinigt von seinen eigenen Dämonen, kämpfte er gegen unsichtbare Geister und Feinde, die er selbst geschaffen hatte. Das Urteil sprach kein Richter, sondern sein Herz selbst. Doch dieses Urteil blieb voller Schuld zurück, denn kein Urteil konnte sein schweres Herz aufwiegen, das ihn in diesem Augenblick tiefer in den sehnsüchtigen Albtraum stieß. Ein Ort ohne Licht, fern von allem, was Leben schätzte und besser machte. Augen und Ohren brauchte er hier nicht, und doch sah und hörte er alles. Die Wände bewegten sich, während der Körper fast regungslos dargebracht war. Einem unheiligen Opfer gleich, wartete Verus auf Pluto selbst, der nicht kam und ihm wieder jede Anwesendheit verwehrte. Unsterblichkeit schien seine Strafe und er musste jede Pein, jeden Schmerz und auch jedes Leid ertragen, denn Verus war stets zu feige gewesen, Pluto durch seine eigene Klinge mit seinem Fleisch als Opfer zu beschwören, denn er liebte seine Kinder und die Erinnerung an seine Luna, die Mutter seiner Kinder. Andere im Namen des Pluto zu opfern, war ihm nicht leicht gefallen aber doch er hatte er es getan, um Rom und seinem Imperator zu dienen. Doch sich selbst konnte er nicht durch eigene Hand opfern, sondern wartete auf die Erlösung durch fremde Hand. Dieses Fieber war ihm nicht gnädig und erlöste ihn nicht, sondern ließ ihn weiter leben, immer weiter leben, weil das Schicksal noch Bedarf hatte. Bedarf an ihm, jenem Unhold, jenem Teufel, wie ihn die Christen nennen würden, der Rom mit kalter Hingabe und blankem Eifer diente, ohne je wirklich angekommen zu sein, in diesem Rom. Doch sein Leid hatte einen Zweck, folgte einer eigenen Logik, war einer Offenbarung gleich und zeigte Verus, dass es mehr gab, immer mehr gegeben hatte, als diese eine Pflicht und so fand er im Fieber eine Erlösung fern eines Opfers. Der Grund lag dort, direkt vor ihm, tief verborgen im schwarzen Ozean der wandernden Gedanken, dort sah er es, dass auch seinem Leben, gegen jedes Urteill, auch Lebenskraft und Wunder beiwohnte. Auch er lebte, so leidlich und falsch es war, doch auch dieser Römer lebte und konnte lieben, atmen und sich erfreuen, denn er hatte etwas hinterlassen: Liebe. Er liebte seine Luna, seine Kinder und seine Freunde. Doch die Bereitschaft sich dem Urteil zu stellen, lebte ebenso. Es gab kein Entkommen und doch konnte sich Verus jetzt leichter dem Urteil stellen, es akzeptieren, und für nicht für sich aber für andere weiter leben. Der Schweiß rann seinen Wangen, während seine Augen klarer wurden, immer weiter an Verstand und Sicht gewannen. Hier lag er, entblößt als bloßer Mensch und frei von jeder Verantwortung als Trecenarius, frei von jenem Befehl des Augustus und seiner eidgebundenen Pflicht als Prätorianer; alles, was er nun war, reichte aus und mit einem kräftigen Atemzug kämpfte sich der willenstarke und ungebrochene Verus zurück, in den Tag, durch die Nacht, und einen weiteren Tag, bis er seinen Kopf zur Seite wandte. Er sprach mit kräftiger Stimme, in der Hoffnung, dass ihn jemand hören würde: "Ich bin hier!" Und in der Tat war er wieder hier, zum Unglück oder Glück, mochte sich noch entscheiden aber Verus lebte und wollte seine Zeit nicht mehr verschwenden. Denn Pluto würde eines Tages sein Herz fordern.

  • Tiberios nickte: "Legionäre haben solche Tätowierungen zuweilen auf einer Schulter. Ich habe solche ...in den Thermen schon gesehen, Domina.",er lächelte einen Moment in sich hinein, als er sich des angenehmen Anblicks breitschultriger und stattlicher Jünglinge entsann, was nicht nur in den Thermen so gewesen war. Dann brachte er seiner Domina eine frische, lange Tunika mit einer Stickerei am Kragen und ging, um Demetrios in der Taberna abzulösen.

    Viel mehr von Damocles hörte er an jenem Abend mehr. Er hatte kein Problem damit, sich später in seinen Mantel gehüllt auf einer der Bänke schlafen zu legen; an Bord der Piratenschiffe hatte er wesentlich unbequemer geschlafen.

    Am nächsten Morgen jedoch brach er auf zum Markt, die Fettsalbe zu holen, nachdem er aus der Kasse einige Asse genommen und quittiert hatte.

    Hmm...Legionäre...ob der Mann wohl ein Deserteur war oder bei einem Gefecht gefangen genommen wurde? Desertation wurde hart bestraft und man landete leicht in der Sklaverei in einem wilden Land wie diesem hier. "Fragen...Fragen...Fragen...und keine Antworten..." seufzte ich vor mich hin im Badezuber, als auch schon Tiberios mit einer neuen Tunika kam, die eine Stickerei am Kragen trug. "Hab Dank, Tiberios." erwiderte ich lächelnd, während ich mich mit einem Schwamm wusch.


    Wo diese Stickerei wohl herkam? Ich konnte mich nicht entsinnen, dass ich sie so gekauft hatte und selbst hatte ich weder Fertigkeit noch Geduld dafür. Ich konnte leidlich spinnen und weben und zog es vor fertiges Tuch zu kaufen, da mir ein regelmäßiger Faden nur selten gelang und nähen war bei mir auch nur mittelmäßig. Ob Tiberios das bestickt hatte? Zutrauen würde ich es ihm...er war immer so zuvorkommend und versuchte mich ständig mit feinen Dingen zu verwöhnen, was ich nicht gewohnt war. Ich war nicht wie eine feine Dame aufgewachsen sondern in einem Handwerkerviertel, da mein Vater nur ein gemeiner Legionär war und auch die Familie meiner Mutter nicht besonders vermögend war. Mir fehlten feine Parfüms oder Kleidung aus Seide nicht. Diese Taberna war größer als das Haus, in dem ich geboren wurde.


    Nachdem ich fertig war mit dem kurzen Bad und mich abgetrocknet hatte, schlüpfte ich in die hübsche Tunika und schritt wieder in die Taberna. Das Abendgeschäft wartete auf mich und Gäste wollten etwas zu essen. Als ich spät nachts in mein Bett fiel fiel mir allerdings erneut auf, wie gut es in meinem Zimmer roch. Ich musste herausfinden, warum es so herrlich hier roch und warum mein Kissen so weich war. Doch heute war ich viel zu müde dazu.

  • Mit steter Hand fütterte der alte Grieche Demetrios dem kranken Mann Löffel um Löffel Suppe, so viel wie er vertrug und schlucken konnte. "Es ist alles gut, Damocles. Versuche auf dem Bauch liegen zu bleiben. Wir haben deinen Rücken gesäubert und mit Salbe bestrichen. Die Wunden könnten aber mehr aufbrechen, wenn du dich herumwälzt oder auf den Rücken drehst." Nach der Suppe kamen einige Schlucke Wasser, die er dem auf dem Bauch liegenden Mann ebenfalls mit dem Löffel verabreichte. Die Haut des Mannes war nach wie vor sehr warm trotz der kalten Wickel und es war fraglich, ob er wirklich über den Berg war und das Fieber schon gebrochen war.


    Es waren nur einige Stunden bisher vergangen und Fieber konnten tagelang wüten, bis der Körper völlig aufgezehrt war. "Du bist immer noch sehr warm. Versuche dich nur wenig zu bewegen und ich werde die kalten Wickel erneuern. Tibi oder ich können dir gerne auch morgen vorlesen, sobald wir wieder Sonnenlicht haben. Falls du deine Notdurft verrichten musst, dann helfe ich dir gerne beim Aufsetzen." Der Nachttopf stand direkt unter Demetrios' Bett und war leicht zu erreichen. Der alte Grieche lächelte dem kranken Mann aufmunternd zu.

  • Es gab im Leben einer Person so manche Tore, durch die sie schreiten konnte oder auch nicht aber letztlich musste jede Person ein Tor wählen, durch das sie gehen konnte. Jeder andere Weg war Betrug und führte nur im Kreise, denn eine Weigerung jene Portale zu sehen, war das Gefängnis. Die ständige Wiederholung der Weigerung war der Abschied, dem sich Verus auslieferte. Verus war stets durch die falsche Portale geschritten und hatte stets falsch gewählt, manchmal aus Absicht und manchmal auch aus Folgsamkeit. Sein Leben fand seine Bedeutung nur in anderen und einer Aufgabe aber nicht durch sich selbst, so dass auch sein Kampf mit dem Abgrund seltsam leer war. Zu oft war er an diesem Ort gewesen, hatte es erlebt und gesehen, war hindurch gegangen und war nicht ins Leben als Lebendiger zurückkehrt, sondern als etwas anderes. Ihm folgten Soldaten, ihm folgten Monster und Unheilige, fast so als ob er selbst aus einer anderen Welt gekommen war, um noch etwas mehr Licht in dieser Welt erlöschen zu lassen, doch dabei fürchtete er das Licht nur. Denn Licht enthüllte stets seinen Schmerz und Verlust. Der Schmerz gab ihm eine Erinnerung an ein Leben, wollte ihm Geleit sein, während sein Verstand erneut jede Weigerung aussprach, die gegen alles in dieser Welt gerichtet war. Einzig seine Liebe zu seiner Luna, der ewigen Erinnerung, verblieb gleichgültig und stur in seinem Herzen.


    Verus aß die Suppen, die Mahlzeiten mit kalten und leeren Augen, denn sein Verstand wollte nicht hier sein, nicht mehr anwesend sein, während er seine eigene Hölle fernab fand. Das Fieber kehrte nicht zurück. Verus ließ sich wortlos helfen, immer wieder; bei jedem Gang und jeder Behandlung. Das Fieber war endgültig entschwunden. Es verschwand mit den Wunden, die über Tage hinweg, wenn nicht sogar Wochen, verheilten. Nur Narben blieben. Die Narben verließen ihn ebenso wenig, wie seine seelischen Wunden, die für immer bluten würden und mit ihrem Blut alle ertränken würden, die sich gegen seine Pflicht stellten. Er war der böse Geist des Kaisers, beschworen und angekettet durch diese eine Pflicht, die nicht Erlösung war, sondern mit jedem Befehl das Unausweichliche nur verschob. Auch der Geist des Unheiligen kehrte aus der Tiefe zurück. "Mir geht es wieder besser," sagte er und nickte Demetrios zu, der ihm erneut half. Dieser Grieche hatte sich bewährt und fast glaubte Verus, dass seine Verbrechen vergeben waren.


    Sim-Off:

    Ich habe es mal abgekürzt, damit wir ein wenig voran kommen, da wir sicherlich nicht jetzt nicht drei Wochen Krankheit ausspielen wollen. xD

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