So, jetzt also ganz in Ruhe die Fakten unseres heutigen Ausfluges zur römischen Wasserleitung von Liestal nach Augusta Raurica in der Schweiz. Bilder könnten noch etwas länger dauern, bis ich die vom Handy hochgeladen habe. Wer dringend welche sehen möchte, sollte die 3 folgenden Links zu den Photos im heutigen Facebook Beitrag des IR anschauen:
- (3) Facebook - Photo des Innenraumes der Wasserleitung mit noch heute zufliessendem Wasser.
- (3) Facebook - Photo der wasserdichten Verputzschicht (ca. 80cm hoch) und der Kalkschicht nach 300 Jahren Nutzung.
- (3) Facebook - Detail der verschiedenen Schichten des Innausbaus: Seitlicher Verputz mit Kalkschicht, "Wurst" zwischen Boden und Wand, Boden
(Alle 3 Photos von mir)
Die Website der Archäologie Baselland zu diesem Schmuckstück findet ihr hier: Die römische Wasserleitung von Lausen nach Augst (bl.ch)
Gebaut wurde die Wasserleitung vermutlich um die Jahre 30/40 n.Chr. zur Regierungszeit des Kaisers Tiberius.
Warum jedoch bauten die Römer eine 6.5 km lange Wasserleitung in die Landschaft, wenn doch die Stadt Augusta Raurica jede Menge Wasser in der Nähe hatte? Der Rhein und 2 kleinere Bäche fliessen nämlich unmittelbar an der Stadt vorbei und würden diese mit Wasser versorgen. Doch die Römer wussten schon, dass Wasser in der Nähe von Städten irgend einen Zusammenhang mit ihrer Gesundheit hat. Sie verstanden zwar noch nicht, was es mit Bakterien und Fäkalien/Abfällen auf sich hatte, aber sie hatten bemerkt, dass es gesünder war, wenn man Quellwasser nutzte, oder sonst, wenn es schon Fluss- oder Bachwasser sein musste, dieses über eine längere Strecke transportierte. (Verunreinigungen setzen sich durch die tiefe Fliessgeschwindigkeit des Wassers auf dem Grund der Leitung ab und mit dem Bau von speziellen Sammelbecken, welche regelmässig gereinigt wurden, konnte man auch Flusswasser gut reinigen.)
Schon länger vermuteten die Archäologen einen Stausee oder ein kleines Wehr in der Nähe von Lausen, um dort den Fluss Ergolz zu stauen und somit gereinigtes Flusswasser für die Wasserleitung abzuzweigen. Vor einigen Jahren wurde beim Bau eines neuen Mehrfamilienhauses eine geologische Struktur gefunden, welche man dann auch auf historischen Karten aus dem 18. Jahrhundert nachweisen konnte. Der Flurname und weitere Zeichnungen auf den Karten lassen den Schluss zu, dass die Römer diese natürliche Struktur (eine wasserdichte Felsnase im sonst äusserst porösen Gestein der Region) baulich erweitert hatten und so die Ergolz zu einem See gestaut hatten. (Ersichtlich auf dem Download des Flyers von der Homepage.)
Der geplante Verlauf der Wasserleitung wurde dann errechnet und festgelegt und die ganze Länge von 6.5km entsprechend planiert und mit einem Fundament versehen. Die unterschiedlichen Strukturen in den Mauern der Leitung zeigen deutlich, dass man gleichzeitig in verschiedenen Bauabschnitten gearbeitet hat. Das Gefälle der Leitung liegt durchgehend bei 1.5 Promille, also 1.5mm auf 1m oder anders gesagt bei 1.5m pro 1km. Moderne Messungen haben ergeben, dass der effektive Höhenunterschied auf die gesamten 6.5km etwas weniger als 10m beträgt. Selbst wenn das Gelände dabei nicht hilfreich gewesen wäre, kein Problem für die genialen römischen Ingenieure. In dieser Region jedoch musste nicht einmal ein Aquädukt gebaut werden. Man konnte die Wasserleitung direkt in den Hang des Hügels hinein bauen. Damit Wasser, welches vom Hügel abläuft, das Bauwerk nicht gefährdet, hat man an verschiedenen Stellen Zuläufe eingebaut, so dass dieses Grundwasser, oder auch zusätzliches Quellwasser, unterwegs zum Zielort aufgefangen und ebenfalls genutzt werden konnte.
Im Laufe der rund 300 Jahre, in welchen die Leitung aktiv war, setzte sich an den wasserdicht verputzten Wänden (mehr dazu weiter unten) automatisch Kalk aus dem Wasser ab. Die Höhe dieser Kalkschicht zeigt uns deutlich an, wie viel Wasser durch die Leitung geflossen ist. Die Berechnungen ergeben rund 300 Liter pro Sekunde! Das ist wesentlich mehr, als irgend jemand heute aus seinem Wasserhahn herauslassen kann. Zitat von der Homepage: "Pro Tag flossen somit rund 25'000 Kubikmeter Wasser nach Augst. Bei einer hoch geschätzten Einwohnerzahl der Römerstadt von gegen 20'000 bedeutet dies 1250 Liter Brauchwasser pro Person und Tag. Zum Vergleich: Privathaushalte brauchen heute etwas mehr als 160 Liter (davon 30% für die Toilettenspülung); inklusive des Bedarfs von Industrie, Gewerbe und Öffentlichkeit steigt die Menge auf gegen 400 Liter pro Person und Tag." Wir verbrauchen heute also selbst bei grosszügiger Berechnung bloss ein Drittel von dem Wasser pro Person und Tag, das vor 2000 Jahren jedem einzelnen Bewohner von Augusta Raurica zur Verfügung stand!
Nach dem Fundament wurden die Wände und danach mit Hilfe eines innenseitig angebrachten Gerüstes die Gewölbedecken erbaut. Die Spuren der Bretter dieser Gerüste und die Nischen, in welchen die entsprechenden Stützbalken gestanden haben, sind noch heute zu sehen! Erst nachdem so die Leitung erbaut worden war, wurde mit wasserdichtem "Ziegelschrot"-Verputz der Boden, die Seitenwände bis zu einer gewissen Höhe und danach noch dort wo Boden und Wände aufeinander treffen mit je einer seitlichen "Wurst" der Innenausbau abgeschlossen. Der grosse Vorteil dieses speziellen Verputzes ist, dass selbst bei einem Riss, falls Wasser in eine Schicht eintreten würde, dieses sofort auf eine weitere Schicht ungelöschten Kalk trifft. Die Reaktion von Wasser mit dem Kalk führt dazu, dass solche Risse sofort geschlossen werden und der Verputz praktisch "selbstheilend" immer wasserdicht bleibt. Zusätzlich zu diesem Wunderwerk der römischen Bautechnik setzte sich noch der im Wasser mitgeführte Kalk an den Wänden und dem Boden ab und baute über die gesamte Zeit der Nutzung eine weitere wasserdichte Schicht auf. Diese ist heute an gewissen Stellen bis zu 5cm dick! Erst wenn die Wasserleitung nun komplett fertig gebaut war, wurde sie wieder mit dem zuvor entfernten Erdreich bedeckt und nur in regelmässigen Abständen blieben Zustiege für die Reinigung offen, damit die "Servi Publici", die öffentlichen Sklaven, welche für den Unterhalt solcher Leitungen zuständig waren, jeden Abschnitt kontrollieren konnten. Durch das Abdecken der Leitung mit dem zuvor entfernten Erdreich, stellten die Römer sicher, dass die Leitung nicht so leicht mutwillig zerstört und die Wasserzufuhr nicht unterbrochen werden konnte. Ausserdem hielt diese Massnahme die Leitung schön kühl und das Wasser blieb damit während dem gesamten Transport frisch. Zum Bau solcher Dinge wurden mit grösster Sicherheit Teile der ansässigen militärischen Einheiten, sowie spezialisierte Ingenieur-Trupps benutzt. Die Einheimischen waren nämlich im Bau mit Stein nicht so geübt wie benötigt. An verschiedenen Orten ist sogar nachgewiesen, dass nach einem Murgang oder einem Einsturz die Leitung nicht repariert wurde, sondern ein "Bypass" gebaut wurde!
In der Nähe von Augusta Raurica angekommen, musste ein natürliches Tal überbrückt werden. Hierfür erbauten die Römer einen Aquädukt, der schon lange bekannt und dessen Verlauf ziemlich gesichert ist. Leider ist jedoch heute nichts mehr davon erhalten. Damit der Wechsel von der (nun wieder) unterirdischen Leitung zum Aquädukt möglich wird, geht man davon aus, dass ein sogenanntes Wasserschloss gebaut wurde. In diesem wird das Wasser von der Wasserleitung gesammelt, bis es die richtige Höhe erreicht um in den Aquädukt zu fliessen. Der Aquädukt transportierte nun das Wasser über das natürliche Tal und die letzten Meter bis zu einem weiteren Wasserschloss am Rande der Stadt. Auch dieses muss man sich als grosses Reservoir vorstellen, von welchem in unterschiedlichen Höhen die diversen hölzernen Druckleitungen abgingen, um das Wasser an den Bestimmungsort in der Stadt zu bringen. Zu unterst waren immer die Leitungen für die öffentlichen Brunnen. Diese wurden das ganze Jahr hindurch immer mit Wasser versorgt! Von dort wurde das Wasser weiter durch die öffentlichen Toiletten geführt und dann in die Cloaka Maxima der Stadt, welche wiederum in einen der beiden Bäche geleitet wurde und der ganze Dreck so schlussendlich im Rhein landete. Auf der zweiten Ebene des Wasserschlosses lagen die Leitungen zu den öffentlichen Thermen. Sobald genügen Wasser vorhanden war, wurden die Thermen ständig mit frischem Wasser versorgt. Solche Zu- und auch die entsprechenden Abläufe, kann man noch heute im römischen Bad in Bath in England bestaunen. In den Thermen herrschte also ein ständiger Wasseraustausch und somit auch immer eine leichte Strömung in den Becken. Erst auf der höchsten Ebene lagen dann die Leitungen zu den Häusern der reichsten Bürger. Diese hatten sogar so etwas wie einen Wasserhahn im Haus, damit man das Wasser dosiert nutzen konnte! In vielen südlichen Grossstädten wurde regelmässig das Reservoir bis zur Höhe dieser Leitungen geleert und dieses Überschusswasser für die Strassenreinigung genutzt. Für Augusta Raurica ist dies nicht nachgewiesen. Die Stadt ist zu klein und das Klima zu gemässigt, um diese Massnahme nötig zu machen. Die Leitungen von diesem zweiten Wasserschloss in die Stadt waren aus Blei oder Holz, damit sie dem Druck des Wassers standhalten konnten. Entgegen der gängigen "Gerüchte" starben die Römer nicht an Bleivergiftung. Nur ganz am Anfang, bei einer neuen Leitung, wurden ein wenig Blei ausgewaschen. Doch schon nach wenigen Tagen dichtete eine Schicht von abgelagertem Kalk das Blei komplett ab, denn damals gab es noch keine Entkalkung des Wassers! Für die letzten Meter im eigenen Haus wurden dann Tonrohre zusammengesteckt. Diese waren jedoch nicht stark genug, um über grössere Distanzen Wasser zu transportieren.
Diese uns heute gezeigten Funde und Erkenntnisse belegen, dass die Römer lieber weit entfernt von einer Stadt Wasser gestaut und es dann über Leitungen und Aquädukte in die Stadt transportiert haben, als dass sie Flüsse oder Bäche, welche durch die Stadt verschmutzt wurden, für die Wasserversorgung genutzt haben. Arbeit wurde nicht bezahlt und die Legionen mussten ja auch in Friedenszeiten etwas zu tun haben, also bauten und unterhielten sie die Wasserleitungen des Imperiums.
Dies wird vermutlich auch für die wasserarmen Provinzen in den Wüsten südlich und östlich des Mittelmeeres so gewesen sein. Lieber ein Stausee weit weg und ein Aquädukt, den man ständig patrouillieren musste, als verschmutztes Flusswasser aus der Nähe!