"Seht her!" Die Stimme des alten Sklavenhändlers Martouf bellte fast, als er seine neuen Waren anpries. Er hatte einige Sklaven von den Wüstenstämmen erworben. Er hatte sich angewöhnt, nicht nachzufragen, woher sie ihre Ware bezogen und wo die Quelle für allerhand unterschiedliche Sklaven war. Verus selbst nahm das Geschehen aus einem Käfig unterhalb der Holzbühne war, während er seine Mitgefangenen betrachtete. Darunter waren Frauen und Männer unterschiedlichen Alters. Die Fußkette brannte an seinem geschundenen Fleisch und war viel zu eng. Er schwitzte und bekam kaum Luft, da an diesem Ort zu viele Menschen zusammengepfercht waren.
"Alles wird gut," versuchte er seine Mitgefangenen zu beruhigen, die wenigstens, wie er selbst, gewaschen und eingekleidet worden waren. Die Sklaven sollten einen guten Eindruck machen, so hatte Martouf auch für ausreichend Posca gesorgt, der in einem Eimer mit einem Trinklöffel herumgegeben wurde. Auf den letzten Metern wollte er seine Ware nicht noch an den Durst verlieren. Auch Verus nahm sich eine Kelle vom alten Posca, der nicht unangenehm schmeckte aber auch keine geschmackliche Offenbarung war. "Deserteur," murmelte eine alte Frau, die neben Verus saß und deutete mit einem gekrümmten Finger auf seine Tätowierung. In der Haut auf seinem linken Oberarm stand in einem inzwischen verblassten Schwarz geschrieben: SPQR. Er trug das Zeichen der Legionen. Auch das wusste die Frau. "Ich bin kein Deserteur," meinte er und kümmerte sich nicht weiter darum. Die ältere Frau schmunzelte. "Warum bist du dann hier?" Verus blickte leicht erbost zur Frau und zog die Tunika ein wenig herab, damit die Tätowierung nicht mehr allzu sichtbar war. "Es hat seine Gründe," antwortete er und wischte sich ein wenig Schweiß von der Stirn. Er war nervös. "Du könntest uns helfen. Du kannst kämpfen," erklärte die alte Frau und deutete in die Runde der Anwesenden. "Du weißt, dass wir keine Sklaven sind." Verus nickte langsam und schob seinen Fuß mit der Fußkette in eine bessere Position, in der er das Gewicht nicht mehr so sehr spürte. "Eine Flucht an diesem Ort würde mit dem Tod vieler enden," sagte der erfahrene Soldat, der Verus nun einmal war. "Ich werde sie nicht alle retten können und zu dieser Zeit ist es besser als Sklave verkauft zu werden, als unter der Peitsche oder am Kreuz zu enden," meinte er und offenbarte damit insgeheim eigene Taten. Denn er hatte Hunderte versklavt, ebenso viele ans Kreuz gebracht und war nicht minder schuldig an dem ganzen System, welches nun auch ihn gefangen hatte. Vielleicht mochte es Verus sogar, dass er an diesem Ort gefangen gehalten wurde. Es veränderte die Perspektive und es machte das Falsche richtig und das Richtige falsch. "Du bist kein Römer mehr. Eure Macht hat dich verlassen," sagte die alte Frau und deutete erneut auf die nun verdeckte Tätowierung, jenem Zeichen der Legionen. "Du bist entweder geflohen oder aus Feigheit davon gerannt. Niemand verlässt die Legionen und gerät an diesen Ort." Verus schmunzelte bitterböse. Er sah eine gewisse Wahrheit darin. In der Tat war er aus Rom geflohen aber nicht nur aus eigenem Wunsch. Der Kaiser hatte ihn geschickt aber diese Mission kam ihm gerade gerecht, da er sich mit einem der beiden korrupten Gardepräfekten überworfen hatte. Es war gut gewesen, Abstand zwischen verschiedene Probleme zu bringen und gleichsam dem Kaiser zu dienen, der seine Kinder beschützen würde. Rom war grausam. Und auch in dieser fernen Provinz hatte es nicht an Grausamkeit verloren. Nur war er jetzt am anderen Ende der Hierachie. Er hatte keinen Beweis seiner Position oder seines Namens, sondern war nur einer von einem Haufen Sklaven, die nie jemand groß überprüfen würde. Bei einer Flucht, die ihm mit Mühe gelingen konnte, würden alle anderen hier an diesem Ort leiden oder sterben. Rom würde entsprechend antworten, denn flüchtige Sklaven untergruben das gesamte System und gefährdeten den sogenannten Frieden. Es war das unglückliche Los des Lebens, wer nun Sklave war und wer nun Herr war. Manches war durch Geburt bestimmt, und wiederum andere Schicksale durch das Leben selbst. Verus amüsierte sich verstohlen darüber, dass er nun ganz unten war. Ein gewisser Wahnsinn lag dabei für einen Moment in seinen Augen.
Doch war er nicht wütend oder erbost darüber, sondern akzeptierte es, da er es so schnell ohnehin nicht ändern konnte. Er kannte die römischen Gesetze und er kannte die Legionen. Es gab keine Chance für die Anwesenden, vorerst. Er überlegte, wie er ihnen helfen konnte. Doch ihm fiel keine angebrachte Lösung ein. Und so egoistisch war er nun auch nicht, dass er alle Anwesenden opfern würde, um sich eine Chance zu erkaufen, die auch bei einer anderen Gelegenheit kommen würde. Sie konnten nichts für ihre Position. "Wir alle laufen vor etwas davon," antwortete Verus und nahm sich noch eine Kelle Posca, die er fast bestienhaft herunterschlang, da der Durst ihn aus der Wüste bis an diesen Ort begleitet hatte. Die alte Frau gab ihre Versuche auf. "Denk an deine Götter," meinte sie nur und blickte dann leer auf den Boden. Verus schwieg nun ebenso. Er konnte die Welt nicht verändern und hatte sie sogar mitgeschaffen; genau dieses Rom hatte er verteidigt. Der Gitterverschlag wurde geöffnet und die ersten Reihen traten uns fadenhafte Licht des Sklavenmarktes. Stockhiebe sicherten den Weg ab und trafen gelegentlich einen Sklaven, der abweichen wollte. Auch Verus stand auf und versuchte sich vor dem Licht, welches stark in seine Augen fiel, zu schützen. Auch ihn traf ein Stockhieb auf seinen Oberarm. Er zuckte zusammen, da der Rohrstock genau jene Wunde traf, die er einst in Germanien im Krieg empfangen hatte. Sein Rücken schmerzte, da die Narben der Peitschenhiebe noch frisch waren. Es war seine Katharsis, denn was er so vielen angetan hatte, fiel nun in aller Härte auf ihn zurück. Verus ertrug es duldsam, wie er vieles im Leben ertragen hatte. Es würde der Moment kommen. Geduld war eine Stärke der Prätorianer. Ihre Pläne konnten Jahre dauern. Das auffordernde Gebrüll der Wächter verstummte als er die Treppe hinauf zur Bühne erreichte.
"Die beste Ware an Arbeits- und Haussklaven," donnerte Martouf über den Markt. Es hatten sich viele Römer und auch lokale Persönlichkeiten versammelt. Für viele hier ansässige Römer war der Sklavenkauf eine gute Abwechselung, da man mit etwas Glück einen perfekten Diener erwerben konnte oder auch einen Gladiator für die privaten Spiele, die in den Grenzlanden verbreitet waren und nicht nach den römischen Leitlinien abgehalten wurden. Eigentlich waren sie verboten, denn die Römer wollten faire und gerechte Spiele, die nach einem Regelkatalog abliefen aber wo kein Kläger, da kein Richter. Auch viele Römer beteiligten sich an diesen wilden Spielen, indem sie eigene Gladiatoren bereit stellten. Doch es war nicht die Zeit für private Kämpfe. Verus trat mit den anderen Gepeinigten auf die Bühne. Die Stufen waren grob aus Holz gearbeitet und schwierig zu besteigen, da er immer noch keine Schuhe trug und seine Füße durch den langen Marsch aufgeben wollten. Die Fußkette gab bei jedem Schritt ein dumpfes Geräusch von sich. Die ersten Sklaven, darunter einige junge Frauen, waren schnell als Haussklaven verkauft und wurden mit hektischen Stockhieben zum Ausgabeschalter getrieben. Einige von diesen Unglücklichen, aber nicht alle, wurden sofort mit einem Brandzeichen versehen, sofern es der neue Besitzer forderte. Eine Prozedur, die Verus als Henker und Vollstrecker, bei einigen Sklaven selbst angewandt hatte. Der Geruch brannte in seiner Nase. Erlöst wurde Verus nicht, denn nun war er in die Mitte geführt und von Martouf, der seine landestypische Tracht trug, vorgestellt. Mit einem Stock hob er das Kinn von Verus an, um ihm so wenig, wie möglich, zu berühren. "Ein echter Kerl für die grobe Arbeiten! Er ist zwar schon älter aber ich garantiere für ein langes Leben, da er gesund ist! Dieser Sklave spricht nicht oder zumindest hat er mit uns nicht gesprochen. Es ist also ein Geheimnis, ob er klug oder dumm ist." Natürlich sprach Verus nicht mit seinen Gefängniswächtern oder jenen Personen, die ihn gefangen hielten, doch Martouf machte daraus ein Verkaufsargument. "Er ist groß und eignet sich sicherlich auch für die Minen oder harte körperliche Arbeit." Verus blickte nun von der Bühne herab und erkannte zwei Legionäre in den hinteren Reihen. Sollte er um Hilfe rufen? Sie würden ihm nicht helfen, da er keinen Beweis hatte und viele Sklaven dies versucht hatten. Er hatte nicht mehr den Schutz seines Standes und er sah auch nicht mehr so aus. Es würde nicht funktionieren, da war er sich sicher. Dafür kannte er die Römer und alle Menschen zu gut, denn sein Lebenswerk war die Manipulation von Menschen. "250 Sesterzen!" - rief Martouf und deutete dann mit dem Stock auf Verus Brust. "Sein Herz schlägt kräftig!"
Gladiatoranleihen sind selbstredend rein zufällig!