[Sklavenmarkt] Ein Unbekannter

  • "Seht her!" Die Stimme des alten Sklavenhändlers Martouf bellte fast, als er seine neuen Waren anpries. Er hatte einige Sklaven von den Wüstenstämmen erworben. Er hatte sich angewöhnt, nicht nachzufragen, woher sie ihre Ware bezogen und wo die Quelle für allerhand unterschiedliche Sklaven war. Verus selbst nahm das Geschehen aus einem Käfig unterhalb der Holzbühne war, während er seine Mitgefangenen betrachtete. Darunter waren Frauen und Männer unterschiedlichen Alters. Die Fußkette brannte an seinem geschundenen Fleisch und war viel zu eng. Er schwitzte und bekam kaum Luft, da an diesem Ort zu viele Menschen zusammengepfercht waren.


    "Alles wird gut," versuchte er seine Mitgefangenen zu beruhigen, die wenigstens, wie er selbst, gewaschen und eingekleidet worden waren. Die Sklaven sollten einen guten Eindruck machen, so hatte Martouf auch für ausreichend Posca gesorgt, der in einem Eimer mit einem Trinklöffel herumgegeben wurde. Auf den letzten Metern wollte er seine Ware nicht noch an den Durst verlieren. Auch Verus nahm sich eine Kelle vom alten Posca, der nicht unangenehm schmeckte aber auch keine geschmackliche Offenbarung war. "Deserteur," murmelte eine alte Frau, die neben Verus saß und deutete mit einem gekrümmten Finger auf seine Tätowierung. In der Haut auf seinem linken Oberarm stand in einem inzwischen verblassten Schwarz geschrieben: SPQR. Er trug das Zeichen der Legionen. Auch das wusste die Frau. "Ich bin kein Deserteur," meinte er und kümmerte sich nicht weiter darum. Die ältere Frau schmunzelte. "Warum bist du dann hier?" Verus blickte leicht erbost zur Frau und zog die Tunika ein wenig herab, damit die Tätowierung nicht mehr allzu sichtbar war. "Es hat seine Gründe," antwortete er und wischte sich ein wenig Schweiß von der Stirn. Er war nervös. "Du könntest uns helfen. Du kannst kämpfen," erklärte die alte Frau und deutete in die Runde der Anwesenden. "Du weißt, dass wir keine Sklaven sind." Verus nickte langsam und schob seinen Fuß mit der Fußkette in eine bessere Position, in der er das Gewicht nicht mehr so sehr spürte. "Eine Flucht an diesem Ort würde mit dem Tod vieler enden," sagte der erfahrene Soldat, der Verus nun einmal war. "Ich werde sie nicht alle retten können und zu dieser Zeit ist es besser als Sklave verkauft zu werden, als unter der Peitsche oder am Kreuz zu enden," meinte er und offenbarte damit insgeheim eigene Taten. Denn er hatte Hunderte versklavt, ebenso viele ans Kreuz gebracht und war nicht minder schuldig an dem ganzen System, welches nun auch ihn gefangen hatte. Vielleicht mochte es Verus sogar, dass er an diesem Ort gefangen gehalten wurde. Es veränderte die Perspektive und es machte das Falsche richtig und das Richtige falsch. "Du bist kein Römer mehr. Eure Macht hat dich verlassen," sagte die alte Frau und deutete erneut auf die nun verdeckte Tätowierung, jenem Zeichen der Legionen. "Du bist entweder geflohen oder aus Feigheit davon gerannt. Niemand verlässt die Legionen und gerät an diesen Ort." Verus schmunzelte bitterböse. Er sah eine gewisse Wahrheit darin. In der Tat war er aus Rom geflohen aber nicht nur aus eigenem Wunsch. Der Kaiser hatte ihn geschickt aber diese Mission kam ihm gerade gerecht, da er sich mit einem der beiden korrupten Gardepräfekten überworfen hatte. Es war gut gewesen, Abstand zwischen verschiedene Probleme zu bringen und gleichsam dem Kaiser zu dienen, der seine Kinder beschützen würde. Rom war grausam. Und auch in dieser fernen Provinz hatte es nicht an Grausamkeit verloren. Nur war er jetzt am anderen Ende der Hierachie. Er hatte keinen Beweis seiner Position oder seines Namens, sondern war nur einer von einem Haufen Sklaven, die nie jemand groß überprüfen würde. Bei einer Flucht, die ihm mit Mühe gelingen konnte, würden alle anderen hier an diesem Ort leiden oder sterben. Rom würde entsprechend antworten, denn flüchtige Sklaven untergruben das gesamte System und gefährdeten den sogenannten Frieden. Es war das unglückliche Los des Lebens, wer nun Sklave war und wer nun Herr war. Manches war durch Geburt bestimmt, und wiederum andere Schicksale durch das Leben selbst. Verus amüsierte sich verstohlen darüber, dass er nun ganz unten war. Ein gewisser Wahnsinn lag dabei für einen Moment in seinen Augen.


    Doch war er nicht wütend oder erbost darüber, sondern akzeptierte es, da er es so schnell ohnehin nicht ändern konnte. Er kannte die römischen Gesetze und er kannte die Legionen. Es gab keine Chance für die Anwesenden, vorerst. Er überlegte, wie er ihnen helfen konnte. Doch ihm fiel keine angebrachte Lösung ein. Und so egoistisch war er nun auch nicht, dass er alle Anwesenden opfern würde, um sich eine Chance zu erkaufen, die auch bei einer anderen Gelegenheit kommen würde. Sie konnten nichts für ihre Position. "Wir alle laufen vor etwas davon," antwortete Verus und nahm sich noch eine Kelle Posca, die er fast bestienhaft herunterschlang, da der Durst ihn aus der Wüste bis an diesen Ort begleitet hatte. Die alte Frau gab ihre Versuche auf. "Denk an deine Götter," meinte sie nur und blickte dann leer auf den Boden. Verus schwieg nun ebenso. Er konnte die Welt nicht verändern und hatte sie sogar mitgeschaffen; genau dieses Rom hatte er verteidigt. Der Gitterverschlag wurde geöffnet und die ersten Reihen traten uns fadenhafte Licht des Sklavenmarktes. Stockhiebe sicherten den Weg ab und trafen gelegentlich einen Sklaven, der abweichen wollte. Auch Verus stand auf und versuchte sich vor dem Licht, welches stark in seine Augen fiel, zu schützen. Auch ihn traf ein Stockhieb auf seinen Oberarm. Er zuckte zusammen, da der Rohrstock genau jene Wunde traf, die er einst in Germanien im Krieg empfangen hatte. Sein Rücken schmerzte, da die Narben der Peitschenhiebe noch frisch waren. Es war seine Katharsis, denn was er so vielen angetan hatte, fiel nun in aller Härte auf ihn zurück. Verus ertrug es duldsam, wie er vieles im Leben ertragen hatte. Es würde der Moment kommen. Geduld war eine Stärke der Prätorianer. Ihre Pläne konnten Jahre dauern. Das auffordernde Gebrüll der Wächter verstummte als er die Treppe hinauf zur Bühne erreichte.


    "Die beste Ware an Arbeits- und Haussklaven," donnerte Martouf über den Markt. Es hatten sich viele Römer und auch lokale Persönlichkeiten versammelt. Für viele hier ansässige Römer war der Sklavenkauf eine gute Abwechselung, da man mit etwas Glück einen perfekten Diener erwerben konnte oder auch einen Gladiator für die privaten Spiele, die in den Grenzlanden verbreitet waren und nicht nach den römischen Leitlinien abgehalten wurden. Eigentlich waren sie verboten, denn die Römer wollten faire und gerechte Spiele, die nach einem Regelkatalog abliefen aber wo kein Kläger, da kein Richter. Auch viele Römer beteiligten sich an diesen wilden Spielen, indem sie eigene Gladiatoren bereit stellten. Doch es war nicht die Zeit für private Kämpfe. Verus trat mit den anderen Gepeinigten auf die Bühne. Die Stufen waren grob aus Holz gearbeitet und schwierig zu besteigen, da er immer noch keine Schuhe trug und seine Füße durch den langen Marsch aufgeben wollten. Die Fußkette gab bei jedem Schritt ein dumpfes Geräusch von sich. Die ersten Sklaven, darunter einige junge Frauen, waren schnell als Haussklaven verkauft und wurden mit hektischen Stockhieben zum Ausgabeschalter getrieben. Einige von diesen Unglücklichen, aber nicht alle, wurden sofort mit einem Brandzeichen versehen, sofern es der neue Besitzer forderte. Eine Prozedur, die Verus als Henker und Vollstrecker, bei einigen Sklaven selbst angewandt hatte. Der Geruch brannte in seiner Nase. Erlöst wurde Verus nicht, denn nun war er in die Mitte geführt und von Martouf, der seine landestypische Tracht trug, vorgestellt. Mit einem Stock hob er das Kinn von Verus an, um ihm so wenig, wie möglich, zu berühren. "Ein echter Kerl für die grobe Arbeiten! Er ist zwar schon älter aber ich garantiere für ein langes Leben, da er gesund ist! Dieser Sklave spricht nicht oder zumindest hat er mit uns nicht gesprochen. Es ist also ein Geheimnis, ob er klug oder dumm ist." Natürlich sprach Verus nicht mit seinen Gefängniswächtern oder jenen Personen, die ihn gefangen hielten, doch Martouf machte daraus ein Verkaufsargument. "Er ist groß und eignet sich sicherlich auch für die Minen oder harte körperliche Arbeit." Verus blickte nun von der Bühne herab und erkannte zwei Legionäre in den hinteren Reihen. Sollte er um Hilfe rufen? Sie würden ihm nicht helfen, da er keinen Beweis hatte und viele Sklaven dies versucht hatten. Er hatte nicht mehr den Schutz seines Standes und er sah auch nicht mehr so aus. Es würde nicht funktionieren, da war er sich sicher. Dafür kannte er die Römer und alle Menschen zu gut, denn sein Lebenswerk war die Manipulation von Menschen. "250 Sesterzen!" - rief Martouf und deutete dann mit dem Stock auf Verus Brust. "Sein Herz schlägt kräftig!"


    Sim-Off:

    Gladiatoranleihen sind selbstredend rein zufällig! :D

  • Ich war gerade zufällig auf dem Markt, als wieder einer der schmierigen Sklavenhändler mit einer Ladung voll verwahrlosten, halb verhungerten und verdursteten Gestalten zur Auktion erschien. Wenigstens war es nicht wieder der Perser vom letzten Mal. Ich ließ meinen Blick über die heute angebotene Ware schweifen in der Hoffnung auf ein junges Mädchen, aber es waren größtenteils alte Männer und ein paar Erwachsene Frauen dabei.


    Ich setzte daher meine Maske aus leichter Arroganz und Barschheit auf, die mich wie eine Rüstung schützte. In Wahrheit hatte ich Mitleid mit den armen Seelen, aber Sklaverei war nun einmal eine Realität, die man nicht leugnen oder einfach abschaffen konnte. Zumindest schien auch hier das Interesse nicht sonderlich groß an der Ware zu sein, da der Zustand der Sklaven nicht sehr gut war.


    "250 für einen Alten, der wahrscheinlich den Winter nicht überlebt und mir bei meinem Glück umkippt, sobald ich den Vertrag unterschrieben habe...das ist ja Wucher! Ich gebe dir 200 für den alten Mann, wenn er beweisen kann, dass er überhaupt kräftig ist. Vielleicht ist er ja auch dumm und versteht uns gar nicht..."


    Es war ein Akt, so wie der Händler alles rosig redete, so redete ich alles mies als Vorbereitung für das Bieten.

  • Tiberios hatte wieder einmal dem Geschichtenerzähler zugehört, nun erblickte er seine Domina Iunia Proxima und stellte sich hinter sie. Er warf auf Martouf einen recht verächtlichen Blick. Er prügelte die angebotenen Sklaven, was bedeutete, dass er sie für niedere Arbeiten verkaufte, denn welch wohlhabender Römer würde sich einen Diener ins Haus holen, den man mit der Peitsche antreiben musste?

    Domina Proxima zeigte sich arrogant und verspottete die angebotene Ware. Aber Tiberios wusste, welch gutes Herz sie besaß.

    Doch er nickte zustimmend und erwiderte in exaltierter alexandrinischer Sprechweise:
    "Vermutlich ist der alte Mann wirklich etwas zurückgeblieben, Domina. Denn hätte er nicht versucht, den Händler für sich einzunehmen, wenn es anders wäre? Es ist wahrlich kein Geheimnis, DASS er dumm ist!"


    Dabei hob Tiberios die Hände, als wolle er sich vor einem Schlag seiner Herrin schützen und duckte sich wie ein vorlauter Sklave, der Bestrafung erwartete.


    Der ältere Mann auf der Bühne, der verkauft werden sollte, schaute derweil über ihn hinweg in die Ferne.

  • Einst nannte er die Römer seine Brüder und nun wurden sie zu Gegenspielern. Diese Frau bot gegen ihn oder für ihn, und dies war vollkommen egal, dann es folterte ihn auf eine andere Art. Diese Sturheit, wie sie nicht sahen, was er in Wahrheit war. - Und doch war Verus sehr wohl klar, dass dies die übliche Realität war. So grausam banal war die Wirklichkeit. Die Menschen sahen, was sie sehen wollten und wenn die Bühne so bereitet war, dann sahen sie eben einen Sklaven und nicht den Römer Tiberius. Nun war er die Ware. Er hatte es zu oft gesehen. Es war sogar eine gewisse Gerechtigkeit. Er erinnerte sich daran, wie er seine Luna, damals noch Seherin in Germanien, versklaven musste und er sich zum Feind auf Geheiß machen musste. Luna hatte ihm verziehen aber er hatte sich selbst niemals dafür verziehen. Damals hatte seine Karriere als Unterdrücker begonnen, da die römische Elite Gefallen an seiner Arbeit gefunden hatte. Er war die gewünschte Plage, die Rom auf Menschen fallen ließ. Der Kaiser sah nur seinen Nutzen, glaubte vielleicht sogar, dass Verus stets aus Überzeugung handelte, doch dabei war es kalte Gleichgültigkeit. Er führte auf Geheiß jedwede Grausamkeit aus, die Rom entfesseln wollte aber glaubte nicht einmal daran. Mit einem Atemzug entfloch ihm sogar ein wenig Gelassenheit. Das Leben eines Sklavens konnte möglicherweise besser sein als der imperiale Horror auf Abruf zu sein. In gewisser Hinsicht war er schon immer Sklave gewesen. Nur jetzt sah man es ihm an. Keine Masken mehr. Martouf lächelte und trat einen Schritt vor. Der Sklavenhändler witterte ein mögliches Geschäft.


    "Du!" Er deutete auf Tiberius Verus. "Heb diesen Mann hinter dir hoch." Verus wandte sich um und entdeckte einen dünnen Mann, der ihm nicht mal bis zur Schulter ragte. Martouf fuchelte mit seinem Stock herum. Der Tiberius trat mit schweren Ketten vor den Mann und hob diesen mit etwas Kraftaufwand mehrere Hände breit über den Boden, bis er ihn wieder absetzte. Der Mann wirkte panisch und die Angst stand ihm im Gesicht. Der Schmerz seiner eigenen Wunden kümmerte Verus nicht mehr, denn in diesem Augenblick machte sich jene Kälte in ihm breit, die ihm stets half, wenn er Krisen und Gefahren überstehen musste. Es war jene schiere Willenskraft, die ihn sicherlich von anderen unterschied. Er tat, was getan werden musste und zögerte nicht. Verus trat zurück in die Mitte und brummte grimmig. "Sieht du, erlauchte Dame! Er kann einen Mann heben! Ich gebe aber zu, dass dieser Mann sicherlich nicht schwer war. Es reicht aber sicherlich für einen Dienst im Hause oder im Keller," erklärte Martouf. "Sag doch etwas!" - forderte der Sklavenhändler Verus auf, denn inzwischen ahnte er, dass die Kundin einen Sklaven, der sprach, sicherlich bevorzugen würde. Dumme und ungebildete Sklaven waren auch hier Ramschware. Immerhin hatte er beim Wüstenstamm für diesen Sklaven ganze 25 Sesterzen gezahlt. Da musste doch mehr drin sein. Verus weigerte sich weiterhin zu sprechen, so dass Martouf seinen Stock anhob, um Verus kräftig zu schlagen.


    "Du dummes Stück Vieh," schimpfte Martouf und war dabei den Stock herabregnen zu lassen. Doch Verus wandte sich mit einem Schritt zur Seite, fuhr seinen Ellenbogen aus und führte mit diesem einen heftigen Stoß in den Brustbereich des Sklavenhändlers aus. Dieser keuchte und ließ den Stock fallen. Doch bevor Verus weiter agieren konnte, sprangen zwei Wächter herbei und prügelten ihn mit mehreren Hieben ihrer Schlagstöcke zu Boden. Das dumpfe Schlaggeräusch scheuchte ein paar Sklaven zurück, die es aber nicht wagen, von der Bühne zu fliehen. Sie konnten es ja dank der Fußketten auch nicht. Verus stürzte zu Boden und versuchte sich zusammenzurollen, um den Schlägen einigermaßen zu entgehen. Sie schlugen so heftig zu, dass sich Blut auf seinem Rücken abzeichnete, da die Narben der Peitsche aufgerissen waren. Martouf rappelte sich wieder auf. "Genug," sagte er mit wenig Luft. Er wollte nicht, dass seine gute Ware weiter beschädigt wurde. Die beiden Wächter rissen Verus vom Boden hoch und versuchten seinen Stand zu festigen. "Er kann gut...," meinte Martouf und lächelte halbherzig in Richtung der Kundin. Er würde einen aussässigen Sklaven nie für 250 verkaufen können. Dieser musste ja erst gebrochen werden. "Ich gebe dir einen Rabatt. 200 und er gehört dir...," sprach er und wollte diesen Unbeugsamen schnell loswerden. Der geschlagene Sklave Tiberius hielt sich inzwischen ohne Hilfe der Wächter aufrecht, auch wenn sein Stand gebeugt war.


    Verus hingegen spürte das Pochen der Schläge und wie das Blut langsam über seinen Rücken floss. Doch dieser Schmerz war bewusst erkauft, denn er würde sich niemals ohne Grund schlagen lassen. Er war ein Soldat und ein Soldat kämpfte. Das hatte er gelernt und vieles war inzwischen auch Instinkt geworden. Erlösung fand Verus vielleicht sogar in jenem Schmerz, da dieser Schmerz anders war, als dieser Schmerz in seinem Herzen. Diese gierig-giftige Reue.

  • Ich hasste Gewalt, auch wenn ich mich oftmals sehr herrisch und barsch gab. Es war nur eine Maske, die ich der Außenwelt zeigte, weil ich früh gelernt hatte, dass man sonst wie ein dummes Kind behandelt wurde und gleich als hysterisch verschrien war. Bei der groben Behandlung des Sklaven fiel es mir allerdings schwer die Contenance zu behalten, auch wenn Tiberios neben mir sein Bestes gab den Geknechteten zu mimen. Ich wollte das nur schnell hinter mich bringen, da ich noch eine Seele in den Augen des Mannes sah, die noch nicht völlig gebrochen war - so wie ich die Seele in Tibis Augen gesehen hatte.


    Ich schluckte einmal herunter und setzte dann wieder zu einer blasierten Antwort an. "200 Sesterzen gebe ich dir für den Alten. Mach ihn los und ich nehme ihn gleich mit. Wenn du die Papiere da hast, dann bezahle ich ihn gleich und unterschreibe - ansonsten kannst du später mit den Papieren zur Geldübergabe in die taberna zwei Straßen weiter kommen." Der alte Mann sah wirklich gebeutelt und erbärmlich aus. Tiberios zischte ich zu: "Nimm den Jammerlappen mit nach Hause und bring ihn zu Demetrios. Vielleicht findet er ja unterwegs seine Zunge..." Ich war froh, wenn ich diese Farce beenden konnte.

  • Er würde einen aussässigen Sklaven nie für 250 verkaufen können. Dieser musste ja erst gebrochen werden. "Ich gebe dir einen Rabatt. 200 und er gehört dir...," sprach er und wollte diesen Unbeugsamen schnell loswerden. Der geschlagene Sklave Tiberius hielt sich inzwischen ohne Hilfe der Wächter aufrecht, auch wenn sein Stand gebeugt war.

    Tiberios jedoch zögerte. Er verstand sich nicht aufs Kämpfen, aber er hatte in seinem Leben Kämpfer gesehen, und der Hieb mit dem Ellenbogen, den der Sklave dem Händler verpasst hatte, hatte gesessen. Zielgerichtete, kalte Wut lauerte in dem Mann, und die Schläge, die als Strafe auf ihn hereingeprasselt waren, nahm er mit stoischer Haltung hin.

    Er selbst, Tiberios, würde keine Chance haben, falls die renitente Neuerwerbung ihn angreifen und davon laufen würde.

    Der Grieche schaute seine Domina zweifelnd an: "Ja, Domina" und fragte dann den Sklaven:

    "Wirst du auf zivilisierte Weise mit mir kommen, oder....?"

    Er vollendete den Satz nicht. Das Oder war ihm genauso zuwider, wie es Iunia Proxima zuwider war: Es bedeutete: ...oder willst du weiterhin behandelt werden wie eine wilde Bestie?

  • "Verkauft," sagte Martouf mit leidlich entspannter Stimme. Er war froh, diesen Sklaven noch zu einem halbwegs guten Preis losgeworden zu sein. Immerhin war er nun nicht mehr sein Problem. Verus hingegen betrachtete die Käuferin mit seinen kalten und teuflisch-wissenden Augen. Pläne wurden verändert und alte Ideen verworfen. Tiberius Verus war ein Mann, der alles für seine notwendigen Ziele tat, ob diese nun von außen eingegeben wurden oder durch sich selbst geschaffen waren. Außer seinen Kindern sah er keinen guten Grund für seine eigene Existenz. Die Dienstbarkeit gegen über dem Kaiser war nur vorgeschoben, um die eigene seelische Unfähigkeit zu verbergen, ein Leben mit Liebe und Glück zu ertragen. Wie einst Achilles war auch Verus ein Verfolgter, ein Mann, der von seinen Taten heimgesucht wurde und der martialische Ruhm konnte nicht die seelischen Wunden heilen, die mit jedem Akt der Grausamkeit geschnitten wurden. Ähnlich Achilles war er auf dem Schlachtfeld nahezu unbesiegt, war sogar den gefürchteten Parthern entkommen, hatte Unmenschliches getan und auch selbst ertragen und doch war er einsam, aufgebraucht und litt in den stillen Momenten an sich selbst. Die Taten hallten im Echo der Ewigkeit nieder. Dieses Echo fürchtete Verus. Denn mit jedem Akt der Grausamkeit formte auch er die Zukunft für seine Kinder. War diese Zukunft gut? Würden seine Kinder unter dem Fluch leiden, den er ohne Wissen und Wollen, beschworen hatte? Doch Verus war der Caesar seiner eigenen Macht. Es stand in seinen Augen, in seiner Aura und jeder Bewegung. Verus war skrupellos, zielgerichtet und bereit alles zu tun, was notwendig war. Egal, wie sehr er selbst auch darunter leiden würde, so sehr war er der Gefangene seines Lebens, das nun einmal aus Gewalt, Unterdrückung und Verfolgung bestand. Er würde nie der klassische Gute in einer Geschichte sein, denn dieses Gute hatte für ihn selbst keine Bedeutung mehr, denn es zählte einzig und allein, Ziele zu erreichen und die kalte Leere mit Aktion sowie Handlung zu füllen. Ohne Luna, ohne seine Kinder, war er nur die furchtbare Waffe, die berechnend und zielgerichtet, auf Wunsch des Kaisers agierte. Doch hier gab es keinen Kaiser, der ihm mit Befehl vorstand, hier gab es kein Rom mit seinen Problemen und hier gab es auch keine großen Motive und ideologischen Verstecke für die eigenen Handlungen. Hier war er allein, vollkommen auf sich gestellt und hatte nichts außer seine Vergangenheit, die ihn mit Gaben und Fähigkeiten belastet hatte, die ihm jederzeit nützlich sein konnten. Martouf nickte eifrig und scheuchte die beiden Wächter mit Verus die Treppe zur Ausgabe herunter. "Natürlich habe ich hier alles hier. Dort am Tisch erhälst du alles. Du kannst gleich bezahlen," huschte der Sklavenhändler durch seine Worte. Nun musste der günstig erworbene und nicht gebrochene Sklave zu mehr Geld gemacht werden. Das musste schnell gehen, denn auch an diesem Ort war Zeit nun einmal Geld. Je mehr er verkaufen konnte, bis seine gemietete Marktzeit abgelaufen war, umso mehr Gewinn machte er. Verus leistete keinen Widerstand und ließ sich von beiden Wächtern neben den Ausgabeschalter stellen.


    Verus erkannte Schauspieler. Immerhin war er ein berufsmäßiger Lügner und die Lüge hatte auch stets etwas Gutes für sich. Sie war stets zu konstruieren, nach Bedarf und Lage. Diese Frau, womöglich Römerin, verbarg etwas. Es war ihre insgeheime Körpersprache und auch ihre überzogene Wortwahl, etwas passte nicht zusammen. Verus suchte bereits nach Schwachpunkten an dieser Frau. Die kalten, fast dämonischen Augen, lagen auf der Frau, ohne sie wirklich als Frau zu sehen, sondern eher als mögliches Ziel für eine Manipulation. Verus objektivierte die meisten Menschen, dies machte es leichter, wenn man sie belog oder ihnen im Namen Roms Grausamkeiten antun musste. Es gab eine Grundregel für seinen Dienst, dass man niemals emotional an seine Ziele gebunden werden dürfte. Sachliche Fragen konnten ferngehalten werden, emotionale Fragen selten. Da Verus um sein eigentlich weiches Herz wusste, musste er zwangsläufig fast alle Menschen, die in seinen Leben traten, bewerten, einordnen und als Objekt betrachten, welches er sorgsam bearbeitete. Auch diese Frau war nur ein Objekt auf seinem Weg, welches mitunter nun ein Spielstein im großen Spiel war. Es war zwecklos Widerstand gegenüber der Kälte zu zeigen, die Verus antrainiert worden war. Über die Jahre als Soldat in Germanien, dann in als statorum, und viele Jahre als Trecenarius, der Meuchel- und Spionagemeister, war nur Platz für Härte und Kälte geblieben. "Hier," sagte der Angestellte von Martouf, als dieser die Papiere ausstellte und die Bezahlung verlangte, indem er auf den Tisch deutete. "200," sagte dieser und deutete erneut auf den Tisch. Sie hatten es wirklich eilig. Ein Sklave, wohl ein Untergebener dieser mutmaßlichen Römerin, trat vor und forderte Verus auf zu folgen. Er tat es auf eine Weise, die Verus bösartig belustigte. Denn er drohte ihm mit Worten, auch wenn seine Erscheinung alles andere als einschüchternd war. Die Fußkette wurde gelöst und Verus ein Stück vorgeschubst, um noch ein Stück auf den unbekannten Sklaven der neuen Herrin zu zugehen.


    Verus tat dies widerwillig und stand in seiner gesamten Erscheinung vor dem Sklaven. Mit einer kräftigen Handbewegung wischte er sich den Schweiß von der Stirn, dann spuckte er ein wenig salzig-blutigen Speichel vor den Sklaven auf den Boden. Der Tiberius bewegte seinen Kopf hin und her, so dass ein lautes Knacken entstand, als sich die Gelenke aus der gebeugten Haltung befreiten. "Ich denke, dass ich vorerst mit euch kommen werde," antwortete er im perfekten Latein mit einem starken Akzent der römischen Oberschicht. Er sprach mit aller Absicht kein Gossenlatein oder benutzte nicht jenen vulgären Akzent der Provinzen oder der Subura. Seine Augenlider zuckten dabei, als er den Sklaven mit jenem teuflischen Blick anstarrte, der Folter, Leid und Tod gesehen hatte. Es war diese tödliche Gleichgültigkeit in diesen Augen, die so furchtbar entrückt war. Vielleicht konnte er einfach auf dem Weg entkommen. Wenn der Sklave Widerstand leisten sollte, würde er mit ihm schnell fertig werden. Verus suchte bereits nach Schwachpunkten und machte einen spärlichen Nacken aus. Er würde mit einem geübten Griff, diesen Sklaven erwürgen können. Dies wäre lautlos und würde nur wenige Momente dauern, wenn er genug Kraft einsetzte. Doch er würde ungerne töten müssen. Vielleicht war dieser Sklave auch ein Feigling und würde fliehen, was die Flucht erleichtern würde. Alternativ wäre es auch eine Idee die Römerin zu begleiten, sich nähren und waschen zu lassen, bevor man sich weiter in Richtung Rom aufmachte. Seine mit kleinen Schnittwunden vernarbten Hände hob er an, um seine Finger knacken zu lassen. In der Nähe wurde ersichtlich, dass dieser Mann sehr viele Kämpfe durchtlebt haben musste und viele Wunden waren offensichtlich Kriegswunden, dann jene tiefen Schnitte hinterließen immer Spuren. Verus hielt sich alle Optionen offen aber würde vorerst folgen.

  • Zuerst hatte ich da nur einen ungebrochenen Funken in den Augen dieses Mannes gesehen und spontan für ihn geboten, da er mir leid getan hatte - vor allem wie ihn der Sklaventreiber zugerichtet hatte. Aber nachdem ich den Zuschlag bekommen hatte und mich dem wenig sympathischen Sklavenhändler näherte um zu bezahlen, sah ich das erste Mal das Feuer in den Augen. Aus dem Funken wurde ein Vulkan und ich bereute es fast schon im gleichen Moment, dass ich Tibi mit dem Kerl losgeschickt hatte. Hoffentlich würde er ihm nichts tun - war er dem Alten doch nicht gewachsen und von eher zarter Statur. "200...also gut..." Soviel hatte ich zwar nicht in bar dabei, aber mein Diener Demetrios konnte mir das Geld schnell bringen. Er hatte Zugang zur Haushaltskasse für die Einkäufe und da die taberna nur zwei Straßen weiter lag, war der Weg in einigen Minuten erledigt.


    Sobald ich das Geld übergeben hatte und den Vertrag unterschrieben hatte, wandte ich mich auch zum Gehen. Keiner der anderen Sklaven war interessant und mit dem mysteriösen Alten war ich wohl bedient. Hoffentlich würde ich diesen Kauf nicht bereuen und er mir nicht im Schlaf die Kehle durchschneiden oder sowas. Ich hatte plötzlich ein sehr ungutes Gefühl, als ich mich auch auf den Heimweg machte nach diesem Geschäft.

  • Tiberios zuckte zusammen, als der neue Sklave vor ihm ausspuckte und spürte wie sich seine Härchen an den Unterarmen aufstellten, als er dessen kalte Augen genauer sah. Sie erinnerte ihn an die gewisser Reptilien. Als der Mann endlich sprach, tat er das in jenem großartigen akzentuierten Latein, in dem auch ein Cicero seine Reden geschrieben hätte. Tiberios horchte auf, Akzente konnte er recht gut einordnen: Ein Dummkopf war der Neue also nicht und auch nicht unzivilisiert; vielleicht war er einst Diener eines hochgestellten Römers gewesen und hatte dessen Manierismen angenommen. Vielleicht hatte er etwas verbrochen und war in Ungnade gefallen. Sklavenhändler waren verpflichtet, die Mängel ihrer Ware anzugeben, aber oft geschah das einfach nicht.

    Etwas nervös nahm der Grieche seine Ampulla, eine Art Feldflasche, aus dem Beutel und hielt sie dem Sklaven hin. Er erinnerte sich daran, dass man meistens nicht genug zu trinken bekam, dort in der Sonne, auf der Bühne.

    Der Mann wirkte ungezähmt, misstrauisch in der Falle wie ein wildes Tier.

    „Ich heiße Tiberios“, sagte er dabei und wechselte absichtlich von Latein ins griechische Koine.: „Und du heißt?“ Vielleicht hatte er einen Namen, oder etwas, was ihn an die Zeit erinnern würde, als er wie ein Mensch behandelt worden war. Domina Proxima konnte gar nicht anders. Aber unter all den kleinen Hühnereiern gab es nun ein Schlangenei, und Tiberios nahm sich vor, wachsam zu sein. Er würde seine Domina beschützen, soweit er konnte:

    "Wir gehen zu der Taberna "Aus der Hand von Schesmu", dort ist dein neues Zuhause."

  • Die Spiele hatten erneut begonnen. Keine Kette hatte ihn bisher aufgehalten, denn die wirkliche Kette trug er in seinem Herzen. Machte er diesen Sklaven etwa nervös? Er machte viele Menschen nervös, auch wenn er dies nicht immer beabsichtigte. Doch in diesem Fall war es seine klare Absicht. Wie ein römischer Kriegshund legte er seinen Kopf leicht zur Seite, um Tiberios ausgiebig zu betrachten. Mit einer gezielten Bewegung griff er die Feldflasche, um diese gleichsam zu öffnen. Verus trank einen kräftigen Schluck daraus, da er nicht annahm, dass ihn dieser Sklave vergiften wollte. Immerhin schmeckte die Flüssigkeit nicht so ranzig, wie das Wasser, welches er die letzten Tage zu sich genommen hatte. Er gab, nachdem er weitere Schlucke genommen hatte, jenes Gefäß an Tiberios zurück. Griechisch; dieser Sklave sprach griechisch und zwar mit einem gebildeten Akzent, nicht jenes Gossengriechisch der einfachen Bauern im Osten. Die Betonung saß und die Worte waren sauber getrennt. Verus hatte den Wechsel bemerkt und lächelte teuflisch, wobei seine weißen und gepflegten Zähne zum Vorschein kamen. Ein hinterer Backenzahn war sogar durch Gold ersetzt worden. Es war ohnehin erstaunlich, dass dieses Gold ihm nicht geraubt worden war. Doch die Parther hatten nicht in seinen Mund geschaut. Für Verus war dieser Goldbeschlag ein Notgeld, welches er im Zweifel eigenhändig herausbrechen würde, um aus einer misslichen Lage zu entkommen. Verus hatten diesen Backenzahn in einem Kampf in Rom verloren, als er einen nicht überzeugbaren Eques endgültig daran erinnern musste, warum man die Prätorianer im Allgemeinen fürchtete.


    Dieser Eques hatte sich sogar erdreistet, sich auf seine Funktion zurückzuziehen und sich mit einem Stuhlbein zu wehren. Das Stuhlbein hatte ihm einem Hieb unsanft jenen Zahn entfernt, während Verus den uneinsichtigen Eques packte und seinen Kopf mehrfach gegen die Marmorwand seines Anwesens geschlagen hatte. Der Eques hatte zwar überlebt aber war danach deutlich zugänglicher für die Interessen der Speculatores. Denn eines hatte Verus früh in Rom gelernt: ein Prätorianer wird gefürchtet oder stirbt. Sie waren keine Elite, die allein mit ihren Waffen siegte, sondern sie waren der Horror der Stadt, der bei Nacht oder auch bei Tage kam, um diejenigen zu bestrafen oder zu richten, die sich gegen sie oder den Kaiser gestellt hatten. Sie hatten nichts Glorreiches, nichts Rühmliches, denn ihre Gewalt und Grausamkeit suchte in der ganzen römischen Welt ihresgleichen. Ihre Brutalität war ihre Waffe, um die Banden, Staatsfeinde und jene Abweichler auf Kurs zu bringen. Ihr Ruf war dieser Zauber, so dass sie oft garnicht brutal sein mussten, da die meisten Gegner, sobald sie erschienen, freiwillig kooperierten. Doch taten sie es nicht, mussten sofort jene Maßnahmen eingeleitet werden, die notwendig waren, um jeglichen Widerstand bereits im Keim zu ersticken. Der Senat fürchtete die Prätorianer, insbesondere die speculatores, und ganz Rom verachtete sie für all die Taten in der Vergangenheit. Diese Verachtung war der Motor ihrer Isolation aber auch gleichzeitig ihre Stärke, da sie nur sich selbst hatten und ihre Gemeinschaft überaus geschlossen und brüderlich war. Sie waren das Gegengewicht zur alten Traditon und den großen Häusern in Rom selbst. Verus hatte dies lernen müssen und als Trecenarius war er insbesondere in Handlungen verstrickt, die selten rühmlich waren. Er war der Henker des Kaisers gewesen und hatte persönlich von diesem Aufträge erhalten, um Interessen des Kaisers durchzusetzen. Gleichzeitg war er als Trecenarius eigenen Interessen unterworfen, da die Macht eines Trecenarius auch in der Intrige, Heimtücke und Korruption lag. Ein Trecenarius unterhielt stets ein weites Netzwerk, um seine oft heimtückischen Ziele zu verfolgen. Eine historische Anekdote hatte Verus sogar bewiesen, dass speculatores Kaisermacher oder Kaisermörder waren. Nachdem sie Kaiser Caligula hatten ermorden lassen, durchsuchten sie den Palast, um Beweise zu vernichten oder auch Schätze zu erhalten, dort fanden sie Claudius, sich hinter einem Vorhang aus Panik versteckend, und setzten diesen als Kaisernachfolger ein, um ihre eigene Existenz zu rechtfertigen. Ohne Kaiser gab es keine Prätorianer. Sie erpressten ihn und nutzten ihre Brutalität, um dessen Herrschaft im Senat durchzusetzen. Der damalige Trecenarius setzte dies gezielt durch Beeinflussung und auch Mord durch, während die Präfekten ihr politisches Gewicht nutzten. Claudius wurde vom Senat bestätigt und umgab sich seit diesem Tag, bis zu seinem Tode durch Gift, mit speculatores, um auch von der einschüchternden Macht des Horrors der Prätorianer zu profitieren. Seit diesem Tag machten die Prätorianer Kaiser, und es gab keine Herrschaft in Rom ohne sie und aus diesem Fakt heraus, konnten sie auch eigene Ziele verfolgen, sei es ihre Macht auszuweiten, zu schützen oder schlicht persönlich davon zu profitieren, indem sie regelmäßige Donativa verlangten oder eine Art Schutzgeld von unliebsamen Aristokraten erpressten. Verus war ein Meuchelmörder, ein Intrigant und Meistermanipulator, der nicht mehr dem römischen Ideal diente, sondern allein dem Befehl. Er tat, was notwendig war, um seine Macht, die Macht der Prätorianer zu erhalten und dem jeweilig amtierenden Kaiser zu dienen, sofern er ihm und seinen speculatores sowie den restlichen Prätorianern nicht überdrüssig wurde. Inzwischen hatte Verus auch keinerlei Skrupel mehr, einen schwachen Kaiser zu ersetzen, wenn die Zeit gekommen war. Wenn Rom instabil würde, das Reich bedroht schien, würde er ohne zu zögern, den Kaiser vergiften oder erdolchen. Doch diese Zeit war noch nicht gekommen, denn Rom war bis auf einige unangenehme Ausnahmen stabil, die Reichsgrenzen nicht erheblicher als sonst gefährdet und die Geldleistungen an die Prätorianer wurden geleistet, so dass Verus sein Interesse nicht gegen den Kaiser richtete, sondern seinem Befehl uneingeschränkt folgte. Er war dem Befehl sogar bis ins parthische Gefängnis gefolgt. Es gab keinen Zweifel an seiner Loyalität, denn trotz aller Skrupelosigkeit, war sich Verus sehr wohl bewusst, dass auch er für seine Handlungen zahlen musste und agierte nicht willkürlich. Er wog sehr wohl ab, was es wert war, dafür zu handeln und was es eben nicht wert war. Auch hatte er einen gewissen Mut und besaß eine widernatürliche Tapferkeit, die schon Todesverachtung war, denn im Gegensatz zu anderen Machtmenschen folgte Verus auch seinen eigenen Entscheidungen und ertrug deren Konsequenzen. Er war sogar bereit zu sterben, wenn es erforderlich war. Der Mann, der so geworden war, war davon überzeugt, dass erst durch Konsequenz jene Position zu sichern war. Ein Mann, der sich ständig Konsequenzen entzog, sich nie bereit erklärte, auch für seine Entscheidungen gerade zu stehen, würde am Ende verlieren. Verus war nicht der Gute, in keiner Geschichte der Welt und doch hatten seine Augen neben der Kälte auch etwas Trauriges, etwas Suchendes. Er lebte nicht für sich, dies hatte er nie. Vielleicht war dies das Geheimnis, warum ihn Pluto nicht zu sich holte.


    Verus antwortete in perfektem Koine: "Ich bin Damocles und ich bin nicht dein Feind." In der Tat war er nicht Tiberios Feind. Feinde hatte Verus viele aber Tiberios zählte noch nicht dazu. Der Name Damocles erschien ihm sogar passend, so dass er diesen Namen benutzte, um seine wahre Identität, die er ohnehin nicht beweisen konnte, zu verschleiern. Zudem war der Mythos von Damocles überraschend zutreffend für Verus. Er wechselte wieder ins Lateinische. "Ich bin aber keine gute Bedienung. Eine Taberna als Zuhause. Irgendwie merkwürdig aber dies könnte noch spannend werden," orakelte Verus mit einem salzigen Grinsen. "Ich sollte aber vorher meine Wunden reinigen und mich waschen, Tiberios," stellte er fest, und deutete dann auf seine eigene Schulter, so dass Tiberios hoffentlich sah, dass sich Blut auf der Tunika abzeichnete und große Flecken bildete. Verus ignorierte den Schmerz, denn er war inzwischen soweit abgeklungen, doch er würde bald zurückkehren, sobald man den Stoff von den Wunden entfernte. Der Prätorianer Tiberius hatte mit Sicherheit eine andere Schmerztoleranz als durchschnittliche Menschen. All die Kämpfe hatten nicht nur Spuren hinterlassen, sondern auch Fähigkeiten und Veränderungen.

  • „Salve Damocles, so trägst du den Namen nach jenem unglücklichen Höfling des Tyrannen Dionysos, über den Horatius Flaccus schrieb: destrictus ensis cui super inpia cervice pendet, non Siculae dapes....- Wem ein blankes Schwert über dem ruchlosen Nacken hängt, dem werden weder sizilianische Festmähler süßen Genuss verschaffen noch Vogelzwitschern und Saitenklang, antwortete Tiberios mit einem Zitat des römischen Dichters und nahm die Feldflasche zurück.

    Er bemerkte den diesmal ans Attische anklingende Akzent des gebildeten Römers, wenn Damocles Koine sprach, und natürlich wurde des Tiberios Neugier weiter angefacht. Aber der Alexandriner war vorsichtiger als früher, als er sich durch seine Wissbegier ab und zu in unliebsame Situationen gebracht hatte und unterließ es, den Neuen weiter auszufragen:

    „Nun es macht mich froh, dass du nicht mein Feind bist. Ich bin nämlich deiner auch nicht.“, sagte er wieder auf Latein und legte eine Hand aufs Herz:

    „Es ist kein Unglück, wenn du noch nie bedient hast. Du wirst alles in Ruhe lernen können. Domina Proxima ist eine gute Herrin, und in einer Taberna gibt es immer etwas Gutes zu essen.

    Mit dir wären wir drei Sklaven im Haus: Unser Maiordomus heißt Demetrios.“


    Tiberios Stimme nahm einen Moment lang eine weichere Färbung an, den alten Demetrios hatte er nämlich lieb gewonnen.


    Als der Neue das mit den Wunden und dem Waschen sagte, sah der Grieche einen Moment fast zornig aus, aber der Zorn galt nicht Damocles, sondern den Männern, die ihn geschlagen hatten:

    „Welch ein Idiot, wie er dich zugerichtet hat, dieser Martouf. Tut es sehr weh? Kannst du überhaupt laufen?“,

    Tiberios schaute Damocles Rücken aufmerksam an. Der Ältere hielt sich zwar gut, aber womöglich war er hart im Nehmen und unter seiner blutbefleckten Tunika ernsthaft verletzt:

    „Stütz dich ruhig auf mich. Ich bin kräftiger als es den Anschein hat.“, bot der Jüngling an und stellte sich so hin, dass Damocles seine Hand auf seine Schulter legen konnte, falls er Hilfe brauchte:

    „Nimm es mir nicht übel, Damocles, doch in deinem Zustand hätte ich dich auch nicht in die Gaststube gelassen.“, sagte er:

    „Demetrios wird sich deinen Rücken anschauen, er kennt sich mit Hausmitteln aus, und ich richte dir derweil den Wasserzuber im Hinterhof. Es gibt zwar nur kaltes Wasser, aber bei der Hitze nicht unangenehm, und ich hoffe, du nimmst erstmal damit vorlieb, bis du in die Thermen kommst. Und danach möchte Domina Iunia Proxima bestimmt mit dir sprechen."

    Tiberios hatte einen freundlichen Plauderton eingeschlagen. Er hoffte sehr, dass der Andere sein Versprechen halten und mitkommen würde, ohne ihm Schwierigkeiten zu bereiten, und wenn der junge Grieche ängstlich war, neigte er dazu, das durch Reden zu überspielen.

  • Verus, sich wahrlich manchmal als Damocles fühlend, nickte bei den Worten des Tiberios. Er verstand sehr wohl, um welche Geschichte es sich handelte und ließ Tiberios seinen Moment, indem er sein Wissen darstellen konnte. Unter gewissen Umständen war Verus in ständiger Gefahr und hatte keine wirklichen Freuden mehr im Leben. Und unter anderen Umständen war er jenes Schwert, welches andere ihre Festmähler verdarb. "Ein sehr passender Satz," sagte Verus in Latein, der sich mit einer gewissen Eingewöhnung in seiner Rolle als Damocles wiederfand. Er wollte nicht weiter mit Tiberios fachsimpeln oder sich als besonders kultur-interessierter Mensch darstellen. Jegliche persönliche Darstellung, was er mochte und was er nicht mochte, konnte ihn identifzieren. Es war immer besser, nicht zu viel von sich selbst preis zu geben. Immer vage bleiben, was die eigene Person anging. Dies hatte Verus gut gelernt und sehr tief verinnerlicht. Er konnte vieles sagen aber verschwieg das Wesentliche zu seiner Person. In diesem Fall hatte er sich aber entschieden, Tiberios nicht zu sehr zu unterhalten.


    Verus als Kellner? Eine interessanter Vorstellung für den altgedienten Veteranen vieler Schlachten. Es war immerhin kein blutiges Handwerk und sicherlich auch eine Fähigkeit, die man gebrauchen konnte aber Verus sah sich selbst einfach nicht als Kellner oder Wirt. Zu sehr war er doch unterkühlt, nicht unbedingt eine unterhaltende Persönlichkeit und wirkte wohl die meisten Gäste wohl mehr mürrisch und ausladend grimmig. "Proxima?" Er fragte nach. Denn dies war wichtiges Wissen. Handelte es sich um eine Römerin? Welches Haus war hier in dieser verlassenen Region mit einer Römerin präsent? Gab es noch weitere Angehörige? Was suchten sie hier? Dies waren alles Fragen, die Verus umso wichtiger waren. Beiläufig nahm er den Sklaven des Maiordomus wahr. Auch wichtig aber nicht so wichtig, wie das Wissen um die Gens der Proxima. Denn nur über den Zugang zu weiteren Römern und eventuell weiteren Möglichkeiten, konnte er seine Kameraden aufspüren, die hier in Caesarea und Themiskyra versteckt waren. "Handelt es sich um eine Römerin? Welchem Haus gehört sie an?" Verus fragte direkt, denn er ging nicht davon aus, dass Tiberios den tieferen Sinn dieser Fragen sah. Auch hatte Tiberios freundlich bestätigt, dass er nicht sein Feind war. Vorerst glaubte Verus, nicht den Anschein gemacht zu haben, auf Fragen keine Antwort erhalten zu können.


    Jetzt stellte dieser Tiberios wohl aus emotionaler Beteiligung unangenehme Fragen, die Verus nicht ehrlich beantworten konnte. Seine parthische Gefangenschaft und die Kampfwunden konnte er nicht offen zugeben. Zwar hatten Martouf und seine Handlanger ihr Übriges getan, damit sich die Wunden nicht schlossen und auch ihre Schläge waren nicht förderlich gewesen aber letztlich waren es die Peitschen- und Stockhiebe der Parther, die Kampfwunden auf der Flucht und der Sand der Wüste. Martouf hatte kein Interesse an einem sterbenden Sklaven und hatte seine Wunden sogar notdürftig versorgen lassen. Doch Verus musste nun lügen. "Es waren Martouf und seine Leute, weil ich ihnen nicht gebrochen genug war." Immerhin war diese Lüge leicht, denn mit ihrem Schauspiel auf der Bühne hatten sie seine Aussage bereits vorab glaubhaft erscheinen lassen. "Es schmerzt beim Gehen und jeder Bewegung. Im Stehen geht es," meinte Verus diesmal nicht gelogen. Dabei verzog er das Gesicht zu einem fratzhaften Grinsen, da der Schmerz durch seinen Körper fuhr. Verus war dankbar für das Angebot und stützte sich auf Tiberios, um etwas Kräfte zu schonen. Immerhin würde er sie noch brauchen und jetzt im Stand merkte er, dass er garnicht weit kommen würde. Der Wille mochte ihn weiter bewegen aber sein Körper würde bald versagen. Er hatte selbst Menschen auspeitschen lassen und wusste, dass der Schmerz später deutlich zunehmen würde, wenn sich die Wunden schlossen und das Nervengewebe mit Wundflüssigkeit unter Druck gesetzt wurde. Ein römischer oder parthischer Peitschenhieb schmerzte beim Auftreffen und noch Tage später. Die Stockschläge waren dagegen dumpfer, schmerzhaft auf ihre Weise aber vergingen schneller, da sie nur Schwellungen hervorbrachten. "Machen wir es so," stöhnte Verus unter jenen Schmerzen, die langsam seine Sprache behinderten. Er hatte auch kein Interesse in ein öffentliches Bad mit diesen Wunden zu gehen. Es würde nur Fragen geben, die er nicht beantworten konnte. Es war ein echter Glücksgriff des Schicksals, dass Verus Hilfe gefunden hatte. Ohne diese Hilfe wäre er wahrscheinlich elendig in einem Steinbruch verreckt. Ohne es direkt zu wissen, hatte Tiberios den vollständigen Namen seiner Herrin preisgegeben. "Iunia Proxima," sagte Verus leise, um sich diesen Namen einzuprägen. Er dürfte ihn nicht vergessen, denn er könnte noch sehr nützlich sein.

  • Tiberios lächelte erfreut darüber, dass Varenus sein Zitat passend fand. Er war in seiner Jugend zu jener Sorte Sklave erzogen worden, die durch Unterhaltung und ansprechendes Äußeres ihrem Herren zu gefallen wussten; sein Glück war es, dass er die Werke der Autoren tatsächlich zu lieben lernte. Was er wusste, konnte ihm nicht wieder weggenommen; alles andere konnte ihm jederzeit genommen werden. Nicht umsonst verehrte er Tyche, die Göttin des unwägbaren Schicksals.


    Nun interessierte sich der neue Sklave für die Domina, und Tiberios nahm es als gutes Zeichen, dass er sich in sein neues Leben einfügen wollte:

    „Proxima aus dem Geschlecht der Iunier.“, bestätigte er daher bereitwillig: „Und es gibt auch noch ihren Bruder, Dominus Iunius Verax, doch er ist der Praefectus Vehicolorum, hat sehr viel zu tun und du wirst ihn wenig zu Gesicht bekommen."


    Damocles stützte sich auf ihn und gestand ihm, dass Martouf und seine Leute ihn geschlagen hatten, um ihn zu brechen – dabei erntete er einen kurzen forschenden Blick aus den grauen Augen des Griechen:

    „Man musste dich brechen? So bist du kein verna,kein hausgeborener Sklave?“, stellte er fest, brach hier aber ab, weil es dem Anderen nun sichtlich elend ging. Er bemühte sich redlich, Damocles Halt zu geben, indem er den Arm um seine Hüfte schlang und jegliche Berührung seines malträtierten Rücken vermied.


    Das schnellere Atmen, die kloßige Sprache, dies verriet dem jungen Sklaven, dass der Ältere heftige Schmerzen litt. Er hoffte nur, dass er ihm nicht bewusstlos werden würde, denn er war größer und kräftiger und trotz seines schlechten Zustands wohl auch schwerer als Tiberios; er würde ihn nicht nach Hause tragen können.

    So war erleichtert, als die Taberna in Sicht kam, und wie angekündigt führte er Damocles nicht in die Gaststube, sondern die Treppe hinauf in das Obergeschoss der Parvus Domus Iunia.

  • Sehr gut. Das Haus Iunius kannte Verus sehr gut. Zwar kannte er nicht jedwede Nebenlinie und Verästelung des Stammbaumes aber das große Haus Iunius war ihm im groben bekannt. "Gut," sagte Verus in einem merkwürdigen Tonfall, der zwischen kalter Freude und Erkenntnis schwankte. Verus hatte bei dieser besonderen Betonung etwas Diabolisches an sich, denn Pläne formten sich, um dieser Lage einen erheblichen Vorteil abzugewinnen. Der Altgediente stützte sich auf Tiberios, versuchte einen Schritt zu gehen, da ihn doch dezent die Kräfte verlassen hatten. Es gelang mit Willenskraft und Wunsch, endlich aus dieser misslichen Lage zu entkommen. Verus konnte mit der Unterstütung und freimütigen Hilfe des Tiberios gehen. "Ich bin versklavt worden. Ich bin eigentlich ein freier Mann ...," gab er unachtsam zu. "... gewesen. Das ist vorbei," ergänzte er schnell, um den Fokus von seiner Versklavung abzulenken. Denn noch brauchte er die Tarnung eines Sklaven. "Ich nehme an, dass du ein geborener Sklave bist? Das macht es leichter für dich," meinte der Tiberius, der davon ausgehen musste, dass ein Schicksal, was man von Geburt teilte, leichter zu ertragen war, als ein Schicksal, welches einem unmittelbar auferlegt wurde. Beide erreichten die Taberna und Verus ließ sich mit Mühe hinauf ins Obergeschoss führen.

  • Damocles nahm die Information über die Iunier nicht auf wie ein Sklave von einem Mitsklaven, sondern wie von...ja, wie eigentlich?, dachte Tiberios: Eher wie ein Vorgesetzter, der sich von seinem Untergebenen Bericht erstatten ließ, aber es ging ihm wirklich schlecht, und während sie einen Schritt vor den anderen setzten, wollte der Grieche den anderen am Sprechen halten, damit er nicht das Bewusstsein verlor:

    "Du warst also frei", sagte er: "Und deine Sprache ist die eines gebildeten Mannes. Was hast du vorher gemacht? Als Odysseus Penelope wieder trifft, erkennt sie ihn nicht und fragt ihn: Tis pothen eis andrón? Pothi toi polis äde tokäes? Wer, woher bist du unter den Menschen? Wo dir Heimat und Eltern? Oh nein, ich frage dich nicht aus, ich will nur, dass du mit mir redest, damit du bei mir bleibst. Du kannst dir etwas ausdenken, mir ist es gleich.

    Ich bin als Sklave geboren, da meine Mutter Sklavin war, das ist richtig. Ich bin mit meinem Stand zufrieden. Wenn ich von Nutzen sein kann, macht mich das auf gewisse Weise sogar glücklich. Wie ist das bei dir? Was verursacht dir das Gefühl von Zufriedenheit?“

    Die Taberna, dachte er... endlich

  • Verus wollte ehrlich sein, diesem augenscheinlich Guten ehrlich gegenüber treten und doch konnte er es nicht. Verrat war eine Konstante für einen Prätorianer. Lügen und Manipulationen waren sein Leben, und nicht jene Wahrheit, die so viele suchten. Für Verus war es einfach nicht möglich, soweit ehrlich zu sein, denn ohne seine sprachlichen Tricks und jener dunklen Magie seiner Worte, würde er seine Macht verlieren. Ohne Macht wäre alles umsonst gewesen, was er jemals im Leben getan hatte. Sie gab ihm das Recht zu allem, schuf eine unsaubere Begründung und half sogar beim Selbstbetrug. Verus war hier nicht als Mensch, sondern schlicht als Funktionsträger. Es interessierte ihn selbst nicht mehr und es war auch nicht mehr wichtig, denn nun galt es eine Mission zu erledigen. Er musste den Verräter finden und unschädlich machen. Etwas anderes gab es derzeit nicht. Es war immer einfacher, wenn man sein Leben an kurzfristigen Zielen ausrichtete. Verus glaubte auch nicht an ein gutes Leben für sich und war sich nicht einmal sicher, ob er ein friedliches Nachleben verdient hatte. Es war nicht mal eine Wahl, die er zu treffen hatte, sondern eine schlichte Abfolge von Handlungen. Tiberios stellte seine Fragen, bewerkstelligte seine Offenheit und doch änderte es nichts. Verus war verloren, und dennoch war dort etwas in den Augen des abseitigen Römers. "Ich war... vieles," antwortete Verus also, um seine Tarnung nicht zu gefährden und log damit nicht einmal. Er fand eine Lösung. "Meine Heimat ist bei meiner Familie," gab er zu. Sie war das einzige, was ihm als Flucht geblieben war. Eine echte Flucht für sein geschundenes Herz. "Wenn man seinen Platz kennt...," suchte Verus Worte aber es wurde inzwischen schwerer für ihn zu sprechen. Es war egal, denn er brauchte seinen Verstand, um weiter zu gehen. Schritt um Schritt, denn der Schmerz und die Wunden waren inzwischen übermächtiger geworden. Ein kaltes Gefühl wechselte sich mit einem warmen Schauer ab. Sein Blick verschwamm. Zum Glück erreichten beide alsbald ihr Ziel, jene Taberna, wo Verus unterkommen konnte.

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