Vorboten des Sturms - Aufklärungsarbeit im Herzen des Waldes

  • "Danke für die Rettung. Aber ich war allein, weil ich Wache schieben sollte" , sagte Fango kleinlaut. Vorsichtig durchtrennte er die Dornenranken mit dem Dolch, um Albwin zu befreien. Hoffentlich würde der Germane keine Probleme machen.

  • Albwin schaute Fango verständnislos an, der junge Römer hatte ihm das Leben gerettet. Doch wieso? Vielleicht weil all seine Worte der Wahrheit entsprochen hatten. Ganz langsam stand Albwin auf und hielt sich dann den verletzten Arm. Der Dolch steckte immer noch in seinem Oberarm, mit zitternden Fingern befühlte er die Wunde.


    "Danke", murmelte er kaum hörbar.


    Er hoffte der Begleiter von Fango würde weiterhin so ruhig reagieren. Der Mann wollte wissen wer sich noch hier herumtrieb?

    Eine Horde Römer die nichts in ihren Wäldern verloren hatte. Aber die Antwort verkniff sich Albwin lieber, genauso wie den Dolch aus seinem Arm zu ziehen.

  • Schaudernd betrachtete Fango die entsetzliche Wunde. Ihm wurde schwindlig davon, er atmete keuchend ein und richtete sich auf.


    "Wir haben Capsarii, die das flicken!" Seine Worte klangen albern in Anbetracht der Schwere der Verletzung.


    Dann fiel ihm ein, dass Sabaco diese Turma leitete, und erbleichte. Dass er Albwin verarzten ließ, anstatt ihn seinen Bluthunden zum Spielen vorzuwerfen, war fraglich. Doch eine andere Hoffnung hatte Albwin nicht. Allein würde er verbluten, sobald er den Dolch herauszog.


    Die Übelkeit bekämpfend, führte Fango den Germanen in Richtung Lager.

  • Catualda hatte genug gesehen. Albwin war verloren und er selbst kein Krieger. Lautlos zog er sich zurück in die Schatten des Waldes. Weich glitten seine Schritte über Wurzeln, Gras und Moos, bis er weit genug entfernt war, um nicht mehr vernommen zu werden. Dann beschleunigte er.


    Tock, raschel, raschel.

    Tock, raschel, raschel.


    Trotz des Stabes, auf den er sich stützte, kam er heute genau so schnell voran wie in seinen besten Tagen. Ein Name hallte in seinem Geist nach, ein gedankliches Echo, das seine Energien entzündete. Sabaco. Seine Nemesis seit ihren Jugendjahren. Wie es aussah, gönnten die Götter ihnen beiden keine Ruhe voreinander, so lange sie beide am Leben waren. Catualdas Herz flammte auf, als er seinen Platz in diesem Spiel erkannte, seine Aufgabe in diesem heraufziehenden Krieg. Er war für so viel mehr bestimmt als für die Aufgabe des Heilers und Schamanen der Menschen und Geister. Er würde das freie Germanien heilen von dieser Krankheit namens Rom.

  • Cimber packte Fango und hakte ihn kurz unter, bis dieser wieder sicher stand. Gemeinsam mit seinem jungen Kollegen führte Cimber ihren Gefangenen zurück ins Lager. Fango sah blass um die Nase aus, aber konnte man es ihm verdenken? Wer würde anders aussehen bei dem, was Fango gerade durchgemacht hatte. Zudem war Fango eine friedliebende Seele, das Militär war nichts, was ihn gelockt hatte. Und dann wurde er entführt. Zufall? Oder hatte der Gefangene genau das in Fango erkannt? Sprich hatte er ihm die Friedfertigkeit angesehen? Leichtes Opfer oder verwandte Seele? Was hatte der Germane in Fango gesehen?


    "Fango, sei so gut und suche einen der Capsarii, er soll sich unseren Gefangenen anschauen und ihn verarzten", sagte Umbrenus und musterte sein Mündel. Cimber sah auf den ersten Blick keine Verletzung und Fango hätte ihm sicher davon berichtet. Dennoch schaute er lieber noch einmal ganz genau, ohne Fango zu beunruhigen.


    Erstens benötigte der Germane wirklich einen Heiler und zweitens benötigte Fango eine feste Aufgabe, damit er den Schrecken abstreifen konnte. Wie Sabaco die Sache mit dem Gefangenen aufnehmen würde, wusste Cimber nicht. Aber er würde berichten, was Fango ihm erzählt hatte.

  • Sabaco hatte genau bemerkt, das zwei fehlten. Natürlich hatte er das. Während er in der Sonne trocknete, wobei er nicht etwa lag, sondern herumstand und mit seinen kalten Raubtieraugen über das Lager blickte, nahm er sich vor, das anzusprechen. Er mochte nicht leiden, wenn sich jemand seiner unmittelbaren Kontrolle entzog, seit dem Verschwinden seines kleinen Bruders noch weniger als zuvor.


    Als Cimber und Fango endlich eintrafen, war der Decurio wieder angezogen und in voller Rüstung, die Miene besonders eisig. Doch die Rüge entfiel vorerst - sie hatten da etwas Interessantes im Schlepptau.


    "Nuntio", bellte er. Sein Stimme klang wie ein brechender Gletscher. Er blickte Cimber an.

  • Cimber trat vor Sabaco und grüßte vorschriftsgemäß. Umbrenus spürte das Packeis das der Decurio ausstrahlte, aber er empfand nicht, dass es ihm galt. Vielmehr galt es Cimbers Einschätzung nach dem Germanen und das zu Recht. Hatte er es doch gewagt, Fango ihrer Truppe zu entreißen und schlimmer noch ihm! Er war für die Sicherheit seines Mündels zuständig und die hatte er gewährleistet. Glücklicherweise noch rechtzeitig.


    "Duplicarius Umbrenus auf Befehl zur Stelle. Decurio Matinius ich habe vorhin festgestellt, dass Eques Seius Iunianus verschwunden war. Da Fango für seine Zuverlässigkeit bekannt ist, haben bei mir gleich die Alarmglocken geschrillt. Deshalb bin ich ohne einen entsprechenden Gruß sofort aufgebrochen. Ich hoffe auf Dein Verständnis. Mein Verdacht hatte sich bestätigt, Decurio. Eques Seius befand sich in der Hand dieses Mannes. Mir ist es gelungen unseren Kameraden aufzuspüren und ohne Verletzung zu retten.


    Bei der Befreiung wurde der Gefangene verletzt. Wir sollten ihn verhören, er könnte nützliche Informationen für uns haben. Soweit ich das beurteilen kann, ist dieser Mann anständig mit Eques Fango umgegangen und hat diesen nicht verletzt. Andernfalls... nun andernfalls hätte Dich der Gefangene in einem anderen Zustand erreicht. Dennoch benötigt er einen Heiler, da er meinem Dolch im Arm stecken hat. Ich musste seine Flucht vereiteln.


    Deine Befehle Decurio", antwortete Cimber.

  • "In einem anderen Zustand? Diese Wunde kann kein Heiler verschließen, man kann den Arm schließlich nicht von innen nähen. Und falls der Germane nicht verbluten sollte, sobald man den Dolch herauszieht, verbrennt ihn in zwei Tagen der Wundbrand, bis er eines Morgens kalt und steif in seinem Lager liegt. Alles schon erlebt. Der Bursche ist todgeweiht."


    Die Information kam so trocken wie der Rest.


    "Nein, ich habe kein Verständnis dafür, wenn jemand sich ohne Meldung vom Lager entfernt, besonders kein Unteroffizier. Du hast deinen Posten verlassen und wir sind hier mitten im Feindesland. Deine Männer verlassen sich auf dich. Ich verlasse mich auf dich. Du hast eine Vorbildfunktion. Das darf nie wieder geschehen. Hörst du? Ich will zu jedem Zeitpunkt den Aufenthaltsort jedes einzelnen Mitglieds der Turma Secunda kennen und niemand kackt und pinkelt abseits des Donnerbalkens! Mach das den Männern klar, wenn du einen erwischst!"


    Er vermutete, dass Fango deshalb so weit entfernt gewesen war.


    "Daheim im Lager wirst du dich an unseren Vexillarius wenden, Umbrenus. Für die Dauer dieses Einsatzes gerechnet sollst du die Hälfte deines Soldes in die Gruppenkasse unserer Turma geben."


    Im Grunde bedeutete die Pecunaria multa, die Geldstrafe, dass das Ansehen des Unteroffiziers gewahrt blieb. Trotz des vernichtenden Tonfalls handelte es sich um eine milde Strafe, denn Sabaco hätte ihn genau so gut körperlich züchtigen oder den Donnerbalken pflegen lassen können. Eine Würdigung des Umstandes, dass er den Giftzwerg gerettet hatte.


    "Jetzt begleite mich mit diesem Germanen. Er bedarf keiner Schonung, falls er Ärger macht. Und Eques Iunianus kann wegtreten. Er wird für den Rest des Einsatzes auf halbe Ration gesetzt."


    Sabaco starrte Stilos Sohn hinterher, als wolle er ihn auffressen und seine Gedanken waren auch gar nicht so weit davon entfernt. Dann fuhr er herum und bedeutete dem Gefangenen, dass er mitkommen sollte. Für das Verhör würden sie sich ein gemütliches Plätzchen suchen ... im Herzen des Lagers, von wo es kein Entrinnen gab. Dort fackelte Sabaco nicht lange.


    "Sprichst du Latein? Dein Name?"

  • "Tot, das wäre der andere Zustand des Germanen gewesen. Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Hätte er Eques Iunius nicht entführt, wäre ihm nichts geschehen. Handlung und Konsequenz. Für mich zählt einzig und allein die Rettung von Fango. Verstanden und zu Befehl Decurio, ich werde entsprechend handeln. Der Germane kann sich problemlos mit uns verständigen", antwortete Cimber.


    Die halbe Portion Fango auf halbe Ration. Er musste sein Mündel versorgen, soviel stand fest. Mit dem Germanen im Schlepptau folgte Cimber Sabaco.

  • Albwin schaute von Fango zu Cimber und dann zu Sabaco. Langsam, fast bedächtig nickte er. Wie die Männer über ihn sprachen, ließ ihn frösteln. Was hatte er von Römern erwartet? Mitleid? Sie kannten nichts außer Zerstörung und Einverleibung. Es mochte einzelne Ausnahmen geben, wie Fango. Doch der Großteil sah in seinen Rüstungen nicht nur gleich aus, sie dachten und handelten auch scheinbar alle gleich.


    Das war er also, der Mann von dem das Schicksal Germanias abhing. Albwin versuchte sich seine Gefühle nicht ansehen zu lassen. Aber so ganz gelang es ihm nicht. Er hatte Angst um sein Leben, seine Leute und sogar um Fango. Wollte dieser Mann den kleinen, freundlichen Römer verhungern lassen? Taten Römer so etwas? Albwin wusste es nicht. Wäre er nur mit dem Burschen weggelaufen! Nun war es zu spät, er stand der Bestie gegenüber die Germania verschlingen wollte. Und weshalb? Weil sie ihren Bruder suchte, so hatte es ihm Fango berichtet. Doch was konnte er tun? Er selbst steckte bis zum Hals in der Klemme.


    "Mein Name ist Albwin und ja ich verstehe Dich", antwortete der blonde Germane. Seine Stimme klang dabei viel zu hoch und dünn, so als hätte ihn auch dort die Kraft verlassen.

  • Für Albwin wurde es ein trauriges Verhör. Sabaco legte in vollendeter Mustergültigkeit alle Widerwärtigkeit an den Tag, die man den Römern in Germanien gern vorwarf. Lange dauerte es nicht, dann hatte der Decurio alles erreicht, was er von Albwin wollte und brauchte. Anschließend bellte er seine üblichen Befehle, als wäre nichts gewesen. Die Turma Secunda brach das Lager ab. Zur Freude der Equites ging es nun endlich wieder zurück in Richtung Castra.


    Was sie von Albwin zurückließen, hätte jemand mit anderen Moralvorstellungen wahrscheinlich erlöst, doch Sabaco lebte in seiner eigenen Welt. Mit abwesendem Gesichtsausdruck, einen Haufen neue Informationen im Kopf und vorerst befriedigt, ritt er auf seinem Hengst in der Mitte der Formation und niemand wagte, ihn anzusprechen, bis sie die Zivilisation wieder erreichten.


    RE: Vorboten des Sturms - Vorbereitungen auf die Operation Sommergewitter >>

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