[Triclinium] Empfang von Aulus Iunius Tacitus & Sextus Iunius Stilo

  • Triclinium

    Empfang von

    Aulus Iunius Tacitus &

    Sextus Iunius Stilo


    Der Speisesaal der Domus Iunia war mit drei Speisesofas möbiliert, die hufeisenförmig um den Tisch angeordnet waren. Das ideale Gastmahl bestand rechnerisch aus neun Personen, aber auch zwei Personen fanden hier gemütlich Platz. Wie sich die beiden neu angekommenen Bewohner des Hauses sortieren wollten, war ihnen überlassen. Die gewünschten Getränke in Form von Posca standen schon auf dem Tisch und aus der Küche duftete es nach gekochtem Puls mit süßen Früchten.

  • Ich sah mich um. Auf jeden Fall sah es hier deutlich ordentlicher aus als draußen. Während ich einen Becher Posca nahm, ging ich zum lectus summus, um mich dort niederzulassen. Wobei ich mich nicht legte, sondern setzte. Immerhin war das hier - zumindest aus meiner Warte - nur als kurze Speise gedacht. Außerdem fehlte der Gastgeber.


    "Welch positive Überraschung nach dem verwilderten Garten," sagte ich zu Stilo.

  • Stilo schaute sich einmal um, nahm sich seinen Becher vom Tisch und ging auf die andere Seite gegenüber von Tacitus, wobei er sich erst hinlegen wollte und im letzten Moment bemerkte, dass Tacitus dies nicht machte. So folgte er dem Beispiel und saß ebenfalls aufrecht da.


    "Das hätte ich jetzt so nicht erwartet.", erwiderte er und fuhr fort," Mein Vater pflegte immer zu sagen, man solle eine Melone nie nach dem Äußeren beurteilen. Ich denke, seine Redewendung könnte man hier gut anbringen". Dabei lachte Stilo über seine eigene Bemerkung.

  • Während Unauris die körperlich anstrengenden Arbeiten verrichten musste - er entlud die Pferde und versorgte sie - kümmerte Terpander sich um das leibliche Wohl der beiden Iunier. Mit Getränken waren sie bereits versorgt. Wenig später servierte Terpander ihnen die gewünschte Früchtepuls sowie Brot und eine herzhafte Käseauswahl aus der Region.


    "Ich wünsche guten Appetit", sagte er. "Ich habe einen Laufburschen entsandt, der meinen Herrn über eure Ankunft informieren wird. Er ist momentan im Castellum Mattiacorum stationiert."


    Als Terpander die Weisheit über die Melone von Stilos Vater hörte, und Stilo selbst herzlich darüber lachte, schmunzelte Terpander kaum merklich. Er war nicht so humorlos, wie er immer wirkte, fand aber selten etwas zu Lachen. Zu tief steckte er im eigenen Gram.

  • Wie es der Zufall wollte, war Scato sowieso auf dem Weg in die Domus Iunia, so dass ihm der Laufbursche entgegenkam, der ihn über die Ankunft seiner Verwandten informierte. Wenig später traf Scato in praktischer und gemütlicher Kleidung im Triclinium ein.


    "Salvete", grüßte er mit einem Lächeln, bei dem sich seine Augenringe vertieften. Zum Dienstschluss war er immer etwas müde, doch er freute sich über die Abwechslung und das Leben, das in die Domus Iunia einkehrte. "Ich bin Sisenna Iunius Scato. Mit wem habe ich die Freude?" Die Namen kannte er zwar, doch er musste sie auch dem jeweils Richtigen zuordnen können.


    Terpander wurde erstmal ignoriert, die Gäste gingen vor.

  • Stilos Bemerkung über die Melone war gar nicht schlecht. Ich musste auch etwas schmunzeln, erkannte aber durchaus auch Weisheit darin.


    Als ich gerade dabei war, zu essen, betrat Scato den Raum. Ich hielt es für höflich, mich für den Gastgeber zu erheben. Außerdem konnte ich ihn so besser betrachten. Er wirkte etwas müde. Seine Kleidung hingegen sah bequem aus, so dass ich folgerte, dass er sich bereits umgezogen hatte.


    "Salve, Iunius Scato. Ich bin Aulus Iunus Tacitus. Wir hatten bereits per Brief korrespondiert. Und dies ist unser Vetter Sextus Iunius Stilo. Ich hoffe, dass wir dich nicht ob unserer unangekündigten Reise in Verlegenheiten bringen. Und ich möchte dir sehr für die Beherbergung meiner Schwester und meiner Mutter danken."


    Natürlich hätte ich direkt dozieren können, weshalb wir die Reise auf uns genommen hatten, doch wäre es unhöflich, den Gastgeber mit einer Fülle an Informationen zu überfallen.

  • Als Scato den Raum betrat, erhob sich Stilo ebenfalls zugleich. Dies war nun der Verwandte, zu dem sein Vater ihn ursprünglich schicken wollte. Irgendwie fühlte er sich indessen auch angekommen und er freute sich bereits, seinen Vater darüber zu berichten. Als er von Tacitus vorgestellt wurde, verneigte Stilo freundlich und respektvoll den Kopf.


    "Salve, Scato. Wie unser Vetter bereits mitgeteilt hat, bin ich Sextus Stilo. Ich solle dich von meinem Vater herzlich grüßen, Lucius Iunius Lucullus."



  • "Ahhhh, ich erinnere mich, auch wenn der Brief schon eine Weile her ist", sagte Scato an Tacitus gewandt. Er gab seinem Verwandten mit einem Lächeln die Hand. "Ich glaube, du bist der einzige Träger eines Philosophenbartes in der Gens." Der Tacitus gut zu Gesicht stand. Was den Dank betraf winkt er energisch ab. "Das hier ist die Domus Iunia, nicht die Domus Scato! Je mehr Verwandte hier wohnen, umso besser. Jedem Iunier und dessen Angehörigen steht die Tür offen."


    Kurz ging er das Namensregister durch, aber ihm fiel kein Verwandter ein, dem er die Gastfreundschaft verweigern würde, von seiner eigenen Mutter abgesehen, und die war tot. Scato fühlte keine Trauer, nur einen kurzen Augenblick lang Ärger, der aber so schnell verflog, wie er gekommen war, und Aulus Iunius Tacitus musste sich nach dem Handschlag kurz, aber herzlich umarmen lassen.


    "Deiner Schwester und eurer ... ihrer ... - Wie ist es richtig? - ... Mutter geht es gut, aber Matidia hat immer sehr viel zu tun. Ich hoffe, sie beehrt uns heute auch, aber ich habe sie noch nicht gesehen." Er vermutete, dass sie in Mogontiacum vielleicht jemanden kennengelernt hatte, was in dem Alter das Normalste der Welt wäre, aber er vermied es, irgendwelche Gerüchte zu säen, da das nicht seine Art war, oder der eigenen Verwandtschaft nachzuspionieren. Er war schließlich nicht Matidias Vormund.


    Dann widmete er sich Stilo, der trotz der Namensgleichheit ganz anders wirkte als sein Onkel Stilo, was wahrscheinlich nur von Vorteil war. "Danke für die Grüße deines Vaters! Vielleicht habe ich irgendwann das Vergnügen, ihn persönlich kennen zu lernen. Aber bitte neige doch nicht das Haupt, Stilo. Ein Römer verneigt sich vor niemandem, hm?" Er zwinkerte Stilo freundlich zu, dann wurde auch der wahrscheinlich jüngere Vetter an der Hand gegriffen und umarmt.


    Anschließend zog Scato die bequemen Lederschuhe aus, die er im Winter daheim trug, so dass seine Füße nur noch in Socken steckten, und machte es sich ebenfalls sitzend bequem. Da er die anderen beiden so vorgefunden hatte, passte er sich an, und man musste ja nicht jedes Mal im Liegen essen. "Für mich bitte irgendwas Gehaltvolles, Terpander, aber keine Puls - die esse ich jeden Tag - und auch kein Fleisch - darauf habe ich keinen Appetit. Ich habe ziemlichen Hunger. Und bitte nur Posca."


    An seine Verwandten gewandt sagte er: "Während wir es uns gutgehen lassen, könnt ihr erzählen, was euch hierher verschlagen hat und wie lange ihr zu bleiben gedenkt. Ich hoffe doch sehr, dass ihr nicht zu bald wieder abhaut. War die Reise gut und die Straßen sicher?"

  • Mit einer Umarmung hatte ich nicht gerechnet, konnte aber meine Fassung mehr oder minder behalten. Die Umarmung war zu kurz, um sie zu erwidern. Zumindest, wenn man erst einmal überrascht war. Mein Vater hatte mich nie umarmt, sondern mir eher mal auf die Schulter geklopft, wenn er stolz auf mich war. Und meiner Mutter hatte er auch nahegelegt, mich nicht zu oft zu umarmen, damit ich nicht verweichlichen würde. So konnte ich mich bewusst nur an die Umarmung meiner Mutter erinnern, als ich die Reise ans Museion antrat.

    "Deiner Schwester und eurer ... ihrer ... - Wie ist es richtig? - ... Mutter geht es gut, aber Matidia hat immer sehr viel zu tun. Ich hoffe, sie beehrt uns heute auch, aber ich habe sie noch nicht gesehen." Er vermutete, dass sie in Mogontiacum vielleicht jemanden kennengelernt hatte, was in dem Alter das Normalste der Welt wäre, aber er vermied es, irgendwelche Gerüchte zu säen, da das nicht seine Art war, oder der eigenen Verwandtschaft nachzuspionieren. Er war schließlich nicht Matidias Vormund.

    "Unser beider Mutter."


    Über den Rest musste ich erst einmal nachdenken. Matidia hatte sehr viel zu tun? Da würde ich bei ihr etwas nachbohren müssen. Einerseits, weil ich nicht wüsste, dass sie arbeiten müsste. Dafür war unser Erbe zu gut und ich schätzte sie auch nicht so ein, dass sie ein Handelshaus hochziehen würde. Andererseits, weil sich dann zwingend die Frage ergab, was für eine zeitaufwändige Beschäftigung sie hatte. Und außerdem war ich neugierig. Während ich nachdachte, begrüßte Scato den guten Stilo genauso herzlich, wie mich.

    An seine Verwandten gewandt sagte er: "Während wir es uns gutgehen lassen, könnt ihr erzählen, was euch hierher verschlagen hat und wie lange ihr zu bleiben gedenkt. Ich hoffe doch sehr, dass ihr nicht zu bald wieder abhaut. War die Reise gut und die Straßen sicher?"

    "Stilo wird dir seine Beweggründe sicher offenlegen. Meine Gründe liegen einerseits darin, dass ich mal nach meiner Mutter und meiner lieben Schwester schauen wollte und andererseits darin, dass ich hoffe, hier ein paar Einsichten für mein neues Buch zu erhalten, die ich in Rom vermutlich niemals erhalten würde. Doch zunächst möchte ich deine Frage beantworten. Die Reise war erstaunlich gut und die Straßen waren zumindest in Gesellschaft stets sicher. Natürlich hatte ich mich gegenüber Mercurius und Neptunus auch großzügig gezeigt, was sicher nicht schädlich war. Wir sind von Ostia nach Massilia über See gereist, anschließend über Nemausus weiter hierher. Hast du jemals die Brücke des nemausischen Aquädukts über den Vardo gesehen? Das ist eine wirklich beeindruckende Leistung unserer Baumeister."

  • Da sein Vater ihm stets Respekt gegenüber anderen beigebracht hatte, wartete er, bis Tacitus fertig geredet hatte. Als von Scato nicht sofort eine Reaktion kam, schloss er schließlich an und erzählte, warum er sich hier befand.

    "Nun, und ich bin hier, um dem Reich zu dienen." Tatsächlich konnte er es nicht glauben, dass er, so fernab von seiner Familie und Heimat nun hier angekommen war, um sich für eine sehr lange Zeit zu verpflichten. "Ich wollte zur Legion, oder zur Ala. Ich habe es noch nicht genau entschieden. Tacitus habe ich in Rom kennengelernt. Da er hier hinreisen wollte und ich hier beiden finden kann, dachte ich, ich komme mit und melde mich hier."

    Tatsächlich hatte sich Stilo noch nicht genau festgelegt. Er wusste nicht, was besser für ihn sein würde. Er hoffte jedoch, dass er zeitnah eine Antwort finden würde.

  • "Was habe ich Somnus getan, dass er Menschen schickt, die mich stören?" Das von Matidia gehaltene Schläfchen war offensichtlich gestört worden, und diese war höchst ungehalten über die Störung, wie man unschwer hören konnte. In ihrem cubiculum ruhend, erholte sie sich von den wichtigen Dingen, die das Tochterdasein so mit sich brachte, und es gefiel ihr, offensichtlich, ganz und gar nicht, das man sie störte. Was aber keinen Unterschied machte zu einer Störung am Abend, Mittag oder Morgen.

    Seufzend legte sie sich eine Tunika um und spazierte in die Richtung der Geräusche, das Tricilinum, es war ja direkt nebenan.

    Natürlich war es erneut Scato, dieser umtriebige Kerl, der dort etwas zu tun hatte, und er hatte dieses Mal sogar zwei Freunde mit sich gebracht. Der eine hatte sogar einen Bart, was ihr nicht passend erschien, modisch war es zumindest nicht. Sie warf ihm einen missbilligenden Blick zu.

    "Könnt ihr eure Feier nicht an einen anderen Ort verlegen?", sagte sie müde und zeigte dabei unbewusst eine nackte Schulter zuviel, weil sie sich unachtsam ankleidet hatte.

  • Ich betrachtete die junge Frau, die den Raum betreten hatte, wobei ich ihren missbilligenden Blick, der mir galt, zur Kenntnis nahm. Sie war ja recht hübsch, aber ihr Verhalten ließ zu wünschen übrig. Auch ihre Aufmachung war einer Römerin unwürdig. Dennoch zeigte ich keinerlei Gefühlsregung. Zwar hatte ich eine Vermutung, wer diese Frau sein könnte, doch hoffte ich, dass ich mich irrte. Vielleicht hatte Scato ja eine Geliebte? Denn die Vorstellung, dass es sich bei der Person um meine Schwester handeln könnte, gefiel mir gar nicht. Andererseits schien sie, rein optisch, keine Germanin zu sein. Oder gab es auch Germaninnen, die nicht rotblondes Haar hatten? Dann hätte Publius Cornelius Tacitus aber für sein Buch "De origine et situ Germanorum" zu stark simplifiziert.


    "Ich würde das hier nicht als Feier bezeichnen. Aber die Maßstäbe in der Provinz mögen andere sein, als in Rom."


    Diesen Kommentar konnte ich mir einfach nicht verkneifen, wenngleich ich selbst auf fast gar keiner Feier gewesen war. Und auch nur auf einem Symposium, welches ich frühzeitig verlassen hatte. Ich mochte Bibliotheken einfach lieber, als Feiern.

  • So Recht konnte Stilo die Situation nicht erfassen. Auf der einen Seite eine hübsche Frau, die jedoch nicht so recht offenbarte, wer sie war, auf der anderen Seite Tacitus, dem wohl tausenden Gedanken durch den Kopf jagten.. Es dauerte etwas, aber als Tacitus antwortete, war sich Stilo fast sicher...das ist nicht irgendeine Frau - das ist seine Schwester.

    Gedanklich entwickelte sich alles zu einer Komödie, auch wenn die Schauspieler ernst blieben. Aber so wie es sich gehörte, behielt er alles für sich und wartete ab, was als Nächstes passieren würde.

  • Hach ja, die Herzlichkeit von Familienzusammenkünften ... Scato hätte davon ein sehr zermürbendes Lied singen können, doch da es sich hier um eher entfernte Verwandtschaft handelte, konnte er die Dinge mit Humor nehmen. So ließ er es sich auch nicht nehmen, überflüssiger Weise zuerst die Geschwister einander vorzustellen. "Aulus Iunius Tacitus, das ist Iunia Matidia. Iunia Matidia, das ist Aulus Iunius Tacitus." Scato fand seinen eigenen Scherz sehr lustig und grinste zufrieden. "Sextus Iunius Stilo, das ist Iunia Matidia, die Schwester von Aulus Iunius Tacitus. Iunia Matidia, das ist Sextus Iunius Stilo, ein Vetter von uns."


    Matidias Kleiderordnung offenbarte ihr zartes Schülterchen. Scato war es längst gewohnt, dass sie sich daheim gern gemütlich und locker kleidete, und hatte nie etwas dazu gesagt, da es ihn seiner Meinung nach nichts anging. Eigentlich fand er es sogar recht niedlich, da es ihm zeigte, dass seine Verwandte sich unter seiner Obhut wohl und sicher fühlte. Nur, was ihre Füße betraf, hatte er ein Auge darauf, dass diese nicht kalt wurden, und schaute auch jetzt, was sie an den Füßen trug. Die Fußbodenheizung erstreckte sich leider nicht durch das gesamte Haus.

  • Das letzte bisschen Hoffnung, dass es sich bei der jungen Frau nicht um meine Schwester handeln könnte, war dahin. Seit wann waren ihre Manieren wie die einer verwöhnten Tochter? Natürlich war sie eine verwöhnte Tochter, aber deshalb musste sie sich ja nicht so verhalten. Wie auch immer... Ich musterte sie noch einmal, immerhin waren wir beide Kinder gewesen, als wir uns das letzte Mal gesehen hatten.


    "Du bist groß geworden, Matidia. Und ich muss ehrlicherweise zugeben, dass du zu einer sehr schönen Frau herangewachsen bist."


    Über ihre Manieren konnte ich noch ein anderes Mal mit ihr sprechen. Das musste ja nicht vor der ganzen Familie sein. Bisher zeigte ich keine Gefühlsregung, jedoch stahl sich beim nun folgenden Satz ein kleines Lächeln in mein Gesicht.


    "Überrascht, mich hier zu sehen?"

  • Kein Wunder, dass Matidia im Moment so unordentlich gekleidet war, denn sie war ja gerade erst aufgestanden. Und befand sich hier an einem Ort, den sie tatsächlich für den Moment als ihr Zuhause bezeichnete, auch wenn dies ja, trotz allem, irgendwie nur vorübergehend sein sollte. Dafür verweilte sie zugegeben schon recht lange in Germania und fühlte sich hier auch ziemlich wohl.

    Natürlich war das hier keine Feier, der Kommentar war richtig, sogar in der Hinsicht, dass Mogontiacum es sicherlich nicht mit Rom aufnehmen konnte, was es selbstredend aber auch nicht versuchte. Dennoch passte ihr der Einwand nicht, und ihre feinen Augenbrauen verengten sich ein wenig mehr. "Dann verlegt eben ... das was ihr hier macht.", murmelte sie grummelnd, zupfte ihre Tunika zurecht und rieb sich indessen mit einem nackten Fuß über die andere Wade, da es tatsächlich ein wenig frisch wurde, so abseits der Liege.


    Als Scato die Sache dann förmlich aufklärte, verharrte sie in der Bewegung, eine Haarsträhne, welche sie notdürftig hinter ein Ohr zurück schieben wollte, in der Hand, starrte ihren Bruder mit großen Augen an und ihr Unterkiefer klappte hinab, was ihrer Erscheinung den letzten Rest an römischer Anmut nahm. Möglich, dass sie hier irgendwelchen Erwartungen nicht entsprach, aber sie war eben auch eine unbeaufsichtigte junge Frau, die hier in der letzten Zeit mehr oder weniger hatte tun und lassen können, was sie wollte. Es hatte nicht immer ihre besten Verhaltensweisen hervorgebracht.

    "Tacitus?", wiederholte sie und schaute kurz zu Scato, der sich aber wohl keinen Scherz erlaubt hatte. Dann sah sie wieder zu ihrem Bruder, den anderen Mann, Stilo, ignorierte sie unhöflich, aber vielleicht verständlicherweise. "Du bist hier?"


    Damit hatte sie nicht gerechnet, und plötzlich wurde ihr wieder bewusst, wie einsam und verlassen sie sich hier auch schon gefühlt hatte, wie alleine sie mit ihrer immer noch siechenden Mutter gewesen war, und wie sehr sie sich an eine ihr bekanntere Umgebung gewünscht hatte, oder zu jemandem, den sie kannte oder gar vertraute. Ja, sie hatte Scato, der wirklich viel getan hatte, und natürlich auch andere Bekanntschaften und mehr, aber das hier, ihr Bruder, war etwas anderes. Natürlich hatte sie ihn lange - ewig - nicht mehr gesehen, sie wusste nicht, wie er als erwachsener so war, und war somit vielleicht auch eigentlich ein Fremder, aber er war ihr Fleisch und Blut und versprach ein Gefühl von Sicherheit, welches sie vermisst hatte. Natürlich konnte sie das sehr gut überspielen, aber gerade bekam diese sorgsam aufgebaute Mauer um ihr Inneres ein paar Risse.

    Ohne abzuwarten oder zu zögern eilte sie, erneut höchst undamenhaft, auf den Bärtigen zu, und schlang ungefragt ihre Arme um ihn um sich an ihn zu drücken. Tacitus war schon immer ein Mann des Geistes gewesen, darum war er ja auch nach Alexandria gegangen, während Matidia ihrem Herzen folgte, eventuell manchmal etwas zu sehr, weil sie es sich eben leisten konnte. Seine recht kühlen Worte eben unterstrichen das, aber der jungen Frau, die in diesem Moment wieder deutlich mehr wie ein Mädchen aussah, war das egal, denn in ihren Augen standen Tränen und sie genoss die brüderliche Nähe. "Danke.", sagte sie leise mit belegter Stimme nah an seinem Ohr.

  • Schon wieder ohne Vorwarnung umarmt zu werden, überraschte mich erneut. Doch als Matidia mich so in ihre Arme schloss, erwiderte ich die Umarmung und streichelte ihr mit einer Hand sanft den Kopf. Als wir noch Kinder waren, hatte ich sie so immer getröstet, beispielsweise wenn sie sich beim Spielen weh getan hatte. Obwohl Vater es ablehnte, dass ich von ihm oder Mutter umarmt wurde, ließ er Matidia stets gewähren und erlaubte mir auch immer, sie zu umarmen und zu trösten. Einmal sagte er mir sogar, dass ich das richtig machen würde und stets gut auf meine kleine Schwester aufpassen sollte.


    Leise und mit sanfter Stimme sprach zu Matidia.


    "Na, so schlimm kann es hier nicht sein. Immerhin sind wir auf der zivilisierten Seite der Grenze."


    Ich löste die Umarmung und schob Matidia gerade so weit weg, so dass ich ihr in die Augen sehen konnte, wobei ich sie freundlich anlächelte und sie weiterhin sanft an ihren Armen festhielt.


    "Natürlich ist das Wetter hier deutlich bescheidener, als in Rom, die Stadt ist kleiner, die Straßen sind schlechter, aber insgesamt ist es doch immer noch recht schön hier, oder?"


    Bis auf die Natur. Hier war so viel wilde Natur. Nicht so schön sauber geordnet, wie in den Parks und Feldern im Bereich der Hauptstadt. Ich war ein Stadtmensch, diese Wildnis, die hier rings herum war, schien mir so chaotisch und unpassend. Aber vielleicht würde ich auch hierin eine Ordnung erkennen. Irgendwann... Im Moment war meine kleine Schwester wichtiger.

  • Diese familiäre Wiedervereinigung löste in Stilo ebenfalls Emotionen aus, da er nicht wusste, ob er jemals seine Eltern wiedersehen würde. Beide waren schon etwas älter und der Abschied von Ihnen fühlte sich schon endgültig an. Die Familie ist eben immer die Familie. Daher wollte er hier auch nicht stören und widmete sich seinen Essen zu, ohne respektlos erscheinen zu wollen. So unterschiedlich dieses Geschwisterpaar auch war, so stark war auch die Zuneigung, die beide jetzt ausstrahlten. Einen Bissen nehmend schaute er zu Scato auf, der ebenso erfreut wirkte...

  • Scato nahm sich die Freiheit heraus, neben Stilo Platz zu nehmen, während die Gewschwister einander begrüßten. Er freute sich, dass das Wiedersehen so positiv verlief. Das war keine Selbstverständlichkeit, denn die Streitigkeiten unter Geschwistern konnten durchaus sehr scharf ausfallen. "Zur Legio oder zur Ala soll es also gehen", griff er Stilos Worte auf. "Wie kommt es, dass du dich noch nicht entschieden hast? Hast du noch Fragen?"


    Nebenbei schaute er, ob Terpander seine Bestellung mitbekommen hatte. Der ältere Herr hörte vielleicht inwzwischen nicht mehr so gut ... Scato hatte sich noch nicht einmal danach erkundigt, wie es ihm in Rom ergangen war. Andererseits schien Terpander ihm auch aus dem Weg gegangen zu sein. Wahrscheinlich war er wieder mal beleidigt. Scato war trotzdem froh, ihn wieder bei sich in Mogontiacum zu wissen.

  • Ja, Matidias Bruder war der Ältere, aber eben auch ruhiger und klügere. Das gab sie gerne zu, er war eben außergewöhnlich klug, das bedeutete ja nicht, dass sie nicht auch klug sein konnte. Zudem las er gerne und viel und wusste sicherlich alles, was man so wissen musste, das zumindest war ihre Hoffnung, und da er nun hier war, würden sich viele Dinge klären. Natürlich konnte auch er ihre Mutter nicht wieder gesund machen, aber das musste er ja auch nicht, solange er hier war und sie nicht mehr alleine.

    Er löste die Umarmung und schaute sie warm an, Matidia lächelte und wischte sich eine Träne weg, als ihr klar wurde, dass es ja noch Fremde hier gab. Andererseits, sie durfte sich ja freuen bei so einem Anlass, oder?

    "Ach, es half ja nichts.", meinte sie, Bezug nehmend auf den Überfall. Die Barbaren kamen auch über den Fluss, wie es schien, wenn sie wollten. Aber ja, er hatte recht. Wie so oft.

    "Es stimmt. Alles ist so viel kleiner. Aber..." Sie schaute zu Scato, dann an ihm vorbei und dachte dabei auch an Sabaco. "Es gibt auch sehr gute Menschen hier. Scato zum Beispiel! Ohne ihn..." Sie führte es nicht weiter aus, was geschehen wäre, aber man mochte sich denken, wie verloren sie dann erst gewesen wäre.

    "Entschuldigt... Stilo,richtig? Freut mich, dich zu treffen, Vetter!" Sie nickte ihm zu, lächelte, ein wenig unbeholfen. Den ihr noch fremden Mann hatte sie bislang kaum wahrgenommen, aber wenn er mit Tacitus reiste, musste er ja auch halbwegs anständig sein.

    Dann schaute sie wieder zu ihrem Bruder. "Was macht ihr hier?"

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