Cursus Iuris

  • "Kurz und knapp, auch wenn abgeschafft, och hätte die Dezimierung angeordet.

    Weshalb? Weil man mir nicht erzählen kann , dass niemand von irgendetwas mitbekam. Ergo werden alle von der Stube gerichtet, Ende aus!"

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    SODALIS - AUGUSTALES

    Klient - Lucius Annaeus Florus Minor

  • Ich freute mich, dass meine Schüler auch untereinander eifrig diskutierten.


    "Ob die Dezimierung eine angemessene Strafe gewesen wäre, müsste nach den Umständen des Einzelfalles bemessen werden. Ganz unzweifelhaft ist aber Mitwisserschaft als Mittäterschaft zu werten. Wer einen Verstoß nicht meldet, macht sich mitschuldig. Und zum Schluss ist noch anzumerken, dass die Einschränkung des Beschwerderechts für Soldaten natürlich der Disziplin der Truppen dient. Der Kaiser muss der Ernennung eines jeden Offiziers zustimmen. Die Männer sind also persönlich vom Kaiser ernannt. Wenn man nun den Soldaten erlauben würde, die Führungskompetenz der Offiziere durch Beschwerden beim Kaiser zu hinterfragen, dann würde man ja faktisch behaupten, dass der Kaiser eine schlechte Auswahl treffen würde. Diese Vorstellung ist aber absurd! Also, ganz einfach, Offiziere führen die unteren Ränge und die unteren Ränge können sich bei ihren Offizieren beschweren, aber nicht beim Kaiser. Außerdem muss eine Armee vor allem eins: Funktionieren. Den einfachen Soldaten das Recht der Appellatio einzuräumen, würde die Effizienz der Führung verringern."

  • "Nein, das wäre nicht die angemessene Strafe", polterte Sabaco. Das Grinsen war ihm vergangen, als ihm klar wurde, dass Secundus seinen Vorschlag ernst meinte. Bei den Göttern, dieser Mann war als Tribunus laticlavius für die Gerichtsprozesse in der Legio zuständig!


    Sabaco mäßigte seine Lautstärke und kämpfte mühsam seinen Zorn herunter. "Nutzen wir es doch als Fallbeispiel und betrachten es juristisch", sagte er ruhiger, "wofür wir schließlich hier sind. Also, Aemilius Secundus. Hör zu und lerne. Zum einen gibt es schon lange keine Dezimation mehr, die war ein ekelhaftes Verfahren aus der Republik. Die fällt also komplett durchs Raster deiner Möglichkeiten. Kollektivstrafen schaden zudem mehr als das sie nützen, weil sie ungerecht sind. Sie sollten mit Bedacht eingesetzt werden, am besten gar nicht. Zum anderen: Als welche Art Vergehen würdest du das Bunkern einer Leiche bezeichnen?"


    Sabaco kannte sich mit ziviler Gerichtsbarkeit nicht aus, dafür umso besser mit dem Alltag bei den Streitkräften. Als Decurio musste er selbst gelegentlich Soldaten bestrafen und kannte daher seine Grenzen und Möglichkeiten. Vor allem lebte er seit vielen Jahren schon mit den Soldaten zusammen, die Ala war seine Familie und sein Leben, während die Legio für den Senatorensohn nur eine Sprosse auf der Karriereleiter war, was man dessen herzlosem Kommentar auch anmerkte.


    Lauernd spähte Sabaco über den Tisch. Den Advokat, der sie in dieser Angelegenheit ausbilden sollte, hatte er in seinem Eifer einfach übergangen.

  • Der Codex Militaris war definitiv nicht meine Stärke. Aber das musste er auch nicht sein. Allerdings kam mir gerade eine Idee.


    "Nutzen wir das Ganze doch für eine praktische Übung. Aemilius, formuliere eine Klage gegen den Soldaten, der die Leiche gebunkert hat. Die Klage soll auf dem Codex Militaris basieren. Nennen wir den Soldaten einfach mal Lucius, damit wir auch einen Namen haben. Bedenke dabei, dass du die Klage begründen musst. Bedenke auch, dass du ein Strafmaß fordern und begründen musst. Matinius, du kannst dann eine Verteidigung für Lucius formulieren. Dein Vorteil ist, dass du auf die Formulierung der Klage reagieren kannst."


    Nachdem diese Form von Klageerhebung und Erwiderung klar formuliert wurde, blieb mir nur noch eins.


    "Aemilius, als Kläger hast du das Wort."

  • Der Tonfall gefiell Secundus gar nicht, also kam der alte Secundus wieder zum Vorschein. Kalt sagte er in Richtung des Sabaco..

    "Ich höre , aber mehr nicht Sabaco, lernen tue ich von Tacticus, znserem Lehrer merke es dies Dir gut. Mässige Deinen Tonfall , es sei Du willst mich zum Feind, was ich Dir nicht raten würde, den meine Rache ist furchbar!

    Wenn interesiert es was gerecht oder ungerecht, es wurde eine Strafe ausgesprochen und dem Recht genüge getan.Wenn ich es will das es so getan, dann wird es so getan Basta!

    Auf Deine Frage , muss es erstens heißen wo kam die Leiche her , wie kam sie zu Tode, zweitens haben wir es hier mir Leichenfrevel zu tun, das allein ist rodes würdig!

    Ich entschuldfige mich bei unsren ehrwürdigen Lehrer für meinen rauen Ton, aber niemand und ich mneine niemand redet so mit ein Aemili!"

    Secundus war immer aufgebrachter gewurden , je länger er redete!

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  • Den Göttern sei Dank gab es noch den Legatus legionis, der bei solchen Einfällen auch noch ein Wörtchen mitzureden hatte, und die ritterlichen Tribuni, die mit dem senatorischen Tribun gemeinsam das Tribunal bildeten. Ein selbstherrlicher Alleingang, wie er Aemilius Secundus vorschwebte, war daher ausgeschlossen. Als der Streit in eine offene Drohung gipfelte, schnaubte Sabaco nur.


    Er schlüpfte in seine Rolle als Verteidiger des Soldaten Lucius und legte los:


    "Die Äußerung von Aemilius Secundus erfüllt nicht die formalen Anforderungen einer Anklage. Er stützt sich nicht auf geltendes Recht, sondern auf persönliche Interessen. Ich beantrage darum, die Klage abzuweisen. Der Fall gehört stattdessen als Disziplinarverfahren in die Hände des direkten militärischen Vorgesetzten gelegt, in diesem Fall der Centurio."

  • Secundus lächelte , aber es war ein böses Lächeln.

    Schnell übernahm er die Rolle des Anklägers.

    "Wenn der Advocatus sich nicht in einen anderen Prozess, wenn Verleumdung des Anklägers, auf der Klagebank wiederfinden möge , soll er sich seine Worte gut überlegen, soviel dazu, nun zum Fall.

    Der Miles Lucius, in des Bette der Tote sich befand, ist streng zur befragen , nach dem Wie und dem Woher.

    Erst wenn das geklärt kann ein Urteil erfolgen. Das die gesamte Stube und auch der verantwortliche Opio und der Decurio mit zur Verantwortung gezogen werden, stent ausser Frage. Was momentan nicht ergehen kann, erst nach eingehender Klärung, ist ein abschliessendes Urteil!

    Daher ist der Antrag auf Klageabweisung,durch den Advocatus, purer Nonsens, und ein durchschaubarer Versuch den Prozess zum Stoppen zu bringen!

    Es ergeht daher folgende Weisung, Miles Lucius bleib in Arrest, die Stube, eben so Opio und Decurio stehen unter Hausarrest und sind bis auf Weiteres vom Dienst entbunden. Der Prozess wird nach Klärung fortgeführt und es ergeht dann ein abschliessendes Urteil. Im Namen seiner Majestät , ich habe gesprochen!"

    In Ermangelung eines Hämmerchens liess er seine Faust auf das Pult donnern. Secundus hoffte das Tacticus halbwegs zufrieden mit seiner Entscheidung war.

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  • "Die Wahrheit auszusprechen, ist kein Vergehen", sagte Sabaco süffisant. "Darüber hinaus wurde der Miles Lucius natürlich längst angehört. Seine Antworten spielen aber keine Rolle, da nach wie vor keine rechtliche Grundlage benannt wurde, die eine Klage begründen würde. Stattdessen wurde vom Kläger ohne Kenntnis der genauen Umstände und ohne jede Rechtsgrundlage ein Strafantrag gestellt, der scharf nach Willkür stinkt. Darum bleibt es bei meinem Antrag, die Klage aufgrund formaler Mängel abzuweisen. Ein Decurio, wie der Kläger ihn benannte, war übrigens nicht involviert."


    Das hätte Aemilius Secundus wohl gern, dass der Fall sich bei der Ala und unter Sabacos Obhut zugetragen hätte und er dafür vom Dienst suspendiert worden wäre.


    Nun war Iunius Tacitus in seiner Rolle als Richter am Zug ...

  • Ich hatte mir alles angehört. Secundus war recht aufbrausend, was ihm irgendwann einmal zum Verhängnis werden würde. Für die aktuelle Übung war das aber irrelevant.


    "Die Anklage stützt sich auf zwei Punkte. Einerseits die Herkunft des Leichnams, und andererseits einen Leichenfrevel. Die Verteidigung verneint eine Rechtsgrundlage zur Klage. Was die Ermittlung der Herkunft der Leiche anbetrifft, so ist ein Gericht noch nicht zuständig. Dieses bedarf weitergehender Ermittlungen, welche in der Kompetenz der verantwortlichen Offiziere liegen. Die Anweisung, Lucius und seine Kameraden zu arrestieren, wird noch von der Befehlsgewalt eines direkt vorgesetzten Offiziers gedeckt. Nehmen wir der Einfachheit halber an, dies sei der Fall. Der Arrest während der Untersuchung erscheint somit gerechtfertigt. Eine Unterbrechung des Prozesses wäre nicht gerechtfertigt, vielmehr wäre bei einer Herkunft der Leiche aus einer Straftat erneut Klage mit konkreter Benennung der Straftat einzureichen. Für den ersten Punkt ist die Abweisung der Klage somit erfolgreich, weil der Sachverhalt noch nicht klagereif ist."


    Nachdem ich so beiden im ersten Punkt Recht geben musste, ging es um den zweiten Punkt.


    "Allerdings lässt sich die Klage für den zweiten Punkt nicht abweisen. Zweifelsfrei wurde eine Leiche im Contubernium des Lucius über einen längeren Zeitraum aufbewahrt. Hier ließe sich eine Analogie zu Tabula X, Lex XII Tabularum, herstellen. Das Verbot, einen Toten innerhalb der Stadt zu begraben, ist in diesem Fall weit auszulegen, da auch die Aufbewahrung im Contubernium als Begräbnis zu werten ist und das Feldlager durchaus als einer Stadt gleich zu betrachten ist. Allerdings wurde keine Klage auf Grund eines Verstoßes gegen Tabula X, Lex XII Tabularum, erhoben. Dies führt aber nicht zu einer Abweisung der Klage, da als Klagegrund ein Leichenfrevel genannt wurde. Dieser findet sich im Pontifikalrecht, aber auch im Mos Maiorum. Eine ordnungsgemäße Bestattung hat außerhalb des Pomeriums oder anderer sakraler Grenzen, zu denen auch die Grenzen eines Feldlagers gehören, nach angemessener Zeit nach Eintritt des Todes zu erfolgen. Wenn man sich also mehr als sieben Tage Zeit lässt und auch offenkundig plant, sich länger Zeit zu lassen, so begeht man einen Verstoß, der zur Gefährdung der Pax Deorum führt. Hiermit gefährdet man fahrlässig die Sicherheit der Einheit, vielleicht sogar des Imperium Romanum. Ein Vergehen gegen die Pax Deorum ist entsprechend der üblichen Rituale zu sühnen. Die Sühne soll geeignet sein, die Götter zu besänftigen. Daher soll Lucius dazu verurteilt sein, die Bestattung der Leiche vollumfänglich zu finanzieren. Außerdem soll Lucius den Göttern der Unterwelt auf eigene Kosten einen schwarzen Stier opfern. Durch die Mitwisserschaft des Contuberniums haben sich diese Kameraden ebenfalls schuldig gemacht. Daher wird der Rest des Contuberniums dazu verurteilt, kollektiv einen schwarzen Stier zur Besänftigung der Götter der Unterwelt auf eigene Kosten zu opfern."


    Ich sah beide an.


    "Fragen zu dem Urteil?"

  • Secundus war zufrieden denn er sah sich im wesentlichen in seinem Ansatz bestätigt und schüttelte zufrieden sein Haupt.

    "Nein Euer Ehren, äh, will sagen Tacticus."

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  • Sabaco ließ Tacitus nicht aus den Augen, während dieser seine Sicht darlegte. Das hörte sich schon ganz anders an, als die Forderung nach einer Decimatio. Trotzdem war Sabaco noch nicht zufrieden. "Einspruch", verkündete er, noch immer ganz in seiner Rolle des Verteidigers von Lucius.


    "Eine Arrestierung ist unüblich und ich halte sie auch für unnötig. Eine Arrestierung schadet dem Dienstbetrieb und damit der Sicherheit des Imperiums. Auch störrische Soldaten haben ihre Pflicht zu erfüllen und sich nicht auf Kosten ihrer Kameraden auszuruhen! Es gibt andere Möglichkeiten zur Disziplinierung."


    Da sein Antrag, die Klage abzuweisen, abgeschmettert worden war, ging es nun darum, ein gerechtes Strafmaß zu ermitteln. Als Offizier einer Grenzeinheit hatte Sabaco davon freilich andere Vorstellungen als ein ziviler Advokat oder ein Senatorenknäbelein. Er holte entsprechend auch etwas weiter aus, um seine Argumentation nachvollziehbar zu machen.


    "Die Forderung nach einer Arrestierung sollte sicherstellen, dass Lucius sich nicht während der laufenden Ermittlungen aus dem Staub macht. Aber falls jemand sich unerlaubt vom Lager entfernt, gilt das als Fahnenflucht. Man müsste schon sehr verzweifelt sein, um diese Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, denn sie gehört zu den schwersten militärischen Verbrechen. Die Strafen sind drakonisch. Die Strafen für ein Disziplinarvergehen ... nun ja. Sie haben eher symbolischen Charakter. Ich glaube nicht, dass Lucius oder seine Kameraden einer Anklage wegen Fahnenflucht gegenüber der jetzigen Verhandlung den Vorzug geben würden. Lucius wurde angeklagt, aber er ist noch immer Soldat des Imperiums."


    Er gab einen Moment Verschnaufpause, um das setzen zu lassen, dann fuhr er fort: "Das Einnähen einer Leiche in der Strohmatratze betrachte ich als Disziplinarvergehen und beantrage, es als solches zu ahnden. Da es sich um das erste Disziplinarvergehen des Miles Lucius handelt, sollte es bei einer disziplinarischen Verwarnung bleiben. Als solche ist sie straffrei. Erst bei der dritten disziplinarischen Verwarnung ist es üblich, den Fall vor ein Militärtribunal zu bringen, wo die Tribuni über das weitere Schicksal des Soldaten entscheiden."


    Somit begründete er, warum er das Verfahren nicht nur wegen der formalen Mängel der Anklage, sondern auch aufgrund der beim Militär üblichen Abläufe ablehnen würde. Aber nun war bereits ein Urteil gesprochen worden und so musste Sabaco sich mit dieser Situation anfreunden und auseinandersetzen.


    "Was die angenommene sakrale Grenze des Militärlagers betrifft ... nun ... die Grenze eines Feldlagers ist ein physischer Schutzwall. Sie wurde aus praktischen Erwägungen heraus gezogen - um Feinde und Unbefugte draußen zu halten - nicht aus religiösen Gründen. Zumindest weiß ich davon nichts. Trotzdem stimmt wohl jeder hier zu, sogar Lucius selbst, dass ein Bett in einem Gruppenschlafraum kein geeigneter dauerhafter Aufbewahrungsort für eine Leiche ist. Ich stimme folglich der Einschätzung von Iunius Tacitus zu, dass die Sicherheit der Kameraden gefährdet wurde, sei es durch Gefährdung der Pax Deorum, sei es durch krank machende Leichendämpfe.


    Die Forderung nach Sühnung halte ich demnach für angemessen. Lucius soll sich um die Organisation und Finanzierung des Begräbnisses kümmern und den Göttern der Unterwelt auf eigene Kosten einen schwarzen Stier opfern. Außerdem hat er sich gebührend bei seinen Kameraden zu entschuldigen!"


    Allerdings war Sabaco immer noch nicht fertig.


    "Von einer Kollektivstrafe halte ich nichts, da nicht sicher gesagt werden kann, dass die Kameraden des Contuberniums tatsächlich Mitwisser waren. Sie sollen folglich dazu ermahnt werden, auf ihren offenbar verwirrten Kameraden besser achtzugeben, sich um ihn zu kümmern und ihn dabei zu unterstützen, das Begräbnis und die Sühnung zu organisieren und überhaupt die ganze Angelegenheit wieder in Ordnung zu bringen. Bei Bedarf haben sie ihm auch finanzielle Hilfe zu leisten. Außerdem hat Lucius bei einem Medicus vorzusprechen, der seine geistige Eignung zum Militärdienst überprüfen soll."


    Es war klar, dass diese Untersuchung beim ersten Vergehen pro Lucius ausgehen würde, aber allein dieser Auftrag wäre ein Tritt in Lucius' Nieren und jemand müsste schon ernsthaft verwirrt sein sein, um eine solche Demütigung ein zweites Mal über sich ergehen zu lassen. Ginge es nach Sabaco, hätte er es dabei und bei der Ermahnung der Kameraden, sich besser um Lucius zu kümmern, bewenden lassen, da die Leiche niemand Wichtiges und erst Recht kein Römer gewesen war, aber irgendwo musste man einen möglichst fairen Kompromiss finden und nicht nur seine Sicht durchboxen wollen. Sabaco wartete gespannt, wie Tacitus als Richter auf seinen Einspruch reagieren würde.

  • "Ich weiß nicht, wie es in der Militärgerichtsbarkeit üblich ist, aber außerhalb des Militärs gibt es nach einem gesprochenen Urteil nur noch die Möglichkeit der Appellatio. Aber ich will nicht so sein und deine Argumente würdigen, Matinius."


    Immerhin war ich kein Richter und das hier war eine Übung.


    "Leider sehe ich deine Einwendung anders, nach der es sich lediglich um ein disziplinarisches Vergehen handelt, eine Leiche einzunähen. Vielmehr könnte man hier berechtigt von der Vertuschung einer Straftat, beispielsweise einer gesetzeswidrigen Tötung, handeln. Bis dieses aufgeklärt ist, besteht ein berechtigtes Interesse einer Verwischung von Spuren effektiv entgegen zu wirken. Daher sollte Lucius zusammen mit seinen Kameraden keine entsprechende Möglichkeit eingeräumt werden. Der Arrest kann daher auch so umgesetzt werden, dass außerhalb der Dienstgeschäfte die Soldaten ihre Zeit in ihrem Contubernium zu verbringen haben. Das gilt sowohl für Lucius, als auch für seine Kameraden, deren Mitwisserschaft nicht ausgeschlossen werden kann. Alle sind unverzüglich zu befragen und, wenn sich binnen drei Tagen keine Anhaltspunkte für eine Mitwisserschaft über die Herkunft der Leiche finden, vom Arrest zu befreien. Lucius ist dann zu befreien, wenn sich keine Anhaltspunkte für ein gesetzeswidriges Tötungsdelikt finden lassen."


    Damit war der Punkt des Arrests für mich abgeschlossen.


    "Über sakrale Grenzen eines Militärlagers könnten wir nun in eine längere theologische Diskussion eintreten, was aber nicht zielführend ist und auch nicht notwendig, da wir uns bei dem Sühneopfer grundsätzlich einig sind. Allerdings sehe ich, anders als du, eine Kollektivstrafe als angemessen an. Der Gestank hielt sich ja für eine längere Zeit und die Quelle des Gestanks wäre bei einer gründlichen Ursachensuche der Kameraden des Lucius durchaus lokalisierbar gewesen. Ich an deren Stelle hätte jeden Digitus des Contuberniums nach der Quelle durchsucht. Und den Göttern ist es reichlich egal, ob jemand unmittelbarer Mitverursacher oder nur Teil der Gemeinschaft des Verursachers ohne aktiven Beitrag ist. Sonst hätten sie nicht ganz Troja für die Verfehlung des Paris fallen lassen. Das heißt, dass die Kollektivstrafe bestehen bleibt. Wobei deine Abmilderung einem Pontifex vorzulegen und von diesem zu bewerten wäre."


    Hier waren die Pontifices besser geeignet, den Willen der Götter zu erkunden, als ein Philosoph, ein Senatorenspross und ein Decurio.

  • Kein Einspruch möglich, nachdem das Urteil einmal gesprochen wurde ... nur Appellatio ... Sabaco machte sich einen entsprechenden Vermerk. Er hatte das Ganze noch für einen Teil der Verhandlung gehalten. Aber er war hier, um zu lernen. Besser, er irrte sich jetzt, als wenn es Ernst wurde.


    "Ich hoffe, es ist in Ordnung, dass ich nicht nur abnicke, sondern ein bisschen diskutiere. Wir sind ja hier im Unterricht und mir hilft das, die Sache zu verstehen. Darum würde ich gern noch weiter nachbohren. Was Arrest nur während der Freizeit betrifft - da bin ich einverstanden. Das würde den Dienstbetrieb nicht gefährden.


    Aber zur Kollektivstrafe möchte ich noch etwas loswerden, was vorher vielleicht nicht ganz klar wurde. Die Quelle des Gestanks wurde ja durch die Kameraden selbst identifiziert. Allerdings eben nicht sofort. Eine Leiche beginnt schleichend zu riechen, zunächst nur wie die Luft beim Fleischer, nicht sehr appetitlich, aber auch nicht übelkeiterregend. Ernsthafter Gestank ist je nach Temperatur frühestens nach zwei Tagen zu erwarten, und so ein Schlafraum ist nicht sonderlich warm. Erst nach drei Tagen hat es wirklich stark gerochen, und dann war auch jedem klar, dass es Fleisch sein muss, was da irgendwo verwest. Allerdings hat keiner mit einer Leiche gerechnet, sondern an vergammeltes Essen gedacht, das irgendwo versteckt worden war, bis dann der Schock kam. Insofern ist meiner Meinung nach schon richtig, was ich sagte, dass es bis zu diesem Zeitpunkt keinen Hinweis auf eine garantierte Mitwisserschaft geben kann. Hellsehen kann schließlich keiner von den Jungs. Und wer denkt denn an so was!"

  • "Natürlich kannst du diskutieren. Was nun deine jetzigen Ausführungen zur Kollektivstrafe betrifft... hmm..."


    Ich dachte nach und man sah mir an, dass mir etwas klar wurde.


    "Ehrlicherweise bin ich nicht unbedingt ein Experte für das Verwesen von Leichen. Oder anders gesagt: Meine Kenntnisse habe ich aus Alexandreia. Da ist es um einiges wärmer als hier und die Zeiträume dort sind sicher andere, als hier. Mit diesen Informationen, auch der Information, dass es die Kameraden waren, die die Leiche gefunden haben, sieht die Sachlage natürlich anders aus. In einer Appellatio würde das Gericht diese sicher würdigen und anerkennen, dass die Kameraden sich angemessen bemüht haben. Dann wäre eine Kollektivstrafe aber unverhältnismäßig und müsste revidiert werden."


    Nach einem kurzen Lächeln nutzte ich das, um eine Anmerkung zu machen.


    "Bitte gut merken: Vor Gericht sollte man den Sachverhalt immer so ausführlich, wie irgendwie möglich, schildern. Das verhindert Missverständnisse und Fehlurteile."

  • Sabaco nickte und machte sich eine entsprechende Notiz, wobei er stark aufdrückte, so dass die Buchstaben fett gerieten. "Danke für die Erläuterung und für die Hinweise. Keine weiteren Fragen!"


    Ihm hatte das Rollenspiel Spaß gemacht. Tatsächlich war der wirkliche "Lucius" seinerzeit mit einer eher milden Strafe davongekommen, doch der Bursche wurde die derben Scherze auf seine Kosten für den Rest seiner Dienstzeit nicht mehr los. Wenn man Sabaco fragte, war dies die eigentliche Strafe, sich jedes Mal einen dummen Spruch anhören zu müssen, wenn man an einem Friedhof vorbeikam oder an einem Marktstand, der Fleischwaren verkaufte.

  • Dann war die Gerichtsverhandlung soweit abgeschlossen.


    "Nun, meine Herrschaften, dann haben wir es geschafft. Ihr habt die Grundlagen des Rechtswesens und der Auslegungslehre gelernt und eine Gerichtsverhandlung simuliert. Die Praxis könnt ihr nur in echten Prozessen lernen. Ich will hier noch ein paar Ratschläge geben. Achtet immer genau darauf, die anwendbaren Gesetze zu zitieren. Wenn ihr Kläger seid, fordert ihr die gesetzliche Höchststrafe, aber ihr geht nicht über das Gesetz hinaus. Auch dann nicht, wenn euch die Strafe ungerecht niedrig vorkommt. Wenn ihr Verteidiger seid, fordert ihr Freispruch. Wenn offensichtlich ist, dass euer Mandant schuldig ist, fordert ihr die gesetzliche Mindeststrafe und appelliert an die Milde des Gerichts. Wenn ihr die Gelegenheit habt, einen erfahrenen Advocatus vor Gericht als Assistent zu begleiten, solltet ihr sie nutzen. Ein Tirocinium Fori bei einem Praetor bietet sich auch an."


    Nach diesen Tipps gab es nur noch eins zu tun.


    "Gibt es noch Fragen zur Juristerei? Noch sitzen wir hier und können diskutieren."

  • " Mein lieber Tacticus, für alles was Du uns beibrachtest, ich sprech hier sicher auch für Dich Sabaco, danken wir Dir von ganzen Herzen.

    Mit gutem Mut und frohem Sinn, werden wir uns nach oder sogar während uns Militärzeit in die Juristrei stürzen.

    Was mich betrifft, ich werde mich stets Deiner erinnern und so Du etwas benötigst , so wende Dich an mich!"

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  • Über diese Worte freute ich mich sehr.


    "Ich danke dir, Aemilius Secundus. Falls du einmal eine zweite juristische Meinung benötigst, kannst du dich gerne an mich wenden."


    Ich wandte mich an Sabaco.


    "Das gilt natürlich auch für dich, Matinius Sabaco."


    Dann wandte ich mich an beide.


    "Für die guten Diskussionen möchte ich euch beiden danken. Ich habe auch von euch gelernt."

  • Sabaco nickte. "So ist es, Aemilius. Das war ein guter Kurs. Momentan habe ich keine weiteren Fragen, aber falls mir welche in den Sinn kommen, werde ich dir schreiben oder mal auf eine Posca in die Domus Iunia kommen, um die eine oder andere juristische Feinheit zu erörtern." Was auch ein guter Vorwand war, Iunia Matidia wiederzusehen. Dass Iunius Tacitus bald auf eine große Reise gehen würde, wusste Sabaco nicht.


    "Danke auch von meiner Seite, es war lehrreich und unterhaltsam. Tja, und wenn es mal wieder ums Militärrecht geht ... ich stehe zur Verfügung." Dabei sah er beide an. Wahrscheinlicher war, dass Aemilius Secundus seinen Rat benötigte, aber vielleicht wäre auch für Iunius Tactitus Sabacos Perspektive dereinst interessant.

  • "Ich werde dich beim Wort nehmen, Matinius."


    Vielleicht würde ich einmal einen Kommentar zum Codex Militaris verfassen.


    "Etwas habe ich allerdings noch für euch beide."


    Ich ging zum Regal und holte aus einem Sack zwei Bronzetafeln heraus. Es waren Diplomae. Ich nahm die erste Tafel und las den Text vor.


    "Dem Nero Aemilius Secundus, gewesener Vigintivir Roms, Tribunus Laticlavius der Legio XXII Primigenia und Patrizier Roms, wird hiermit die erfolgreiche Teilnahme am Cursus Iuris bestätigt, den der Advocatus Aulus Iunius Tacitus im Jahre DCCCLXXIV A.U.C. gehalten hat. Er beherrscht die Grundlagen von Gesetzgebung und Wirksamkeit von Gesetzen, die Grundlagen der Auslegungslehre und die Grundlagen der Prozessführung und wurde den strengen Anforderungen des Lehrers gerecht."


    Dann überreichte ich die Diploma an Secundus.


    "Ich gratuliere."


    Dann nahm ich die zweite Diploma und verlas den Text.


    "Dem Publius Matinius Sabaco, Decurio der Ala I Aquilia Singularum, wird hiermit die erfolgreiche Teilnahme am Cursus Iuris bestätigt, den der Advocatus Aulus Iunius Tacitus im Jahre DCCCLXXIV A.U.C. gehalten hat. Er beherrscht die Grundlagen von Gesetzgebung und Wirksamkeit von Gesetzen, die Grundlagen der Auslegungslehre und die Grundlagen der Prozessführung und wurde den strengen Anforderungen des Lehrers gerecht."


    Dann überreichte ich diese Diploma an Sabaco.


    "Ich gratuliere."

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