[Hortus] Scato & Tacitus

  • Da meine Reisevorbereitungen weitgehend abgeschlossen waren, wollte ich mich schon einmal bei Scato verabschieden. Außerdem wollte ich ihn noch um Gefallen bitten. Da das Wetter gerade gut war, hoffte ich, ihn im Garten zu finden. Diese Hoffnung war berechtigt, wie ich schnell herausfand. Ich traf Scato an, während er im Garten arbeitete.


    "Salve, Scato, ich hatte gehofft, dich hier zu finden. Ich hoffe, dass ich dich nicht störe. Hast du einen Moment Zeit?"

  • Scato erhob sich aus der Hocke und warf die dreckigen Lederhandschuhe ins Beet, das er gerade für den nahenden Frost vorbereitet hatte. Reisig und Tannenzweige sollten die Wurzeln dieser frisch abgeernteten Wildkräuter vor allzu beißender Kälte und vor dem Austrocknen schützen. Scato trug eine braune Arbeitstunika, unter der die langen Ärmel einer Wolltunika hervorragten. Ihm wurde bei der germanischen Witterung langsam doch etwas frisch.


    "Salve, Tacitus! Schön, dass wir uns mal wieder treffen. Für die Familie habe ich immer Zeit." Er wies auf die Sitzgruppe mit den durch Schaffelle gepolsterten Korbstühlen, wo heißer Kräutertee dampfte, eine germanische Spezialität. "Willst du dich setzen? Was trinken?"

  • Wie man freiwillig die Gartenarbeit selbst erledigen konnte, anstatt sie nur zu dirigieren, war mir immer noch nicht ganz verständlich. Andererseits schien es Scato glücklich zu machen, so dass es zumindest für diesen eine nachvollziehbare Aktivität war. Der Tee roch gut, so dass ich mit einem Lächeln annahm.


    "Gerne, ich danke dir."


    Während ich mich setzte, überlegte ich, ob ich direkt mit der Tür ins Haus fallen sollte. Doch letztlich entschied ich mich, das Gespräch zwar kurz zu halten, aber den Gepflogenheiten der Höflichkeit zu entsprechen.

  • Scato setzte sich ebenfalls auf einen der Korbstühle und schaute sich kurz nach Terpander um. Der Wind wehte durch den Innenhof, in dem sich niemand außer Tacitus und er selbst befanden. Seit Sporus bei ihnen wohnte, war Terpander noch "beschäftigter" als üblich und auf den Wegen sammelte sich das Herbstlaub. Da sein Sklave nicht in Sicht war, schenkte Scato seinem Verwandten eigenhändig Kräutertee ein. Es standen immer mehrere Tonbecher bereit, jeder mit anderem Muster geschmückt, damit man sie nicht verwechselte.


    "Tee mit Honig. Der Geschmack ist gewöhnungsbedürftig, aber wir setzen ihn erfolgreich bei Patienten mit Halsweh ein, er ist auch zur Vorbeugung empfehlenswert, wenn die Atemluft kalt wird. Ich kann ihn nur jedem empfehlen, der das nasskalte Klima Germaniens nicht gewohnt ist. Was führt dich zu mir?"


    Tacitus hatte bereits angekündigt, dass er etwas besprechen wollte. Scato war gespannt, um was es sich wohl handelte. Hoffentlich gab es keine Probleme.

  • Für einen Moment hielt ich den Becher nachdenklich in meinen Händen, bevor ich einen Schluck nahm. Ja, der Tee war gewöhnungsbedürftig, aber nur, weil ich den Geschmack nicht gewohnt war. Unangenehm schmeckte der Tee jedenfalls nicht.


    "Ich habe auf dem Markt eine Karte gefunden. Eine Karte der Wege vom östlichen Mittelmeer bis Alexandria Eschate."


    Nach einem weiteren Schluck Tee fuhr ich fort.


    "Das ist aber nicht das Besondere. Besonders ist, dass die Karte kommentiert ist. Mit Notizen in Latein und in Griechisch. Notizen zu Land und Leuten. Zu Wetter, Pflanzen und Bräuchen. Weißt du, was das heißt?"


    Das Leuchten in meinen Augen verbarg ich nicht. Ich hätte es auch gar nicht verbergen können. So lehnte ich mich nach vorne und sprach mit leiser, fast flüsternder Stimme.


    "Die Kommentatoren waren dort! Es sind echte Aufzeichnungen von echten Reisenden. Und dann, hinter Alexandria Eschate, ist ein Gebirge eingezeichnet. Dort steht auch ein Kommentar. Dort steht: 'Dahinter das Land der Serer?' Da steht eine Frage. Man weiß es nicht. Niemand weiß es, niemand war je da. Scato, Minerva hat mir damit ein Zeichen geschickt."


    Ich lächelte nun auch, aber es war ein verklärtes Lächeln.


    "Das könnte mein Beitrag zur Forschung des Museions sein. Ich habe das Geld, um eine solche Reise zu wagen. Ich bin ungebunden, ohne Ehefrau. Ich glaube, Minerva will, dass ich das Unbekannte, die Erzählungen, das Hörensagen, mit Fakten fülle. Scato, ich werde nach Osten reisen. Meine Sachen sind schon fast komplett gepackt."


    Nun zeigte mein Gesicht Entschlossenheit.

  • Scato musste grinsen, als Tacitus mit einem feinen Anflug von Wahnsinn in den Augen über seine erworbene Landkarte sprach. Er mochte es, wenn Leute für ihre Sache brannten, besonders, wenn diese Leute Iunii waren. Doch als Tacitus ankündigte, dass seine Sachen schon für die Reise gepackt seien, ergriff ihn Schwermut. Er musste den Blick abwenden und auf sein Beet schauen, wo er die empfindlichen Pflanzen mit frischer Komposterde angehäufelt hatte und die ersten bereits mit Laub und Tannenreisig vor Kahlfrösten geschützt auf den Einbruch des Winters warteten.


    Ihm gefiel das Leben, das in die Domus Iunia eingekehrt war. Nun würden zwei Personen - Tacitus und Sporus - wieder ausziehen. Beide hatten gute Gründe, doch das tröstete Scato herzlich wenig. Scato sah Tacitus wieder an und hatte sich wieder im Griff. Gefühlsduselei war nicht die richtige Antwort auf Tacitus' ehrgeizige Ambitionen.


    "Das hört sich nach einem gut durchdachten Plan an. Zieh aus in die Fremde und mach deine Gens stolz! Aber kehre in einem Stück wieder heim. Ich gebe lebenden Verwandten den Vorzug. Wann rechnest du mit deiner Rückkehr? Brauchst du noch irgendwas?"


    Kurz überlegte er, Tacitus Terpander mit auf den Weg zu schicken, stellte sich Terpanders abgrundtiefe Laune vor, und verwarf den Gedanken wieder.


    "Kommst du auf dem Weg auch durch Cappadocia?" Scato wusste nicht viel über den Aufbau der Welt, er kannte nur grobe Richtungen und einige topografische Namen, hatte aber keine Weltkarte im Kopf. Dann kam ihm ein Einfall. "Du kannst doch zeichnen, wenn ich das recht im Kopf habe. Wie wäre es, wenn du deine Arbeit, die du zweifelsohne anfertigen wirst, so wie ich dich kenne, mit Zeichnungen, oder vielleicht sogar Malereien illustrieren würdest? Bilder aus den Ländern jenseits aller Grenzen für jene, die noch nie dort waren und nie dort sein werden. Würde das deine Arbeit aufwerten?"

  • Aus dem Garten tönten Stimmen. Terpander bequemte sich hinaus, stellte fest, dass Scato schon selbst eingeschenkt hatte und nickte zufrieden. Er zuppelte kurz Tacitus' Kleidung an den Schultern zurecht und verdrückte sich wieder in die Küche. Dort war es warm.

  • Als Scato den Blick abwendete, war ich mir nicht sicher, ob er so eine gewisse Trauer um meinen Weggang zu verbergen suchte. Da würde ihm die Antwort auf seine Frage nach der Dauer sicher nicht gefallen.


    "Den Weg bis Alexandria Eschate schätze ich auf grob ein halbes Jahr. Von da aus muss ein Gebirge bezwungen werden und wie lange es danach noch dauert, vermag ich nicht zu sagen. Realistisch würde ich die Reise auf zwei bis drei Jahre schätzen. Vielleicht auch länger, weil ich in unbekanntes Gebiet aufbreche. Dazu kommt noch, dass ich nicht weiß, was es alles im Land der Serer zu entdecken gibt. Andererseits reichen meine Ressourcen auch nur begrenzt. Deshalb denke ich, dass ich nach spätestens fünf Jahren wieder zurück sein werde. Was meine Ausrüstung anbetrifft, so bin ich erst einmal gut ausgestattet. Auf der Reise werde ich alles Notwendige kaufen oder eher erhandeln. Ich habe nicht vor, allzu viel Edelmetall mitzunehmen, sondern eher Waren, die im Osten gutes Geld bringen. Den Rückweg will ich ebenso finanzieren."


    Dass ich bei einer Fehlkalkulation wahrscheinlich pleite sein würde, war mir klar. Aber das musste ich ja nicht erwähnen. Die nächsten Fragen waren einfacher zu beantworten, weil es dort weniger Ungewissheit gab.


    "Cappadocia werde ich wahrscheinlich umschiffen. Ich werde eher über Syria reisen, durch Antiochia am Orontes. Die Stadt wollte ich ohnehin einmal sehen."


    Nach einem Schluck Tee, den ich zum kurzen Nachdenken verwendete, sprach ich weiter.


    "Zeichnen kann ich, aber nicht malen. Für eine wissenschaftliche Arbeit sollten Zeichnungen aber auch genügen. Und ja, das könnte die Arbeit aufwerten. Den Rückweg werde ich auf jeden Fall mit einem Stopp im Museion planen. Dort sollen meine Arbeiten kopiert werden. Vielleicht fertige ich sie auch direkt in doppelter Ausführung an."


    Dabei lächelte ich selbstbewusst. Dass Terpander meine Kleidung richtete, ignorierte ich.


    "Was die Rückreise anbetrifft..."


    Tja, wie sollte ich das jetzt vernünftig ausdrücken?


    "Mir ist bewusst, dass eine solche Reise gefährlich ist. Stürme auf See, Wüsten, die Durchquerung von Flüssen, Steinschläge, Lawinen, ganz zu Schweigen von Räubern und anderem Gesindel, das alles sind ernstzunehmende Gefahren. Ich werde mich natürlich Karawanen anschließen, um sicherer zu Reisen, aber ein Restrisiko bleibt. Falls ich es also nicht schaffe, innerhalb von zehn Jahren zurückzukehren, muss ich dich darum bitten, mich für tot erklären zu lassen."


    So, jetzt war es raus.

  • Sei es durch die Hiobsbotschaft, dass Tacitus fünf Jahre lang fortzubleiben gedachte, sei es, weil Terpander ihn mit seiner geradezu höhnisch kaschierten Faulheit vor dem Verwandten bloßgestellt hatte, nun war es geschehen: Scato warf Terpander einen Blick hinterher, der über bloßen Ärger hinaus ging. Das geschah höchst selten, doch wenn es geschah, dann war die Kacke am Dampfen.


    Er wandte den Kopf wieder in Tacitus' Richtung. "Fünf Jahre sind eine lange Zeit, zehn eine noch längere. Du wirst hier fehlen, auch und vor allem mir als Mensch, da brauche ich nichts zu beschönigen. Es war schön, die Domus Iunia so voller Leben zu sehen, und ich bin dankbar für diese Zeit. Wenn du kannst, schreibe vielleicht ab und zu, damit wir uns nicht voneinander entfremden. Die Gens Iunia ist schon verstritten und zerteilt genug, ihre Mitglieder leben überall verstreut im Imperium, obwohl wir doch alle eigentlich keine Einzelgänger sind. Trotzdem reißen wir selbst uns immer wieder auseinander."


    Nun hatte er doch geklagt, obwohl er es nicht wollte, und er rang sich ein Lächeln ab, auch wenn ihm überhaupt nicht zum Lächeln zumute war. "Pass auf dich auf, das ist alles, was ich noch sagen kann."

  • Ich ignorierte den ärgerlichen Blick, den Scato Terpander hinterhergeworfen hatte. Das war sein Sklave, nicht meiner. Mir war durchaus bewusst, dass ich meine Sklavin nicht im Griff hatte, aber das war durch die Entsendung nach Sizilien gelöst worden. Ich fragte mich, ob sie noch lebte.


    "Mir werden meine Verwandten auch fehlen. Ich muss sagen, dass du mir von Anfang an das Gefühl gegeben hast, hier zu Hause zu sein. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich werde versuchen, zu schreiben, doch fürchte ich, dass Briefe auf einer so langen Strecke, noch dazu außerhalb des Imperiums, wahrscheinlich verloren gehen. Aber wer weiß, vielleicht klappt es ja. Auf jeden Fall werde ich sehen, ob ich nicht ein paar schöne Geschenke mitbringen kann."


    Und dann gab es noch zwei Kleinigkeiten.


    "Es gäbe da noch zwei Dinge, um die ich dich bitten müsste. Erstens, sag bitte weder meiner Schwester, noch meiner Mutter, was ich vorhabe. Du kannst ihnen sagen, dass ich auf eine Forschungsreise gehe und deshalb nur schwer zu erreichen sein werde. Aber bitte sage ihnen nicht, dass ich das Imperium Romanum verlasse. Versprichst du mir das?"


    Matidia würde schon die längere Abwesenheit nicht gut aufnehmen. Aber das Ausmaß der geplanten Reise würde sie sicher völlig verzweifeln lassen. Und meine Mutter war noch zu geschwächt, um solche Nachrichten verarbeiten zu können.

  • "Die zweite Sache ist für den Fall, dass ich in den nächsten zehn Jahren nicht zurückkehre und deshalb als tot anzusehen bin. Für diesen Fall habe ich sicherheitshalber eine Totenmaske anfertigen lassen. Kümmere dich in dem Fall darum, dass die Maske ihren Weg ins Lararium der Domus Iunia in Rom findet."


    Man merkte mir an, dass diese Planung wohlüberlegt war und mir dennoch nicht einfach fiel.


    "Und ich weiß, dass abergläubische Menschen das als schlechtes Omen ansehen würden. Das ist es aber nicht. Ich bin mir sicher, dass es im Sinne Minervas ist, vorbereitet zu sein."


    Nun zeigte ich ein sehr selbstbewusstes Lächeln.


    "Mit dieser Sicherheit, dass alles geregelt ist, kann ich meinen Verstand vollständig auf meine Reise und die Herausforderungen darin fokussieren. Das wird zum Erfolg führen. Außerdem sagen die Stoiker, dass unsere Wege vorbestimmt sind und wir nur begrenzten Einfluss haben. Also sind Erfolg oder Misserfolg der Reise bereits festgelegt."

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