Das Atrium

  • Maecenas betrat das Atrium und schon jetzt schnürte es ihm die Kehle zu. Die ganze letzte Nacht hat er kaum ein Auge zugetan und nur gegrübelt. Äußerlich gefasst und ruhig doch innerlich genau das Gegenteil legte er den Weg vom Eingang ins Atrium bis hin zu der Stelle, an der Lando aufgebahrt war zurück. Zwar waren schon ein paar Personen im Raum, doch diese nahm Maecenas wie im Trance garnicht für voll. Nun stand er vor Lando und starrte ihn unentwegt an. Wieso nur, wieso gerade er. In Maecenas Kopf spulte sich gerade ein Film ab. Vom ersten Tag, als er die Räume der Regioverwaltung betrat. Wie er erst in das Officium des Comes getrabt war und umgehend von ihm zurückgepfiffen wurde, bei den Göttern das waren Zeiten. Über die Sache mit der Obstschale in Maecenas Officium. Oder einfach ganz banale Sachen wie Lando´s gewöhnungsbedürftige Art sich bemerkbar zu machen und seinem Untergebenen mitzuteilen, das er einen sprechen möchte. Oder die Abende in der Taberna wo er das Bier schätzen gelernt hatte. Oder auch einfach nur allgemein. Maecenas kam allein, mit einer handvoll Geld hier in Mogontiacum an. Voll mit Vorurteilen gegenüber den Germanen. Doch er hatte Lando und seine ganze Sippe kennengelernt und schätzen gelernt. Das macht diese Sache hier um ein vielfaches schwerer.


    Maecenas starrte immer noch auf Lando. In seinen Schädel kreiste immer noch das warum. Lando´s und Elfleda´s Hochzeit, wo er das erste mal richtig mit dem germanischen Leben und den Bräuchen in Berührung kam. All das waren nun Dinge, die Maecenas mittlerweile ganz anders denken und Handeln ließ. Auch das war ein Teil von Lando. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr sich sein Leben seit seiner Ankunft in Mogontiacum verändert hatte.


    Maecenas wandte sich mit gesenktem Kopf von Lando ab und nun bemerkte er erst, das auch Elfleda und Marsus im Atrium waren.
    Mit langsamen schritten bewegte er sich auf die beiden zu. Wie oft hatte er vor solch einer Situation gebangt. Das es nun gerade um seinen Freund Lando handelt war einfach nicht zu begreifen.


    Maecenas stand nun vor Elfleda, hob seine Kopf, der seit er seinen Blick von Lando abgewandt hatte, gedankenversunken den Boden des Atrium´s absuchte.
    >Es tut mir Leid......<

  • So blass und geschockt wie jeder andere hier im Haus kam Maecenas ins Atrium. Elfleda sah zu ihm auf, und einen winzigen Moment spielte ein trauriges Lächeln um ihre Züge. Es hätte ihr klar sein müssen, dass er es war, der als erstes kam. Sie erinnerte sich noch daran, wie Lando sie einander vorgestellt hatte. Der einzige Römer, der es mit einem Germanen beim Biertrinken aufnehmen konnte, und der einzige mit genug Nerven, Lando zu ertragen. Es war auf ihrer Hochzeit gewesen, und Elfleda hatte kaum fünf Worte Latein beherrscht, um vernünftig antworten zu können. Bei dem Gedanken an die Szene wollten wieder Tränen aufsteigen, aber sie kämpfte sie nieder.
    Gefasst schaute sie zu, wie Maecenas an die Bahre trat, in eigenen Gedanken versunken. Sie sah den Schmerz in seinem Gesicht, auch wenn er ihn zurückzuhalten versuchte. Diesen Ausdruck würde sie heute wohl noch öfter sehen. Davor fürchtete sie sich beinahe. Die selbstzufriedenen Gesichter all jener, die nur aus Scheinheiligkeit kommen würden, um sich zu vergewissern, dass er auch wirklich tot war, das süffisante Grinsen um den Mundwinkel der Konkurrenten, das Glänzen in den Augen derer, die dachten, die Sippe Wolfriks sei nun endgültig am Boden, das konnte sie ertragen. Dem konnte sie mit Zorn und Hass und Wut entgegen wirken. Da konnte sie kalt und hart reagieren, da konnte sie spielen und sich nicht davon berühren lassen. Aber der echte Schmerz, diese Traurigkeit, das war schwerer zu ertragen. Da gab es Erinnerungen, da gab es Mitleid. Nichts war für Elfleda schwerer zu ertragen als Mitleid. Mitleid hieß, man war schwach, und der andere sah die Schwäche. Nein, Elfleda wollte kein Mitleid. Und dennoch würde sie es wohl bekommen.


    Sie schwieg, während Maecenas sich stumm verabschiedete und legte sich nur zwischendurch beruhigend die Hand auf den Bauch. Seit gestern kam das Kind nicht wirklich zur Ruhe. Es fühlte, dass etwas mit der mütterlichen Gemütsverfassung nicht in Ordnung war, und reagierte darauf mit übermäßig viel Bewegung. Es raubte auch das letzte bisschen Kraft, das sich die Mattiakerin gerne bewahren wollte. Aber sie konnte ncihts dagegen unternehmen.
    Maecenas schließlich kam zu ihnen beiden herum, den Blick stumm zu Boden gerichtet. Als er aufblickte und sagte, dass es ihm leid täte, hätte ein Teil von Elfleda ihn am liebsten umarmt. Ihn einfach in die Arme geschlossen und geweint, geweint bis keine Tränen mehr da waren, bis der ganze Schmerz hinweggespült war, bis sie selbst weggespült war. Sie schluckte kurz und war sich ihrer Stimme nicht sicher. “Er ist nun in Valhall. Er hätte nicht gewollt, dass wir darüber in Trauer versinken.“ Kurz griff sie nach Maecenas Arm in einer verbundenen Geste. Nur ganz leicht, um ihre Dankbarkeit auszudrücken. Der Purgitier war einer der wenigen, denen Elfleda gänzlich seine Trauer glaubte. “Er hat in dir immer einen Freund gesehen. Und du wirst immer hier im Haus willkommen sein.“ Auch wenn sie nur leise sprach, merkte Elfleda, wie ihre Stimme zu brechen drohte, und wie Tränen ihr in die Augen stiegen. Sie ließ Maecenas wieder los, schaute kurz zu Witjon, um Kraft zu sammeln und sich zu fassen. Keiner sollte sie heute offen weinen sehen. Sie woltle Stärke zeigen, damit niemand auf die Idee käme, die Sippe sei geschwächt. Denn das hätte ihr Mann auf keinen Fall gewollt.

  • Albin führte den Quintilier mit behäbigen Schritt ins Atrium wo der Tote aufgebahrt lag. Es waren weitere Trauergäste anwesend, mehr als am Morgen, weil die Leute das Tageslicht für die Arbeit in den Officii und Fabricae, am Fluss oder auf den Feldern nutzen mussten. Nun, wo die Sonne auf ihren Untergang zukroch hatten sich mehr Menschen Zeit genommen dem Toten und den Hinterbliebenen ihre Aufwartung zu machen.


    Albin deutete mit einer höflichen Geste ins Atrium, um sich danach wieder zurück zu ziehen.. man erwartete schließlich mehr Besuch, und der da war musste vorm Verdursten gerettet werden.

  • Im Atrium war ja einiges los. Valerian fühlte sich ein klein wenig fehl am Platze, da er nicht auf den Trauerfall vorbereitet gewesen war, doch er versuchte dies mit Höflichkeit zu überspielen. "Salvete", grüßte er, wenn auch nicht allzu laut. Er hatte aus Gewohnheit den römischen Gruß ausgesprochen und schob, als er es merkte ein: "Oder vielmehr Heilsa", hinterher. Es war so ziemlich das einzige germanische Wort, das er kannte.


    Dann trat er an die Bahre heran, sobald dies möglich war. Ein ungewöhnlicher Anblick. Geschminkt war der Leichnam nicht, dafür hielt er ein Schwert und ein Trinkhorn. Das mochte wohl die germanische Tradition fordern. Respektvoll betrachtete er den Mann, der im Tod fast noch stolzer wirkte als im Leben. "Gerne hätte ich Dir die Grüße überbracht, die mir aufgetragen worden sind." Auch wenn Eburnus hauptsächlich von seinem Bruder gesprochen hatte, galten die Grüße doch der ganzen Familie. Und der Tote war immerhin das Oberhaupt der Familie gewesen. "Doch nun bleibt mir nichts, als Dir meinen Respekt zu zollen dafür, daß Du zu den Menschen gehörst, deren Schritte auf dieser Welt Spuren hinterlassen, die sie selbst überdauern. Und Dir alles Gute zu wünschen in der Welt, in die Du nun eingegangen bist." Das alles war nur sehr leise gesprochen, er wollte ja niemanden belästigen.

  • Der Tag war doch anstrengender geworden, als Elfleda geglaubt hatte. Zwischendurch hatte es keine andere Möglichkeit gegeben, als dass sie sich unter einem kleinen Vorwand entshculdigt hatte und erst einmal in die Küche gegangen war, um sich hinzusetzen und ihre Beine zu entlasten. Aber spätestens eine Stunde danach musste sie immer wieder zurück, um weiterhin Stärke zu zeigen und die Kondolenzbekundungen entgegen zu nehmen.
    Wenigstens das war nun am Nachmittag leichter geworden. Da so viele Menschen kamen, hatte Elfleda schlicht nicht die Zeit, sich auszumalen, wer ihren Mann nun wie gekannt hatte und wer davon ihn wirklich gemocht hatte und wer nur kam, um sicherzugehen, dass es stimmte. Da war es leichter, sich hart zu geben, und sie musste sich nicht beherrschen, ihre Tränen zurückzuhalten. Es gab schlicht keinen Grund, weshalb sie so emotional reagieren sollte. Sie hätte zwar auf Befehl loszuheulen vermocht, allerdings brachte ihr das nun keinen Vorteil.


    Gerade kam sie auch wieder von so einer kleinen Notlüge aus dem hinteren Teil der Casa und sah sich kurz um. Ein paar Nachbarn hatten sich eingefunden und drückten ihr auch sofort ihr Beileid aus, das Elfleda mit schuldig traurigem Blick, aber sonst nur mit einem Nicken entgegen nahm. Mit den Nachbarn waren sie eigentlich gut ausgekommen, denen glaubte sie ihre Worte sogar. Weiter hinten sah sie noch einen von Landos Vertragspartnern im Gespräch mit einem anderen, und sie war schon überlegt, hinzugehen und sich zwischen beide zu drängen. Sollten sie doch anderswo Geschäfte machen, elende Krähen! Aber da sah sie jemanden, den sie nicht kannte. So überhaupt und absolut gar nicht. Zwar vergaß sie schonmal den ein oder anderen Namen über die Zeit, aber Gesichter eigentlich nicht. Und dieses Gesicht da kannte sie nicht. Und da der Mann Römer war, hätte sie ihn sich sogar noch eher gemerkt, wenn er schonmal hier gewesen wäre.
    Sie zog kurz skeptisch eine Augenbraue hoch und bewegte sich dann – dank ihres Bauches etwas schwerfällig – in Richtung des ihr unbekannten Römers. Sie beobachtete ihn beim gehen, sah, wie er mit Lando sprach. Er sah doch ein wenig betroffen aus. Keine Häme war zu erkennen, keine kaum verhohlene Freude. Eher gefasste Ernüchterung. Wer war das? Sie kannte ihn definitiv nicht. So aus der Nähe konnte sie sein Gesicht sehr gut sehen, und sie kannte ihn wirklich nicht.
    “Du kanntest meinen Mann?“ fragte sie mit freundlicher Tonlage, aber einem Blick, der eine Antwort verlangte. Ihre Wortwahl hätte vielleicht höflicher sein können, aber heute konnte Elfleda es sich herausnehmen, jeden anzusprechen, wie sie es wollte. Letztendlich würde man alles auf die Trauer schieben.

  • Valerian wandte sich der Frau zu, die ihn ansprach. Ihr Mann? Also Landos Ehefrau. Die Ärmste mußte wohl am meisten unter dem Verlust leiden. "Ja, ich kannte ihn. Aber es ist sehr, sehr lange her. Ich... ich habe es eben erst erfahren... Oh, bitte verzeih, ich sollte mich vorstellen. Lucius Quintilius Valerian ist mein Name und ich bin gestern erst aus Rom eingetroffen. Ich kam eigentlich her, um Grüße von Eburnus zu überbringen. - Ich möchte euch aber nicht in eurer Trauer stören und kann ein anderes mal wiederkommen. Bitte laß mich Dir versichern, daß ich mit euch trauere. Gerade für Dich muß es sehr schwer sein." Sie war noch erschreckend jung für eine Witwe.

  • Der Name sagte Elfleda nichts. Nicht einmal der Gensname sagte ihr so wirklich etwas, denn mit den in Mogontiacum verbliebenen Quintiliern hatte sie nie Kontakt gehabt. Auch wenn die Stadt gemessen an römischen Verhältnissen klein war, nach germanischen Maßstäben war sie riesig. Als er aber Eburnus erwähnte, klingelte etwas. Das war doch Arbjons römischer Name?
    “Wegen dem Kind meinst du?“ fragte sie kurz nach, als er meinte, es müsse schwer für sie sein. Es war schwer für sie, schwerer als sie je zugeben würde. Aber nach außen hin gab sie nicht vor, es wäre für sie schwerer als für irgendjemanden anderes. “Wenn es den Göttern gefällt, wird es gesund zur Welt kommen.“ Und wenn sie Gnade haben, wird es ein Sohn sein. Aber das sagte sie nicht.
    “Mein Name ist Duccia Elva“, stellte sie sich noch kurz vor und entlastete ein wenig ihren Rücken, indem sie ihre Hand dort einstützte. Es waren nur noch wenige Wochen bis zur Geburt, und gerade stehen ging einfach nicht immer. Sie sah sich kurz nach Witjon um, der gerade ebenfalls Mitleidsbekundungen entgegen nahm und sich als neuer Führer der Gens bislang ganz wacker schlug. “Dort drüben steht“ Wie hieß er bei den Römern? “Duccius Marsus, der Bruder von Eburnus. Er ist nun neues Oberhaupt der Sippe. Wenn du willst, kannst du zu ihm hinüber gehen. Wenn du mehr besprechen willst, ist es in drei Tagen besser.“ In zwei Tagen würde die Beerdigung sein, und davor würde wohl keiner Zeit für ausführliche Gespräche haben, es sei denn, es war wirklich wichtig. Elfleda hoffte einfach, dass in dem Fall der Römer hier sich schon zu Wort melden würde und selbiges sagen.
    Sie wandte sich wieder dem Mann zu. "Bleibe hier und erweise meinem Mann die Ehre, solange du willst." Warum auch sollte sie ihn rauswerfen? Was konnte er schon mehr stören als die ganzen anderen Leute, die heute und wohl auch morgen kommen würden?

  • Valerian legte den Kopf schief. "Auch. Aber nicht nur. Du wirst ihn sicher sehr vermissen." Das mit dem Kind war vielleicht sogar ihr Glück. Sich um das Kind kümmern zu müssen, konnte sie von dem Kummer ablenken. So dachte er zumindest. "Sehr erfreut, Dich kennenzulernen, Duccia Elva." Er sah, wie sie sich die Hand in den Rücken stemmte. Anscheinend war es anstrengend für sie, hier zu stehen. "Möchtest Du Dich nicht vielleicht lieber setzen?", fragte er besorgt.


    "Hör zu, es mag Dir merkwürdig vorkommen, weil wir uns nicht kennen. Aber... nun, meine Frau ist mit mir nach Mogontiacum gekommen. Sie ist eine Germanica, das sagt Dir vielleicht etwas. Sie... sie ist mit meiner Schwester allein, da ich als Soldat gezwungen bin, in der Castra zu wohnen. Und ich bin sicher, sie würde gerne jemanden kennenlernen. Vielleicht könnte sie Dir ... naja, einfach beistehen, irgendwie helfen? Vor langer Zeit hat mein Onkel durch die Heirat mit einer Duccia eine Verbindung zwischen unseren Familien geschaffen. Vielleicht können wir diese irgendwie erhalten. Vielleicht dadurch, euch in dieser schweren Zeit beizustehen?" Er wollte sich nicht aufdrängen. Und auch Calvena nicht aufdrängen. Sicher hielten die Duccier wie immer fest zusammen und standen sich gegenseitig bei. Trotzdem konnte Calvena mit ihrer frischen und lieben Art vielleicht helfen. Zumindest anbieten wollte er es.


    Als sie ihm das neue Familienoberhaupt zeigte und den Namen nannte, nickte Valerian. "Ich nehme an, daß Duccius Marsus von euch Witjon genannt wird? Dann habe ich tatsächlich eine Nachricht für ihn. Ich fürchte nur, jetzt ist nicht der richtige Moment. Also werde ich ihm nur kurz mein Mitgefühl ausdrücken und mit eurer Erlaubnis in einigen Tagen wiederkommen." Er hatte wirklich ein Talent dafür, in genau dem falschen Moment irgendwo hereinzustolpern.

  • Sie würde ihn sehr vermissen? Was sollte sie ihm denn darauf antworten? Erwartete er, dass sie ihm unter Tränen ihr Herz ausschüttete? Elfleda sah den Römer kurz skeptisch an. Dass sie derselben Meinung wie ein gut gebauter Kelte aus Nord-Gallia war und den Römern manchmal keinen besonders scharfen Sinn unterstellte, bewahrheitete sich gerade für sie wieder. Immerhin kannte sie den Quintilier nicht. Und wenn sie schon ihrer Sippe nichts sagte, warum sollte sie einem Fremden gestehen, wie sehr sie ihren Mann vermisste und welche Ängste sie litt?
    Sie überging die Frage und winkte auch die nächste ab. “Wenn es nötig werden sollte, werde ich mich setzen. Ich bin kräftig, mach dir keine Sorgen.“ Wenngleich sie das sichere Gefühl hatte, bei dieser zweiten Schwangerschaft noch mehr aufgegangen zu sein als bei der ersten. Manchmal fragte sie sich, ob das in ihrem Bauch nicht doch ein Fohlen werden würde. Reinpassen würde es bald in ihren Bauch. Sie atmete einmal ruhig durch und legte ihre freie Hand auf die runde Kugel vor sich. Lange würde es wirklich nicht mehr dauern.


    Der Vorschlag des Quintiliers war nett gemeint, aber was sollte Elfleda davon haben, eine fremde Frau, die noch nicht einmal ihre Sprache sprach, um sich zu haben? Marga hatte schon so viele Kinder entbunden, da brauchte sie nicht wirklich Hilfe. Und wenn sie die traurige Nachricht an ihren Vater schickte, konnte sie dem Boten auch auftragen, Smilla zu fragen, ob sie herkommen konnte. Sowas machte man unter Verwandten, nicht mit Fremden.
    “Dein Angebot ist sehr ehrenvoll, aber unnötig. Lando ist ein großer Verlust, ohne Frage, aber die Duccier sind stark.“ Elfleda brauchte niemanden, der ihr beistand. Schon gar nicht jemand fremdes. Aber sie wollte nicht unhöflich erscheinen, also setzte sie noch etwas hinzu. “Deine Frau wird sicher schnell viele Leute in der Stadt kennen lernen. Vielleicht ergibt sich auch einmal die Möglichkeit eines Besuches? Aber Hilfe benötige ich von ihr nicht.“ Was war das denn für ein Bild, wenn Elfleda Hilfe brauchen würde? Sie hatte schon eine gesunde Tochter und eine Geburt überstanden, sie hatte den Haushalt – mit Margas Hilfe freilich – im Griff und war nun wohl die mächtigste Frau in Mogontiacum. Wenn sie ein hilfloses Mäuschen wäre, das wäre eine Katastrophe.


    Valerian wollte Marsus noch sein Mitgefühl ausdrücken und Elfleda nickte nur kurz. Rübergehen würde er ja allein schaffen, ebenso wie sich vorzustellen. “Gut, dann tu das“ pflichtete sie ihm freundlich bei und sah sich schon kurz um. Es gab noch so viele, mit denen sie sprechen musste. So viel, was getan werden musste. Und dabei wussten es noch nicht einmal alle.

  • Da hatte er mal wieder mit schlafwandlerischer Sicherheit den falschen Ton getroffen. Valerian seufzte innerlich und schaute die junge Witwe ein wenig hilflos an. "Bitte verzeih, wenn ich Dir zu nahe getreten sein sollte. Das war nicht meine Absicht." Er konnte ja nicht wissen, daß sie nicht einmal mit ihrer Familie über ihren Kummer sprach und hatte auch keineswegs erwartet, daß sie sich bei ihm ausweinte. Er hatte einfach freundlich sein und zeigen wollen, daß Verständnis für ihren Kummer vorhanden war. Nunja, vielleicht war es auch gerade dieser Kummer, der sie jetzt so abweisend sein ließ.


    Ein entschuldigendes Lächeln lag auf seinen Zügen, als er freundlich weitersprach. "Weder meine Frau noch ich wollen uns aufdrängen. Und ich weiß, daß die Duccier stark sind, kenne ich doch zumindest einen von ihnen sehr gut und nenne ihn Freund. Bitte entschuldige den falschen Eindruck, den ich bei Dir scheine hinterlassen zu haben. Ich wünsche Dir und Deiner Familie alles erdenklich Gute. Vale, Duccia Elva." Er hoffte, daß diese Worte nicht schon wieder falsch ankamen. Er hätte ihr ja den Schutz und das Wohlwollen der Götter gewünscht, aber er fürchtete, daß sie das auch nicht wollen würde, da sie vermutlich andere Götter anbetete als er.


    Nun wandte er sich also Marsus zu. Es standen einige Personen hier, die mit ihm sprechen wollten, also wartete Valerian geduldig, bis der dran war. Solange konnte er sich überlegen, was er sagen wollte, um nicht schon wieder mit beiden Füßen und viel Schwung in ein Fettnäpfchen zu springen. Es war erstaunlich schwer, mit dieser Familie umzugehen, die doch immerhin römisches Bürgerrecht besaß, viele wichtige Positionen in der Provinz besetzte und noch dazu über Heirat mit ihm verwandt war. Natürlich waren sie germanischer Herkunft und hielten ihre Traditionen bewundernswert aufrecht. Aber trotzdem kam er sich gerade vor wie auf einer diplomatischen Mission beim Erstkontakt. Ständig lauerten Fallen, jedes Wort konnte genau das Falsche sein. Irgendwie hatte er das von früher nicht als so schwer in Erinnerung. Aber vielleicht lag das daran, daß man die Dinge im Laufe der Jahre einfach etwas verklärt sah. Oder war er nach all den Jahren in der römischen Heimat wieder zu sehr Bilderbuchrömer? War er es, der damals anders gewesen war?

  • Einer der ersten Trauergäste war Maecenas, die treue Seele. Witjon musste schlucken, als er den guten Freund so vor der Totenbahre stehen sah. Der Purgitius war einer der wenigen Menschen, die außerhalb des Familienkreises ehrlich betroffen waren und der nicht nur aus Höflichkeit hergekommen war. Witjon wartete so lange, bis der Freund sich von Lando verabschiedet hatte, ließ Elfleda dann allerdings noch den Vortritt, als Maecenas ihnen sein Mitgefühl ausdrückte. Er nickte und bedankte sich mit einem kräftigen Händedruck. Als Elfleda ein paar Worte des Dankes angebracht hatte, sagte Witjon: "Mein Freund, danke für dein Kommen. Das bedeutet uns sehr viel." Mehr brauchte er wohl nicht sagen, denn Elfleda hatte bereits alles geäußert was Witjon noch hätte mitteilen können. Maecenas war ein guter Freund der Familie und er wäre immer in der Casa Duccia willkommen, das wusste er auch. Nach der Bestattung würden sie zusammen alles besprechen, was notwendigerweise erledigt werden musste, nun da Lando tot war.

  • Es war ein harter Tag gewesen. Ständig musste jemand anwesend sein und Trauergäste in Empfang nehmen. Albin arbeitete auf Hochtouren um die Türe zu öffnen und die Gastfreundschaft hochzuhalten, denn die länger bleibenden Gäste mussten auch mit Getränken versorgt werden. Witjon hatte derweil zwischendurch nur kurze Ruhepausen, die er abwechselnd mit Elfleda wahrnahm, wenn weniger oder gerade gar keine Trauernden zugegen waren. Das einzig gute am ständigen Andrang war, dass er nicht in trübselige Gedanken verfallen konnte und so ständig auf Trab war. Gerade verabschiedete er einen keltischen Kaufmann und dessen Ehefrau, der größere Warenmengen von Landos Betrieben abgenommen hatte, weshalb dieser Besuch auch eher höflichkeitshalber stattgefunden hatte. Er sagte ein paar Worte des Dankes - was mittlerweile öde Routine geworden war - und verwies das Ehepaar zu Albin, der ihnen die Tür öffnete. Als nächster war ein Römer mittleren Alters an der Reihe. Witjon kannte den Mann nicht, soweit er sich erinnern konnte. Weshalb war er hier? Was hatte er wohl mit Lando zu tun gehabt? Nun, er würde es herausfinden.
    "Salve, Duccius Marsus," grüßte er einfach und stellte sich somit gleichzeitig vor für den Fall, dass der Römer völlig ahnungslos war. Dann hörte er zunächst geduldig zu.

  • Was für unterschiedliche Menschen hier anwesend waren. Erstaunlich. Valerian wurde es nicht müde, seinen Blick über die Anwesenden schweifen zu lassen und zu erraten, wer sie waren, was ihre Profession war und in welcher Beziehung sie wohl zu dem Verstorbenen standen. Natürlich hatte er jetzt und hier keine Möglichkeit, seine Vermutungen auf Richtigkeit zu überprüfen. Aber er wenn er etwas bei den Praetorianern gelernt hatte, dann beobachten und Informationen sammeln. Nach einiger Zeit dann ergab sich plötzlich ein Bild, das vorher nicht zu erahnen gewesen war. Es war ihm so in Fleisch und Blut übergegangen, daß er es nicht so einfach abstellen konnte.


    Ein keltisch gekleidetes Paar stand direkt vor ihm und sprach nun mit dem neuen Familienoberhaupt der Duccier. Valerian hielt Abstand, denn er fand es unhöflich, mit zuzuhören. Doch sehr lange dauerte dieses Gespräch nicht. So konnte er bald auf Witjon – wie Eburnus ihn genannt hatte – oder auch Duccius Marsus, wie Duccia Elva ihn genannt hatte, - zutreten. "Salve, Duccius. Mein Name ist Lucius Quintilius Valerian. Ich komme unvorbereitet in dieses Trauerhaus, denn ich bin erst gestern aus Rom eingetroffen und habe erst vorhin hier an eurer Porta von Landos Tod erfahren. Bitte sei Dir versichert, daß ich mit euch trauere, auch wenn es sehr viele Jahre her ist, seit ich das letzte mal Gast in diesem Haus war." Es war schwer, Mitgefühl so auszudrücken, daß es nicht abgedroschen klang, und Valerian wollte es auch nicht übertreiben, denn er hatte Lando auch nicht sehr gut gekannt. Seine Cousinen und vor allem seine Schwester hatten ihn weit besser gekannt. Trotzdem war es für ihn immer noch unglaublich, irgendwie war Lando für ihn immer der Inbegriff dieser Familie gewesen.


    "Eigentlich kam ich her im Auftrag Deines Bruders, der mein Freund ist und mit dem ich zusammen bei den Praetorianern gedient habe. Doch ich möchte euch in eurer Trauer nicht stören. Würdest Du die Freundlichkeit haben, mir eine Nachricht zukommen zu lassen, wenn es Dir recht ist, mich zu empfangen? Ich diene wieder bei der Legio II hier in Mogontiacum und bin also im Castellum erreichbar."

  • Auch Valgiso wurde in das Atrium geführt, in dem sich wieder und immernoch andere Menschen befanden um zu kondolieren und Ehre zu erweisen.

  • Ich bedankte mich bei Albin und betrat das Atrium. Es waren schon viele Leute eingetroffen, die von Lando Abschied nehmen wollten. Die allerwenigsten kannte ich und grüßte sie mit einem Kopfnicken oder Handaufheben. Ich ging zu Lando.


    Leise sagte ich zu ihm, "Lando, ich habe dich leider nie kennengelernt, aber wenn man in Mogontiacum lebt, dann kennt man dich. Und so kann ich mich von dir auch schweren Herzens verabschieden. Lass es dir gut gehen in der Anderswelt".


    Ich sah mich um. Einigen, es waren wohl die engsten Angehörigen und Freunde, stand der reine Schmerz ins Gesicht geschrieben. Den anderen Anwesenden war eher eine Betroffenheit und ein stiller Schrecken über Landos Weggang anzusehen. Und ich meinte aus dem halblauten Gemurmel die Frage herauszuhören: 'Wie geht es jetzt weiter?'

  • Unter den Anwesenden erkannte Witjon im späteren Verlauf des Tages auch den Scriba Valgiso aus der Regia. In einem freien Moment ging er langsam auf diesen zu und wartete, bis der Kelte sich vom Toten verabschiedet hatte. Dann begrüßte er ihn mit gedämpfter Stimme. "Valgiso, sei mir gegrüßt an diesem Tag der Trauer."

  • Zitat

    Valgiso, sei mir gegrüßt an diesem Tag der Trauer.


    Duccius Marsus kam auf mich zu und begrüßte mich. Er war blass. Das Schicksal hatte die Duccier in der letzten Zeit schwer getroffen. Aber Lando, das war ein harter Schlag.


    "Salve Marsus, in der Tat, es ist ein Tag der Trauer. Du kannst meiner aufrichtigen Anteilnahme sicher sein. Sei aber auch sicher, dass sich in jedem Schicksalsschlag ein neuer Anfang verbirgt. Urd und Verdandi haben ihr Werk getan und Trauer über euer Haus gebracht. Skuld hält den neuen Anfang in ihren Händen, ihr müsst ihn nur ergreifen und euren Weg weiter gehen. Ich wünsche dir und einer Sippe dabei ein gutes Gelingen mit Skulds Hilfe".


    "Der Legatus hat mich beauftragt, dir auch seine Anteilnahme zu übermitteln. Er richtet dir aus, dass er bald selbst hier erscheinen wird und er ist natürlich damit einverstanden, dass du deine Amtsgeschäfte einstweilen ruhen lässt".

  • Ein Quintilius! Lange war es her, dass Witjon jemanden aus dem Hause Quintilia getroffen hatte. Erinnerungen an Quintilia Valentina hatte er mit der Zeit verdrängt, als andere Frauen in sein Leben getreten waren, ebenso Quintilia Flava. Er erinnerte sich außerdem, dass eine Verbindung zu dieser Gens bestand, deren Früchte die Duccii jedoch seit langem aus den Augen verloren hatten. "Danke für deine Anteilnahme," sagte er und nickte bedächtig. Dass Valerian Neuigkeiten von Arbjon brachte, überraschte Witjon dann allerdings sehr. Auch überraschte es ihn, dass der Quintilius einst Praetorianer war und nun wieder in der Legion diente. War das ein Strafposten? Oder sollte er jemanden überwachen? Immerhin war letztens erst ein neuer Legatus Legionis eingetroffen, vielleicht hing das miteinander zusammen. Oder aber Witjon betrieb nur überflüssige Spekulation und es war alles ganz anders. Aber das war auch nicht so wichtig.
    "Du bist ein Freund von Eburnus? Dann sollst du auch mein Freund sein. Ich weiß deine Pietät zu schätzen. Du wirst nach der Bestattung in den nächsten Tagen von mir hören. Dann sollst du bei einem guten Essen Gelegenheit haben aus Rom zu berichten." Er lächelte den Quintilius an so gut es ihm möglich war und zeigte damit hoffentlich ausreichend seine Freude darüber, dass Arbjon seine Grüße übermitteln ließ.
    Dann wies er unbemerkt auf Elfleda und fragte: "Hast du Landos Witwe bereits kennen gelernt?"

  • "Danke, Valgiso," erwiderte Witjon zunächst. Seine aufbauenden Worte taten gut und es half, den Blick in die Zukunft zu richten und nicht Vergangenem nachzutrauern. "Ich werde meine Gebete an Skuld richten. Dann sehen wir, was die Zeit bringt."


    Der Legat wollte auch kommen? Witjon zog die Augenbrauen hoch und schürzte verblüfft die Lippen. "Gut, danke. Ich werde ihn hier erwarten." Darauf musste er erst einmal einen Schluck Bier nehmen, weshalb er Valgiso und sich an einem speziell für Getränke aufgestellten Tisch im Atrium zwei Becher füllte. Er reichte dem Scriba einen davon und prostete zu. "Heil den Toten. Heil Lando." Was folgte waren einige große Schlucke des malzigen Bieres, das in Witjons Rachen prickelte.

  • Zitat

    Original von Numerius Duccius Marsus
    Ein Quintilius! Lange war es her, dass Witjon jemanden aus dem Hause Quintilia getroffen hatte. Erinnerungen an Quintilia Valentina hatte er mit der Zeit verdrängt, als andere Frauen in sein Leben getreten waren, ebenso Quintilia Flava. Er erinnerte sich außerdem, dass eine Verbindung zu dieser Gens bestand, deren Früchte die Duccii jedoch seit langem aus den Augen verloren hatten. "Danke für deine Anteilnahme," sagte er und nickte bedächtig. Dass Valerian Neuigkeiten von Arbjon brachte, überraschte Witjon dann allerdings sehr. Auch überraschte es ihn, dass der Quintilius einst Praetorianer war und nun wieder in der Legion diente. War das ein Strafposten? Oder sollte er jemanden überwachen? Immerhin war letztens erst ein neuer Legatus Legionis eingetroffen, vielleicht hing das miteinander zusammen. Oder aber Witjon betrieb nur überflüssige Spekulation und es war alles ganz anders. Aber das war auch nicht so wichtig.
    "Du bist ein Freund von Eburnus? Dann sollst du auch mein Freund sein. Ich weiß deine Pietät zu schätzen. Du wirst nach der Bestattung in den nächsten Tagen von mir hören. Dann sollst du bei einem guten Essen Gelegenheit haben aus Rom zu berichten." Er lächelte den Quintilius an so gut es ihm möglich war und zeigte damit hoffentlich ausreichend seine Freude darüber, dass Arbjon seine Grüße übermitteln ließ.
    Dann wies er unbemerkt auf Elfleda und fragte: "Hast du Landos Witwe bereits kennen gelernt?"



    Valerian nickte. "Ja, wir sind Freunde. Diese Freundschaft hat sogar die unschöne Situation überstanden, daß ich recht lange Zeit sein direkter Vorgesetzter war. Hab Dank für Dein Vertrauen und auch für die Einladung." Er erinnerte sich an das Fest damals in diesem Haus. Damals war er sich verloren vorgekommen unter all den hohen Herrschaften. Das würde nun wohl anders sein, zum einen war er selbst kein Niemand mehr, zum anderen würde diese Einladung wohl eher einen sehr privaten Rahmen haben. Da konnte man ohnehin viel besser reden. "Ja, ich hatte schon die Ehre. Allerdings fürchte ich, daß ich nicht den richtigen Ton getroffen und somit nicht den besten Eindruck gemacht habe. Ich hatte gehofft, daß meine Frau hier Anschluß finden würde. Wir können nicht viel zusammen sein und sie kennt niemanden hier in Mogontiacum, von meiner Schwester mal abgesehen. - Nunja, der Zeitpunkt war auch ganz falsch gewählt für so etwas." Er hätte dies für den nächsten Besuch zurückhalten sollen.

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