Das Atrium

  • Naha
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    Wie die letzten Tage für die Erwachsenen schwer waren, so waren sie für die kleine Naha die Hölle. Auf einmal war schlagartig alles anders, niemand lachte mehr, alle schauten traurig drein, und niemand schien sie mehr zu beachten. Und das schlimmste: ihr Vater schlief und schlief und wollte einfach nichtmehr aufwachen. Als sie versucht hatte ihn aufzuwecken hatte ihre Mutter sie einfach nur genommen und sie an sich gedrückt. Keine Schalt, kein Geschimpfe, einfach nur an sich gedrückt. Es verwirrte sie zutiefst... und nachts weinte sie, was die ganze Sache noch viel schlimmer machte. Naha wusste, dass ihre Mutter nicht in bester Verfassung war. Lando hatte es ihr erklärt, als er einmal wieder die Flucht vor seiner Frau ergriffen hatte, und dabei seine Tochter einfach mitgenommen hatte. Er hatte sie auf's Pferd gepackt, und sie vor sich gesetzt, um mit ihr ein Stück durch die Gegend um die Stadt zu reiten. Es läge an ihrem neuen Geschwisterchen, das in ihrer Mutter wuchs. Es würde ihre Mutter müde und schwach machen, und wie eine Katze die man in die Ecke drängte wurde auch Elfleda dabei oft aggressiv und streitlustig.
    Nun war es aber ganz anders... auch ihr Onkel Witjon machte einen bedrückten Eindruck, und ihre Tante Eila kam kaum mehr aus ihrem Zimmer. Alles war anders, und das nur, weil ihr Vater nichtmehr aufwachen wollte.


    Es kamen Menschen, viele Menschen, und Naha hatte irgendwann aufgegeben, sie zu fragen warum sie hier seien, weil sie nur mitleidig angeblickt und auf den Kopf getätschelt wurde.
    Ihr kindlicher Geduldsfaden war nicht allzu lang, und so hatte sie sich zurückgezogen und geschmollt. Lange geschmollt. Ihr Vater hatte einmal gesagt, das hätte sie von ihrer Mutter, aber Naha wusste, dass es nichts anderes war als wenn er sich in der Hros versteckte.
    Nun aber wollte sie Antworten! Sie war die Tochter von Lando, und hatte dementsprechend etwas zu sagen. Wenn ihr Vater etwas gesagt hatte, waren auch alle davongesprungen und hatten getan was er sagte... und ihre Mutter war... nun... sie war irgendwie nicht ganz da. So seltsam, hart, abweisend. Also würde Naha nun das Regiment übernehmen, solange ihr Vater schlief. Jawoll.


    Den ersten Plan, den sie fasste war diesen Mann zu befragen, der gerade mit Witjon sprach. Es kümmerte sie nicht, dass sie gerade irgendwas seltsames machten (sie dachte, es wäre das was ihre Mutter gern als Männerkram bezeichnete), sie umging ihren schlafenden Vater und steuerte direkt auf die beiden Männer zu.


    "Du da..", sprach Naha mit kindlich-energischer Stimme, "..warum bist du hier? Willst du helfen, Papa aufzuwecken?"

  • Mit dem Statthalter der Provinz und seinem Gefolge im Schlepp kam der sichtlich nervöse Albin in das Atrium, in dem seit zwei Tagen der Tote aufgebahrt wurde. Es waren noch wenige Trauergäste zugegen, die sich gerade mit Phelan oder Ragin unterhielten, aber Elfleda oder Witjon konnte er nicht entdecken.


    "Wenn ihr die Güte hättet, einen kurzen Moment zu warten?", sprach Albin in einer für ihn vollkommen untypischen Unterwürfigkeit, und trabte davon um jemanden mit Kompetenz zu holen.

  • Zitat

    ... und prostete zu. "Heil den Toten. Heil Lando".


    Ich nahm den Becher und sagte zu Marsus: "Heil, Lando. Und Heil eurer Sippe". Gerade als ich den Becher wieder abgestellt hatte, kam ein kleines Kind auf uns beide zugelaufen und stellte sich mit einer kindlichen, ernsten Entschlossenheit vor mich hin:


    Zitat

    "Du da, warum bist du hier? Willst du helfen, Papa aufzuwecken?"


    Ich ging in die Hocke, um nicht auf das Kind herabschauen zu müssen. "Duda? So hat mich noch keiner gerufen. Alle sagen Valgiso zu mir, aber von mir aus kannst du auch Duda zu mir sagen. Warum ich gekommen bin? Weil alle hier traurig sind und ich helfen will, sie zu trösten".


    Ich schaute zu Marsus. Man hatte dem Kind - offenbar Landos Tochter Naha - wohl noch nicht gesagt, dass ihr Vater tot war. "Sie sind traurig, weil dein Vater sehr erschöpft ist und lange, lange schlafen muss. Deshalb dürfen wir ihn auch jetzt nicht aufwecken, Naha".

  • Am nächsten Tag würden sie Lando beerdigen. Elfleda wurde bei dem Gedanken daran allein schon schlecht. Es war eine Sache, zu wissen, dass ihr Mann tot war, aber eine andere, sich vor Augen zu führen, wirklich und wahrhaftig von ihm getrennt zu sein und ihn nie mehr zu sehen, solange sie lebte. Zum Glück – oder bedauerlicherweise – waren heute nur noch wenig Trauergäste gekommen, so dass Elfleda sich mehr ausruhen und sitzen konnte. Leider hatte sie so auch Gelegenheit, mehr nachzudenken, und die Gedanken waren weit schwerer zu verscheuchen. Sie hatte sich in die Vorratskammer bei der Küche zurückgezogen. Um die Vorräte zu prüfen, hatte sie gesagt. Alle wussten, es war eine Lüge, aber das war Elfleda egal. Sie hatte geweint, einfach nur einen Moment geweint, und sich dann die Tränen weggewischt. Als sie aus der Kammer getreten war, einen Schinken in der Hand fürs Abendessen, kam auch schon Albin und verkündete, dass der Fürst der Stadt gekommen war. Elfleda legte also den Schinken beiseite, wischte sich noch einmal sicherheitshalber über die Augen, strich das Kleid glatt und ging dann geradewegs hinüber ins Atrium.


    Sie hoffte, dass ihre Erscheinung einigermaßen fürstlich wäre. Ihr Bauch machte die Perfektion wohl unmöglich, aber sie wollte nicht gebrochen oder mitleidsbedürftig erscheinen. Sie hoffte, ihre Augen würden nichts mehr verraten von dem vergangenen Tränenfluss. Zum Glück quoll sie beim Weinen nicht auf wie manch andere Frau, aber man wusste ja nie, ob die Augen nicht gerötet waren. Sie atmete noch einmal durch und schritt dann ohne wie sonst üblich zu lächeln auf den Vinicier zu.
    “Salve, Legatus Vinicius. Es ist uns eine Ehre, dass du gekommen bist.“ Die römische Sprache fühlte sich noch immer fremd auf der Zunge an, aber immerhin beherrschte Elfleda diese nach all der Zeit nun fehlerfrei und auch aus ihrer Sicht akzentfrei.

  • Mit seinem Gefolge, das am heutigen Tag nur aus zwei Sklaven bestand, betrat der Legatus das Atrium der Casa. Anlässlich der Hochzeit von seinem nunmehrigen Magister Officiorum war er mit seiner Frau schon hier gewesen, er kannte daher bereits die Räumlichkeiten. Doch heute hatte er seine Frau, die sich schon wieder nicht wohl fühlte (so wie die letzten zwei Wochen), und seine Tochter zu Hause gelassen, er wollte ihnen die umfangreichen Reinigungszeremonien nicht zumuten.


    Duccia Elva. begrüßte er die Gastgeberin wider Willen, sehr froh über ihren nunmehrigen römischen Namen, der ihm viel leichter von der Zunge ging als ihr peregrinischer. Die Umstände könnten wahrlich besser sein. Ich möchte dir mein Beileid zu deinem Verlust aussprechen. Dann sank er seine Stimme und beugte sein Haupt näher zu ihr, denn brüskieren wollte er ihre Familie mit den folgenden Worten nicht und wer wußte schon, wie germanische Sippen sein Ansinnen auffassen würden. Er zumindest nicht. Angesichts der engen Verbundenheit unserer Familien... Er spielte dabei auf die Klientelschaft zwischen ihm, den Legaten, mit Duccius Vala sowie auf jene zwischen seinem Bruder und Marsus an. ... möchte ich dir noch versichern, daß wenn du oder deine Familie Hilfe benötigt, ihr immer ein offenes Ohr bei mir haben werdet. Sicher ziemlich salbungsvoll formuliert, aber angesichts der jetzigen Situation passend, wie er fand.

  • Lando musste schlafen, ja. Ziemlich lange sogar. Nur, dass er nicht wieder aufwachen würde. Herrje, war das eine traurige Darstellung. Witjon verzerrte einen mitleidigen Blick zu einem schiefen Grinsen. Naha würde ohne Vater aufwachsen, wie so viele andere Kinder es auch taten, denn der Tod war ständiger Begleiter der Menschen in diesen Zeiten. Man wusste nie, wann es einen erwischte. Er würde jedenfalls sein Bestes geben bei dem Versuch der Kleinen ein guter Onkel zu sein. Und vielleicht stellte er ja auch einen ganz ordentlich Vaterersatz dar, ebenso wie die Frauen des Hauses den Mutterpart für Audaod übernahmen.

  • Arbjon hatte also längere Zeit diesem Quintilier hier unterstanden. Darüber würden sie dann in den nächsten Tagen sprechen. Als Valerian dann erklärte, dass er sich bei Elfleda wohl unbeliebt gemacht hatte, runzelte Witjon die Stirn. Er hatte sich im Ton vergriffen? "Ich denke, darüber sollten wir dann nach der Bestattung reden," stellte er ganz nüchtern fest, denn er hatte keine Lust sich jetzt in irgendwelche Frauengeschichten zu verstricken. Wie er sich gut vorstellen konnte hatte die Mattiakerin keinerlei Lust sich zu diesem Zeitpunkt mit einer dahergelaufenen Römerin abzugeben, die von ihren Sitten keinen blassen Schimmer hatte. Er würde Elfleda später im Stillen fragen, was der Quintilier überhaupt gesagt hatte. Vielleicht hatte sie ja guten Grund ihn abzuwimmeln. "Ich danke dir jedenfalls sehr für dein Kommen, Quintilius. Es ist schön zu sehen, dass die Quintilier noch immer einen Bezug zu meiner Sippe haben und auch halten wollen." Besonders in diesen schweren Zeiten sorgte dieser Umstand für etwas Rückenwind, denn anderweitig fühlte Witjon sich oft genug von den römischen Familien der Stadt isoliert und verachtet.

  • Ruhig nahm Elfleda die Kondolenzbeteuerungen an und neigte nur kurz einmal dankbar den Kopf. Sie wollte gerade ansetzen, eine passende Antwort darauf zu geben, als sich der Legat zu ihr herüberbeugte. Unbeweglich blieb sie stehen und lauschte. Von ihren Gedankengängen ließ sie sich nichts anmerken, auch wenn selbige geradezu rasten. Die Verbundenheit zwischen ihren Familien... Elfleda wusste, dass sich Alrik und Witjon den Viniciern verpflichtet und ihnen in gewisser Weise Gefolgschaft und Unterstützung geschworen hatten. Auch wenn dieses römische System etwas anders war als alles, was sie aus ihrer Heimat kannte, so erkannte sie doch den Grundlegenden Gedanken dabei. Er war ein Fürst, der sich die Treue anderer dadurch sicherte, dass er ihnen hier und da ebenfalls einen kleinen Gefallen tat. Der einzige wirkliche Unterschied war, dass Römer das ganze perfektioniert, auf die Spitze getrieben und mit einem Namen versehen hatten, anstatt sich auf die Ehrbarkeit der Begünstigten einfach zu verlassen.
    “Ich danke dir für dein Mitgefühl und dein Angebot...“ fing sie also an und blickte zu ihrem toten Mann hinüber. Ihm würde es sicher gar nicht gefallen, wenn seine Frau sich in so ein Schuldverhältnis begeben würde. Er, der Zeitlebens niemandes Klient wurde und auch keine angenommen hatte, sondern es auf die alte Weise gehalten hatte und auf die Ehrbarkeit der Männer in seiner Umgebung vertraut hatte. Aber dennoch gab es ein paar Dinge, die Elfleda geklärt wissen musste, und wo der Legat schon einmal hier war, konnte er ihr sicher auch weiterhelfen. Ohne, dass sie ihm einen Gefallen schuldig blieb. “Es gäbe da tatsächlich etwas, was mich beschäftigt. Und ich weiß nicht, ob es ein Problem ist oder nicht.“
    Jetzt blickte sie zu ihm auf. Er hatte eben ja noch angeboten, ihr zu helfen. Auch wenn Elfleda nicht wusste, ob sie hierbei wirklich Hilfe benötigen würde, aber wenn es so wäre, war der Zeitpunkt jetzt zu günstig, als dass sie ihn verstreichen lassen dürfte. Auch wenn ihr Blick stolz und klar war, ihre Hand legte sich beinahe schützend auf ihren Bauch. “Ich weiß, dass es für das römische Recht wichtig ist, dass ein Vater sein Kind öffentlich herumzeigt und auf den Armen dabei trägt. In mir wächst noch ein Leben, das seinen Vater nie kennenlernen wird. Sag mir, Legat, kann ich sicher sein, dass mein Kind, wenn es gesund und lebend zur Welt kommt, dennoch alle die ihm zustehenden Rechte als Kind eines Ritters des römischen Reiches haben wird?“ Elfleda hatte für mehr Sorge zu tragen als nur für sich. Sie würde alles daran setzen, dass ihre Kinder den ihnen zustehenden Platz auch erhalten würden. Und sie betete zu allen Göttern, ihren wie den römischen, dass das Kind in ihrem Leib ein gesunder Sohn werden würde.

  • Zitat

    Original von Numerius Duccius Marsus
    Arbjon hatte also längere Zeit diesem Quintilier hier unterstanden. Darüber würden sie dann in den nächsten Tagen sprechen. Als Valerian dann erklärte, dass er sich bei Elfleda wohl unbeliebt gemacht hatte, runzelte Witjon die Stirn. Er hatte sich im Ton vergriffen? "Ich denke, darüber sollten wir dann nach der Bestattung reden," stellte er ganz nüchtern fest, denn er hatte keine Lust sich jetzt in irgendwelche Frauengeschichten zu verstricken. Wie er sich gut vorstellen konnte hatte die Mattiakerin keinerlei Lust sich zu diesem Zeitpunkt mit einer dahergelaufenen Römerin abzugeben, die von ihren Sitten keinen blassen Schimmer hatte. Er würde Elfleda später im Stillen fragen, was der Quintilier überhaupt gesagt hatte. Vielleicht hatte sie ja guten Grund ihn abzuwimmeln. "Ich danke dir jedenfalls sehr für dein Kommen, Quintilius. Es ist schön zu sehen, dass die Quintilier noch immer einen Bezug zu meiner Sippe haben und auch halten wollen." Besonders in diesen schweren Zeiten sorgte dieser Umstand für etwas Rückenwind, denn anderweitig fühlte Witjon sich oft genug von den römischen Familien der Stadt isoliert und verachtet.


    "Ja, das sollten wir." Valerian fiel es tatsächlich sehr viel leichter, mit Marsus zu sprechen, als es bei Elva der Fall gewesen war. Vermutlich lag es doch an ihm, er war eben einfach kein Diplomat, wie ja auch der Zusammenstoß mit Salinator bewiesen hatte. "Das wollen wir, Duccius. Unsere Familie wird nie vergessen, wieviel Gastfreundschaft und Unterstützung sie in diesem Haus bereits erfahren hat." Immerhin hatten einige seiner Verwandten längere Zeit hier gewohnt, auch wenn das schon sehr lange her war. "Ich werde Lando in ehrender Erinnerung behalten. Hab Dank dafür, daß Du in dieser für euch besonders schweren Zeit für mich Zeit erübrigt hast. Vale und auf ein baldiges Wiedersehen", verabschiedete Valerian sich von Marsus, auf den noch weitere Besucher warteten.

  • Ein dunkler Schatten hing über der Casa Duccia in jenen Tagen, wo der geliebte Vormund, Cousin, Bruder und Ehemann von den Nornen aus dem Leben geschnitten wurde. Viele Menschen kamen, um sich von Lando zu verabschieden, nicht weil er überschwänglich berühmt war, nein das war er nicht. Er war einfach als guter Geschäftsmann und tüchtiger Decurio bekannt. Auch Freunde kamen in das Haus der Söhne Wolfriks, um sich von ihm zu verabschieden und zu kondulieren, vor allem seiner Frau.
    Von all diesem Trubel wollte Phelan nichts wissen, er schämte sich zu sehr jetzt dabei zu sein, so verharrte er auf seinem Zimmer, was auch niemand merkte, da sich der Rest der Familiemitglieder im Atrium aufhielt.
    Erst in der Nacht schlich er sich hinunter ins Atrium, wo es viel stiller als sonst war. Ganz langsam näherte er sich seinem Cousin.. als er vor ihm stand betrachtete er ihn einige Momente, bis er schließlich auf die Knie sank, um wie ein kleiner Junge zu weinen. Allerdings so leise, dass ihn vermutlich hier unten keiner zu hören vermochte.
    "Lando.. fing er unter Tränen an, "mich plagt seit dem Schwerstoß in deine Brust der Gedanke, dass ich Schuld bin.. Oh Loki bitte verzeih mir .." wieder brachen Tränen aus ihm heraus. Wie ein Verräter fühlte er sich, der eigenen Familie nichts davon zu erzählen, aber das konnte er nicht, noch nicht. "Ich habe es gesehen .. in meinen Träumen, aber ich war zu schwach .. um es deiner Frau und den anderen zu sagen.. oh Lando .. wieso kann ich dich nicht von den Toten zurückholen .." er griff nach seiner Hand und erschrak, eiskalt war sie .. und steinhart. Der Mensch, der trotz seiner energischen, konsequenten und rechtschaffenden Art immer warmherzig und fürsorglich war, die Scharr der Wölfe geleitet hatte, war nun eiskalt, steinhart, tot.
    "Ich vermag meine Schmach nicht zu tilgen .. ich weiß, es ist keine Genugtuung für dich und deine Frau, aber ich werde mein bestes geben, um Naha mit großzuziehen, sodass es ihr an nichts fehlen wird .. Ragin, Rodrik, Witjon und ich sind zusammen nicht so stark wie du, aber wir werden uns gut um sie kümmern und ihr erzählen, was für ein großer Mann ihr Vater war. Wir werden sie hüten wie unsere eigene Tochter.." er machte eine Pause "und deine Frau auch .." vor der er imense Angst hatte.. sie würde ihn zerfleischen, wenn er ihr irgendwann von seinem Traum erzählen würde. Er hatte ein böses Omen verschwiegen, was könnte es schlimmeres geben?
    Er verharrte noch einige Stunden bis zum Morgengrauen bei seinem geliebten Cousin, bis er sich elendig und voller Schmack zurück auf sein Zimmer zog.

  • Zitat

    Original von Duccia Elva
    “Ich weiß, dass es für das römische Recht wichtig ist, dass ein Vater sein Kind öffentlich herumzeigt und auf den Armen dabei trägt. In mir wächst noch ein Leben, das seinen Vater nie kennenlernen wird. Sag mir, Legat, kann ich sicher sein, dass mein Kind, wenn es gesund und lebend zur Welt kommt, dennoch alle die ihm zustehenden Rechte als Kind eines Ritters des römischen Reiches haben wird?“


    Ruhig hörte sich der Legat das Problem an, das der Duccia Sorgen bereitete. Er ahnte ihre Besorgnis und nahm sie auch ernst, doch die Rechtslage war für ihn klar. Ein oder zwei Momente sann er, dann antwortete er mit derselben ruhigen und leisen Stimme wie noch kurz zuvor.


    Du kannst unbesorgt sein. Rein rechtlich gesehen wird dein Kind ein eheliches sein, auch wenn es nach dem Tod deines Mannes zur Welt kam. Das Kind wird daher alle zustehenden Rechte bekommen. Es kann ja niemand verlangen, daß ein Toter sein Kind annimmt, wie soll denn das gehen und vor allem: wie würde das aussehen? Ein belustigender Gedanke, der ihm tatsächlich ein Schmunzeln ins Gesicht trieb. Doch sogleich besann er sich auf den Ernst des Momentes und der Umgebung, die nun wirklich nicht zum Scherzen einlud. Verzeih mir diesen Ausrutscher, er war nicht angebracht. Dann sprach er weiter. Diesbezüglich brauchst du dir also keine Sorgen machen. Es sei denn, jemand bezweifelte die Vaterschaft ihres Kindes, doch diesen Gedanken wollte er in diesem Rahmen wirklich nicht aussprechen.

  • Zitat

    Original von Lucius Quintilius Valerian
    "Ja, das sollten wir." Valerian fiel es tatsächlich sehr viel leichter, mit Marsus zu sprechen, als es bei Elva der Fall gewesen war. Vermutlich lag es doch an ihm, er war eben einfach kein Diplomat, wie ja auch der Zusammenstoß mit Salinator bewiesen hatte. "Das wollen wir, Duccius. Unsere Familie wird nie vergessen, wieviel Gastfreundschaft und Unterstützung sie in diesem Haus bereits erfahren hat." Immerhin hatten einige seiner Verwandten längere Zeit hier gewohnt, auch wenn das schon sehr lange her war. "Ich werde Lando in ehrender Erinnerung behalten. Hab Dank dafür, daß Du in dieser für euch besonders schweren Zeit für mich Zeit erübrigt hast. Vale und auf ein baldiges Wiedersehen", verabschiedete Valerian sich von Marsus, auf den noch weitere Besucher warteten.


    "Das werden wir alle. Dir gilt der Dank meiner Sippe und mir, Quintilius," erwiderte Witjon schlicht und einfach und sagte damit alles was es noch zu sagen gab. Sie beide würden sich einfach in den nächsten Tagen treffen und sich über Rom und Arbjon und die Praetorianer unterhalten und damit war alles klar. Für ihn standen ohnehin ganz andere Dinge im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit. Daher war er auch erleichtert, als der Quintilier sich verabschiedete, denn es standen noch andere Trauergäste in der Reihe der Wartenden. "Vale bene," verabschiedete er Valerian und widmete sich dann dem nächsten Gast, der auch schon ungeduldig zu ihm herantrat.

  • Nur kurz zuckten Elfledas Augenbrauen leicht nach oben, als der Präfekt einen kleinen Scherz machte. Auch wenn die Versuchung da war, ihn ebenso wie den Quintilier vom Vortag abzufertigen, Elfleda hatte von ihrem Onkel zu fiel über Politik gelernt, um sich dieser kleinlichen Neigung hinzugeben. Während der Mann gestern nur irgendein Neuankömmling war, bei dem Witjon es nötigenfalls wieder zurechtbiegen konnte, war das hier der Fürst der Stadt, und mit dem sollte sie sich gut stellen. So also entschied sie sich für ein wenig Schauspielerei. “Es ist etwas vorgefallen, das meiner Verzeihung bedürfte?“ Auch wenn ihre Stimme unschuldig klang, ihr Blick sagte sehr deutlich, dass sie es mitbekommen hatte, allerdings einfach darüber hinweggehen wollte. Man musste das nicht unnötig ausbreiten – auch wenn ein Teil von ihr ihn dafür hätte zerfetzen mögen.
    Sie blickte wieder zu ihrem verstorbenen Mann und legte eine Hand auf ihren Bauch. Gut, es würde also hier keine Probleme geben. Jetzt blieb nur zu hoffen, dass das Kind gesund zur Welt kam. “Ich möchte dir danken, Präfekt. Du hast mir eine große Sorge genommen.“ Ihn jetzt zu fragen, ob er ihr auch helfen würde, die Rechte des Kindes zur Not auch durchzusetzen, wäre aber zuviel gewesen. Also sagte Elfleda dazu nichts weiter.
    “Möchtest du auch noch mit Duccius Marsus reden, oder ist dein Zeitplan zu knapp bemessen dafür?“

  • Zitat

    Original von Duccia Elva
    “Es ist etwas vorgefallen, das meiner Verzeihung bedürfte?“
    “Ich möchte dir danken, Präfekt. Du hast mir eine große Sorge genommen.“
    “Möchtest du auch noch mit Duccius Marsus reden, oder ist dein Zeitplan zu knapp bemessen dafür?“


    Ihre Frage nach seinem zugegeben nicht angebrachtem Scherz ließ ihn glauben, daß sein Ausspruch nicht wirklich krumm genommen wurde oder die Duccia ihn nicht ganz verstanden hatte (was bei Peregrini, die erst vor kurzem die schwierige lateinische Sprache erlernt hatte, selbstverständlich vorkommen konnte). Da er deswegen die Situation in ihrem Innersten komplett falsch einschätzte, hakte er seinen Fauxpas schnell ab, wenngleich ein dumpfes Gefühl blieb.


    Es war mir keine Mühe, Duccia. entgegnete er auf ihren Dank. In der Tat hatte ich vor, kurz mit Duccius Marsus zu sprechen. Nochmals mein Beileid.

  • Naha
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    Mit großen Augen blickte das kleine Mädchen den bärtigen Kerl an, der ihr gerade weißmachte, was sie schon lange wusste: natürlich waren alle traurig. Aber sie verstand nicht warum. Und da kam auch schon die Antwort: Erschöpfung.
    Naha hatte ihren Vater oft erschöpft gesehen. Besonders in den Wochen nach dem großen Feuer. Er hatte oft einfach nur dagesessen und gedöst. Oder gleich ganz geschlafen. Naha hatte oft die Möglichkeit genutzt und Knoten in seinen Bart geflochten, so wie ihre Mutter es mit ihren Haaren machte. Lustig hatte er das nie gefunden. Manchmal hatte sie sich auch einfach nur dazu gelegt, und zusammen hatten sie in den unmöglichsten Ecken der Casa gedöst.


    Aber jetzt durfte sie sich auf einmal nichtmehr zu ihm legen... und die Tatsache, dass selbst ihre Mutter ihn nicht aufwecken durfte verwirrte die kleine Naha. Ihre Mutter durfte sonst alles. ALLES. Und das jetzt auf einmal nicht...


    "Das verstehe ich nicht..", gab sie letztendlich freimütig zu, und sah wieder mit fragendem Blick nach oben in den Busch, der dem Valgiso-Duda aus der Nase zu wachsen schien.

  • Naha
    [Blockierte Grafik: http://img199.imageshack.us/img199/1620/nahakind.png]


    Naha, die ungekrönte Königin der Casa, hatte es sich zur Aufgabe gemacht sämtliche Besucher ihres schlafenden Vaters genauestens unter die Lupe zu nehmen. Sie hatte ihre Mutter gehört, wie sie sich mit Witjon über die Aasfresser und Arschkriecher unterhalten hatte, und sie hatte den alten Albin gefragt, wie Aasfresser und Arschkriecher aussahen. Der alte Mann hatte mit finsterer Miene doziert, dass diese offen betroffen taten, hinter hervorgehaltener Hand allerdings über den Schlaf ihres Vaters lachen würden.


    Im Laufe der Tage hatte sie schon mehrere Arschkriecher und Aasfresser ausfindig gemacht, konnte allerdings nicht feststellen, was jetzt der genaue Unterschied war. Fakt war: die meißten, aber nicht alle, trugen weiße Bettlaken.


    So wie der hier jetzt. Ihre Mutter hatte relativ eilig reagiert, als sie hörte dass der Fürst der Römer hergekommen war. Und sie sprach mit dem Mann in einer Sprache, die viele der Leute in Bettlaken sprachen. Aber nicht alle.
    Angestrengt beobachtete Naha den Mann und untersuchte ihn auf jedes verräterische Zeichen von Aasfressertum. Doch er zeigte keines... doch, DA!! Da war es! Aber er lächelte nicht hinter hervorgehaltener Hand, er lachte offen. Obwohl, ein Lachen war es auch nicht wirklich gewesen..
    Das verwirrte die junge Duccia, und sie beschloss, den Fürsten der Römer genau im Auge zu behalten...

  • Zitat

    Das verstehe ich nicht...


    Während der Rotschopf meinen Schnäuzer fixierte, wurde mir klar, dass dieses 'das verstehe ich nicht' als bohrende Frage anzusehen war.


    Ich hätte ihr die Frage gerne beantwortet, aber da erinnerte ich mich daran, wie meine Söhne nach dem Tod meiner Frau vor mir standen und wissen wollten, was mit ihrer Mutter geschehen war. Im ersten Augenblick hätte ich es damals gerne gehabt, wenn es mir jemand abgenommen hätte, den beiden die schmerzliche Wahrheit zu sagen. Aber ich hätte mir niemals verzeihen können, das einem anderen überlassen zu haben.


    Nein, das musste ihre Mutter machen. Indem ich hoffte, dass Duccia Elva mit einer genauso robusten Seele ausgestattet war, wie ihre Tochter, sagte ich zu Naha:


    "Das kann ich dir nicht erklären, Naha. Es gibt nur einen Menschen, der dir das erklären kann - und das ist deine Mutter. Frag sie, aber hab ein bißchen Geduld mit ihr".

  • Zu behaupten, dass die letzten Tage aussergewöhnlich waren, wäre eine höflliche Umschreibung gewesen. Zu behaupten, dass diese Tage eine Katastrophe waren, entspräche schon eher Wahrheit. Wodan und alle sonstigen Asen sei Dank hatte Rodrik in der Goldschmiede zu tun (Brix hätte ihm wohl sicher freigegeben, aber Rodrik war froh über eine Beschäftigung) und hatte daher einen grossen Auftrag als Ausrede genommen, die Tage ausser Haus zu verbringen. Sicher hätte er bei seiner Familie sein sollen, aber er wäre ja ohnehin nur im Weg gestanden und hätte früher oder später (eher früher als später) eine dumme Meldung geschoben und kurz danach im günstigsten Fall eine Tracht Prügel von Marga erhalten, im weniger günstigen Fall von Albin und im schlimmsten Fall von Elfleda. Die anderen Familienmitglieder rangierten irgendwo mittendrin.


    Wie dem auch sei. Rodrik hatte also die letzten Tage zu tun. Nur am heutigen Tage zwang er sich zu einem Hierbleiben, denn heute hatte er hier etwas zu tun. Heute war er zur Totenwache eingeteilt, was er schon fast wörtlich nahm. Noch bevor die Sonne ihre ersten Lichtstrahlen über den Horizont schickte, stand er fertig angekleidet neben dem Toten, hatte sich kurz zuvor nur eine Kleinigkeit gegönnt und war noch schnell seine Notdurft verrichten gegangen, dann konnte der Tag des Wachens beginnen. Es war gruslig, seine Lebenszeit neben einem Toten zu verbringen und Rodrik fragte sich, ob dieses Paradoxon noch jemandem aufgefallen war in seiner Familie.


    Nicht lange nach Sonnenaufgang kamen die ersten Besucher seiner "Schicht", Klienten, Parteigänger, irgendwelche Leute aus der Umgebung seiner Familie. Die meisten kannte er nicht, aber ab und an kannte er doch jemanden oder er bekam von seiner Familie einen Hinweis, wenn er nur auffällig genug einen fragenden Blick hinwarf. Gegen Mittag wollte Marga ihm etwas zu essen bringen, aber Rodrik wollte ganz pflichtbewusst nicht seinen Platz räumen, daher kam essen auch nicht in Frage. Nicht neben einem Toten. Groteske Vorstellung. Marga schüttelte auch den Kopf (allerdings aus anderen Gründen als Rodrik), aber ließ ihn dort stehen. Bis zum Abend blieb Rodrik dort und beschäftigte sich ab der neunten Stunde mit der ausgleichenden Gerechtigkeit in seinem Körper: der Leere in seinem Magen und der Völle in seiner Blase.

  • Still rieselten Schneeflocken durch den Lichtschacht der Casa Duccia und füllten den bereits seit Wochen schneebedeckten Boden. Witjon hielt einen Becher Glühwein in Händen und wartete. Er hatte Sönke herbeordert, weil er endlich mit dem Burschen über seine Pläne sprechen musste, deren Umsetzung schon viel zu lange auf sich warten ließen. Gemächlich bildete Witjons Atem weiße Wolken. Er trug einen dicken Schafspelz und doch wurde es ihm schnell kalt. Es war bereits jetzt ein eisiger Winter und es würde sicherlich nicht besser werden. Einzig der heiße Glühwein wärmte den Duccius, als er ihm durch die Kehle rann. Über diese Vorstellung konnten die Menschen einer klimaerwärmten Zukunft wohl nur schmunzeln.

  • Das verhieß nichts Gutes. Ganz und gar nichts Gutes. Sönke wusste nicht wie er es geschafft hatte, Witjon aus dem Weg zu gehen, aber er hatte es fast ein Jahr lang geschafft.. ein Jahr, in dem sein Vater ihn vertrat wie einen unmündigen kleinen Buben, ein Jahr in dem Sönke auf den Äckern geschuftet hatte als wäre nie etwas geschehen.. als wäre er nie zum Civis erhoben worden. Als gäbe es Marcus Marius Madarus gar nicht. Zu der Ernte, die sein Vater ihm abverlangt hatte, kam noch eine Saat hinzu... und noch eine Ernte. Und wieso hatte Witjon ihn nicht einfach zur Legion geschickt?
    Er wusste es... wahrscheinlich, weil Elfleda gestorben war, und ein Loch gerissen hatte das genug Schatten hatte um Sönke einfach darin verschwinden zu lassen. Aber auch dieses Loch war nicht von Dauer.. und so konnte Sönke sich nicht ewig darin verkriechen.


    Wohl aus diesem Grund schlurfte er jetzt, mit wieder einmal dröhnendem Kopf und immernoch ziemlich schmerzender Faust (er hatte nicht die geringste Erinnerung daran, wie er sich das eingefangen hatte, war am nächsten Morgen einfach im Mist zwischen den Rindern aufgewacht und hatte einen Rekordschädel), in das Schneegefüllte Atrium der Casa seiner Herren, und stellte sich auf das Donnerwetter seines Lebens ein.


    "Heilsa, Witjon. Doa bi ick..."

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