[Officium | Ando Kritja] Das Arbeitszimmer

  • "Ehm... ja... tot.", wiederholte Albin. Er wiederholte sich sowieso gerne, wenn man sich weigerte zu kapieren, was er den Leuten gerade so erzählte. Und das gerade bei so unerklärlichen Dingen wie dem Ableben.
    Albin erinnerte sich nicht einmal mehr an die junge Thalna. Er hatte sie auf der Hochzeit gesehen, das war es dann aber auch, wohl eine Schülerin von Phelan, warum auch immer der befähigt war, Schüler anzunehmen.


    "Da ist noch etwas...", unterbrach er unverfroren und beharrlich Lando in seinem Vorhaben, in Gedanken zu versinken, "...der Sklave fragte, wie das mit dem Begräbnis von Statten gehen soll? Die Prudentii haben auf einen Schlag keine Familie mehr hier, und wir sind die nächsten Freunde und Verwandten. Dieser kleine Römling meinte, es wäre an uns für eine Bestattung zu sorgen. Sie haben das Mädchen wohl im Atrium ihres Hauses aufgebahrt.. und warten jetzt auf Order."

  • "Na großartig...", raunte Lando, der eigentlich hätte zugeben müssen von römischen Bestattungssitten nicht die geringste Ahnung zu haben. Alles was er wusste, war, dass sie ihre Toten ebenfalls nach einer angemessenen Trauerzeit verbrannten, die Asche in Urnen füllten um sie schließlich in Sarkophagen oder Grabmonumenten zu bestatten. Und soweit er wusste, hatten die Prudentii noch kein Grabmonument hier in Mogontiacum.


    Lando seufzte laut, dann winkte er den alten Mann heraus: "Schick jemanden zur Casa der Prudentii, und lass ihnen sagen, dass wir uns um die Bestattung kümmern werden."


    Auch wenn Lando nicht wusste, wie genau er das anstellen wollte. Zuerst galt es eh einmal, einen Brief zu schreiben...

  • Es war nachmittags nach Witjons Frustbesäufnis. Der junge Mann saß hinterm Schreibtisch im Arbeitszimmer der Casa Duccia und starrte gedankenverloren auf die Aktenberge, die er in einem Kraftakt abgearbeitet hatte. Es hieß Betriebe zu verwalten, Schreiben an weiter entfernte Bekannte und Vertragspartner aufzusetzen und noch vieles mehr.


    Albin hatte er nun rein formal als seinen neuen Vilicus eingestellt, was er vorher in Landos Diensten gewesen war. Nun hatte er die Arme auf der Schreibtischplatte verschränkt und glotzte vor sich hin. Die durchsoffene Nacht hatte ihn völlig geplättet, aber er hatte nach einem deftigen Essen und einer winzigen Mütze Schlaf die Kraft gefunden sich doch noch an die Arbeit zu machen. Er starrte und starrte und überlegte was noch allerlei zu tun war, als plötzlich seine Lider herunterklappten. Was zum? Er schreckte aus dem Halbschlaf hoch und sah sich um, als wäre er ertappt worden. Da war aber niemand im Raum, also grummelte er vor sich hin und ergab sich dem Schlaf, dem er dann sogleich anheim fiel. Bald wurden ganze Wälder in Germania Magna umgesägt, so gewaltig war das Sägewerk, das sein Schnarchen symbolisierte.

  • Nicht ahnend, welcher Wunsch Sönke - der in Witjons Munt stand, was mit dem römischen Patronat vergleichbar war - auf der Zunge lag, führte er ihn her und deutete auf einen Stuhl. "Setz dich," forderte er ihn auf und ging hinüber zum obligatorischen Beistelltisch, der Witjon schon seit Jahren zur Bierversorgung während der Arbeit diente. Er füllte zwei Becher und stellte einen davon Sönke hin. Er setzte sich und prostete dem Besuch zu. "Auf Landulf, Sohn des Lando." Er hob seinen Becher und setzte ihn an, um einen tiefen Schluck zu nehmen. Das musste der erste wirklich gute Tag seit Wochen sein. Nachdem er den Becher wieder abgestellt hatte, nahm er eine halbwegs bequeme Position auf dem halbwegs unbequemen Stuhl ein (Das war immerhin ein Arbeitszimmer, kein Schlafzimmer, woran der "Inneneinrichter" damals die Bequemlichkeit der Stühle festgemacht hatte), bevor er Sönke erwartungsvoll ansah. "Also Sönke, was hast du auf dem Herzen?"

  • "Auf Landulf. Und auf Lando.", sprach Sönke nachdem er sich brav auf den gewiesenen Stuhl gesetzt hatte, und nippte vorsichtig an dem dargebotenen Bier. Die Frage, was ihn hertrieb war viel schwerer zu beantworten als er gedacht hatte. Es hatte so einfach geklungen, als er seinem Vater patzig entgegengeworfen hatte, dass er Witjon einfach fragen würde. Und nun hockte er hier, und bekam kein Wort heraus.


    "Ehm.. also..", stotterte er erst einmal um den heißen Brei herum, bevor er sich dann in einem leichten Anflug von Mut wieder dessen entsann, was er eigentlich vor hatte, "..naja.. Thorgall ist mein älterer Bruder. Und eigentlich sollte er die Höfe weiter führen. Aber Lando hat ihm eine Stelle in der Hros gegeben, und jetzt arbeitet er dort Tag ein Tag aus. Aber das entspricht nicht...", wollte er hier wirklich mit den Traditionen argumentieren? Nein, wahrscheinlich würde Witjon ihm daraus einen Strick drehen.
    "Nun... ich möchte zur Armee. Ich habe lange darüber nachgedacht, und ich möchte zur Armee. Ich weiß, dass ich eigentlich die Höfe weiterführen sollte, aber es ist nicht meine Bestimmung, auf den Feldern mit der Hacke in der Hand zu sterben. Ich möchte zur Armee... und dafür brauche ich deine Erlaubnis, Witjon. Ich bin wie mein Vater und meine Familie an die Söhne Wolfriks gebunden, aber wir arbeiten schon so lange für euch... und es würde sich natürlich auch für euch lohnen! Natürlich würde es das! Ich wäre einfach nur Soldat, und kein Bauer mehr... also... verstehst du?"

  • Geduldig wartete Witjon, bis Sönke endlich mit der Sprache herausrückte. Thorgall war ein fleißiger Bursche, das stimmte. Und unter Leifs Aufsicht arbeitete er wahrlich rund um die Uhr in den Ställen. Und eigentlich sollte Sönke die Höfe führen, das war ebenfalls richtig. Witjon runzelte die Stirn. Worauf wollte der Bursche hinaus? "Zur Armee!" platzte Witjon heraus, als Sönke endlich seinen Plan offenbarte. Er blickte Hartwigs Sohn äußerst kritisch an und räusperte sich missbilligend. Dennoch hörte er sich Sönkes Gründe an, woraufhin er erst recht die Stirn in Falten legte und fragte: "Und wer kümmert sich dann um meine Felder? Dein Vater schafft das allein gewiss nicht mehr. Welchen Vorteil hätte ich daraus, wenn du zur Armee gingest?" Er sah die ganze Sache mit großen Bedenken. Sönke könnte ohnehin nur zur Ala in Confluentes gehen. Konnte er denn reiten? Hatte er zumindest eines kleines Bisschen Talent mit Pferden? Außerdem hatte er bereits genügend Duccii in den Dienst der Legion entlassen, die bald darauf gefallen waren. Er konnte es sich nicht auch noch leisten, jetzt seine Muntlinge zu verlieren.

  • Die Reaktion Witjons fiel nicht ganz so aus, wie Sönke es sich erhofft hatte. Der junge Mann schrumpfte etwas in den Sessel hinein, wie um sich vor den Worten des Sippenoberhaupts zu verkriechen, doch es brachte nichts. Was hatte er auch erwartet? Dass Witjon ihn freudestrahlend nach Confluentes schicken würde? Ja, Sönke, super Idee, Sönke, echt klasse das, Sönke!
    Nein, natürlich reagierte er nicht so. Und der junge Mann schalt sich geknickt selbst einen Tor.. nun sollte er sich auch Argumente überlegen. Sollte er die gleichen Argumente hervorholen, die er seinem Vater entgegengeschleudert hatte? Dass sein jüngerer Bruder fast dem Kindesalter entwachsen war? Dass Lanthilda heiraten würde, und man ihren Mann in die Munt holen könne? Dass Thorgall eben seinen angestammten Platz einnehmen müsse, und jemand anderes auf der Hros arbeite? Nein. Wer war er auch, mit seinem Muntherrn zu diskutieren? Immerhin war es an den Duccii, Gründe für Entscheidungen zu finden und diese dann auch zu treffen...


    "Ich hatte gehofft, dass du einen Nutzen darin sehen würdest, wenn sich Angehörige der Munt hocharbeiten...", war dann das einzige, was sehr leise über seine Lippen kam.

  • "Hocharbeiten?" wiederholte er das letztgesagte Wort mit ziemlich skeptischem Tonfall. Er lehnte sich vor und stützte seine Ellenbogen auf dem Schreibtisch auf. "Sönke," fuhr er eindringlich fort. "Zu welcher Truppe willst du? In Germania ist die Ala die einzige vernünftige Möglichkeit für dich. Und bis wohin willst du dich dort hocharbeiten? Bis du Duplicarius bist? Was nützt es mir, wenn du eine Handvoll Männer auf Gäulen am Limes herumscheuchst?" Er stellte die Fragen extra provokant. Mal sehen, was man aus dem jungen Bauern so alles herausholen konnte. Im Grunde genommen hatte Witjon nämlich kein Problem damit, einen eifrigen wissbegierigen Muntling zu fördern. Starke Verbündete beim Militär konnte er immer brauchen, und sei es nur um profitable Verträge über Rationslieferungen oder die Pferdeversorgung abzuschließen.

  • "Wie, zu welcher Truppe?", fragte Sönke reichlich ratlos, den die Frage recht überforderte. Recht überforderte deshalb, weil man in seiner Lage das Problem der Wahl nicht kannte. Mehr als eine Wahl zu haben galt schon als reichlicher Luxus, und hatte meißt mit irgendwelchen Haken zu tun, die groß genug waren um einen Mann zu heben.
    "Eh.. naja, ich kann ja eigentlich nur zu den Auxiliaren. Die Reise bis Confluentes kann ich ja gerade so noch hinter mich bringen, wenn ich mich einer Gruppe anschließe. Bis nach Castra Regina zur ersten Ala, oder gar in die Colonia Claudia zur Classis werde ich es wohl kaum schaffen. Daher bleibt mir eigentlich nur die Ala II. Für die Legio bräuchte ich das Bürgerrecht, und das bekomme ich nur durch den Dienst in einer Auxiliareinheit. Aber vielleicht meine Kinder... irgendwann... die könnten zur Legion gehe, wenn ich überlebe, heißt das."


    Die Frage nach dem Nutzen für die Duccii ließ er unbeantwortet. Wie sollte er das auch beantworten können? Witjon war der Mann für die Gedanken über Nutzen und Nachteil. Sönke wollte eigentlich nur ein Held werden. Wie Rodrik der Rote. Oder Lars der Lindwurmjäger. Oder Bernulf der Bärentöter. Außerdem winkte am Ende des Dienstes ein Stück Land. Ein eigenes Stück Land, dass er dann mit seinem Weib und seinen Kindern würde bewirtschaften können, ohne die Frondienste an seinem Muntherrn mit stemmen zu müssen. Dann wäre er ein gemachter Mann... ein Mann mit Bürgerrecht.

  • Elfleda hasste es, Dinge schriftlich festzuhalten. Sie hasste es wirklich. Sie verstand zwar durchaus den Nutzen davon, aber sie mochte es dennoch nicht. Ihr Gedächtnis war gut, damit relativierte sich der Nutzen, dass man sich nicht mehr daran erinnern musste, was man aufgeschrieben hatte. Man konnte es ja nachlesen. Aber man musste es nicht, wenn man es sich sowieso merkte. Und jeder andere konnte es ebenso nachlesen wie man selbst. Außerdem war sie der festen Überzeugung, dass es nachlässig machte, wenn man seinen Verstand ausruhte.
    Nur leider teilte die römische Rechtsprechung ihre Auffassung nicht und verlangte für alles schriftliche Belege. Wie etwa über die Verteilung des Erbes ihres Ehemannes. Und das war der zweite Grund, weshalb sie sich vor dieser Aufgabe hier ein wenig gesträubt hatte. Indem sie Landos letzte Angelegenheiten regelte, ließ sie es zu, ihn als tot anzusehen. Wenn sie dies getan hatte, dann war wirklich alles von dem gemeinsamen Leben mit ihm geregelt und in gewisser Weise vorbei. Und so sehr sie nach außen auch zur Schau trug, dass sie es gefasst aufnahm und den Tod ihres Mannes verwunden hatte, es tat noch immer weh. Und das machte ihr diese Aufgabe hier nicht unbedingt leichter.


    Aber es nützte nichts. Sie musste es machen. Das war zum einen ihr Recht, zum anderen aber auch ihre Pflicht. Nachdem sie also die vielen kleinen Dinge auf Freunde aufgeteilt hatte, fehlte noch eine Aufteilung der Betriebe und das leidige Thema des Geldes.
    Die Wachstafel in der Hand wurde immer wieder aufgeschrieben, wieder ausgestrichen, neu geschrieben, wieder verworfen. Das Problem waren hauptsächlich die vielen rechtlichen Beschränkungen, die es ihr beinahe unmöglich machten, die Dinge so zu verteilen, wie sie es auf der anderen Seite des Rhenus getan hätte. Schließlich aber fand sich folgendes Schriftwerk vor Elfleda.





    Hros - Alrik
    Hwanhu Skraena - Dagmar
    Smaidra Stana - Maecenas


    Das Geld würde sie nach Notwendigkeit verteilen, abgesehen von dem Teil, der an die Stadt ging. Sie überlegte, was ihrem Mann lieber gewesen wäre: Es mit Pomp zu verkünden, wie viel er hinterlassen hatte, oder still einfach das Geld zu übergeben und auf jegliche Lobhudelei zu verzichten. Wahrscheinlich eher zweiteres, er hatte jegliche Ausschmückung verachtet. Allerdings wäre es vielleicht angesichts der jetzigen Lage nicht schlecht, dennoch darauf aufmerksam zu machen und so die Bevölkerung an die Stellung der Duccier zu erinnern. Keine leichte Frage.


    Elfleda tippte zweimal auf die Wachstafel vor sich mit dem Stylus. Wenn sie schon dabei war, konnte sie auch gleich noch andere Dinge regeln und ein wenig ordnen. Roderik machte sich langsam als brauchbarer Handwerker, sollte er auch gleich ein wenig Verantwortung lernen.



    Hros (Pferdezucht Stufe I)- Alrik
    Hwanhu Skraena (Altarbauer Stufe I)- Dagmar
    Smaidra Stana (Steinmetz Stufe I)- Lucius Purgitius Maecenas
    Hwanhu Mandula (Schreiner Stufe III) - Rodrik
    Smida Guldani (Goldschmied Stufe I) - Rodrik




    Sie überlegte noch eine Weile, ehe sie das Ding nahm und sich daran machte, den nötigen Papierkrieg dafür in Angriff zu nehmen.

  • "Hm," machte Witjon nachdenklich. Das führte hier so zu gar nichts. Er schüttelte unschlüssig den Kopf. "Ich weiß nicht. Du bist jung. Dein Vater braucht die Hilfe auf meinem Land." Er runzelte die Stirn, grübelnd. Nein, er hatte für diese Angelegenheit jetzt definitiv keine schnelle Lösung parat. Sönke hatte gefälligst seiner Arbeit weiter nachzugehen und sollte sich dumme Ideen aus dem Kopf schlagen. Der hatte ja keine Ahnung wovon er da sprach. "Ich werde darüber nachdenken. Bis dahin wirst du gewiss noch einiges zu tun haben." Er erhob sich, eindeutig signalisierend, dass dieses Gespräch beendet war. "Du hörst von mir," verabschiedete er den jungen Muntling, in Gedanken bereits wieder bei dem Neugeborenen, das da draußen munter krähte.
    Nachdem Sönke gegangen war ließ Witjon sich in den Stuhl zurücksinken. Ein Muntling bei der Ala. Nicht sinnvoll. Und was, wenn er zur Legion ginge? Bessere Aufstiegsschancen und das Lager war gleich hier in Mogontiacum. Aber dafür benötigte er das römische Bürgerrecht. Bürgerrecht für einen seiner Muntlinge? Sinnvoll? Hmm... Grübelnd saß er da, während die Zeit verstrich und eine Idee in seiner Birne reifte. Birne. Reifen. Hungrig geworden verschob er das ganze auf einen anderen Tag und steuerte die Küche an.

  • Mit einem Schinkenbrot in der Hand öffnete Witjon die Tür zum Arbeitszimmer und stapfte kauend herein. "Mahlzeit, hier bist du also," grüßte er seine Schwägerin und laberte einfach mit halb vollem Mund drauf los, denn er hatte eine Idee, die er loswerden musste. "Sag mal, was hälst'n davon, im Namen der Freya Mercurioque eine Inscriptio anzubringen? In der Basilica, wo alle es sehen können?" Er schluckte und fügte in einem Moment der Erleuchtung hinzu: "Also, für Lando, weißt du? Weil er als Gründer und so..." Er biss herzhaft in sein Brot und schaute neugierig, was Elfleda da überhaupt trieb. Papierkram. Betriebe? War das eine Auflistung? Ach, Landos Erbe. Guter Zeitpunkt, die Inscriptio anzusprechen? Er würde es wohl gleich herausfinden.

  • Das Gespräch nahm nicht die erhoffte Wendung. Eher im Gegenteil... Witjon wiederholte nur ein paar Argumente, die er zuhause an der heimischen Tafel schon so oft hatte hören müssen. Jung. Hilfe. Arbeit. Vater. Vater. Vater.
    Er zog die Lippen schmal und wappnete sich innerlich gegen die kommende Absage. Gegen die erwartete. Doch auch wenn Witjon ihm keine klare erteilte, so schlugen seine Worte auf den jungen Mann ein wie Peitschenhiebe.


    "Eh... ja... danke.", war alles, was der Junge hervorbrachte. Verschämt und mit geknicktem Blick schlurfte er aus der Tür, und mit dem Knallen derselben schienen auch seine Träume zu zerplatzen. Er würde so schnell nicht den Rechen aus der Hand legen, um ihn gegen eine Hasta einzutauschen.

  • Elfledas Blick wanderte von dem verhassten Papierkram auf den neuen Sippenführer und blieb skeptisch auf ihm haften. Sie sagte keinen Ton, nicht einen einzigen, sie schaute ihn einfach nur mit dem Blick an, bis er geendet hatte und auch geschluckt hatte. Natürlich war seine Idee gar nicht schlecht. Im Grunde war sie sogar ziemlich gut, denn die Römer legten auf solchen Schriftkram ja jede Menge wert. Gerade Inschriften waren etwas, das bei ihnen ganz hoch im Kurs stand. Die Acta hatte für Lando auch eine Inschrift gemacht, und man hatte Elfleda darüber aufgeklärt, dass das eine große Ehre sei. Dennoch ließ sie es sich nicht nehmen, diesem Mannsvolk hier kritisch entgegenzublicken, als müsse sie erst darüber befinden, ob ihr diese Idee auch gefalle.
    “Hast du dafür denn auch schon den passenden Platz gefunden?“ Was nützte eine Kritzelei auf einer Bronzeplatte irgendwo in einer Ecke? Da waren ja die anzüglichen Zeichnungen an den benachbarten Häusern dann interessanter. Elfleda kam da noch eine Idee. “Du könntest auch im Ordo fragen, ob die für die großzügige Spende sich nicht auch ein wenig erkenntlich zeigen wollen.“ Wahrscheinlich würde das auch wieder so ein Gekrakel werden, das vier Fünftel der Leute nicht lesen konnte, aber irgendwie könnten sie Ihre Dankbarkeit schon ausdrücken. Lando war ja nicht irgendwer gewesen. Schon zweimal nicht aus Elfledas Blickwinkel.

  • Witjon zog die Augenbrauen hoch in Erwartung einer Schelte. Er konnte sich gut vorstellen, dass Elfleda seine Idee ätzend fand und rein gar nichts von diesem neuerlichen Protzkram halten würde. Aber nein, es kam anders. "Na, ich werde schon eine gut sichtbare Säule finden. Am besten direkt am Eingang, wo jeder draufschaut. Im Notfall lasse ich halt eine andere Inschrift abnehmen und umhängen." Er grinste böse. Das würde er auf jeden Fall tun, hatte Lando es doch sowas von verdient in guter Erinnerung in den Köpfen der Mogontiacer Bevölkerung zu bleiben. Zumindest in den Köpfen, deren Besitzer auch lesen konnten.
    Elfledas Vorschlag ließ Witjon aufhorchen. "Gute Idee," lobte er. "Landos Tod und die Folgen werden ohnehin Thema bei der nächsten Sitzung sein. Dann kann ich dort auch noch eine Ehrung vorschlagen." Er legte eine kurze Grübelpause ein, bevor er fortfuhr. "Ich denke, dass es damit auch keine großen Probleme geben sollte. Lando hatte zwar viele Feinde, aber niemand kann ihm eigentlich seine Verdienste für die Civitas, ja sogar für die ganze Region absprechen! Und wer es doch tut, wir von unseren Freunden einfach überstimmt. Punkt."

  • Das wollte sie ihm auch geraten haben, dass er das notfalls organisiert bekäme. Auch wenn Elfleda von allem Schriftlichen nach wie vor noch immer nicht begeistert war, wollte sie wenigstens sicher sein, dass die, die lesen konnten, die Inschrift auch sehen würden.
    Dann kam Witjon mal auf ein wenig Politik zu sprechen, wenn auch so oberflächlich, dass es Elfleda nicht schwer fiel, ihren skeptischen Blick beizubehalten. Witjon erwähnte die Feinde und Freunde so nebensächlich, als wäre es nicht weiter wichtig. Und dabei war das mit das wichtigste, was es überhaupt zu wissen gab. Wie sollten sie denn ihre Freunde halten und ihre Feinde vernichten, wenn sie diese wie eine Beiläufigkeit behandelten? Ihre Augenbrauen wanderten ein klein wenig nach oben.
    “Nun, dann hoffe ich, dass du dir unserer Freunde auch sicher sein kannst. Nach Landos Tod gibt es sicher einige, die nochmals überzeugt werden müssen, dass es gut ist, uns auch weiterhin gewogen zu bleiben.“
    Sie wandte sich wieder kurz den Papieren zu und sortierte diese kurz. “Vielleicht ein guter Zeitpunkt, um ein paar besonders treue Familien zu belohnen. Zum Beispiel die von Hartwig.“ Natürlich wollte Elfleda da auf etwas bestimmtes hinaus. Sie wusste von Sönkes Besuch am Tag von Landulfs Geburt, und auch, was er gewollt hatte. Nun aber wollte sie von Witjon hören, was er hierbei tun wollte. Oder ob er überhaupt darüber nachgedacht hatte.

  • "Hartwigs Familie?" Witjon schaute überrascht auf. Gewiss, es gab da einige Freunde und Verbündete, die eine Belohnung wohl verdient hatten. Aber Hartwig? Er war loyal, fleißig und zuverlässig, das stimmte wohl. Selbiges traf vermutlich auch auf seine Brut zu. Es war nicht schwer zu erraten, worauf Elfleda hinaus wollte. "Und was - vom Belohnungsfaktor abgesehen - bringt es uns, einem peregrinen Bauernsohn das Bürgerrecht zu erkaufen?" Der junge Sippenführer runzelte skeptisch die Stirn. Das war irgendwo ein völlig abwegiger Gedanke, wie er bereits im Gespräch mit Sönke festgestellt hatte. Aber anders gefragt: Was für Nachteile hatten sie davon? Wenn der Junge unbedingt zum Militär wollte, sollte er halt sein Glück bei der Legion suchen. Oder bei den Hilfstruppen, was kümmerte Witjon das schon? Einen Ersatz für den verlorenen Feldarbeiter würden sie schon finden, selbst wenn sie schließlich einen oder mehrere der Tudicii dazu heranziehen mussten. Fragend wanderte Witjons Blick zurück zu seiner Schwägerin.

  • Ah, gut, er wusste, worauf sie hinaus wollte. Wenn er nicht gerade besoffen von der Taverna heimkam und im Kaminzimmer dann auf dem Boden nächtigte, war er als Sippenführer ja eigentlich ganz brauchbar. Auch wenn Elfleda ihm das nie sagen würde, dann bekam der Junge noch einen Höhenflug von dem Lob. Aber es war doch sehr beruhigend, zu wissen, dass er nicht auf den Kopf gefallen war und selbsttätig mitdachte.
    “Was bringt uns ein weiterer Bauer auf den Feldern?“ fragte sie einfach zurück und gab ihm damit etwas neues, um darüber nachzudenken. Einen Augenblick wartete sie, ehe sie sich nach nunmehr sortiertem Papierkram schlicht erhob und ihren Rock glattstrich. Ganz beiläufig redet sie weiter, während sie den Stuhl wieder an den Tisch schob und um eben jenen herumging. “Du weißt so gut wie ich, dass der Junge zur Ala will, und dass er früher oder später dahin gehen wird. Noch hält ihn sein Eid und der Gehorsam seinem Vater gegenüber. Er ist aufrechter Germane und wird das nicht brechen. Aber je länger er darauf verzichten muss, umso mehr wird das in Groll übergehen. Er ist ein Hitzkopf. Warum also ihn nicht in eine Position bringen, wo er bekommt, was er will, und uns dafür ewig dankbar sein wird? Ich will ja nicht, dass du es ihm schenkst und ihn dann mit besten Wünschen entlässt. Aber sicher ist uns sein Tatendrang weit nützlicher, wenn er sich bei der Legio verdient macht und dort beispielsweise dann zu gegebener Zeit unsere Handelsverträge erneuern kann?“
    Inzwischen stand Elfleda direkt vor Marsus und blickte etwas durchtrieben zu ihm hoch. Vielleicht kannte er sie inzwischen zu gut, um sich von einem solchen Blick um den Finger wickeln zu lassen, vielleicht aber machte es ihn nervös genug, um nicht weiter nachzubohren, sondern ihr einfach zuzustimmen.

  • Was war das denn für eine Frage? Bauern wurden immer gebraucht! Ohne Bauern keine Felder, ganz einfach. Und ohne Felder kein Korn, ohne Korn kein Brot. Und ohne Brot war schlecht essen. Aber das musste er Elfleda ja nicht erklären, also ließ er es bleiben. Er unterließ es auch, sich weiter darüber Gedanken zu machen, denn die Mattiakerin zog seine Aufmerksamkeit nun voll und ganz auf sich, als sie sich erhob und den Raum durchquerte. Nicht zum ersten Mal fiel Witjon dabei auf, dass Elfleda verdammt attraktiv war. Und das auch noch nach zwei Geburten. Oh ja, sie war ein genauso scharfes Gerät wie Callista damals. Was? Hatte er das gerade gedacht? Oh je, Witjon bekam wieder ein schlechtes Gewissen. Er wusste es war blödsinnig und sentimental, aber er konnte nicht anders. Immer, wenn er über hübsche Frauen nachdachte, kam ihm Callista in den Sinn. Dann wurde er wehmütig und fühlte sich wie ein Betrüger. Dabei wusste er doch, dass das Leben weitergehen musste. Es war ein unabänderlicher Fakt für Witjon, dass er sich wieder eine Frau nehmen musste und Kinder zeugen würde. Callista war jung gestorben, doch das war das Schicksal vieler junger Frauen. Elfleda hatte überlebt. Sie war eine starke Frau, eine starke Mattiakerin. Und sie sah verdammt gut aus. Und war jung. Und...Mensch Witjon!
    Nicht, dass er ihre Worte gerade sonderlich beachtete. Ein paar Dinge schnappte er auf und er wusste auch, dass es um Sönke ging. Ala und so halt. Viel interessanter war allerdings, dass Elfleda in diesem Moment eine ganze fiese Frauentaktik anwendete. Während sie sprach, umrundete sie Witjon und kam ihm immer näher. Irgendwann stand sie dann direkt vor ihm und hatte diesen Blick drauf. Diesen einen, ekelhaften Blick, der Männer einfach außer Gefecht setzen konnte. Witjon hatte auf ihre Fragen einfach nur genickt und irgendetwas zustimmendes gemurmelt. Jetzt stand er da und wusste nicht recht was er tun sollte. In seinem Verstand hatte Callista noch immer die Oberhand inne, doch Elfleda in ihrer strahlenden Jugend - und in ihrer Lebendigkeit - machte sich unglaublich schnell breit. Verdammte Axt, das konnte doch nicht wahr sein! Er wollte doch gar nicht an andere Frauen denken! Aber Elfleda sah doch so gut aus. Und jetzt stand sie auch noch so nah vor ihm. Und...und...und sie umgarnte ihn ja förmlich. Wie konnte er da nicht schwach werden?
    "Ääh..." machte er erstmal ausweichend und wenig clever. Witjon musste schlucken. Verdammt seien die Frauen! "Ich...ja. Du hast wohl recht," stimmte er schlußendlich einfach zu und lächelte dabei verlegen.

  • Natürlich bemerkte Elfleda seinen Blick. Da hätte sie schon blind sein müssen, um nicht zu sehen, wie er sie anblickte. Außerdem hatte sie ja durchaus damit gespielt. Nur hätte sie nicht gedacht, dass es ganz so gut anschlagen würde. Ja, Männer waren primitiv und ließen sich dadurch gut einwickeln, aber da sollte Witjon wirklich noch etwas staatsmännischer werden. Oder schnell wieder verheiratet werden. Wie lang war Callista nun tot? Naha war jetzt vier, Audaod nicht ganz ein Jahr jünger... Götter, die Zeit verging. Selbst Landulf fing nun schon zu laufen an! Es wurde wirklich Zeit, dass er sich wieder eine Frau nahm. Dann ließ er sich auch nicht so leicht einwickeln. Denn wenn Elfleda das konnte, konnten andere das auch.
    “Gut, dann mach das“, meinte sie aber noch immer mit derselben Freundlichkeit wie gerade und tätschelte ihm zweimal mit der flachen Hand auf die Brust, ehe sie sich wieder etwas zurückzog. Sie sollte die Situation definitiv nicht überreizen. In ihrer beider Interesse!
    Sie sah nochmal zu ihm zurück, während sie sich wieder zum Schreibtisch begab. Er war ja eigentlich ein guter und auch stattlicher Mann. Und da er sich den Bart wieder etwas stehen ließ, sah er auch langsam wieder aus wie ein richtiger Germane. Und dieser Blick war schon sehr aufwühlend für sie. “Dann solltest du beim LAPP das ganze unter Dach und Fach bringen. Und vergiss nicht, Hartwig Bescheid zu geben, wenn es geregelt ist. Er hat ja gesagt, Sönke solle dich fragen, aber du solltest es ihm dennoch sagen. Immerhin ist er Vater des Burschen.“
    Am besten, sie sprach es gleich an und holte ihn damit aus seinem Traumland zurück auf den Boden der Tatsachen. “Und wir sollten überlegen, für dich wieder eine passende Ehefrau zu finden. Als Oberhaupt der Sippe solltest du verheiratet sein. Ist nur die Frage, was vorteilhafter ist: Wieder eine Römerin, oder doch eine Germanin. In welche Richtung hast du dir vorgestellt, deine Politik eher zu treiben?“

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!