[TEMPLUM] Tempel der Vesta

  • Es dauerte eine kleine Weile bis Calli die Wörter die aus den Münden der beiden kamen auffasste und zu sich kam. Aber sie beantwortete dann eine Frage nach dem anderen.


    "Zu erst Mal, Entschuldigung, ich wollte euch nicht so erschrecken. Und ja, wir kennen uns auch aus den Thermen, ich war damals dabei, als sie die neuen Masseure eingeweiht haben und wir eine reine kleine Frauenrunde waren. Das war ein schöner Tag, man müsste sie nochmal erleben...!" - schwärmte sie zurückblickend. "Und ja, ich heiße Furia Calliphana."


    Calliphana war auch gar nicht verwundert darüber, dass sie sich an ihren Namen nicht mehr erinnern konnte, sie haben sich seitdem ja nicht mehr gesehen, und das war schon über ein Jahr her. Calliphana hatte ein Gedächtnis wie keine Andere. Dadurch, dass sie so viel las und sich merken musste, trainierte sie so auch ihr Gedächtnis und keine Information ging verloren.


    Etwas überrascht sah sie dann Serrana an, als sie danach fragte wo sie Chaerea gelassen hatte.


    "Chaerea? Ich... ich dachte dies sei nur für Matronen?..." - klang sie mit etwas Unsicherheit in ihrer Stimme. Sie schaute nach Links und Rechts aber sie sah nur die verheirateten Frauen, die in ihrer Nähe wohnten. Keine einzige ledige Frau, außer die Vestalinnen natürlich. Sie erkannte auch gleich Romana in der Menge, sie war ja auch nicht zu übersehen. Ihre große Gestalt stach aus der Menge hervor. Sie unterhielt sich gerade mit einer älteren Dame, die Calliphana sofort erkannte.


    "Du Serrana, ist das nicht...? Ist das nicht deine Großmutter davorne bei Romana?" Voller Enthusiasmus sah sie zu Serrana rüber, denn wo Laevina auftauchte gab es immer was zu lachen. Sie erinnerte sich noch an dem Fall, wo sie in einen kleinen Becken gefallen ist. Das war doch bei den Fontinalien, oder? Sie war sich zwar nicht mehr sicher was das Datum betraf, aber die Situation vergaß sie nicht so leicht.


    "Ach macht doch nichts Serrana, ich habe mich noch auch nicht daran gewöhnt. Ich habe gestern meine Freundinnen aus der Nachbarschaft befragt ob sie kommen, und alle sahen mich nur ungläubig an und meinten nur, dass das nur für Matronen sei. Sie waren ja schon fast beleidigt!" - lachte sie.


    "Wann kommt denn Calvena vorbei? Ich habe so lange nicht mehr mit ihr gesprochen, weiß einer von euch was über sie?"

  • "Eine hervorragende Idee. Komm einfach vorbei, wenn deine Pflichten es erlauben, ich werde selbstverständlich dafür sorgen, dass man dich mit dem dir gebührenden Respekt empfängt." Laevina nickte zufrieden und ging in Gedanken bereits die all die Dinge durch, die für einen so hohen Besuch im Vorfeld organisiert werden mussten. Vielleicht konnte man das ganze ja in einer Cena im Familienkreis ausklingen lassen, auch wenn die alte Germanica den Rest ihrer Verwandtschaft im Vergleich zu ihrer eigenen Person für bestenfalls mittelmäßig unterhaltsam hielt.


    Auch Romanas Mitvestalin wurde auf ihre Bemerkung hin ein huldvolles Kopfnicken zuteil. "Nun, das freut mich, meine Liebe. Nicht auszudenken, wenn eine Vertreterin der höchsten moralischen Instanz in dieser Stadt vor den Augen all dieser W.... frommen Bürgerinnen zusammenbrechen würde." Nein, das wäre wirklich keine schöne Sache, zumal die große Mehrheit der anwesenden Damenschaft vermutlich weniger Intelligenz besaß als das Essen auf dem mitgebrachten Teller.


    Laevina warf einen prüfenden Blick im Tempel umher, der schließlich erneut an ihrer Enkelin hängenblieb. "Ich frage mich, wann meine Enkelin sich mal bequemt, uns beide zu begrüßen. Die Jugend von heute ist wirklich unfassbar dickfellig und undankbar, findest du nicht, werte Claudia?" Es sprach für die Meinung, die Laevina von der neben ihr stehenden Vestalin hatte, denn sie kam gar nicht auf die Idee, diese mit ihren Altersgenossinnen in einen Topf zu werfen.

  • “Wundervoll. Mal sehen, wann es geht.“ Sie war zufrieden – sie hatte Laevina einen Besuch bei den Germanicern abgeschwatzt. Natürlich gehörte es sich nicht für eine Vestalin, immer nur fort zu sein. Aber dies war ja eine Ausnahme von der Regel, in den allermeisten Fällen blieb sie im Atrium Vestae und arbeitete bis spät in die Nacht hinein. “Ich danke dir.“ Nicht, als ob sie glaubte, sie würde schnell dazu kommen, man musste sich einfach vorher ankündigen.


    Lartia Restituta nickte befriedigt und wandte sich, ein Gähnen unterdrückend, wieder ihrer nächsten „Kundin“ zu, während Romana noch immer mit derselben beschäftigt war. Die Claudia hörte weiter zu, und nickte verständnisvoll. “Nur gut, dass sie das nicht tun wird.“ Sie war sich da ganz sicher – wenn jemand unter den Vestalinnen noch fanatischer war als sie, dann Lartia Restituta. Die Rede kam auf Serrana. Sie reckte ihren Hals zu fast giraffenartiger Länge, was durchaus hübsch aussah, und spähte nach hinten, wo sie gerade schon einmal hingeschaut hatte. Ach ja, dort hinten. Da war ja auch noch eine Dritte, einen Dunkelhaarige, die sie nicht kannte. Vielleicht wartete sie ab, bis Romana mit Laevina abgeschlossen hatte. Denn es kriselte ja leider ein bisschen zwischen Enkelin und Großmutter, leider.


    “Dickfellig und undankbar? Muss ich mich da jetzt angesprochen fühlen?“, fragte Romana, die die Inferenzen und Implikationen der Alten überhaupt nicht geknissen hatte, mit etwas Verwunderung. Es mochte erstaunen, aber manchmal war selbst Claudia Romana ein bisschen begriffsstutzig...

  • Das war also die Frau von Senator Germanicus Sedulus! Gehört hatte ich von ihm, doch näher kannte ich ihn nicht. Doch wie verliebt die Inunia dreinschaute! Beneidenswert! Ich versuchte nicht länger darüber zu grübeln, warum alle außer mir verliebt waren.
    "Ah, Germanicus Sedulus, so so! Dann seid ihr noch nicht lange verheiratet, nicht?", fragte ich interessiert. Natürlich, wenn die Hochzeit erst kürzlich stattgefunden hatte, dann war die Liebe, oder das, was man für Liebe hielt, noch frisch.
    "Nein, leider war ich damals unpäßlich," meinte ich, als sie die Fontinalia erwähnte. Dunkel konnte ich mich noch an das Einladungsschreiben erinnern. Ein wenig verlegen lächelte ich, denn ich hatte bemerkt, wie sie mich anstarrte. Beinahe hätte ich etwas unwirsch nachgefragt, warum sie das tat, doch sie rettete die Situation, indem sie die Unterhaltung fortsetzte.
    "Dies ist meine erste Vestalia seitdem ich in Rom bin. Jedoch bin ich zum zweiten Mal verheiratet bin." Meine Antwort auf die Frage der Iunia kam etwas verspätet, da ich vorher durch das Erscheinen der Furia abgelenkt worden war. Als sich nun Serrana vorerst der Furia zuwandte, entschied ich mich vorerst im Hintergrund zu bleiben, da die beiden Frauen sich näher kannten.
    Es entsprach den Tatsachen, daß ich die Furia in den Thermen gesehen hatte.
    "Salve Furia Calliphana! Es freut mich, dich wieder zu sehen." Ich hingegen hatte nicht so schöne Erinnerungen an diesen Tag in den Thermen, da es wegen Minos, dem Masseur zu diesem unschönen Streit mit der Germanica gekommen war. Den Kreter hatte ich längst wieder verkauft. Er war mehr Schein als Sein gewesen. Der Verwalter der Thermen hatte ihn mit Handkuß wieder zurückgenommen.
    Als die Furia plötzlich die Großmutter der Iunia erwähnte, sah ich in die Richtung, wohin sie dezent gedeutet hatte und ich erblickte eine alte Frau, die ihre besten Tage bereits hinter sich zu haben schien. Die Großmutter beschäftigte mich nicht länger, doch erblickte ich neben ihr eine der Vestalinnen. Zu allem Überdruß fiel auch noch der Name dieser Germanicerin, mit der ich mich um Minos gestritten hatte. Ach herrje, dachte ich, die wird doch nicht auch noch hier auftauchen! Dann doch lieber die Bekanntschaft mit der alten Mumie machen, die sich mit der Vestalin unterhielt.
    "Vielleicht sollten wir deiner Großmutter einen schönen Tag wünschen, was meinst du, meine Liebe?"

  • "Mach dir keine Gedanken, du hast uns nicht erschreckt." lächelte Serrana die ein wenig verlegen wirkende Calliphana an und legte ihr kurz die Hand auf den Unterarm. "Geht es dir auch gut? Du bist ja völlig ausser Atem..." Dann fragte Celerina nach ihrer Hochzeit und Serranas Lächeln vertiefte sich noch ein bisschen. "Nein, erst seit Anfang April." erzählte sie stolz, und erst als die Flavia erwähnte, dass sie bereits zum zweiten Mal verheiratet war, wurde Serranas Gesichtsausdruck wieder ernster. Was das wohl zu bedeuten hatte? Ob Celerinas erster Mann wohl gestorben war? Nein, das war definitiv ein Thema, über das Serrana nicht nachdenken wollte, denn dann würde sie dieses harmlose gesellschaftliche Geplauder niemals überstehen. Ihr Blick suchte automatisch wieder nach Romana, wandte sich jedoch ein wenig überrascht ihren beiden Gesprächspartnerinnen zu, als diese auf ihre Großmutter zu sprechen kamen. Eine Unterhaltung mit Laevina? Na, wundervoll... Allerdings hatten sich in den Tagen seit der verhängnisvollen Leberschau in der Casa Iunia viele Dinge in Serranas Wahrnehmung verschoben, und auch Germanica Laevina hatte in den Augen ihrer Enkelin einiges an Schrecken verloren.
    Ablehnen konnte sie Celerinas Vorschlag ohnehin nicht, wie würde denn das aussehen?


    "Ja, du hast Recht, Calliphana, das ist meine Großmutter. Wenn es euch recht ist, werde ich sie euch vorstellen. Calvena wird ganz sicher nicht herkommen, die musste Hals über Kopf mit ihrem Mann nach Germanien reisen. Der ist versetzt worden und zwar völlig ohne Grund. Hast du denn davon noch nichts gehört?"Mittlerweile waren die drei Frauen bei Romana und der alten Germanica angekommen, Serrana warf ihrer Freundin Romana einen unsicheren Blick zu und kämpfte gegen einen neuen Angstschub, bevor sie sich räusperte und wieder am Riemen riss.


    "Salve Romana, und salve, Großmutter. Großmutter, ich würde dir gern Flavia Celerina und Furia Calliphana vorstellen. Und das ist meine Großmutter, Germanica Laevina. Claudia Romana kennt ihr ja sicher schon, nicht wahr?"

  • "Du? Wieso denn das?" fragte Laevina, nun ihrerseits ein wenig irritiert, bevor ihr bewusst wurde, dass ihre eigene Bemerkung wohl etwas missverständlich formuliert gewesen war. "Ich bitte dich, meine Werteste, wärst du wohl für den Dienst der Vesta ausgewählt worden, wenn du nicht mehr vorzuweisen hättest als deine Altersgenossinnen? Wie alt bist du denn überhaupt?" Romanas imposante Leibesgröße machte es der alten Germanica ein wenig schwer, ihr genaues Alter richtig einzuschätzen. Jung an Jahren war sie natürlich schon, wenn auch vielleicht ein wenig älter als Serrana. Letztere näherte sich inzwischen in Begleitung ihrer beiden Gesprächspartnerinnen, und Laevina warf ihrer Enkelin einen vorwurfsvollen Blick zu, bevor sie den anderen würdevoll zunickte. "Wie nett, dass du dich endlich mal bei mir blicken lässt. Und ist es nicht erstaunlich, dass ich für den selben Weg deutlich weniger Zeit gebraucht habe als du, und das mit über vierzig Jahren mehr auf dem Buckel?" Laevina stieß ein leises verächtliches Schnauben aus und wandte sich dann an die anderen beiden Damen.


    "Salvete, meine Damen. Wie nett, dass wir hier aufeinander treffen. Sag, werte Flavia, bist du zufällig mit einem Flavius Piso verwandt?" Besagter junger Mann war seinerzeit einer der ersten Bekanntschaften gewesen, die Laevina nach ihrer Ankunft in Rom gemacht hatte, und er war ihr trotz (oder wegen) seiner leicht verpeilten Art gut und erstaunlicherweise auch angenehm im Gedächtnis geblieben.

  • Romana konnte sich nun ein Lächeln nicht verkneifen. Wenn Laevina wüsste! Sie erzählte die Geschichte mit der Erscheinung Vestas vor ihrem Entschluss, den Vestalinnen beizutreten, so wenigen Leuten wie möglich, sodass es nur die Vestalinnen, die Gens Claudia, Calvena, Tiberius Durus und der Kaiser wussten, also alles Personen, denen sie bedingungslos vertraute, dass diese es nicht weiterplauderten und deshalb auch nicht für komplett verrückt hielten. Die Frage nach ihrem Alter kam dann aber ein bisschen überganglos. “Ich...“ Sie hustete und fing sich dann wieder. “Ich bin 19, bald 20“, erklärte sie. Sie freute sich kaum auf ihren zwanzigsten Geburtstag, für sie bedeutete das so etwas wie das Ende ihrer Jugend. Was sie bei ihrem dreißigsten Geburtstag empfinden würde, das wusste sie überhaupt nicht, wollte es auch gar nicht wissen.


    Plötzlich jedoch tauchten die drei jungen Frauen, die eben noch am Eingang gestanden waren, durch das Gewusel der römischen Matronen hindurch auf. Jede von ihnen trug einen Teller mit Lebensmitteln drauf, und Romana war eigentlich recht froh, diese Tortur nicht ertragen zu müssen. Sie selber hatte ihre Füße in Sandalen gesteckt, an denen beidseitig Goldhalbmonde herunterbaumelten, sie hatte ja nicht die Pflicht, barfuß zu gehen!


    “Salvete!“ Sie lächelte Calliphana freundlich zu, die beiden anderen etwas reservierter – die eine, weil sie sie nicht kannte, die andere, weil sie eine Todgeweihte war. Sie schluckte. Serrana begann, die beiden ihrer Großmutter vorzustellen. Und... ahhh! Das hier war also die weit bekannte, gefürchtete, berüchtigte Flavia Celerina, von der sie schon viel gehört, aber noch nie etwas gesehen hatte. Nun also war der Moment gekommen.


    “Nein, wir kennen uns nicht. Salve, Flavia Celerina. Ich habe schon viel von dir gehört. Es freut mich, dich kennen zu lernen. Ich bin die Sacerdos Vestalis Claudia Romana. Willkommen im Haus meiner Göttin.“ Sie machte eine Handbewegung, die fast so aussah, als ob sie aussagen würde: alles meins! Und so falsch war das auch nicht – nur zur Vestalia hatte hier überhaupt jemand außerhalb der Schwesternschaft Zutritt.


    Laevina fragte Celerina eine Frage über irgendeinen Flavier, dessen Name ihr vage bekannt vorkam. Piso, da war doch irgendwann einmal was gewesen. Hatte der nicht einmal einen peinlichen Musikauftritt am Markt gehabt? Naja, manche Patrizierfamilien degenerierten halt. Wie gut, dass das nicht bei der stolzen, altehrwürdigen Gens Claudia der Fall war!

  • "Seit April erst?", bemerkte ich, ihr zulächelnd. Die Gute, wie stolz sie auf ihren Status war, endlich verheiratet zu sein! Dabei stand sie erst am Anfang ihrer Karriere als Matrona. Wenn sie erst einmal schwanger war und ihre ersten Kinder gebar und sich dann ihr Gemahl dann nach einem Ersatz für sein Bett umschaute, ja dann wäre es vorerst einmal mit ihrem Stolz vorbei. Daß ich diese Probleme bereits hatte, ohne schwanger, geschweige denn Mutter geworden zu sein, wußte ich zu diesem Zeitpunkt nur punktuell. Vom Betthäschen meines Mannes hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch keine Ahnung. Und das war auch besser so! Außerdem war mir nicht nach Austausch von Vertraulichkeiten, weder über meinen ersten Mann , noch über meine jetzige Ehe. Wenn man so etwas überhaupt Ehe nennen konnte. Katastrophe wäre die weitaus passendere Vokabel dafür gewesen!
    Da bot es sich wirklich an, daß sich unser kleines Grüppchen sich der nicht mehr ganz so frischen Dame näherte, die sich mit der Vestalin zu unterhalten schien. Einige Brocken ihrer Unterhaltung konnte ich noch aufschnappen, bevor wir direkt vor ihnen zum stehen kamen.
    "Salvete!" grüßte ich freundlich zurück, doch dem Alter gebührte der Vortritt! Oder sollte ich sagen Alter vor Schönheit? "Germanica Laevina! Es freut mich, dich endlich kennen zu lernen. Deine überaus freundliche Enkelin durfte ich ja bereits kennenlernen. Und Sacerdos Vestalis Claudia Romana! Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite!"Germaniacas Frage nach einem gewissen Verwandten, namens Aulus Flavius Piso, ließ mich für einen Augenblick unsicher werden. Was hat denn die Trantüte jetzt schon wieder angestellt? Das war mein erster Gedanke.
    Nun, meine Beziehung zu diesem aufstrebenden jungen Politiker, der es mit Sicherheit einmal weit bringen würde, sofern er sich entschloß, mit dem Singen in aller Öffentlichkeit aufzuhören, war nicht die allerbeste. Unsere letzte Begegnung hatte nur so von Feindseligkeiten gestrotzt. Nun, wie sollte ich reagieren? Natürlich stellte ich mich der Konfrontation mit meiner Familie!
    "Ja, ich gestehe! Er ist mit mir verwandt! Aber nur entfernt..."... sehr entfernt, meinte ich in einem scherzhaften und unverfänglichen Ton und war darauf gespannt, was ich nun noch zu hören bekam.

  • Natürlich. Nicht einmal in Gesellschaft und noch dazu in einem Tempel war der alte Drachen in der Lage, sich mit seinen spitzen Bemerkungen ihr gegenüber zurückzuhalten. Serrana starrte ihre Großmutter an und fühlte plötzlich einen unbändigen Hass auf die alte Frau, die sich gerade derart selbstgefällig mit den vierzig Jahren brüstete, die sie selbst vermutlich niemals haben würde. Nicht mal zehn davon und vielleicht nicht mal mehr eins. Ihre ganze Kindheit über war Serranas nachgiebiges Wesen der ideale Spielball für Laevina gewesen, doch beflügelt von einer Mischung aus Angst und Wut platzte ihr jetzt doch der Kragen.
    "Wie schön für dich." fauchte sie und hatte die neben ihr stehenden Frauen für einen Augenblick vollkommen aus den Augen verloren. "Vielleicht hast du ja Glück, und es ist ein Vetreter der Acta anwesend, der deinen Einsatz gebührend zu würdigen weiß und dir ein ewiges Denkmal setzt. Das wäre dir doch sicher recht, oder?"

  • "Ach, sieh an. Ein überaus ambitionierter junger Mann, wenn ich das so sagen darf. Richte ihm doch bitte meine Grüße aus, wenn du ihn das nächste Mal triffst." Zugegebenermaßen auch ein wenig seltsam, aber das kam nun einmal dabei heraus, wenn man jahrhundertelang immer untereinander heiratete. Ob die Flavia deshalb auf einer lediglich "entfernten" Verwandtschaft beharrte? Oder gab es eventuell noch spannendere Abgründe, die man eventuell ergründen konnte um sich ein wenig die Zeit zu vertreiben? Schlimmer als eine Großnichte, die in ihrer Jugend mit dem fahrenden Volk herumgereist war, konnte es allerdings kaum sein. "Und was die überaus freundliche Enkelin betrifft..." Die alte Germanica wandte den Blick Serrana zu, die mit hochrotem Kopf und funkelnden Augen vor ihr stand, und eine ihrer Augenbrauen schnellte nach oben, wenn auch mehr aus Überraschung, dass das kleine Schaf plötzlich den Mund aufmachte denn aus echtem Ärger über die Bemerkung. "Ich habe keine Ahnung, aus welchem Grund du in Gegenwart all dieser Damen und sogar einer Vestalin herumkeifst wie ein ordinäres Waschweib, aber vielleicht war dieser kleine Spaziergang ja schon zu viel für dich." antwortete sie mit eisigem Blick aber ohne ihren höflichen Plauderton abzulegen. Eine Germanica Laevina wusste schließlich, was sie ihrem Namen in der Öffentlichkeit schuldig war, austoben konnte sie sich genauso gut daheim oder beim Umgang mit dem gemeinen Volk! Laevina beschloss, ihre undankbare Enkelin fürs erste zu ignorieren und drehte sich wieder den anderen anwesenden Damen zu. Allzu viele Gelegenheiten, ein paar Kontakte zu knüpfen und ihr Hintergrundswissen über die römische Gesellschaft auszubauen, bekam man in ihrem Alter schließlich nicht mehr. "Nun, die werte Furia hier ist meines Wissens nach mit einem Iulier verheiratet, und Serrana mit meinem Verwandten Sedulus. Dürfte ich dich auch nach dem Namen deines Gatten fragen, werte Flavia?" Zweifellos irgendein wichtiger Großkotz oder einer, der sich zumindest dafür hielt, schließlich legten die Patrizier bei der Wahl ihrer Ehegatten besonders hohe Maßstäbe an. "Unsere Claudia hier brauche ich ja nicht zu fragen, an der ist dieser Kelch vorbeigegangen."

  • Romana lächelte Celerina zu, als diese sie mit dem fachgerechten Titel ansprach. Die Flavierin wandte sich aber sofort wieder der älteren Germanica zu, um mit ihr über ihren entfernten Verwandten zu sprechen. Jungpolitiker schien er zu sein, aha, von denen rannten hunderte in den Straßen Roms herum.


    Doch bevor man noch mehr Worte verlieren konnte über den Flavier, begann Serrana plötzlich zu greinen. Irgendwas meckerte sie, von wegen, dass Laevina sie behandelte wie ein Kind. Romana blinzelte verblüfft, als sie sah, dass Serrana und Lavina sich gegenseitig ankeiften. Tief holte die Claudia Luft und rief, brüllte fast schon: “RUHE!“ Mit einem etwas leiserem Tonfall fuhr sie fort: “Still, ihr beiden. Seht ihr das heilige Feuer nicht? Seht ihr nicht, dass ihr euch in einem Gebäude befindet, dessen häuslicher Frieden unantastbar ist, der nicht durch Streit dekonsakregiert werden darf? Ich will kein Gekeife hier mehr hören, sonst werfe ich euch beide höchstpersönlich raus.“ Ein warnender Blick traf die nun von einer Vestalin öffentlich ermahnten Matronen Serrana und Laevina – was eigentlich eine ziemliche Blamage war. Aber auch so sehr die beiden sich streiten konnten – schließlich war das nicht ihr Brot! – hatte so etwas nicht hier zu geschehen, nicht in ihrem Tempel! Sie würde nie und nimmer zulassen, dass die Pax Deorum durch irgendeine unverarbeitete Enkel-Großmutter-Beziehung gestört wurde.


    Was die Heiraten anging, nickte Romana nur leicht – ja, Calliphana und Centho hatten geheiratet, und ja, sie würde nicht heiraten. Flavia Celerina war, soviel sie selber wusste, die Gattin des Pontifex Aurelius Corvinus, das hatte Calvena ihr erzählt, aber das würde sie nicht selber sagen, Celerina würde das selber sagen können.

  • Oh! Vielleicht war das sich zur Großmutter gesellen keine so gute Idee gewesen. Nun ja, die burschikose Art der alten Dame war mir nicht entgangen, doch daß sich die Iunia dadurch so angegriffen gefühlt hatte, nun ja, überraschte mich doch sehr. Es waren regelrechte Anfeindungen, die aus ihrem Munde drangen. Wäre unsere Bekanntschaft schon weiter fortgeschritten gewesen, ich hätte sie zur Contenance ermahnt, da wir uns hier schließlich im Tempel der Vesta befanden und nicht auf der Gasse unter Waschweibern. So war ich nur peinlich berührt und hielt es für angemessener, einfach den Mund zu halten.
    Die alte Dame indes, schien vorerst wenig Interesse für das verbale Aufflammen ihrer Enkelin zu haben. Vielmehr war es die Resonz auf Piso, welchen ich schon fast wieder gänzlich verdrängt hatte. Offenbar hatte er bei ihr einen guten Eindruck hinterlassen. Puh, das war noch einmal gut gegangen. Sichtlich erleichtert lächelte ich.
    "Aber natürlich werde ich das!" Allerdings, wenn es nach mir ginge, konnte es noch etwas dauern, bis es zum nächsten Treffen kam.
    Daß die alte Dame durchaus Haare auf den Zähnen hatte, davon konnte ich mich sogleich überzeugen. Meine Güte! Wie sie das schaffte, ihre Enkelin, die sich soeben eher wie ein ungezogenes Gör als eine vorbildhafte Matrona benommen hatte, in die Schranken zu weisen und dabei keineswegs ihre Haltung dabei verlor! Das imponierte mir. Eine weise Frau, in der Tat! Nun strafte sie die Iunia mit Ignoranz und setzte die Konversation fort, so als sei nichts gewesen. Perfekt, um nicht zu sagen bewundernswert! Nun ja, wenigstens war es die Vestalin, die die beiden zänkischen Frauen zur Ruhe aufforderte. Schade eigentlich!


    Der Small-talk setzte sich fort und wie sollte es auch anders sein, worüber unterhielten sich Frauen, wenn sie unter sich waren? Natrürlich über Männer! In unserem Fall waren das unsere eigenen, vollkommen wertfrei, so sollte man meinen.
    "Aurelius Corvinus, Senator und Pontifex. Das ist mein Gatte!", antwortete ich. Wenigsten konnte man mit Marcus ordentlich Eindruck schinden. Allerdings beschränkte sich dies derzeit auch auf das einzigste, was ich mit ihm anfangen wollte.
    Ja, vielleicht war die Claudia die einzige unter uns Frauen, die die richtige Wahl getroffen hatte, unberührt und unverheiratet zu bleiben, jedenfalls solange sie noch jung und frisch war. Was sie darüber in dreißig Jahren denken mochte, stand auf einem anderen Blatt geschrieben.
    "Ich muß schon sagen, verehrteste Claudia Romana, ich bewundere jedes römische Mädchen, welches sich freiwillig dem Dienst der Vesta zur Verfügung stellt!" meinte ich nun zur Vestalin, um ihr meine Ehrerbietung zu erweisen und um ein Gespräch mit ihr zu beginnen.

  • Romanas doch recht resolut vorgetragene Aufforderung zur Ruhe ließ Serrana zunächst zusammenzucken, doch der Schreck ging schnell in Scham über und brachte sie dazu, sich auf die Lippe zu beissen, während sich ihr Gesicht dunkelrot verfärbte. Was für eine überaus beschämende und demütigende Situation! Und auch wenn sie von ihrer Großmutter gezielt provoziert worden war, so war das doch noch lange keine Entschuldigung dafür, sich an diesem heiligen Ort derartig gehen zu lassen. Serrana atmete ein paar mal tief ein und aus, um ihre angeschlagene Fassung wiederzugewinnen und nahm sich vor, diese keinesfalls noch einmal zu verlieren, ganz gleich, welche Gemeinheiten ihr ihre Großmutter noch in diesem freundlichen Plauderton um die Ohren hauen würde. Ein nahes Familienmitglied derart zu hassen war eine Sache, die sie vermutlich mit einer nicht geringen Anzahl der im Tempel anwesenden Matronen verband, dies jedoch öffentlich zu machen eine ganz andere und einfach nur peinlich.


    "Verzeiht mir bitte mein unmögliches Benehmen." sagte sie schließlich an Romana, Calliphana und Celerina gewandt, ihre Großmutter jetzt ihrerseits ignorierend. "Es gibt keine Entschuldigung dafür, sich an diesem Ort derart aufzuführen, und ich hoffe, die Göttin wird es mir nicht allzu übel nehmen." Allmählich kam ihr rasender Pulsschlag wieder ein wenig zur Ruhe und Serrana griff dankbar Celerinas Äusserungen auf, die Flavia hatte das kleine Familien-Drama nämlich erfreulicherweise dezent ignoriert. "Ja, da kann ich dir nur zustimmen." nickte sie erst der Flavia und dann der Claudia zu und bemühte sich um ein einigermaßen entspanntes Lächeln. "Natürlich ist es eine ungeheure Ehre, als Priesterin der Vesta dienen zu dürfen, aber es bringt auch sehr viel Verantwortung mit sich." Es fiel Serrana sehr schwer, Romana anzusehen, ohne dabei an den Ablauf der Leberschau zu denken, die erst einige Tage zurück lag, aber nach ihrem peinlichen Auftritt vor wenigen Augenblicken lag ihr besonders viel daran, jetzt nicht auch noch unsicher und verängstigt zu wirken.

  • Senator und Pontifex also....Laevina unterdrückte einen wehmütigen Seufzer. Sie kannte besagten Herrn nicht, aber selbst als Patrizier musste man zumindest über ein gewisses Maß an Ehrgeiz und Intelligenz verfügen, um eine derartige Position zu erreichen. Hach, wie anders hätte ihr Leben verlaufen können, wenn sie einen solchen Mann geheiratet hätte... Immerhin war auch sie noch vor zwanzig, dreissig Jahren eine attraktive Frau gewesen, auf die sogar der wundervolle Kaiser Titus während eines Triumphzugs aufmerksam geworden war! Und wenn sie damals nicht ärgerlicherweise gerade ihren kleinen Sohn auf dem Arm gehabt hätte...Die alte Germanica seufzte jetzt doch, wenn auch beinahe unhörbar. Es half ja nichts, so wie die Dinge standen, musste sie schon froh sein, dass die Flavia sich nun nicht ihrerseits nach ihrem Gatten erkundigte. Marcilius Lento, ambitionsloser Provinz-Advocatus. Das wäre immerhin ein schöner Kontrast zum Senator und Pontifex geworden...Achja, und dann hatte es da ja auch noch Germanicus Vindex, Faulenzer und Langweiler, gegeben...In dem Fall musste man den Göttern schon dankbar sein, dass diese Ehe bereits zuende gegangen war, als noch keine der anderen Damen in ihrer Gesprächsrunde geboren war. Lento hatte sich da schon als deutlich zäher und langlebiger erwiesen, aber der war immerhin ein ausgesprochen hübscher Kerl gewesen und hatte zumindest ein Talent besessen, dass ihr ab und zu das Leben versüßt hatte.
    Laevina riss sich von ihren Vergangenheitsbetrachtungen los und konzentrierte sich wieder auf die Gegenwart. "Senator und Pontifex, da musst du ja ungeheuer stolz auf deinen Gatten sein." flötete sie mit der gebührenden Dosis an Begeisterung in die Richtung der Flavia. "Bist denn auch im Dienst der Götter tätig?" Laevina selbst hielt diese Kuh-Schnippelei für reine Zeitverschwendung, aber eine solche Betrachtungsweise würde in derart frommer Runde wohl kaum auf Anklang stoßen. Die Privilegien einer Vestalin waren aus Sicht einer praktisch veranlagten Frau wie der alten Germanica natürlich nicht zu verachten, aber dieses ganze Affentheater drum herum...nein, das war nichts für sie... "Da hast du selbstverständlich recht, werte Flavia." nickte sie, Serrana erneut übergehend. "Es ist tröstlich zu wissen, dass es in unserer Stadt auch noch Menschen gibt, die die alten Werte und Traditionen bewahren und gebührend in Ehren halten." Und auch, wenn sie ihre Enkelin offiziell gar nicht mehr zu Kenntnis nahm, machte sich Laevina doch zunehmend Gedanken über deren seltsames Benehmen, das so gar nicht zu ihrem sanften Mäuschen-Gemüt zu passen schien. Aber den Grund dafür konnte sie ja in Ruhe daheim in der Casa Germanica herausbekommen, schließlich hatte der ausserhalb der Familie niemanden zu interessieren.

  • Serrana war tatsächlich peinlich berührt. Sie schien es zumindest zu sein. Romana hörte sich die Entschuldigung an, entgegnete aber gar nichts. Sie nickte nur knapp. Das Thema verfolgte sie nicht deshalb nicht weiter, weil es sie nicht störte und sie eine vergeberische Ader heute hatte, sondern viel eher, weil sie sich vorgenommen hatte, das – in Romanas Augen – nur noch kurz bemessene Leben der Iunia nicht allzu schwer zu machen, und deshalb auch mal milde zu sein. Laevina hingegen schien ihre Ermahnung gar nciht ernst zu nehmen. Romana blickte sie bedeutungsvoll an. Laevina! Dich habe ich auch angesprochen, dachte sich Romana, die vielleicht den groben Fehler beging, von sich auf andere zu schließen, aber es nicht gerne sah, dass Laevina ihre Enkelin so angiftete. Eine einfache Zurechtweisung hätte es sicher auch getan.


    “Solange es nicht mehr vorkommt“, machte sie spröde, man merkte ihr aber an, dass sie noch immer ungehalten war. Und sie reagierte wohl auch nur so friedfertig, weil sie gegenüber Serrana nicht böse sein wollte. Ihr kam im Übrigen es sehr, sehr eigenartig vor, dass die Frauen mit ihren Tellern noch immer herumstanden – bis auf Laevina, die den Ihrigen schon geopfert hatte – und herumtratschten. Aber gut, mache mochten wohl die Ausdauer haben, die Speisen so lange in ihren Armen zu halten. Romana müsste nun ja eigentlich auch arbeiten... aber Putzlicht! Eine kleine Pause würde sicher gegönnt sein!


    Die Flavia bestätigte Romanas Vermutung, tatsächlich die Frau des Corvinus. “Ich habe deinen Gatten bei meiner Priesterprüfung kennen gelernt“, warf die Claudia ein. “Ein formidabler Mann.“ Zumindest von dem her, was sie wusste, von dem her, was sie von ihm gehört hatte. Natürlich nahm ihr Vater es ihm sehr übel, dass er damals die Verbindung mit ihrer Adoptivschwester gelöst hatte, aber Romana hatte nie zu viel mit Deandra zu tun gehabt, hatte sich sogar gefragt, warum er sie adoptiert hatte – waren seine eigenen Töchter nicht schon zahlreich und gut genug gewesen? Die Frage der Laevina interessierte sie durchaus, und es konnte ja durchaus sein, dass Celerina bei einem Kult teilnahm. Magna Mater eher nicht. Bona Dea vielleicht, oder Societas Veneris? Eine Tempelverwalterin würde eine Senatorinnengattin wohl nicht sein – obwohl, Serrana war das ja auch. Hinderte sie das nicht, ihren Pflichten als Senatorinnenfrau nachzukommen? War jetzt aber eh schon egal, wenn man sich anschaute, wie wenig Zeit Serrana noch verblieb!


    Zu Celerina hin lächelte sie ganz freundlich, als sie ihre nette Ansage bekam. “Oh. Dir hat man also schon erzählt, dass ich mich den Vestalinnen freiwillig anschloss? Ja, das tat ich. Die meisten freilcih werden durch ein Los erwählt“, erzählte Romana leutselig. “Verantwortung, ja, ich trage sie aber gerne für Rom und die Götter.“ In Romanas Augen glomm es leicht fanatisch auf. “In diesen Zeiten aber tut dies Not! Man sieht barbarische Kulte und peregrine Religionen nach Rom schwappen, und so viele Römer hängen bereits irgendeinem orientalischen oder keltischen Mist an! Am Schlimmsten sind ja die Christen. In meiner Position sehe ich mcih aber noch imstande, diesen Wahnsinn Einhalt zu gebieten! Jede Nacht opfere ich für Rom, auf dass die alte Religion erhalten bleibt. Denn sobald diese schwindet, sind wir dem Untergang geweiht.“ Dass Romanas Worte recht nach Superstitio klangen, war ja nichts Neues mehr. Immerhin konnte ihr niemand nachsagen, dass sie keinen Sinn für Tradtionen besaß.

  • Sim-Off:

    Was lange währt, wird endlich gut! ;)


    Es war immer mit Peinlichkeiten verbunden, wenn sich jemand in der Öffentlichkeit so gehen ließ. Und wenn dann auch noch die Bloßstellung durch eine Zurechtweisung folgte, wie es in diesem Fall durch die Vestalin selbst geschehen war, dann war das noch peinlicher. Die Iunia wäre in diesem Moment wohl am allerliebsten im Erdboden versunken, wenn sie es gekonnt hätte. Nun ja, gewisse Umständen wußten dies zu verhindern und so bat sie vielmals um Entschuldigung bei all denen, die Zeugen ihrer Entgleisung geworden waren. Die Claudia zeigte sich versöhnlich. Was sollte sie auch anderes machen?
    Ich fand es indes besser dies unkommentiert zu lassen, ich dachte mir meinen Teil. Schließlich war ihre Großmutter ja auch nicht ganz unschuldig gewesen. Die Germanica blieb ziemlich ungerührt, sie war wohl ein wahrer Hausdrache par excellence. Wahrscheinlich stand es um die Beziehung zwischen Großmutter und Enkelin auch nicht zum besten. Allerdings war es auch ein schlimmer Fauxpas, solche privaten Angelegenheiten nach außen zu kehren. Stattdessen lächelte ich einfach nur belanglos und übersah die ganze Sache großzügig.


    Laevina jedenfalls zeigte sich äußerst beeindruckt, als ich Marcus erwähnt hatte. Pontifex und Senator, meine Güte! Das hörte sich auch schon außerordentlich pompös an. Wahrscheinlich konnte man da in ihren Kreisen gar nicht mithalten. Die Alte, die einer vertrockneten Pflaume ähnelte, nach ihrem Gatten zu fragen, wäre wohl auch eher unpassend gewesen. Für gewöhnlich waren Damen in ihrem Alter bereits lange Jahre verwittwet, es sei denn, ihr Gatte war robust und hatte sich gut gehalten. Erst die Enkelin hatte es wohl zu etwas gebracht. schließlich war ihr Gatte ebenfalls Senator.
    "Oh ja, das bin ich, meine Liebe! Ja, das bin ich." War ich tatsächlich stolz auf Marcus? Ich mußte gestehen, darüber hatte ich nie einen Gedanken verloren. Er war schon von Anbeginn eine gute Partie gewesen. Eben würdig für eine Flavia, wie mich. Ob unsere Ehe glücklicher verlaufen wäre, wenn er nicht der gewesen wäre, der er war? Das waren alles Spekulationen, zu denen ich mich nicht hinreißen ließ. Ich war einfach der Tradition gefolgt: Patrizierweibchen heiratet Patriziermännchen, zusammen sorgen sie für einen Stall voll Patrizierkinderchen… Ups! Genau da war der Haken!
    Glücklicherweise mußte ich der Konversation folgen und war deswegen nicht gezwungen mir wieder Gedanken über den ausbleibenden Nachwuchs zu machen.


    Natürlich wunderte es mich nicht, daß die Vestalin Marcus kannte. Aha, bei ihrer Priesterprüfung hatte sie ihn kennengelernt. Marcus erzählte nie viel über seine Arbeit im Cultus Deorum. Ich fragte mich, was wir uns eigentlich noch zu erzählen hatten? In letzter Zeit hatte es nur noch ein Thema gegeben - ein Kind! Indessen heimste ich noch mehr Lob für meinen Mann ein.
    "Ja, in der Tat! Das ist er!", antwortete ich der Claudia. Ich sah wieder zu der Iunia hinüber, deren -Gesichtsfarbe sich langsam wieder normalisierte.
    "Wie steht es mit deinem Gemahl, Iunia? Ich hörte, er stellt sich erneut zur Wahl.", fragte ich sie.


    Unsere Unterhaltung setzte sich fort. Die Germanica erkundigte sich, ob auch ich im Dienst der Götter stand.
    "Nein, leider nicht!", antwortete ich ihr. Was hieß denn da leider? Mir reichte es schon, bei den Opferungen zugegen sein zu müssen, wenn das Blut der Opfertiere floß. Wenn ich mir nun vorstellte, dies immer selber tun zu müssen, dreht sich mir der Magen um. Nein, dieses blutige Handwerk war nichts für mich! Umso besser, daß nun die ganze Aufmerksamkeit auf Romana gelenkt wurde. Allein schon wegen der Tatsache, daß sie diese Bürde ihres Amtes freiwillig auf sich genommen hatte, gebührte ihr schon Respekt! Und die Ehre, die ihr und ihrer Familie damit zuteilwurde, nicht zu vergessen. So konnte ich den beiden verfeindeten Damen, die sich allerdings hier einmal einig waren nur zustimmen!
    "Ja, es ist eine besondere Ehre, die dir dadurch zuteilwird, Claudia! Ich fand es sehr beeindruckend, als ich hörte, du hättest aus freien Stücken deinen Weg gewählt. Dieser Umstand ehrt dich außerordentlich, meine Liebe. Wir alle haben dir deswegen Respekt zu zollen!"
    Nun ja, was Romana dann noch über diverse fremde Kulte sagte, so war ich hin und hergerissen, ihr zuzustimmen, schließlich sympathisierte ich mit dem Isis-Kult. Wie konnte sie auch diese schrecklichen, blutrünstigen Christianer mit den Anhängern der Isis in einen Topf werfen? Natürlich widersprach ich ihr nicht. Ich wollte mich ja nicht zum Gespött der Leute machen, die Flavia, die sich mit einer Priesterin der Vesta anlegte! Nein, nein, das ließ ich schön bleiben!
    "Ja, diese furchbaren Christianer! Wehret den Anfängen, sage ich nur!", pflichtete ich ihr schließlich bei.

  • Da ihr die ganze Situation immer noch unendlich peinlich und unangenehm war, griff Serrana dankbar nach der Rettungsleine, die die Flavia ihr zuwarf.


    "Oh, ich denke, in diesem Jahr wird er sich vermutlich nicht zur Wahl stellen, wir haben nämlich geplant, den Sommer in Germanien zu verbringen. Quintus' Onkel ist bereits dort und wir werden wohl auch bald aufbrechen." Zumindest ging Serrana zum Zeitpunkt der Vestalia noch davon aus, denn ihre Tätigkeit als Ausbilderin eines Priesterschülers war noch genauso Zukunftsmusik wie die Absage der Reise, zu der sich Sedulus nach einiger Überlegung entschließen würde.
    Während Romana jetzt von ihren Anfängen als Vestalin erzählte, lauschte Serrana aufrichtig interessiert, um kurz darauf entsetzt die Augen aufzureissen.


    "Aber diese schrecklichen Christen sind doch keine ernsthafte Gefahr, oder?" fragte sie an Romana gewandt, und allein bei der Vorstellung, das irgendjemand oder irgendetwas ihre so heissgeliebten Götter in Frage stellte, wurde Serrana schon schlecht. Sie würde ihren Tempel jedenfalls nie aufgeben, und wenn ganz Rom von Christen nur so wimmeln würde!

  • Warum starrte die Claudia sie denn nur so an, als wollte sie ihr irgendetwas mitteilen? Ob sie was an der Nase hatte? Laevina, deren Fähigkeit zur Selbstkritik noch weniger ausgeprägt war als ihr allgemeines Mitgefühl anderen Menschen gegenüber, erwiderte Romanas Blick leicht konsterniert bis ihr endlich aufging, um was es der Vestalin augenscheinlich ging. Sie erwartete offenbar nicht nur von ihrer Enkelin, dieser undankbaren kleinen Kröte ein Zeichen des Bedauerns für diesen, zumindest in Laevinas Augen vollkommen unerheblichen Zwischenfall, sondern auch von ihr. Von IHR! Falls Germanica Laevina sich in den fast sechzig Jahren ihres bisherigen Lebens schon einmal für irgend etwas entschuldigt hatte, dann konnte sie sich zumindest nicht mehr daran erinnern. Und jetzt sollte sie auf ihre letzten Tage noch mit so etwas anfangen? Wie überaus demütigend...Laevinas Verstand ratterte und ging auf die Suche nach irgendeinem Schlupfloch, aber es schien keins zu geben. Romana war schließlich nicht nur eine Claudia und einer der wenigen Menschen, die ihr wirklich sympathisch waren, sondern vor allem auch Vestalin, und einen solchen Kontakt durfte man sich keinesfalls durch die Lappen gehen lassen, schließlich wusste man nie, wozu der einmal nützlich sein konnte.
    Laevina brauchte ganze drei Anläufe, in denen ihr Gesicht nahezu blau anzulaufen schien, bis es ihr gelang, die entscheidenden Worte schließlich mit krächzender Stimme herauszuwürgen.


    "Nun...ein derartiger Austausch von familiären Vertraulichkeiten war an einem so erhabenen Ort wie diesem sicherlich unangebracht." So, das musste es aber wirklich gewesen sein, mehr würde sie sicher nicht über sich bringen können, ohne bleibende Schäden an ihrem Gemüt zu riskieren. Wie günstig, dass ihr direkt ein passendes Ausweichthema präsentiert wurde!


    "Die Christen und eine Gefahr? Ha, lächerlich! Das sind doch die, die sich in irgendwelchen Kloaken treffen und einen syrischen Teppichklopfer anbeten. Oder war es ein Assyrer? Egal, irgendeiner von dem unzivilisierten Gesocks dort drüben. Sowas kann doch keine ernsthafte Gefahr für unsere römische Kultur sein!" Laevina schnaubte verächtlich und begann sich allmählich wieder wohler in ihrer Haut zu fühlen.

  • Es mochte der Iunia sehr entgegenkommen, daß sich nun das Gesprächsthema in weitaus angenehmere Gefilde bewegte. Auch wenn ich wohl einem falschen Gerücht aufgesessen war, was ihren Gatten betraf, so wirkte Serrana nun wesentlich entspannter. Sie erzählte mir nun von ihren Plänen, den Sommer in Germanien zu verbringen. Nun ja, Germanien… eine sonderbare Wahl für eine Sommerfrische. Was gab es dort, außer starrköpfigen Barbaren, lästigen Stechmücken , schwül warmen Tagen und entsetzlich viel Regen?
    "Soso, Germanien! Aha, interessant! Und was gedenkt ihr, dort zu unternehmen?" Konnte man dort überhaupt etwas unternehmen? Ich glaubte aus Erfahrung sprechen zu können, wenn ich sagte, das Leben in der Provinz, gleich welcher, sei einfach nur öde. Rom konnte da wesentlich mehr bieten. Und im Sommer bot sich das fruchtbare Campania an, ein wahres Schlaraffenland, in dem es alles gab, was das Herz begehrte.
    Zwischendurch fiel auch mein Blick auf die Germanica, die nun wohl etwas schmollte, weil die Vestalin sie hatte zur Ordnung rufen müssen. die alte Dame hatte aber auch Haare auf den Zähnen! Eine wie sie wollte ich nicht einmal geschenkt! So konnte ich mich doch in der Tat glücklich schätzen, niemanden wie sie im Nacken sitzen zu haben. Auch wenn ansonsten nichts gegen Großmütter einzuwenden war. Sie machten sich ganz gut wenn es darum ging, die lieben Kleinen für eine gewisse Zeit zu hüten und beschäftigen, vorausgesetzt man hatte Kinder. Manche Großmütter, so hatte ich gehört, waren darauf so versessen und entrissen förmlich die Kinder aus den Händen der Sklaven, die eigentlich dazu da waren, den Nachwuchs zu hüten.
    Doch bald schon lenkte sich das Diskussionsthema auf einen wunden Punkt, der uns wohl alle beschäftigte. Die Christianer und ihr seltsamer Glaube vom toten Zimmermann, der angeblich wieder zum Leben erweckt worden war. Oder war es doch ein Teppichklopfer? Was auch immer, das war alles Mumpitz!
    "Ach, ein Teppichklopfer? Ich dachte, es sei ein Zimmermann gewesen," warf ich ein.
    "Aber ob nun Zimmermann, Teppichklopfer oder Innenarchitekt, man sollte diese christianische Gefahr nicht unterschätzen! Wie ich hörte, schließen sich ihnen viele unserer Sklaven an. Und eines Tages werden sie sich wieder gegen uns auflehnen, so wie damals unter diesem äh, wie war noch sein Name... Spa.. Spa..." "Spartacus!", meldete sich eine der umstehenden Damen zu Wort, die sich bislang nur passiv an unserem Gespräch beteiligt hatte.
    "Oh ja, danke! Spartacus, genau! Wenn man ihnen keinen Einhalt gebietet! Deswegen gibt es nur eins: die Christianer vor die Löwen!" Das hatte auch noch einen gewissen Unterhaltungseffekt. Wobei ich mir nicht viel aus Tierhatzen machte.

  • Mit einem gewissen Grad an Verwunderung betrachtete Romana den Gesichtsausdruck der alten Germanica. Waren das Magenkrämpfe? Ein nahender Schlaganfall, oder suchte sie mit aller Macht eine undamenhafte Flatulenz zu unterdrücken? Nein, nichts dergleichen – ein Ausdruck des Bedauerns kam aus ihrem Mund. Es war keine Entschuldigung, es war keine Bitte um Verzeihung – aber immerhin. Romana nickte wohlwollend, als sie sich in einem merkürdigen Anfall von Größenwahn dachte, wie schön doch kleine Machtdemonstrationen waren.


    Die Flavia bestätigte milde, dass sie wirklich stolz war auf ihren Mann und wie großartig er war. Romana konnte keine Gedanken lesen und war auch nicht sonderlich gut darin, andere Leute zu durchschauen – außer, es war allzu offensichtlich – sodass sie nur befürwortend nickte. Auch wenn sie nicht allzu viel sagen konnte, was das anging. Schließlich hatte der Aurelius kaum ein Wort geredet, das Reden hatte er lieber dem umständlichen und ziemlich kauzigen Flavius Gracchus überlassen. Noch immer gingen ihr die Worte des Flaviers im Kopf herum. Der Kaiser vernachlässigt seine Kinder. Damals hatte sie es wirklich geärgert... aber nun? Hatte er nicht recht? Vom Kaiser hatte sie zumindest nichts gehört, nie, seit seit Vestalin wurde, und das war jetzt auch schon eine lange Zeit.


    Als diese jedoch an Serrana die Frage nach ihrem Mann stellte, blickte Romana nur einen Zacken strenger als es gut war zu der Iunia hin.Er wird sich nicht zur Wahl stellen, sondern nach... was reisen? Starr blickte sie zuerst auf die Iunia, sodass die Flavia Zeit hatte, nachzufragen, bevor die Claudia sich ihre Hände seitlich an den hübsch drapierten Schleier, den sie auf ihrem Haupthaar trug, schlug. “Nach Germanien?“ Kein anderes Land auf der Erde faszinierte Romana so dermaßen und stieß sie gleichsam ab. Germanien! Das Land der grausamen Kannibalen! Der Bluttrinker, die sich gegenseitig zum Vergnügen die Köpfe einschlugen! Germania Magna, die Todesstätte des gallanten Quinctilius Varus! “Bei den Göttern! Warum gerade nach Germanien, zu den Barbaren?“ Denen mit den unglaublich, ja faszinierend widerlichen Bärten. Was in aller Welt hatte Serrana dort verloren?


    Die Flavia derweilen bekannte, dass sie nciht im Dienste der Götter stand... nun ja, wieso auch, dachte sich Romana, sie war ja eine Matrone und hatte somit alle Hände voll zu tun, den haushalt zu schmeißen. Berufstätige Frauen, mit Ausnahme natürlich der Vestalinnen, waren sowieso etwas, was eher schief zu betrachten war.


    Und Bauchpinselei war sowieso immer wieder fein. Romana war für Komplimente nicht gänzlich unempfänglich und lächelte die Flavierin geschmeichelt an. Sie schloss die Augen kurz und sonnte sich kurz im vestalischen Glanz...


    ...da brach auch schon das Donnerwetter aus mit den Christen. Celerina pflichtete ihr bei, Serrana reagierte schreckhaft, Laevina tat die Problematik ab, und Celerina führte aus, was gefährlich an den Christen sei. Nun war es an Romana, ihre erboste Rede (gespickt mit Unwahrheiten, die man ihr über die Christen eingetrichtert hatte) weiterzuführen.


    “Es ist kein Syrer oder Assyrer, den sie anbeten, nein, schlimmer, ein Hebräer! Wisst ihr, warum das schlimm ist? Die Hebräer verehren nur einen Gott – Iuppiter – und die Christen zwei – Serapis und seinen Sohn, für den sie diesen Handwerker da halten. Wie hieß der? Irgendetwas mit C. Crestus oder so. Egal. Das Schlimme ist, sie weigern sich, andere zu verehren! Sie verachten unser Pantheon! Sie weigern sich, die göttliche Natur unseres Kaisers zu erkennen!“ Vor Ärger und Sorge öffneten sich ihre Augen weit, und ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. “Diese Christen sind wie ein Geschwür in unserem Reich. Zunächst klein und unscheinbar, aber die schiere Unerhörtheit ihrer Lehren und Vorstellungen müssen uns die Augen öffnen! Ich verstehe nicht, wie man das tolerieren kann. Das Christentum muss ausgerottet werden! Wenn es mit Worten nicht geht, dann mit dem Schwert!“ Hui, da sprach die Soldatentochter in ihr. “Die Christen haben kannibalische Bräuche, stellt euch vor. Sie trinken das Blut und essen das Fleisch von Menschen! Das nennen sie den Leib von Crestus. Widerwärtig! Pfui!“ Sich in Rage reden, das war etwas, was Romana gut konnte.

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