[Forum Romanum] Templum Concordiae

  • Ein kühler Wind fegte durch die Gassen Romas am Weihetage des Tempels der Concordia auf dem Forum Romanum, sodass Manius Flavius Gracchus Minor, der Quaestor und seitens des Consul für diese Festivität beauftragte Magistrat, heute gleich mehrere Schichten seiner langen Wintertunicae unter seiner Toga gewählt hatte, was ihn noch ein wenig massiger erscheinen ließ als gewöhnlich.


    Selbstredend stand es ihm mitnichten an, einem derart bedeutsamen Feiertag persönlich vorzustehen, nachdem doch nicht selten der Kaiser als Pontifex Maximus selbst hiesig die Leitung auf sich nahm. Heute nun war der Consul an der Reihe, welcher hierfür sämtliche organisatorische Obliegenheiten an den jungen Flavius als seinen Assistenten deligiert hatte, der folglich gleich einem obersten Opferhelfer nicht von der Seite des Claudius wich.


    Am Morgen bereits hatte er den Tempel aufgesucht, um höchstselbst sich durch den Aedituus hinsichtlich sämtlicher Präparationen zu informieren, obschon der Augenschein sämtlicher Details selbstredend ihm verschlossen war gewesen, sodass er diesbezüglich sich auf das Urteil seines geliebten Patrokolos, welcher als Assistent des Assistenten in dritter Reihe nun voranschritt, hatte verlassen. Dessenungeachtet war er überzeugt, dass jene Festivität in hinreichendem Maße würde präpariert sein, dass Weihrauch ebenso wie sämtliche weitere Opfergaben in agreabler Qualität und Quantität würden vorhanden sein und somit dem Gelingen jenes durchaus bedeutsamen Staatsopfers nichts mehr im Wege stand.

  • Concordia - seine Wahlgöttin. Menecrates überlegte seit Tagen, ob er der Göttin ein weiteres Heiligtum errichten lassen sollte. Sicher, der Camillus-Tempel besaß Tradition, aber es kam schön öfters in der Vergangenheit vor, dass bedeutende Männer Statuen stifteten oder neue Tempel bauten. Warum also nicht auch er? Außerdem fand der Consul, dass diese in die Länge gezogene Cella am Ende des Forum Romanums wirklich extreme Enge ausstrahlte und der überregionalen Bedeutung der Göttin nicht gerecht wurde.
    Mit diesen Gedanken behaftet schritt der Consul das Forum entlang bis zum nordwestlichen Ende, wo sich das Allerheiligtum der Göttin befand. An seiner Seite ging der Quaestor Consulum Flavius, auf dessen Schultern heute die Hauptverantwortung für die Opferung lag.


    Kurz vor Erreichen des Kultraumes hielt Menecrates inne. Nichts und niemand zwang sie zur Eile und so wartete er geduldig, bis sich die an der Zeremonie Interessierten positioniert hatten. Bald würde der Hinweis "Favete linguis!" folgen und die Reinigung beginnen.

  • Als die Gruppe der Funktionäre den Tempelvorplatz erreichte, disturbierte eine heftige Windböe die sorgsam gefalteten Togae der Magistrate, was den Gracchen befürchten ließ, nunmehrig ein inadäquates Bild zu präsentieren oder, horribile dictu, dass gar der Consul selbst in seiner Toga praetexta nunmehr derangiert sein mochte, obschon er dies selbstredend im Detail des Faltenwurfes nicht zu ermessen wusste, da er in jener Proximität zum formal ersten Mann im Staate sich befand, dass das ungefärbte Weiß seines Staatskleides lediglich als amorphe Fläche sich ihm darbot und keine korrekt oder inkorrekt gelegte Falte sich ihm erschloss.


    Neues Ungemach evozierte dagegen die Besprengung der Anwesenden mit Wasser zur kultischen Reinigung, denn gerade den dicklichen Quaestor erreichte ein besonders starker Schwall des kühlen Nasses direkt in sein Antlitz, welches der eisige Wind zwar prompt hinforttrug, dabei jedoch geradehin schmerzende Kälte an jenen Stellen hinterließ, welche das Wasser zuvor benetzt hatten. So wagte der junge Gracche doch, vorsichtig die Hand zu erheben, um die Humidität seines Gesichtes zumindest ein wenig manuell zu reduzieren, was hingegen zur Folge hatte, dass er nicht weiter verfolgte, wie das Volk zur Ruhe geboten und dem Consuls die Schüssel zum Reinigen seiner Hände gereicht wurde.


    Nun bestieg Claudius Menecrates jedoch gemeinsam mit seinen Ministri immediat die Stufen des Tempels und verschwand im windgeschützten Inneren der gewaltigen Cella jenes überaus extravaganten Tempels, während das versammelte Publikum genötigt war, in der Kälte des Windes zu verharren. Manius Minor hatte nunmehr gar einen absonderlich ungünstigen Platz, da er sich unweit eines Staatssklaven wiederfand, welcher eine Räucherpfanne trug, deren verbrennender Wohlgeruch vom Wind einem breiten, transparenten Faden gleich beständig in die Nase des Quaestors wurde getragen. Der junge Gracche räusperte sich und zog seinen Kopf zurück, doch die unbeständigen Böen triumphierten immer wieder bei ihrem Mühen, den Jüngling mit jener Penetranz an Wohlgeruch zu torquieren, dass diesem trotz der kühlen, klaren Luft beinahe ein wenig blümerant wurde.


    Erst als Menecrates das Voropfer beendet hatte und die Pforten des Tempels unter lauten Pfeifen des nunmehr wieder eindringenden Windes sich öffneten, winkte dem Quaestor Errettung. Denn nun würde die blutige Opferzeremonie folgen, für welche sie bereits die weiße Kuh auf dem Hinweg zum Tempel vom Forum Boarium mit sich gebracht hatten, was wiederum implizierte, dass auch die Ministri (inklusive jenem mit der Räucherpfanne) sich neu formierten, um dem Opferherrn bei seiner Prüfung des Opfertieres zu assistieren.
    Erleichtert atmete der junge Flavius folglich auf, während Claudius Menecrates die Kuh umkreiste, ihre Eignung konfirmierte und sie schließlich symbolisch ihres Schmuckes entkleidete.

  • Die Abläufe bei Opferungen erfuhr ein Patrizier bereits in jüngster Kindheit. Die verschiedenen Opferungen unterschieden sich zumeist nur durch den Ausführenden und die speziellen Gaben. Sicherlich variierte auch der Ort. Die weitgehende Eintönigkeit durfte jedoch niemals eine innere Gleichgültigkeit nach sich ziehen, denn das würde den Opferablauf stören und im schlimmsten Fall die Götter von der Annahme des Opfers abhalten bzw. sogar erzürnen.
    Obwohl Menecrates seit der Amtsübernahme überdurchschnittlich vielen Opferungen beigewohnt oder sie gar selbst ausgerichtet hatte, bestand am heutigen Tag keinerlei Gefahr einer inneren Gleichgültigkeit. Im Gegenteil: Nachts erschien ihm die Göttin. Entgegen anderer Träume gehörte dieser zu den angenehmen. Leider verblassten die Trauminhalte schnell und so konnte er die Erscheinung nicht mehr ausreichend erinnern. Sie stand aber als verschwommenes Abbild vor seinem Auge, als er im Tempel die Gebete murmelte.


    Für Menecrates stand die Annahme des Opfers außerfrage. Er glaubte sogar an die Anwesenheit Concordias. Sie zupfte bereits vor dem Betreten des Tempels an seiner Toga und wiederholte es beim Betreten des Vorplatzes. Sie strich mittels Windhauch durch sein Haar wie die Hand einer Mutter, die mit einem Lachen die Haare ihres Sohnes verwirbelte. Spielte Concordia etwa mit ihm? Er musste den Stoff der Toga erneut über das Haupt ziehen, während er die makellose Kuh begutachtete. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen - ein wunderschönes Tier für eine überaus wichtige Göttin.


    Nach dem Entkleiden und Weihen der Kuh ergriff der Consul das Wort.
    "Concordia, Herrin über die Eintracht und Einigkeit. Dir zu Ehren und zu deiner Freude ist diese Kuh. Mögest du durch dieses Festopfer geehrt werden, mögest du geehrt werden durch den vorherigen Weihrauch. Lass uns deine Gunst und dein Wohlwollen angedeihen. Schenke dem römischen Reich Zusammenhalt und Eintracht. Erweise uns die Gnade und nimm dieses Opfer an."

  • Der Wind bauschte die Toga über dem Haupt des Consul auf, als jener das Opfertier prüfte, doch griff routiniert er wieder nach seiner Kopfbedeckung und korrigierte sie wieder, um dem Ritual Genüge zu tun. Der junge Flavius, welcher auch für den Erwerb des Opfertieres hatte Responsibilität hatte gezeichnet, zweifelte trotz jener widrigen Wetterumstände jedoch mitnichten daran, dass Menecrates keinen Makel an der Kuh würde finden, welche jener Sklave auf dem Forum Boarium hatte erworben, der auch für seinen Vater stets die Opfertiere hatte erworben. Trotz ihrer Kalmierung durch entsprechende Kräuter behagte der Kuh jedoch der garstige Wind ebenfalls nicht, weshalb sie versuchte, sich niederzulegen, um den vermeintlichen Sturm ihrer Art entsprechend auszusitzen, sodass die Ministri mehrmals an ihrer Kette ziehen mussten, um das Vieh auf den Beinen zu erhalten.


    Fortunablerweise sputete der Claudius sich jedoch durchaus und rief mit jener auf den Campus diverser Legionen wohlexerzierten Stimme das Gebet gegen die Macht des Windes an. Der Quaestor vermochte somit durchaus zu vernehmen, welche Bitten der Consul an Concordia formulierte, doch erschien es ihm überaus dubitabel, ob dies für das gesamte Publikum auf dem Forum ebenso der Fall war.
    Indessen war dies ohnehin gleich, denn selbst wenn Menecrates das Gebet lediglich geflüstert hätte, so durfte er ja dennoch erwarten, dass die Unsterblichen seine Worte vernahmen und somit imstande waren, die jeweils begleitende Gabe zu akzeptieren und ihren erbetenen Segen zu spenden.


    Dann endlich war es an der Zeit, das Opfer zu vollziehen. Die widerspenstige Kuh wurde an ihren Platz verwiesen, ihr Halteseil an den Ring vor dem Altar fixiert und das Feuer auf dem Altar entzündet. Mit Schrecken beobachtete der junge Flavius, wie die Windböen jene Mühen ein ums andere Mal verhinderten, ehe endlich einer der Ministri mit Hilfe jener Schale, in welcher das Blut aufgefangen werden sollte, einen Schirm improvisierte, hinter welchem das Holz sich entzünden ließ. Nun fachten die Winde das Feuer umso stärker an und im Nu brannte es auf dem Altar lichterloh, selbst wenn die Flammen sich beständig nach links neigten, als mühten sie sich dem Altar zu entfliehen. Das Knistern und Knastern indessen disturbierte wieder die Kuh, welche ein wenig furchtsam zu muhen begann.
    Manius Minor runzelte die Stirne ob all jener mäßig günstigen Omen, für welche er als Organisator dieser Opferung sich in gewisser Weise responsabel fühlte. Selbstredend war er nicht Aiolos und herrschte über die Winde, ebensowenig war er imstande, einem tumben Rind Befehle zu erteilen, doch fürchtee er dennoch, dass man ihm ein Scheitern dieses Rituals zumindest implizit würde zur Last legen. Womöglich würde der Consul sich ja als gnädig erweisen, wenn er eine Instauratio dieser Opferung aus eigener Tasche finanzierte.


    Um weitere Makel zu minimieren, eilten nun jedoch auch die Opferhelfer sich ein wenig und präparierten alles, um final mit der Frage:
    "Agone?"
    das Tier zum Schweigen zu bringen, was sodann auf die Replik des Consul hin ohne Verzug geschah: Mit höchster Kunstfertigkeit richtete der Victimarius die Kuh hin, sodass ihr kaum ein Laut mehr entfleuchte, während sie an Ort und Stelle zusammenbrach und reichlich Blut in die dargebotene Schale spendete. Dies zumindest ließ, wie der junge Flavius wusste, sich als positives Zeichen deuten, was ein wenig ihn wieder kalmierte, obschon er weiterhin furchtsam das Zerlegen des Tieres verfolgte.
    Selbstredend war aus seiner distanten Position und seiner anatomischen Unkenntnis kaum etwas in dem blutigen Innenleben des Rindes zu erkennen, obschon die Gedärme geradehin herausquollen, nachdem der Opferschlächter die Bauchdecke hatte eröffnet, doch starrte Manius Minor auf jenes Geschehen, als würde sogleich ein Dämon jener Mixtur aus Blut, Vitalia und Fleisch entsteigen, um die Replik der Concordia auf die Bitten des Consuls zu verkünden.


    Dies jedoch oblag selbstredend dem Haruspex, der nun die Leber der Kuh gereicht bekam und sie sorgsam inspizierte in der Hoffnung, ein divines Zeichen zu erhalten.

  • Als Laie entzog es sich der Kenntnis des jungen Flavius, welche Maßnahmen der Haruspex im Detail unternahm, um die Akzeptanz des divinen Rezipienten zu ergründen, doch augenscheinlich hatte er keinerlei widrige Indizien erkannt, denn nach einer Weile des Studiums, in welcher es dem Quaestor, obschon mit mehreren Schichten an Tunicae präpariert, zu frösteln begann, erklärte er die
    "Litatio"


    Manius Minor blickte wieder zurück zu den Opferschlächtern, die noch immer damit okkupiert waren, die Kuh auf dem Tempelvorplatz zu zerlegen. Der wohlvertraute Odeur des Blutes wurde von der steifen Brise zwar sofort atomisiert, sodass lediglich der unerfreuliche Anblick des blutigen Fleisches war zu ertragen, welcher dem Jüngling indessen seit frühester Kindheit war vertraut.


    Folglich schenkte er jenem Geschehen keine weitere Beachtung, zumal zweifelsohne die Priesterschaft jene Fleischpakete, welche Opferherren und sämtliche an derartigen Riten beteiligte Personen zu erhalten pflegten, sie ohnehin zur rechten Zeit würden zustellen, und wandte sich den Consul zu:
    "Wie mir scheint, ist unser Dienst für heute vollbracht."
    Relaxiert ob des positiven Ausganges trotz des schlechten Omens wirkte der Quaestor nunmehr geradehin vergnügt.

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