• "So, der kleine Mann, weiß es? Woher denn?
    Hat er in den Büchern seines Onkels gelesen?"


    Ich nahm mir vor in Zukunft darauf zu achten, dass die Werke Ovids gut verschlossen blieben. Ich ließ mich jedoch nicht aus der Ruhe bringen. In den engen Häusern blieb eh nichts lange verborgen und auf dem Lande gar schlief eh alles in einem Raum. Er musste es irgendwo aufgeschnappt haben, sei es auf der Strasse, auf dem Markt, oder beim Herumtollen mit anderen Kindern.


    "Was ist Freiheit, Romanus? Ich kenne unzählige römische Männer, die frei sind. Und doch nicht glücklich. Ich kenne römische Männer die Land besitzen, aber keine Freude. Ich kenne römische Männer, die Länder erobern, und dennoch nie Freunde gewinnen. Ich kenne römische Männer, die Macht haben, und am nächsten Tag in Ungnade fallen und ihren Kopf verlieren, weil ein anderer, der noch stärker und größer ist, dies so will."


    Ich blickte ihn an.


    "Ich bin ein Sklave. Und ich mache meine Arbeit. Ich mag nicht frei sein, aber ich empfinde Freude. Ich habe kein Land und erobere keine Länder, doch ich habe Freunde. Zum Beispiel Dich."


    Ich stupste ihn an die Nase.


    "Und Macht habe ich auch keine. Das einzige was mir passieren kann, ist, dass ich an einen andere Besitzer verkauft werde. Ich bin zu wertvoll als Sklave, als dass man mir den Kopf abschlägt, wie einem Römer."


    Ich zwinkerte ihm zu.

  • Romanus Gesicht glühte vor Scham als Gallus begann ihn damit aufzuziehen, dass er wusste was er mit Nyla "spielen" nannte. Etwas trotzig schob er dann die Unterlippe vor und verschränkte die Arme vor der Brust, schließlich war er kein kleines Kind mehr, sondern fast erwachsen.


    "Nein, ich habe es gesehen."


    Die Worte des Galliers stimmten den jungen Römer erneut nachdenklich und er wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Er hatte nie darüber nachgedacht, was es bedeutete frei zu sein und so wie es aussah, gab es laut Gallus wichtigere Dinge als Freiheit. Und dass der Haussklave seines Onkels ihn als Freund bezeichnete, erfüllte den Jungen mit Freude und mit Liebe. Ja er liebte Gallus wie einen Vater, hatte er doch seinen leiblichen zu oft vermissen müssen, da dieser die meiste Zeit außer Haus weilte und sein Onkel auch nie sehr viel Zeit erübrigen konnte.


    Romanus Augen begannen zu leuchten als er an seinen größten Traum dachte und seinen väterlichen Freund mit einplante.
    "Wenn ich eines Tages nach Rom gehe und ein wichtiger Mann im Senat bin, kommst du dann mit mir? Als Freund?

  • Er hatte es gesehen? Bei Teutates, wo trieb sich der Kleine rum? Doch noch ehe ich darauf eingehen konnte, sprudelten schon wieder ganz andere Dinge aus ihm heraus. Von Rom, davon wie er ein großer Mann werden würde und viel mehr. Ich lächelte.


    "Natürlich komme ich mit. Einer muss ja auf Dich aufpassen.
    Nicht dass Dir im Senat das Tintenfässchen auch noch umfällt..."


    Ich lachte und tätschelte ihm wieder den Kopf.
    Einfälle hatte er...

  • "Ich meine das ernst, Gallus", protestierte Romanus als dieser sein Vorhaben mit einem Scherz bedachte und ihm erneut den Kopf tätschelte. Warum musste er ihn nur wie einen kleinen Jungen behandeln, der irgendwelche Spinnereien zum Besten gab? Schließlich war er sich sicher, dass er nach Rom gehen würde und berühmt wollte er sowieso werden. Wenn nicht im Senat, dann als was anderes. So genau wusste es der Junge nicht, nur dass es so werden würde. Nur eines war er sich relativ sicher, als Soldat würde er diese Berühmtheit sicherlich nicht erlangen, auch wenn sein Vater das wohl gerne so sehen würde.


    Romanus bedachte den Gallier mit einem durchdringenden Blick. "Liebst du Nyla?", fragte er so unvermittelt, wie er das Thema Rom angesprochen hatte.

  • Der Kleine wechselte die Themen schneller als andere eine Tunika.


    "Ob ich Nyla liebe?"


    Ich fegte weiter und hatte so langsam das ganze Atrium ausgefegt.


    "Ja, sehr sogar."


    Ich blickte ihn an.


    "Warst Du schon einmal verliebt?"

  • Romanus fuhr die feine Maserung einer der Marmorsäulen mit dem Finger nach während er über Gallus Worte nachdachte. Sicherlich liebte er einige Menschen, seinen Vater, seine Schwester, seinen Onkel und Gallus. Doch war das wovon der Sklave sprach eine ganz andere Art von Liebe. Er hatte zwar den einen oder anderen Text von Ovid überflogen, doch war ihm die Lyrik über die Kunst der Liebe viel zu hoch, so dass er nicht alles davon verstanden hatte. Und bisher hatte er nicht gewagt, jemanden aus seiner Familie nach der Bedeutung der Worte zu fragen, schließlich mussten sie ja nicht wissen, dass er es gelesen hatte. Und er fragte sich, ob das was er da gesehen hatte, mit den Worten überein stimmte.


    "Ich glaube nicht", sagte er schließlich leise und blickte wieder zu dem Galier. "Wie ist das so?"


    Das Thema machte ihn etwas verlegen, doch spürte er ein gewisses Interesse in sich aufsteigen und Gallus schien ihm der Einzigste zu sein mit dem er darüber reden konnte.

  • Meridius betrat das Atrium und erblickte seinen getreuen Sklaven beim Fegen. Um ihn herum lungerte der kleine Romanus und stellte wie immer seine wissbegierigen Fragen. Wie froh war Meridius, dass der Junge so interessiert war. Wäre er nur ein Träumer gewesen, Meridius hätte verzweifelt. Doch die Neugier, der Trieb zu wissen... Meridius schätzte ihn sehr.


    "Wie ist was?"


    rief er als er eintrat. Der Kleine kam schon auf ihn zugerannt und Meridius musste sich beinahe in Sicherheit bringen.


    "Immer eines nach dem anderen. Lass mich erstmal Luft holen. Ich komme direkt vom Hafen. Und das Schiff kommt direkt aus Ostia, der größten Hafenstadt des Imperiums. Ich hab Dir etwas mitgebracht."


    Er kramte in seiner Tasche und zog eine kleine Statue heraus.


    "Das ist Mercurius der Gott der Händler und Beschützer der Reisenden. Er passt auf, dass alle Familienmitglieder, die auf Reisen sind, auch wieder nach Hause kommen... Er gehört jetzt Dir."


    Dann wandte er sich an Gallus.


    "Habt ihr Proximus aufgebahrt? In welchem Zimmer?"


    Er nickte mit dem Kopf, als der Sklave ihm die Richtung anzeigte.


    "Romanus, ich muss jetzt zu meinem Cousin. Wenn Du mitkommen möchtest, kannst Du das tun.
    Wenn nicht, ist das auch in Ordnung."

  • Noch bevor Gallus antworten konnte, ertönte eine wohlbekannte Stimme hinter den beiden und Romanus wirbelte herum. Strahlend rannte er seinem Onkel entgegen und war wieder mal nur der kleine Junge, der er seit jeher gewesen war.


    Begeistert nahm er die Statue, die ihm sein Onkel überreichte, entgegen und betrachtete erfürchtig das kleine Kunstwerk. Einmal mehr stieg in ihm der Wunsch auf nach Rom zu gehen und er nahm sich vor seinen Onkel zu fragen, ob er ihn das nächste Mal mitnehmen würde.


    Doch wie meistens hatte Meridius nicht viel Zeit und war auch schon in einem der Gänge verschwunden, bevor der Junge überhaupt verstanden hatte, worum es ging. Einen Moment schwankte er zwischen der immer noch unbeantworteten Frage seitens Gallus und seinem Onkel, entschied sich dann aber doch für Meridius, da er weitaus seltener greifbar war als der Sklave.


    Romanus drückte Gallus die Statue in die Hand. "Bitte bewahre sie für mich auf Gallus, ich muss zu meinem Onkel", sagte er geschäftig und wetzte im nächsten Moment Meridius hinterher.

  • Alessa's Weg führte weiter ins Atrium. Sie sah sich um und entdeckte Gallus, dem sie ein trauerndes Lächeln schenkte und ging auf ihn zu. Sie musste keine Worte sagen, damit er wusste, was ihre erste Frage sein würde. Natürlich wollte sie nichts mehr als zu Gaius.

  • Schweigend betritt Lucilla das Atrium, würdigt Gallus keinen Blickes. Dieses Haus, das Haus ihrer Kindheit, ihrer Erinnerungen, kommt ihr auf einmal so kalt vor. Was haben die Decima nur getan, dass die Götter ihnen so bald hintereinander zwei ihrer Mitglieder entreißen? Lucilla schüttelt traurig den Kopf und schnieft, bevor sie sich zu Proximus Zimmer wendet.

  • Meridius kam gerade aus dem Zimmer in welchem Proximus aufgebahrt lag, als er Lucilla das Atrium betreten sah. Mit tröstendem Blick trat er auf sie zu und grüsste sie.


    "Schön, dass ihr alle da seid."


    Er gab ihr einen Kuss auf die Wange.


    "Proximus sieht besser aus, als ich dachte. Die Götter waren ihm sicher gnädig. Ich denke nicht, dass er lange leiden musste."

  • "Darum haben sie ihn auch..." Lucilla stockt, als ihr bewusst, wird, wie sie den Satz beenden wollte. Sie schüttelt unmerklich den Kopf und wendet sich von Meridius ab. "Entschuldige." murmelt sie leiste und zieht dann an ihm vorbei zu Proximus Zimmer.

  • Meridius blickte ihr nach. Als sie in dem Zimmer verschwunden war, blickte er sich nach Romanus um. Irgendwo musste der Kleine doch sein. Zumindest vor wenigen Momenten hatte er ihn noch gesehen. Er schüttelte den Kopf und lächelte. Auch wenn der Bursche ein Träumer war, kaum war das Haus voll, wirbelte er wie der Wind...

  • Romanus war gar nicht so weit entfernt und hätte Meridius nur genau geschaut, so wäre ihm aufgefallen, dass sich der Junge neben eine der Säulen niedergelassen hatte. Er hatte die Beine dicht an seinen Körper gezogen und sie mit den Armen umschlungen. Obwohl er Proximus nicht wirklich gekannt hatte, fühlte er tiefe Trauer in sich, allein die Stimmung in der Casa sorgte dafür. Dabei musste der Junge unentwegt an seine Mutter denken und er fühlte ein starkes Bedürfnis ihr Grab zu besuchen. So absurd es klang, Romanus hatte fast das Gefühl als wäre das ihre Beerdigung und seine Augen füllten sich mit Tränen. Tränen für eine Mutter, die er nie gekannt hatte. In diesem Augenblick fühlte der junge Römer sich so allein wie selten in seinem jungen Leben.

  • Meridius entdeckte Romanus hinter einer Säule und trat zu ihm hin. Etwas schien ihn zu bedrücken. Langsam legte der Legatus seine Hand auf die Schulter des kleinen Decima.


    "Na, was ist los? Du versteckst Dich doch nicht wegen der vielen fremden Leute. Willst Du es Deinem Onkel erzählen?"


    Er ging etwas weiter setzte sich auf einen Stuhl und blickte über die versammelten Menschen im Atrium.


    "Komm, setz Dich zu mir..."

  • Romanus erschrak etwas als Meridius auf einmal zu ihm trat und er wischte sich hastig die Tränen aus den Augen. Als sein Onkel hinüber zu den Stühlen ging, stand der Junge auf und folgte ihm, setzte sich schließlich neben ihn. Die Menge der Anwesenden schüchterte ihn etwas ein, war er es doch nicht gewohnt, so viele Menschen auf einmal um sich zu haben.


    Er schluckte und hätte sich am liebsten wieder hinter der Säule verkrochen. Momentan war ihm nicht sehr nach Gesellschaft zumute. Dennoch antwortete er auf die Frage seines Onkels um ihn nicht zu erzürnen. "Ich musste nur an sie denken...an meine Mutter."

  • Meridius nickte mit dem Kopf. Er verstand den Kleinen nur zu gut. Er selbst dachte auch oft an seinen Vater und all die lieben, die er schon verloren hatte.


    "Ich denke auch manchmal an Deine Mutter, Romanus. Sie war eine großartige Frau. Und sie war eine starke Frau. Sie wäre stolz auf Dich gewesen und sie hat Dich geliebt. Von ganzem Herzen, auch wenn sie Dich nicht lange hatte."


    Meridius blickte zu dem Kleinen.


    "Eines Tages wirst Du sie wieder sehen. Doch noch nicht jetzt. Noch ist die Zeit nicht da...."

  • Meridius´Worte lösten erst recht die Tränen und ein Klos bildete sich in Romanus´Kehle während er versuchte dagegen anzukämpfen. Sein Vater hatte ihm immer gesagt, dass er als römischer Mann stark sein musste und keine Schwäche zeigen durfte. Somit war es wohl auch nicht erlaubt zu weinen, schon garnicht in aller Öffentlichkeit.


    "Wie...",krächzte der Junge, schluckte und versuchte seine Stimme wiederzufinden. "wie sah sie aus? Vater wollte nie darüber reden."

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