Valetudinarium - Lazarett

  • "Quetschungen nach links. Knochenbrüche nach rechts. Halbtote zu mir."


    Der griechische Medicus liebte diese Baustelle. Fast so sehr wie seine Weinamphoren. Ständig kamen Soldaten ins Lazarett, die zu doof waren, mit einem Hammer oder einer Säge umzugehen.


    "Nächster.


    He, du kannst ja noch laufen. Was treibst du hier?"

  • "Mustung? Gepunktet oder gestreift?"


    Der Grieche lachte schallend.


    "'Tschuldigung, alter Soldatenwitz. Dann wollen wir mal anfangen. Linkes Bein anheben. Bis 10 zählen. Linkes Bein wieder absetzen. Rechtes Bein anheben. Bis 12 zählen. Rechts Bein wieder absetzen."

  • "Schwache Stimme. Ich hab' das Zählen nicht gehört."


    Der Medicus machte eine Notiz und danach einen Sehtest, mit dessen Ergebnis er zufriedener war.


    "Schon mal schlimme Krankheiten gehabt?"

  • "Schade für dich, da hast du was verpasst."


    Der Medicus machte weitere Notizen und drückte dem Mann dann die Tafel mit dem Ergebnis in die Hand.


    "Tauglich. Nur dein Kopf sitzt etwas schief, das solltest du dir abgewöhnen, sonst fällt der Helm runter.


    Zurück zur Principia mit dir."

  • Nachdem der Rekrut gegangen war, griff der Grieche zu seiner allseits beliebten Flasche. Sie war zu seinem besten Freund, seiner Stütze, seinem Seelenheil geworden. Es war ihm egal, dass der wohlschmeckende Inhalt mehr und mehr seiner Seele aufgefressen hatte, ihn wie eine Geisel gefangen hielt und nach seinem Geist, sowie seiner Gesundheit gegriffen hatte.


    Der Medicus wäre kein guter Legionsarzt gewesen, wenn er nicht längst die Anzeichen einer Leberzersetzung bemerkt hätte, aber er konnte nicht mehr von der süßen Droge lassen. Sie bestimmte sein Leben und letztlich auch seinen Todeszeitpunkt. Die geleerte Flasche in der Hand schlief Graecus ein und sollte nie mehr erwachen. Einer der markantesten Soldaten der Prima hörte auf zu sein.

  • Primus Pilus Matinius Plautius betrat den Raum auf der Suche nach einem Optio und Medicus unter seinem Kommando. Schließlich fand er den Mann. Zuerst dachte er, daß er betrunken war, was die Flasche in seiner Hand vermuten ließ. Aber dann sah Plautius die auffallende Blässe des Gesichtes. Er hatte genug Tote in seinem Leben gesehen, daß er sie erkannte. Auch hatte er einen Trinker in seiner Familie um die Spuren übermäßigen Alkoholgenusses erkennen zu können. Der Mann hatte sich zu Tode gesoffen. Klasse. Na ja, dann würde man einen neuen Medicus besorgen müssen und ein Begräbnis organisieren. Zuerst aber mal eine Meldung. Und dann würde der Papierkram beginnen. X(

    Semper Fidelis - zum ewigen Ruhme des Imperiums und seines Imperators!

  • Marcus kam langsamen Schrittes auf das Lazarett zu. Hier war er noch nicht gewesen und hatte sich den Weg von einem der Soldaten weisen lassen. Vor der Tür angekommen blieb Marcus seufzend stehen. Er atmete tief ein und aus und kämpfte die irrationale Beklommenheit herunter, die ihm bei Toten immer kam. Beherzt öffnete Marcus die Tür und marschierte in das Lazarett. Ein übler Gestand drang Marcus entgegen. Nicht der übliche Krankengestank, sondern der Geruch nach Tod. Ein fauler Geruch, gemischt mit den Ausscheidungen des Körpers, der Marcus schier den Atem raubte. Einfach widerlich! Marcus sah schon, daß das Übelste beseitigt worden war, aber der Gestank hielt sich. Die Luft anhaltend sah sich Marcus um und nickte einem Soldaten zu, der stoisch neben der Tür stand und Haltung annahm als Marcus eintrat.


    "Rühren, Legionarius! Wo ist der Tote? Den Medicus mein ich natürlich!"


    Der Soldat entspannte sich ein wenig und deutete auf eine Holzliege am Ende des Raumes. Ein Mann lag dort, jedenfalls eine menschliche Gestalt, verdeckt von einem fleckigen Leinentuch, was die Konturen des Mannes nur grob wiedergab.


    "Der Optio ist dort aufgebahrt!"


    Marcus zögerte und sah auf den Tisch. Nur langsam und sich jeden Schritt erkämpfend, ging er zu dem Toten. 5 Schritt entfernt blieb Marcus stehen und sah angewiedert in die Richtung. Der Gestank war noch viel schlimmer geworden und er war versucht sich seinen Ärmel vor die Nase zu halten.


    "Wurde das Lustrum schon durchgeführt?"


    Marcus wandte sich wieder dem Soldaten zu und hob fragend seine Augenbrauen. Der Soldat runzelte die Stirn und schien über Marcus Frage nachzudenken. Schließlich schüttelte er andeutungsweise den Kopf.


    "Nein, nicht, daß ich wüßte!"


    Marcus brummte unzufrieden und sah ein Stückchen abergläubischer und mißtrauischer wieder zu dem Tisch. Unschlüßig womit er beginnen sollet, starrte Marcus auf den toten Körper. Nach einigen Minuten nickte er dem Soldaten zu.


    "Lauf in die Stadt und hol einen derartigen Sklaven aus dem Cultus Deorum, und spute Dich. Keine Ausflüge in die Taberna. Wegtreten!"


    Der Soldat salutierte und marschierte nach draußen. Marcus ging derweil zum Fenster und riß es weit auf. Erleichtert sog er die Luft, die frisch und klar zum Todesgestank erschien, in seine Lungen ein.

  • Recht schnell wandte sich Marcus angewidert um. Der Gestank war schier nicht zum Aushalten. Außerdem hatte er das Gefühl, daß der Medicus ihn unter dem Tuch her zu beobachten schien. Und einmal täuschte es Marcus, daß sich das Lacken ein wenig hob. Abergläubisch machte Marcus schnell ein schützendes Zeichen und trat aus dem Lazarett in den Gang davor. Suchend sah er sich nach Macro um. Ach ja, den hatte er nach einem Veteranen suchen geschickt. Wen könnte er denn jetzt noch losschicken? Ha, da kam ja ein Soldat vorbei.


    "Miles!"


    Marcus rief nach dem Soldaten, der eigentlich nur am Lazarett vorbeigehen wollte. Dieser salutierte schnell und blieb stehen.


    "Ja, Optio?"


    Marcus kratzte sich am Kinn und dachte darüber nach, ob er eine Sklavin oder einen der Pollinctores dafür rufen sollte. Na, die Sklavin des Legaten könnte er wohl kaum dafür rekrutieren. Angehörige oder weibliche Familienmitglieder hatte der Tote auch nicht. Seufzend schüttelte er den Kopf.


    "Du bleibst hier und bewachst den Toten. Wenn ein Priester oder ein Tempelsklave kommt, dann laß ihn zum Toten für das Lustrum vor. Aber ansonsten laß niemand hinein. Sie sollen hier warten. Verstanden?"


    Der Soldat nickte knapp. Marcus seufzte und marschierte vom Lazarett davon. Sein Weg würde ihn in die Stadt führen. Einige Dinge waren dort zu erledigen. Besonders brauchte er die Hilfe von Profis für diese Bestattung.

  • Gerade als Marcus mit den Pollinctores aus dem Libitinarius (Angestellte eines Bestattungsunternehmens) zurück kehrte, kam der Legionär mit einem älteren und leicht schlurfenden Mann heran. Marcus musterte die Aufmachung jenes, er trug ein etruskisches Gewand, und nickte verstehend. Ein Tempelangestellter, der sich um die Reinigung der Leiche kümmern würde.


    „Salve, Optio. Der junge Mann sagte mir, daß es einen Todesfall gab. Wo ist die Leiche?“


    Marcus nickte und trat auf die Tür zu. Der dort wachhaltende Legionär trat zur Seite und ließ die Männer in das Valetudinarium.


    “Salve! Der Tote ist hier drin!“


    Der Tempelangestellte nickte und schlurfte zu dem Tisch. Dort zog er sich den Zipfel seines Gewandes über die Halbglatze und das Tuch von dem Leichnam. Marcus wandte sich um, dem wollte er dem nicht zuschauen. Er winkte einen Soldaten heran.


    “Geh und hole...den Probatus Macro und den Optio Priscus. Aber hurtig!“


    Der Soldat lief schnell hinaus. Hinter Marcus erhob sich ein altlateinisches Gemurmel von dem Priester oder Tempelsklaven, etruskische Worte vermischten sich mit der alten Sprache und ein unheimlicher Singsang begann. Marcus schauderte und trat sicherheitshalber aus dem Valetudinarium heraus. Dort wartete er auf die beiden Soldaten.

  • Ein wenig schaudernd und vor sich nachdenkend lehnte Marcus gegen die Holzwand des Ganges. Durch ein schmales Fenster spähte der Optio nach draußen und sah in Richtung Stadt. Er haßte es mit Leichen beschäftigt zu sein und mit Totenzeremonien. Es erinnerte ihn oft an die Unterwelt und seitdem seine Amme ihm Geschichten darüber erzählt hatte, musste er bei den Gedanken an die Daimonen der Unterwelt immer schaudern. Selbst als Vater und erwachsener Mann. Natürlich ließ er sich das nicht anmerken. Als er Schritte hörte, richtete sich Marcus auf und sah dem Optio entgegen. Der Probatus war jedoch nicht dabei. Resigniert seufzte Marcus auf, vielleicht sollte er mit Avitus ein Wörtchen über den Probatus wechseln. Doch bei den Worten von Priscus hatte Marcus den Vorsatz schon wieder vergessen.


    „Salve, Kamerad! Ja, in der Tat. Ich kann Deine Unterstützung brauchen. Du kennst doch sicherlich den alten Medicus, der verstorben ist? Leider gibt es keine Familienangehörigen, aber es ist trotzdem notwendig daß die Conclamatio noch durchgeführt wird. Würdest Du vielleicht ein paar Mal laut seinen Namen neben ihm rufen? Wir wollen doch ganz sicher sein!“


    Marcus lächelte dünn. Amüsieren tat er sich über die ganzen Umstände nicht, schließlich ging es hier um Totenzeremonien. Dabei verging Marcus immer sämtliches Lachen. Aus dem Inneren des Lazaretts schwoll der ominöse Gesang des Priesters an, die Laute wurden immer archaischer und klangen sehr nach etruskischen Lauten. Marcus schien darüber jedoch nicht sehr besorgt zu sein. Stattdessen winkte er einen der Soldaten heran. Der salutierte zügig vor Marcus und Priscus.


    „Hast Du den Medicus gekannt?“


    Der Soldat spähte in den Raum hinein, schien etwas unschlüssig zu sein. Aber dann nickte er.


    „Ja, Optio!“


    Marcus lächelte kurz, wurde jedoch sofort wieder ernst.


    „Gut, dann geh schon hinein. Du wirst ebenfalls dran teilnehmen! Bereit dazu, Optio?“


    Marcus sah mit fragendem Ausdruck zu Priscus und hoffte inständig, dass dieser es nicht ablehnen würde.

  • Etwas ratlos fragte sich Priscus, warum man nicht einfach die Männer herbei geholt hatte, die mit dem Verstorbenen eine Stube teilten. Immerhin galt die Stubengemeinschaft den Soldaten als ihre Familie. Andererseits kannte natürlich so ziemlich jeder im Lager den alten Griechen mit seinen Amphoren.


    "Ja, sicher, für ihn werde ich das tun. Aber du darfst gerne auch daran teilnehme, denke ich, auch wenn du ihn nicht gekannt hast. Er war ein guter Arzt, keine Frage."


    Priscus blickte seinem Kollegen kurz direkt ins Gesicht und betrat dann zusammen mit dem anderen Soldaten den Raum, als der Gesang des Priesters abgeklungen war. Einen griechischen Arzt mit etruskischem Gesang und römischer Conclamatio zu verabschieden war schon ein wenig seltsam. Als sich Priscus und der andere dann links und rechts von dem Toten aufgestellt hatten und mehrfach "Gaius Graecus" oder auch nur "Gaius" riefen, klang es auch nur begrenzt trauernd. Schließlich war Priscus' Stimme zwar laut, aber eher auf Kasernenflur, Exerzierplatz und Schlachtfeld getrimmt. Auch zu den gewaltigen Gesten professioneller Klageweiber konnten sich die beiden Soldaten nicht hinreißen lassen.

  • Unwillig aber zustimmend nickte Marcus und folgte seinem Optiokollegen in das Lazarett hinein. Einen großen Widerwillen bekämpfend trat Marcus auf die Liege zu. Das Tuch war jetzt zur Seite gezogen, denn der Priester in etruskischem Gewand hatte den Kopf mit Balsam bestrichen. Der Medicus starrte gen Decke, sein Mund war verzerrt, sein Ausdruck von einem stummen und schmerzhaften Entsetzen gezeichnet. Marcus schluckte. Eigentlich war er nicht zimperlich, einem Mann das Leben zu nehmen. Aber die irrationale Furcht, daß durch die Augen eines Toten die Daimonen der Unterwelt kamen und ihn mitrißen, war doch zu groß. Marcus starrte auf den Boden und stimmte halbherzig in das Conclamatio mit ein. Erleichtert seufzte Marcus auf als das auch getan war. Der Priester beendete mit einer großen Geste das Lustrum und zog das Leinentuch wieder über den Kopf.


    „Der Tempel erwartet eine Spende von der Legio!“


    Verkniffener Miene stolzierte der Tempeldiener nach draußen und verschwand über den Gang, begleitet von einem der Soldaten. In dem Moment traten auch die Bestattungsangestellten, die Libitinarii, hinein. Sie hatten allerlei Taschen und einen Eimer mit Wasser dabei. Einer der Männer, ein älterer Grauhaariger, sah zu den Soldaten.


    „Bitte wartet draußen!“


    Marcus nickte noch viel erleichterter und ging flink hinaus. Im Gang lehnte er sich wieder gegen die Wand und starrte nur kurz auf die Tür. Er nickte Priscus dankbar zu.


    „Danke, Kamerad! Die Totenwache halten wir danach. Hast Du Zeit noch ein paar Stunden danach zu bleiben?“

  • Der persische Medicus mit dem eingerömischten Namen Abdul Luscinia ( 8)) schaute genervt von seinem Pergament auf. Immer diese Störungen. Als ob er nicht schon genug gestraft war sich als Medicus in der Legio verdingen zu müssen um seinen vorangegangenen Aufenthalt in Roma und das Studium unter der medizinischen Berühmtheit Apollonius von Samothrake finanzieren zu können. Von der Rückreise nach Persien mal ganz zu schweigen.



    "Immer mit der Ruhe. Wer stirbt denn diesmal wieder so schnell, daß er sich mal wieder vor irgend einem ungeliebtem Dienst drücken will? Und "wer sich auskennt" ist keine genaue Beschreibung der geforderten Qualifikation im Bezug auf ein bis dato unbenanntes Problem. Junger Mann!"
    entgegnete der Medicus in aller Ruhe.



    /edit by Admin: nettes Bild, aber leider auch Fremdverlinkung...
    http://www.aquabetten.de/assets/images/Perser103.gif

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