C. SUETON TRANQUILLUS – DE VITAE CAESARIS
I – IULIUS CAESAR (I)
„Im Alter von sechzehn Jahren verlor Caesar seinen Vater; im darauffolgenden Jahr wurde er zum Flamen Dialis(1) ernannt, noch im selben Jahr trennte er sich von Cossutia, einer Frau aus dem Ritterstand, welche aber angemessen reich war; sie war mit ihm verlobt worden, als er noch die Toga praetexta(2) trug. Er(3) heiratete(4) Cornelia(5), die Tochter des Cinna(6) , der viermal Konsul(7) gewesen war; diese gebar ihm schon bald die Iulia. Vom Diktator(8 ) Sulla(9) ließ er sich durch nichts bewegen, sich von ihr zu trennen. Deshalb bestrafte man ihn damit, dass er sein Priesteramt und die Mitgift seiner Frau sowie Erbansprüche gegenüber seinem Geschlecht(10) verlor; darauf zählte man ihn unter die Anhänger der Gegenpartei(11), so dass er sich sogar gezwungen sah, sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen und fast jede Nacht seinen Schlupfwinkel zu wechseln – und das obwohl er an viertägigem Wechselfieber litt und diese Krankheit sich noch verschlimmerte – und sich von seinen Verfolgern mit Geld loszukaufen, bis die Vestalischen Jungfrauen(12), Mamercus Aemilius und Aurelius Cotta, seine Verwandten und Schwäger, seine Begnadigung erwirkten. Es ist hinlänglich bekannt, dass Sulla, als sich sehr vertraute und angesehene Männer bei ihm für Caesar einsetzten und er eine Zeitlang ihre Bitten abgelehnt hatte, sie aber weiterhin hartnäckig für ihn eintraten, schließlich – sei es aus einer göttlichen Ahnung oder einer dunklen Vermutung heraus – losgepoltert habe, er gebe sich geschlagen: Sollten sie doch siegen und ihn und ihren Willen haben, solange sie nur wüssten, dass der, von dem sie so sehr wünschten, dass ihm nichts geschehe, über kurz oder lang der Partei der Optimaten(13), deren Interesse er und sie doch gleichermaßen verfochten hätten, den Garaus machen werde; denn in Caesar stecke mehr als ein Marius(14).“
(1)Flamen: römischer Sonderpriester eines bestimmten Gottes. Das Amt soll in der Frühzeit Roms eingesetzt worden sein (Numa). Die 3 großen Flamines, die immer Patrizier waren, waren der F. des Jupiter (F. Dialis), der F. des Mars (P. Martialis) und der F. des Quirinus (P. Quirinalis).
(2)Amtstracht römischer Magistrate
(3)Caesar war eine Neffe des Popularen Marius, dem Hauptgegner des Diktators Sulla.
(4)Seine Heirat mit der Tochter des Sulla-Gegners Cinna (84) ließ seine politische Einstellung bereits erkennen, 82 wurde Caesar von Sulla geächtet.
(5)Cornelia: Frauen aus dem berühmten römischen Geschlecht Cornelius. Am bekanntesten war die Tochter des P. Cornelius Scipio, des Zerstörers von Karthago, die Mutter der Brüder Gracchus. Sie widmete sich als hochgebildete Frau der Erziehung ihrer Kinder. Die Literatur umgab sie mit dem Nimbus einer vorbildliche Römerin.
(6)Lucius Cornelius Cinna, neben Marius Führer der Popularen, 90 v. u. Z. Prätor, 87-84 Konsul. Von Sulla vertrieben, sammelte er in Kampanien Truppen, rief Marius aus der Verbannung zurück und nahm 87 Rom ein, wo er brutal gegen die Optimalen vorging. Nach Marius' Tod (86) war er faktisch Alleinherrscher in Rom. Von der städt. Plebs, z. T. von den Italikern und bes. von den Rittern erhielt Cinna weitgehende Unterstützung. Als er gegen den im Orient siegreichen Sulla rüstete, wurde er von meuternden Soldaten umgebracht.
(7)Konsul: seit etwa 450 v. u. Z. Titel der beiden obersten Beamten der römischen Republik, die von der Volksversammlung auf ein Jahr gewählt wurden. Zunächst waren es nur Patrizier, seit 367 v. u. Z. (Leges Liciniae Sextiae) konnten auch Plebejer gewählt werden. In der Kaiserzeit wurden sie vom Kaiser ernannt, und das Amt an sich verlor an Bedeutung, bildete aber die notwendige Voraussetzung für die Bekleidung wichtiger Posten in der Staatsverwaltung und Heeresführung. Das Mindestalter betrug seit 180 v. u. Z. (Lex Villia annalis) gewöhnlich 43 Jahre. Die Konsuln der römischen Republik beriefen Senat und Volksversammlung ein und leiteten die Sitzungen bzw. Versammlungen. Anschließend sorgten sie für die Ausführung der Beschlüsse. Im Krieg führten sie die Heere. Nach ihrer Amtstätigkeit waren sie als Pro-Konsuln befugt, eine der römischen Provinzen zu leiten. Äußere Zeichen ihrer Würde waren die purpurumsäumte Toga, ein besonderer Amtsstuhl aus Elfenbein (Sella curulis) und 12 Liktoren. Durch die Namen der Konsuln erfolgte die Angabe des Jahres in der römischen Datumsangabe (Consules ordinarii). Der Nachfolger im gleichen Amtsjahr bei Tod oder Absetzung hieß Consul suffectus. In der Kaiserzeit gab es in der Regel mehrere, oftmals über 10 Suffecti in einem Jahr. Bereits gewählte Konsuln, die ihr Amt aber noch nicht angetreten hatten, hießen Consules designati.
(8 )Diktator: in der frühen römischen Republik im Ausnahmezustand für höchstens 6 Monate auf Vorschlag des Senats von einem der Konsuln ernannter Beamter mit außerordentlichen Vollmachten (202 v. u. Z. zum letzten Mal bezeugt). Die späteren Diktatoren (Sulla, Cäsar) lassen sich mit denen der frühen Republik nicht vergleichen, da sie sowohl in ihrer Amtsdauer wie auch hinsichtlich ihrer Aufgaben und Machtfülle weit über die früheren hinausgehen.
(9)Lucius Cornelius Sulla, 138-78 v. u. Z., röm. Feldherr und Staatsmann. Sulla entstammte dem Patriziergeschlecht der Cornelier; 107 wurde er unter Marius Quästor, 92 Proprätor in Kilikien. 90/89 als Legat im Bundesgenossenkrieg erfolgreich, erhielt er, 88 zum Konsul gewählt, den Oberbefehl im Krieg gegen Mithridates, den er in Griechenland (86 Einnahme und Verwüstung Athens) schlug und 85 zum Frieden von Dardanos zwang; der römische Gebietsstand in Kleinasien wurde wiederhergestellt. 88 war Sulla, nach der Eroberung Roms durch die Marianer von den Komitien im Oberbefehl durch Marius ersetzt, als erster in der römischen Geschichte mit einem Heer gegen Rom marschiert (Beginn des Bürgerkrieges), hatte die Marianer (Popularen) besiegt und etwa 10000 von ihnen umbringen lassen. 83 kehrte er nach Italien zurück, schlug 82 am Collin. Tor in Rom die Marianer, ließ 6000 Gefangene töten, seine Gegner verbannen und sich zum Diktator ausrufen (zum erstenmal auf unbestimmte Zeit). Seine Diktatur war gegen alle demokratischen Einrichtungen gerichtet und hatte das Ziel, die römische Staatskrise im Sinne der Optimaten zu lösen. Sulla gab die Gerichte an die Senatoren zurück, schränkte die Befugnisse der Volkstribunen stark ein und beraubte so die Popularen und die Plebejer ihrer Hauptstütze. Die Senatsoligarchie und das Heer waren die soziale Grundlage der Diktatur. Da Sulla erkennen musste, dass er sein Ziel nicht erreichen konnte, legte er 79 seine Vollmachten nieder und zog sich ins Privatleben zurück.
(10) Iulius: altrömischer patrizischer Geschlechtername. Die Iulier stammten aus Alba Longa, führten sich auf Iulus, den sagenhaften Sohn des Aeneas, zurück. Aus der Gens Iulia gingen bedeutende Heerführer und Staatsmänner hervor, u. a. Caesar, der den späteren Augustus und Begründer der iul.-claud. Dynastie adoptierte. Der Name Iulus war in der frühen römischen Kaiserzeit häufig, da zahlreiche Bürgerrechtsverleihungen durch Caesar und Augustus vorgenommen wurden.
(11)Partei [von lat. pars, »Teil«]. In der Antike gab es keine politischen Parteien im modernen Sinn mit schriftlich fixiertem Programm, bestimmter Organisationsstruktur und fester Mitgliedschaft. Dennoch wird der Begriff Partei zuweilen für politische Gruppierungen und Strömungen benutzt, die in antiken Staaten - und darin entsprechen sie modernen Parteien - die Interessen einzelner sozialer Klassen bzw. Schichten repräsentierten und durchzusetzen versuchten. So werden z.B. die Optimaten (unter Sulla) und Popularen in Rom, die unterschiedliche Gruppierungen der herrschenden Sklavenhalterklasse darstellten, als Parteien bezeichnet. Caesar war anscheinend von Anbeginn Verfechter der Popularen.
Popularen [lat., »Volksmänner«]: Politiker, vor allem Volkstribunen, während der römischen Republik, die ihre Pläne im Gegensatz zu den Optimaten mit Hilfe der Volksversammlung gegen den Senat verwirklichen wollten, ohne jedoch grundlegende Veränderungen zu beabsichtigen. Bedeutendste Popularen waren die Gracchen; den Einfluss der Popularen nutzten Marius, Pompeius, Crassus, Clodius und Caesar für ihre Absichten aus.
(12)Vestalinnen [lat. Virgines Vestales, »Vestalische Jungfrauen«]: römische Priesterinnen der Göttin Vesta, die nach althergebrachtem Brauch das ewige Feuer im Vestatempel hüten mussten. Bereits als Kinder für den Dienst ausgesucht, mussten sie 30 Jahre Dienst tun und genossen große Ehren und Vorrechte (verurteilte Verbrecher wurden frei, wenn ihnen zufällig eine Vestalin begegnete).
(13)Optimaten [lat., »die Besten«]: die römische Senatsaristokratie der republikanischen Zeit. Damit sollte der politische Führungsanspruch gegenüber der übrigen Bevölkerung ausgedrückt werden. Vor allem seit der Zeit der Gracchenbewegung bezeichneten sich die Verfechter der konservativen Senatspolitik, welche die Adelsrepublik zu erhalten suchten, als Optimaten. Sie standen im Gegensatz zu den die Belange von Ritterstand, Provinzialen und Plebs berücksichtigenden Popularen. Der bekannteste Führer der Optimaten war Sulla.
(14)Marius, C., geb. 156 v. u. Z. Cereatae bei Arpinum, gest. 13. 1. 86 v. u. Z. Rom, volskischer Landadliger, römischer Heerführer und Politiker, Führer der Popularen; führte als Konsul 105 unter dem Eindruck der römischen Niederlagen gegen die Kimbern und Teutonen eine Heeresreform ein, durch die nicht nur die Schlagkraft der Armee erhöht, sondern auch der Übergang zum freiwilligen Bauernheer zum Söldnerheer vollzogen wurde, das in den Bürgerkriegen der späten Republik zum wesentlichen Machtfaktor in den Händen reicher, einflussreicher Politiker wurde. Marius war 107-100 mehrmals Konsul, siegte über Jugurtha (Triumph 104) und 102 über die Teutonen bei Aquae Sextiae (heute Aix- en-Provence) sowie 101 über die Kimbern bei Vercellae. Er kämpfte im Bürgerkrieg, der den politischen Verfall der Republik anzeigte und den Weg zur Alleinherrschaft in Rom vorbereitete, gegen die Optimaten. Von Sulla geächtet, floh er nach Afrika; 87 nach Rom zurückgekehrt, rechnete er in grausamen Proskriptionen mit seinen politischen Gegnern ab.