[Officium] Praefectus Vehiculorum Decima Lucilla

Ich nahm das Schreiben an mich, besah mir kopfschüttelnd das neue Siegel und erinnerte mich an den Aushang. Warum mussten diese Beamten alles immer nur so kompliziert machen? Nach den merkwürdigen Entwicklungen um meine letzten Aufträge hoffte ich, dass sich um dieses Siegel keine weiteren Auseinandersetzungen entzünden würden. Ich steckte den Brief in meine dafür vorgesehene Tasche und machte mich auf den Weg in die ewige Stadt.

Gut gelaunt, mit einem dicken Stapel Papyrii unter dem Arm kommt Lucilla an ihrem Officium an. Sie entfernt umständlich den Abwesenheits-Zettel an der Tür und öffnet sie.

"Ah, herrlich. Wer hätte gedacht, dass ich mein Officium mal vermissen würde, dass vier Wände, ein Boden und eine Decke solch ein wohnlicher Arbeitsplatz sein können!"

Sie tritt ein, legt die Papyrii auf einen freien Platz des Schreibtisches ab und nimmt erfreut zur Kenntnis, dass sich auch während dieser Reise kein Staubkorn in ihrem Reich eingenistet hat. Die Curia von Tarraco ist eben ein reibungsloser Apparat, sogar was die Säuberung der Officien betrifft. Lucilla ist froh, dass sie nicht im korrupten Italia arbeitet.

Sie setzt sich und beginnt die liegengebliebene Arbeit zu sichten.

Ich hatte gehört, dass die Praefectus Vehiculorum von ihrer Rundreise zurückgekehrt sei. Sogleich machte ich mich auf den Weg in ihr Officium und klopfte an um ihr ordnungsgemäß Bericht zu erstatten.

*klopf klopf*

Lucilla blickt auf. Kaum hinter ihrem Schreibtisch wartet wohl schon wieder die Arbeit.

"Ja?"

Ich trat ein und war sehr erleichtert, dass Lucilla tatsächlich schon wieder zurück war.
"Salve, Praefectus Vehiculorum! Es ist schön, dass du wieder da bist. Während deiner Abwesenheit hat sich einiges zugetragen..."
Ich trat näher und schaute sie fragend an, ob ich mich setzen und ob ich weiter berichten sollte.

"Einiges zugetragen?" fragt Lucilla skeptisch. Sie lässt kurz ihren Blick durch das Officium schweifen. Zumindest scheint 'einiges' daran spurlos vorbeigegangen zu sein, also konnte es so schlimm nicht sein.

"Nimm Platz und erzähle mir alles. Ich hoffe, es gab keine ernsthaften Probleme während meiner Abwesenheit?"

Ich setzte mich und atmete noch einmal tief durch. Dann fing ich an zu erzählen.
"Also... Zunächst lief alles gut. Wir haben die Briefe pünktlich befördert und alles ging seinen gewohnten Gang. Dann begannen die Probleme. Als ich des Mittags das Officium für einen kleinen Botengang verließ, lagen noch keine Aufträge auf dem Schreibtisch. Als ich dann gegen Abend zurückkehrte fand sich ein Bericht, der gesiegelt und zum Regionarius gebracht werden sollte. Natürlich machte ich mich sofort an die Arbeit. Doch er war wohl noch am selben Tag abgereist, so dass ich ihn nicht mehr erreichen konnte. Da konnte man wohl nichts machen..."
Ich blickte ein wenig unglücklich. Es machte mich immer sehr betroffen, wenn ich meine Pflicht nicht erfüllen konnte. Hoffentlich war sie mir nicht böse. Meine Kehle war ein wenig trocken geworden und ich sah mich nach einem Becher Wasser um.

"Mhm." Lucilla legt ihre Stirn in Falten und schaut Vortex durchdringend an.

Nach einer Weile sagt sie mit einer wegwischenden Handbewegung: "Nun, wenn du den Brief in seinem Officium abgegeben hast und keiner dich weitergeschickt hat sollte das in Ordnung sein. Sein Stellvertreter ist dann dafür verantwortlich dass der Brief den Regionarius erreicht und wenn er dazu nicht in der Lage ist, müsste er ihn nochmals bei uns vorbeibringen, so dass wir ihn dem Regionarius hinterhertragen können. Wir führen schließlich keine Listen, wer wohin verreist und wohin wir ihm die Nachrichten nachtragen müssen. Also mach dir deswegen keine Sorgen. Was noch?"

Ich räusperte mich verlegen. Nun kamen wir zu der noch unangenehmeren Geschichte.
"Nach einiger Zeit erreichte dann ein Schreiben des Moderator Communitas dein Officium. Es enthielt wohl den Bericht an den Senat und sollte nach Rom geschickt werden. Ich schaute auf deiner Liste nach, ob der Moderator Communitas zur Nutzung des Cursus Publicus berechtigt sei, konnte ihn dort jedoch nicht finden. Also machte ich mich auf den Weg zu seinem Officium um ihm das Schreiben zurückzubringen. Während ich dort noch mit ihm sprach, betrat ein Scriba der..." Ein leichter Brechreiz überkam mich. "...Legatin den Raum und forderte mich auf, unverzüglich in ihr Officium zu kommen."
Ich schluckte noch einmal und getraute mich kaum, der PV in die Augen zu schauen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich sei persönlich schuld an den ganzen Vorfällen. Wenn ich nur wüsste, was ich falsch gemacht habe...
"Dort wurde dann alles noch merkwürdiger. Sie zeigte mir eine Weisung, die ich noch nicht kannte. Laut dieser Weisung war der Moderator Communitas nun auch zur Nutzung des Cursus Publicus ermächtigt. Ich war sehr verwirrt, da diese Weisung nicht von einem der Beamten des Cursus Publicus ausgegeben war, sondern von der... Legatin selbst. Entsprechend reagierte ich auch und äußerte, dass ich glaubte dass diese Weisung nicht für mich relevant sei. Daraufhin wurde die... Dame sehr ungehalten und ihr Ton verschärfte sich. Dann..."
Ich musste schlucken bei der Erinnerung an diesen großen Schrecken.
"...überreichte sie mir meine Entlassung aus dem Postdienst!"
Verlegen beschrieb ich das Dokument, wessen Anblick sich in meiner Erinnerung fest eingebrannt hatte.

Lucillas Stirn legt sich immer mehr in Falten. Für einen Augenblick hat es den Anschein, als wolle sie dort ein Abbild der Alpen schaffen. Dann steht sie ruckartig auf. Aus einer Karaffe schenkt sei zwei Becher mit Wasser voll und schiebt wortlos einen davon Vortex hin.

Nachdem sie wieder Platz genommen hat trinkt sie selbst einen Schluck und überlegt fieberhaft, was ein Moderator Communitas sein soll.

"Moderator Communitas?" fragt sie beiläufig, ohne zuzugeben, dass sie von diesem Amt noch nie etwas gehört hat. "Wo genau stand der doch in der Diensthierarchie?"

Dankbar nahm ich den Becher an mich und trank einen Schluck.
"Oh, der Posten des Moderator Communitas wurde erst nach deiner Abreise eingeführt. Dazu gibt es auch einen Aushang hier in Tarraco. Er soll wohl das Informationswesen optimieren. Ich weiß nicht genau, was damit gemeint ist."

Ich schaute sie unsicher an, ob ich fortfahren solle. Als sie nickte, setzte ich meinen Bericht fort.
"Nun, ich war natürlich sehr bestürzt und zutiefst schockiert. Ich wusste garnicht, dass ich ihr so direkt unterstehe und sie mich entlassen kann. Sie sagte, ich würde die Regierungsarbeit behindern und dürfe nicht auf ihrem Siegel bestehen. Unter der Bedingung, dass ich seine Post ab sofort versende, hat sie die Entlassung dann zurückgenommen. Ich war sehr erleichtert. Nun gibt es außerdem noch so eine Art kleines LAPP-Siegel, welches laut Weisung der... Legatin ebenso wie ihr eigenes behandelt werden muss. Um nicht noch mehr Ärger zu bekommen, habe ich mich daran gehalten. Ich hoffe, dass ich nichts falsch gemacht habe..."
Fragend schaute ich Lucilla an.

Lucilla legt die Ellenbogen auf den Tisch vor sich, verschränkt die Hände vor ihrem Gesicht und legt letztendlich ihr Kinn darauf. Eine Minute vielleicht schaut sie Vortex nachdenklich an.

'Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.' denkt sie gedankenverloren.

"Das ist wirklich interessant." sagt sie schließlich. "Und ich denke, du hast ersteinmal richtig gehandelt, das primäre Ziel während meiner Abwesenheit war immerhin, den Ablauf des Cursus Publicus zu gewährleisten."

Nachdenklich betrachtet Lucilla nun die Decke über der Tür. "Mhm. Es ist wohl wahr, dass die LAPP neben allen anderen Ämter Hispanias auch die der Tabellarii Dispositii besetzen und entlassen kann. Allerdings kann ich nicht zulassen, dass die Integrität des Cursus Publicus dadurch untergraben wird. Sie mag die LAPP sein, aber dennoch kann sie sich keine Sonderrechte innerhalb des Cursus Publicus erpressen dürfen. Ich werde darüber mit Senator Avarus reden müssen. Auch wegen der Beförderung der Berichte, wir können schließlich nicht die einzige Provinz mit diesem Problem sein. Irgendwie schicken die übrigen Provinzen ja auch ihre Berichte an den Senat und ich bin sicher, dass der CP dies erledigt. Es gibt sicher eine einfache Lösung."

Eigentlich sieht Lucilla noch nichteinmal ein Problem in der Beförderung. Warum werden die Berichte nicht im Namen der LAPP gesiegelt, immerhin ist sie diejenige, welche dem Senat diese zukommen lassen soll. Das einzige Problem, das Lucilla entdecken kann ist das der Erpressung.

Ich schwieg, während die Praefectus Vehiculorum schwer nachzudenken schien. Schließlich räusperte ich mich noch einmal.
"Eine Sache gäbe es da noch..."
Ich wartete, bis sie mir wieder ihre Aufmerksamkeit schenkte.
"Der Scriba, der auf euer Officium geachtet hat, berichtete mir von zwei Briefen, die für euch ankamen. Das erste Schreiben stammte wohl von Senator Avarus, wurde dann jedoch von der... Legatin an sich genommen. Das zweite Schreiben stammte von Senator Hungaricus. Dies nahm der Moderator Communitas an sich, als er eure liegengebliebene Post sichtete... Über den Inhalt der Schreiben ist mir nichts bekannt. Ich denke, dass sie jeweils bearbeitet wurden und alles seine Richtigkeit hat."
Ich nahm einen weiteren Schluck Wasser und überlegte noch einmal, ob ich in meinem Bericht auch nichts vergessen hatte. Überrascht blickte ich mich um, als es an der Tür klopfte und sah Lucilla fragend an.
"Ich denke, dass ich damit alles Wichtige erwähnt habe. Soll ich dich nun allein lassen?"

"Der Moderator Communitas hat meine Post gesichtet!?" fragt sie erstaunt. Bei der nächsten Dienstreise würde sie ihr Officium versiegeln und einen abgeschlossenen Briefkasten aufstellen.

Lucilla macht eine wegwischende Handbewegung. "Ja, du kannst ersteinmal gehen. Und schicke herein, wer auch immer vor der Tür steht."

Sie beachtet Vortex nicht mehr, der aufsteht um das Officium zu verlassen. Das ganze ist äußerst merkwürdig und sie muss ersteinmal darüber nachdenken. Gedankenverloren reibt sie mit ihrem rechten Zeigefinger über ihre Augenbrauen. Sie ist sich nichteinmal so sicher, ob die LAPP wirklich die Tabellarii Dispositii entlassen darf. Denn eigentlich sind diese ja keine Beamten der Region, sondern des CP. Merwürdig, sehr merkwürdig das alles...

Sie nimmt die Ausgabe ihrer Lex Provincialis zur Hand um etwas nachzuschlagen. Nach kurzem Suchen, hat sie die richtige Stelle gefunden und liest sie sich aufmerksam durch.

/edit: Zusatz

Ich verneigte mich dankbar und verabschiedete mich von Lucilla. Dann ging ich zur Tür, öffnete sie und trat hinaus. Ich entdeckte den Scriba und lächelte ihm freundlich zu
"Salve. Die Praefectus Vehiculorum hat nun Zeit für dich. Du kannst eintreten."