- Officium XXV

  • Piso trat ein und begruesste den Procurator mit einem strahlenden Laecheln. "Salve!", rief er, griff in eine Falte seiner Toga und zog schwungvoll eine Schriftrolle hervor, welche er vor Balbus herumwedelte, als ob sie ihn, Piso, zum Kaiser von Rom ausrief.
    Mit einer dramatischen Geste entrollte er sie, blickte kurz drauf, um sich zu vergewissern, dass es die Richtige war (nicht, dass er dem Prudentier statt des Memorandums ein Schriftstueck voller unflaetiger Sprache, welches ihm ein gehaessiger Sklave zuschieben haette koennen, praesentieren wuerde) und legte sie dem Procurator auf den Tisch.
    "Du hast mir gesagt, ich soll einen Plan zur Restrukturierung meines Officiums machen. Hier ist er."


    Vorschlag zur Restrukturierung des Officium XXIII
    von Aulus Flavius Piso


    1. Ein neues Fenster wird aus der Wand zwischen den zwei existierenden herausgestemmt. Dies wuerde fuer mehr Licht und frische Luft sorgen.


    2. Die Notarii werden in Kommitees aufgeteilt. Diese Kommittees Uebernehmen das Bearbeiten von Formularen und Schreiben unterschiedlicher Absender.
    2.1. Es soll 8 Kommittees geben:
    - Ein Kommittee jeweils zur Bearbeitung von Anfragen aus den Stadtverwaltungen der oestlichen und der westlichen Reichshaelfte
    - Ein Kommittee jeweils zur Bearbeitung von Anfragen aus den Regio- und Provinzverwaltungen der oestlichen und der westlichen Reichshaelfte
    - Ein Kommittee zur Bearbeitung von Anfragen von Verwaltungsstrukturen innerhalb Roms
    - Ein Kommittee zur Bearbeitung von Anfragen aus dem Cultus Deorum
    - Ein Kommittee zur Bearbeitung von Anfragen von sonstigen Buergern
    - Ein Kommittee zur Bearbeitung von Anfragen von sonstigen Nichtbuergern
    2.2. Die Sitzordnung der einzelnen Kommittees soll kreisfoermig sein.
    2.3. Die Anzahl der Notarii in den Kommittees orientiert sich an den Proportionen der Anzahl der Briefe aus jenen Bereichen.
    2.4. Den Kommittees sollen jeweils ein erfahrener Notarius vorstehen.


    3. Es soll ein Notarius zum Boten ernannt werden. Dieser ueberbringt Briefe aus dem Postkasten und wirft Briefe auch ein. Ausserdem ueberbringt er den Procuratoren und gegebenenfalls dem Consul Nachrichten.


    4. Es soll das Amt des Obernotarius eingerichtet werden. Dieser uebernimmt vom Boten die Korrespondenz und teilt sie entsprechend ihrer Kompetenzen unter den Kommittees auf.


    5. Sowohl der Primicerius als auch der Obernotarius sollen bei der Tuer sitzen. Somit kann der Obernotarius sich schneller um Korrespondenz kuemmern und der Primicerius anfaellige Besucher empfangen, ohne dass diese erst durch die Reihen der Notarii schreiten muessen.


    6. Schreckhaften Notarii wird nahegelegt, sich Wolle in die Ohren zu stopfen, um weniger von stoerenden Geraeuschen abgelenkt zu sein.
    6.1. Alternativ kann Moos verwendet werden.


    7. Es soll eine Putzkraft angestellt werden, sodass das Officium staendig sauber gehalten wird.


    8. Es sollen ein paar Zimmerpflanzen angeschafft werden, um das Arbeitsklima zu verbessern.


    9. Der Primicerius soll besonders wichtige Briefe (beispielsweise von Senatoren) bearbeiten. Diese werden ihm vom Obernotarius zugeteilt.


    10. Falls ein Notarius ueber etwas im Unklaren ist, soll sofort der Primicerius gefragt werden, bevor ein Fehler geschieht.

  • Balbus nahm das Papyrus in die Hand und begann sie zu überfliegen. Hier und da entfleuchte ihm ein etwas ungläubig wirkender Ton. Dann senkte er das Schriftstück und schaute seinen Primicerius an.


    "Du willst ein neues Fenster in die Wand machen lassen?" fragte er. "Ich muss zugeben, dass ich nicht weiss ob das möglich ist. Ich weiss spontan nicht einmal, wer dafür zuständig wäre." Die typischen Tücken einer Bürokratie eben, keiner wusste was andere taten, aber jeder konnte es besser.


    "Der Rest scheint mir soweit in Ordnung und ohne weiteres durchführbar zu sein. Allerdings wirst du keine zusätzliche Putzkraft bekommen. Das Officium wird wie alle anderen von den Palastsklaven saubergehalten, wenn es euch nicht saubergenug ist, such einen der Notarii aus, der ab und an ein Tuch schwingt."

  • Piso lehnte sich zurueck und ein wohliger Schauer durchfuhr ihm bei jedem entsetzten Keuchen des Procurators. Wenn man etwas macht, das nicht vollstaendig revolutionaer ist, hat es sich nicht gelohnt.
    "Ja, das habe ich vor.", entgegnete er der Frage des Procurators. "Es scheint der allgemeine Wunsch der Notarii zu sein. Es waere sinnvoll. Viel mehr Licht. Viel mehr frische Luft. Es wuerde fuer die Arbeitsatmosphaere von unschaetzbarem Wert sein. "Wer koennte dafuer zusatendig sein? Der Procurator a rationibus, oder? Der verwaltet ja das Geld.", mutmasste er.
    Der Procurator gab den weiteren Vorschlaegen aber ohne zu Zoegern das OK, und Piso atmete auf. Jetzt konnte die Arbeit beginnen. Er freute sich schon drauf.
    "Dann werde ich einen Notarius dazu verdonnern.", meinte er. "Der koennte dann auch zusaetzlich dafuer sorgen, dass unsere Verzeichnisse, die dem Procurator a memoria uebertragen werden, in Ordnung sind.", meinte er. "Dann werde ich das tun. Und, ach ja! Noch etwas wollte ich sagen. Heute am Morgen habe ich einen Bittsteller getroffen. mein Vetter, wie das Leben so spielt. Er fragt um eine Audienz bei dir an. Es geht um die Lieferung von wilden Tieren.", erlaeuterte er noch schnell.

  • "Für ein Fenster braucht es aber nicht nur Geld, sondern auch jemanden der die Arbeit ausführt." gab Balbus zu bedenken. "Und da ich nicht denke, dass du es selbst tun willst, müssten wir da erstmal die Zuständigkeiten klären."


    Er legte das Schriftstück auf die Seite und hörte den weiteren Ausführungen des Primicerius zu.


    "Lieferung wilder Tiere? Hat die wer bestellt?"

  • Er zuckte die Achseln. "Leute, die Arbeit suchen, gibt es immer. Die Geldmittel werde ich dem Procurator a rationibus aus der Nase zu ziehen versuchen. Und das Fenster muss ja nicht aus Glas sein, Schildpatt reicht.", entgegnete er. "Wenn sich gar nichts machen laesst, dann! Ja, dann. Dann werde ich die Provision Nummer eins streichen.", sagte er. Dann sollten halt die Notarii elend ersticken, auch wurscht.
    "Nein, die wilden Tiere hat niemand bestellt. Darum geht es ja. Mein Vetter will wilde Tiere an den Kaiser, sprich, an den Staat liefern. Zu diesem Zweck will er gerne mit dir sprechen, um Moeglichkeiten, dies zu bewerkstelligen, zu besprechen. Er waere sicher ein zuverlaessiger und guter Lieferant.", versichterte Piso dem Procurator.

  • "Gut, versuche dein Glück mit dem Procurator, meine Erlaubnis ist dir sicher." sagte er dann noch zum Fenster.


    Über das andere musste er einen Moment nachdenken. "Hmm..." machte er. "Ich wüsste spontan nicht, wozu wir hier wilde Tiere bräuchten. Aber das solltest du wenn dann eh mit dem Procurator a rationibus regeln, da es in seinen Amtsbereich fällt."

  • Fuer eine Sekunde dachte Piso wirklich, der Prudentier wuerde nicht ihn ansprechen, sondern... ausgerechnet!... das Fenster, welches hinter ihm war. Er blickte unwillkuerlich zurueck und verwarf den stupiden Gedanken. :D
    "Also habe ich einen doppelten Grund, zum procurator a rationibus zu gehen. So viele Kompetenzen... ich werde erst langsam schlau aus den Arbeitsverteilungen hier." Es war schon etwas konfus, aber war hatte er sich erwartet? Er war hier, in der Verwaltung des roemsichen Reiches. Da konnte nicht alles einfach sein.
    "Dann werde ich gehen, wenn du nicht noch etwas brauchst."

  • Balbus war gerade dabei einen Brief an einen wichtigen Klienten des Kaisers zu beenden, als jemand an seine Tür donnerte. Er zuckte leicht zusammen und verunstaltete dabei einige Wörter mit einem fiesen langen Tintenstrich. Er blickte verärgert auf das Papyrus und dann zur Tür. Sein Blick hätte eine Gorgone versteinern und in zwei Teile zerschlagen können, als er ein lautes "JA!" in Richtung Tür grollen liess.

  • Das "Ja" des Prudentiers klang eindeutig genervt. Piso hatte wohl zu laut angeschlagen. Doch dies liess seine eigene Wut, die jene des Procurators wohl zu einem lauen Lueftchen machte, nicht entschwinden.
    Er oeffnete die Tuer, trat ein und knirschte mit den Zaehnen. "Salve." Er seufzte. "Es war aussichtlos. Ich habe nichts erreicht. Nichts. Was soll ich jetzt meinen Notarii sagen? Was soll ich meinem Vetter sagen? Ahhh!" Er griff sich an seine Stirn. Es war zum an den Plafond springen. Und er konnte nichts ausrichten gegen den Procurator a rationibus. Er atmete tief ein und aus. Nur ruhig Blut. Sien Blick wanderte zum Brief, er wusste sofort, was der Grund fuer die Verunstaltung des Schreibens gewesen war. "Tut mir Leid wegen dem Brief. Schreib ihn ruhig fertig, ich werde dann eine Reinschrift machen." Oder sie einen Notarius machen lassen. Anscliessend holte er noch einmal tief Luft.
    "Procurator? Darf ich ganz, ganz offen reden?"

  • Balbus seufzte leicht, als der Flavier sich offensichtlich über den Procurator a rationibus aufregte.


    "Salve Flavius." sagte er dann erst einmal und fragte dann: "Hat er dir einen Grund genannt?" Balbus glaubte das zwar nicht, aber es konnte ja sein.


    Den Brief kommentierte er nicht weiter, sondern legte einfach nur die Feder zur Seite und sagte: "Natürlich darfst du offen reden."

  • "Gruende? Bei Iupiter, Gruende." Um Gruende zu nennen, musste der kerl erst einmal Verstand haben. "Ohne zu wissen, was in meinem Officium vorgeht, hat er das Fenster als unnoetig abgeblockt. Und die Gruende, wieso er meinen Vetter nicht mit ihm sprechen lassen will, waren noch fadenscheiniger." Nochmals griff er sich an die Schlaefen. Ruhig Blut. Sachlich bleiben. Er seufzte genervt ob des Mannes und war sehr beruhigt, als ihm Balbus sagte, er koenne offen reden. Wenigstens einer, der ihm zuhoeren wuerde.
    "Also, im Vertrauen... dieser Plennier ist eine Zumutung. Frage meinen Kollegen, den Primicerius a rationibus. Frage einen beliebigen Notarius aus der Kanzlei, aus meinem Officium oder dem des Vinicius Sabinus, und sicher sind die Meinungen nicht anders beim ab epistulis. Wenige werden positive Worte finden, um den Mann zu beschreiben. Er ist unfreundlich und somit destruktiv fuer eine gute Arbeitsatmosphaere. Er ist blind fuer Neuerungen und innovationsfeindlich. Und selber arbeiten? Lieber waelzt er das auf seine Untergebenen ab. Kurz gesagt, der Mann hat, mit Verlaub, ein Brett vorm Kopf. Was schade ist. Vor allem dann, wenn man bedenkt, dass es bei weitem geeignetere Kandidaten fuer diesen Posten gibt.", meinte er... mit einem ganz bestimmten Namen im Hinterkopf. Nein, nicht den Seinigen. Aber von einem Mann, den er wahrhaft gerne statt des Plenniers im Officium sehen wollte...

  • Balbus hörte sich die Ausführungen brav an, wartete aber eigentlich noch immer darauf, dass der Flavier ihm die Gründe nannte, die der Procurator ihm genannt hatte, denn irgendwie war er sicher, dass er welche genannt hatte. Er hatte immerhin selbst schon oft genug mit dem Mann zu tun gehabt.


    "Nun, er wäre nicht auf seinem Posten, wenn nicht jemand davon überzeugt wäre, dass er dafür geeignet ist, da kannst du dir sicher sein." erwiderte er dann auf die offenen Worte des Flaviers.
    "Aber du sagst, dass es weitaus geeignetere Männer gibt, kannst du mir einen Namen nennen?"

  • Nochmals atmete er durch, er wusste, er wuerde, so aufgebracht wie er war, nicht sonderlich weiterkommen. Normalerweise sang er immer, wenn er aufgeregt war. Doch das war in jener Situation nun etwas unangemessen.
    "Hm, ich sollte die Gruende besser ausfuehren, die er mir genannt hat. Erstens hat er gesagt, Arbeiten am Fenster wuerden die Arbeit beeintraechtigen. Das stimmt, auf die kurze Dauer gesehen. Doch es wuerde ein Arbeitsklima und eine Aesthetik schaffen, von der Procuratoren noch jahrhundertelang zehren koennten!", schwaermte er, traeumte er doch schon innerlich von einem pisonischen Fenster. :D
    "Bei den Tieren hat er einfach gesagt, er will meinen Vetter nicht hoeren. Weil es schon Lieferenaten gibt. Ohne zu bedenken, dass die Tiere meines Vetters qualitativ wertvoller sein koennten. Es waere nur ein Gespraech gewesen, das ich und mein Vetter verlangt haette. Aber nein, der Herr tut sich nicht die Muehe an." Nur nicht aufregen! Das wuerde dem Blutdruck schlecht tun!
    "Jemand.", wiederholte er trocken und schluckte. Fast haette zu einer Breitseite gegen den auf flavischer Seite nicht sehr geliebten Kaisers ausgeholt. Doch er hielt sich in Zaum.
    Doch nun kam der Augenblick, auf den er gewartet hatte. Mit einer wichtigen Geste zog er eine Schriftrolle aus einer Falte seiner Toga. "Ich war so frei, bei der Poststelle vorbeizuschauen. Und habe das hier gefunden."
    Er legte es auf den Tisch.


    Der Kommandant der Flotte in Misenum, Lucius Annaeus Florus, an seinen Oberbefehlshaber, dessen engsten Berater und das beratende Consilium,


    Mein Kaiser, meine Herren,


    Schon wieder ist eine weitere Amtsperiode verflogen und ich weile noch immer in Misenum, eurem direkten Befehl gehorchend. Dabei warte ich täglich auf Nachricht von meinem Nachfolger, oder von euch, wie ich in dieser Situation weiter vorgehen soll. Da keine Nachricht eintrifft, geht der Dienst gemäss den normalen Regeln weiter.


    In der Zwischenzeit wurde aber auch ein Piratennest ausgeräuchert und es haben sich erneut einige Männer hervorgetan bei dieser Mission.


    Vorallem betrifft dies die Person des Centurio Classicus Titus Decimus Verus. Ich habe ihn euch bereits einmal für die Erhebung in den Ritterstand empfohlen. Gemäss meinen Informationen scheiterte dies damals vorallem daran, dass ich euch keine konkrete Anstellung für diesen Mann empfehlen konnte. In der Zwischenzeit hat sich der Centurio nicht nur in seinem Dienst ausgezeichnet verhalten und weitere Auszeichnungen erhalten, er hat sich auch für ein vakantes Amt entschieden, welches er gerne ausüben möchte. Konkret strebt er die Position als Curator Kalenadarii an.


    Ich kann euch, mein Kaiser, meine Herren, diesen Mann nur empfehlen und verbleibe, mit freundlichem Gruss und grösster Ehrerbietung,


    Lucius Annaeus Florus



    "Es handelt sich, wie du erkennst, um den ehemaligen Praefectus der Flotte in Misenum. Und er schlaegt Titus Decimus Verus vor.
    Ich weiss, die Empfehlung ist nicht wegen eines Posten als Procurators. Aber ich habe die Ehre gehabt, jenen aussergewoehnlichen decimischen Kriegshelden kennen zu lernen. Wir kamen ueber den Beruf ins Reden, und er hat mir gesagt, eine Position, die er ueberdies anstrebt, ist die des Procurator a rationibus. Zwar wurde jenes Berufsbild nicht im Brief angegeben, aber stattdessen muendlich abgegeben, wie mir glaubhaft versichert wurde. Ich denke unbedingt , dass du ihm einen Termin, und somit eine Chance, geben solltest.",
    erklaerte Piso.

  • "Nun, das mit den Tieren hatte ich dir so in der Art aber auch schon gesagt." sagte Balbus. "Und was das Fenster angeht, werde ich nochmal mit ihm reden."


    Das Schreiben, das der Flavier dann hervorzauberte, betrachtete Balbus erst einmal mit Interesse, als er dann aber den Namen las um den es ging, verdunkelte sich seine Miene ein wenig. Dieser Name schien ihn in letzter Zeit zu verfolgen und scheinbar spielten die Götter ihm einen bösen Streich. Er legte den Brief ab und schaute den Flavier an.


    "Das Amt des Procurator a rationibus ist nicht unbedingt eines, das man einem unerfahrenen, frisch gebackenen Ritter überträgt." sagte er. "Es gehört eine gewisse Erfahrung dazu und wenn man es genau nimmt, wäre selbst eine Qualifikation für das Amt, das Annaeus Florus in seinem Schreiben erwähnt schon deutlich zu hinterfragen."


    "Ich denke nicht, dass dieser Mann wirklich ein geeigneter Kandidat wäre."

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