ZitatAlles anzeigenOriginal von Sextus Aurelius Lupus
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“Irgendwas ist schief gelaufen. Ich nehme an, Tiberius hätte uns noch gewarnt, bevor sein Mann tätig wurde. Es war zu schnell und zu überstürzt“, antwortete Sextus so gut es ihm möglich war auf die leise Frage seines Vetters. “Ich weiß nicht, ob Vescularius einen Informanten hat oder nur auf gut Glück alle politischen Gegner ausschält. Tiberius und die Vinicii haben durchaus öfter gegen ihn Partei ergriffen. Vinicius Lucianus hatte bei seiner letzten Rede vor dem Senat zu seiner Kandidatur ja noch betont, dass er die Senatoren gegen Vescularius wieder stark machen wolle. Worte wie Hochverrat sind damals ja schon gefallen. Aber ich würde momentan nicht wetten.“
Vielleicht kam es dem Vescularius gar nicht ungelegen, dass Valerianus gestorben war, und vor allem sein Sohn mit ihm. So hatte er jede Legitimation, alle ihm unliebsamen Feinde aus dem Weg zu räumen und als Mörder zu präsentieren. Dass er dabei sogar recht hätte, war da schon beinahe nebensächlich. Er brauchte nicht einmal zwingend die Wahrheit wissen, um sich selbst in Position bringen zu können.
Avianus... Avianus... Sextus Gedanken drifteten wieder weiter in Richtung Somnus' Reich. Er zwang sich, die Augen weit zu öffnen und auf die Frage zu antworten. “Welchen Grund sollte er haben, zu diesen Zeiten mehrere Tage lang nicht nach Hause zu kommen? Meinst du, er wäre gegangen, ohne seine Verwandten zu warnen oder mitzunehmen?“ Sextus hätte ihn auch mitgenommen. Einfach aus Prinzip, weil sie denselben Gensnamen trugen.
“Wie kommst du jetzt ausgerechnet auf den Cornelier?“ fragte Sextus zurück und versuchte, zu eruieren, ob er nur einen Moment weggenickt war und vergessen hatte, dass sie sich über den Cornelius unterhalten hatten, oder ob sein Vetter da gerade tatsächlich aus heiterem Himmel gerade auf den zu sprechen kam.
“Den Annaer kenn ich gar nicht. Oder... stimmt nicht, er war beleidigt, weil ich den Prätor nicht überreden konnte, ihm eine Erbschaft zuzusprechen, als ich Vigintivir war. Ist aber schon Jahre her.“
Einen Moment schien die Müdigkeit wieder nonexistent zu sein, als Setus einen wachen Punkt erreichte. Es würde sich vermutlich gleich umso schrecklicher rächen, da war er sicher, aber im Moment fühlte er sich aufnahmefähig. Oder zumindest so etwas ähnliches, hatte das beständige Brummen hinter seiner Stirn einem fast rauschartigem Hochgefühl Platz gemacht.
“In Rom hat Vescularius die Cohortes, die Vigiles und die Prätorianer hinter sich. Mit denen hält er die verdammten Mauern einen ganzen Monat, wenn es sein muss. Schutzlos würd ich das nicht nennen. Wenn ich er wär, wär mein erster Bote zu meinen Truppen nach Pannonia gegangen, und mein zweiter an Marius Turbo. Und wenn die nicht schlafen, dürften die auf dem Weg hierher sein. Allzu viel Zeit würd ich uns nicht einräumen.“
Es schien fast, als würde Lupus gleich schlafend vom Stuhl fallen. Mehrmals sah es so aus, als müßte er sich zwingen, wach zu bleiben. Es war nicht so, daß Ursus blind war dafür. Aber er brauchte so dringend Informationen, daß er auf die Bedürfnisse seines Vetters im Augenblick wirklich keine Rücksicht nehmen konnte. Die Ausführungen zu den Verhaftungen und zu Avianus waren einleuchtend, was nicht gerade zu Ursus' Beruhigung beitrug. Diese Themen ließ er daher vorerst fallen. Alles was sie weiter darüber sagen konnten, würde eh nicht mehr als Spekulation sein.
„Wie ich auf den Cornelier komme?“ Ursus blickte seinen Vetter ungläubig an. Seine Stimme war so leise, daß vermutlich selbst Lupus schon Schwierigkeiten hatte, ihn zu verstehen. „Hat Tiberius Durus nicht mit Dir über ihn gesprochen? Als ich das letzte Mal in Rom war, sprach er mit mir über ihn. Ich meine... wenn der Anschlag auf Durus' Pläne zurück geht, dann muß Cornelius doch vorbereitet gewesen sein? Weißt Du nichts darüber?“ Verflucht noch eins, er mußte dringend wissen, wo und wie der Widerstand gegen Vescularius sich organisierte!
„Natürlich hat er die Stadteinheiten, aber stehen sie wirklich so treu hinter ihm? Die Praetorianer? Sehr viele von ihnen dienten noch unter Prudentius Balbus, diese Männer stehen bestimmt nicht treu hinter Salinator. Und die Truppen aus Pannonia würde ich an seiner Stelle auf Germanien ausrichten. Dort stehen so viele Legionen, daß sie ihm sehr gefährlich werden können, wenn sie nicht auf seiner Seite sind. Kann er sich ihrer sicher sein? Sextus, glaube mir, ein paar Tage sind wir hier auf jeden Fall noch sicher. Lange genug auf jeden Fall, daß Du Dich ausruhen kannst und wir besprechen können, wie es weitergehen soll. Geh und leg Dich schlafen. Im Praetorium findest Du alles, was Du brauchst. Meine Sklaven werden sich gut um Dich kümmern.“ Er sollte einen Boten nach Germanien schicken. Die Pässe waren noch zu, das war ein vertrackter Nachteil. Aber man konnte die Alpen ja auch umgehen. Das kostete Zeit, war aber nicht unmöglich.