Der Flavier strich sich bedächtig über die Stirn, um dann plötzlich eben jenen Finger in die Höhe zu hieven.
"Das werden wir müssen, junger Caius!", ertönte es etwas lauter und er strich sich wieder über das Kinn, ehe er bemerkte, dass diese vage Formulierung für einen jungen Aspiranten auf einen Platz im Senat nicht hinreichend war.
"Es gibt seit je her Gräben im Senat. Ich spreche bewusst nicht von Fraktionen oder Gruppierungen. Das wäre vielleicht vor dem Debakel, damit meine ich den Bürgerkrieg, noch vertretbar gewesen - heute keineswegs! Es zeichnet sich ab, dass gewisse geistige Umtriebe, insbesondere bei den Homini Novi, langsam politische Entscheidungen zu einem gewissen Kurs hin bewegen. Dieser ist zweifelsohne uns, die alten Familien Roms, jeglicher rechtmäßiger Privilegien zu berauben, um eine neue Ordnung zu erschaffen. Eine Ordnung, die den Blick von uns als privilegierte Schicht abwendet und eher den Status des Senators als neuen Patrizier definiert. Die Germanici sind die ersten Verfechter dieser Theorie, gehörte doch insbesondere einer dieser Sippe zu diesem schändlich neuen Geldadel. Und um diesen zu sichern, fordert er schon seit Dekaden unsrige Steuerfreiheit aufzuheben und diese den Senatoren zukommen zu lassen. Natürlich ist dies primär der Sicherstellung und Ausweitung des persönlichen Vermögens geschuldet. Reudiges, geldgeiles Pack!", stieß er aus und wandte sich verächtlich zur Seite. Dort standen sorgfältig die Büsten der flavischen Kaiser.
"Natürlich dreht sich, und das zu meinem Bedauern, heutzutage fast alles um den schnöden Mammon. Unsere Geburtsrechte, unseren Status, bin ich jedoch nicht gewillt kampflos zu verlieren. Was geschehen mag, wenn diese Gruppe an Überhand gewinnt, haben wir alle schmerzlich unter Salinator erfahren dürfen. So ein Verbrechen darf sich nicht wiederholen.
Diese Gruppierung muss bekämpft werden. Warum, junger Caius?", und ehe er die Antwort des jungen Mannes abwartete, sprach er selbst die für ihn gravierende Wahrheit aus: "Weil es schändlich genug ist die persönlichen Rechte und Vorteile in das erste Licht zu rücken und die Staatsräson hinten an zu stellen. Weil es schändlich ist dem Mammon nachzulaufen anstatt Rom als eine glorifizierte Idee und einen Traum zu begreifen. Weil es schändlich ist, und das ist der wichtigste Punkt, dass diese egoistischen Züge die Agressionen in den eigenen Reihen hervor rufen, anstatt sich auf die wesentlichen Probleme Roms mit den Barbaren und Parthern zu konzentrieren. Im Endeffekt kämpfen Römer gegen Römer, Brüder gegen Brüder, und das, junger Caius, wird der Tod dieses glorreichen Imperiums sein. Das kannst du mir glauben.
Und wir müssen alles daran setzen, um die Staatsräson nach außen zum wichtigsten Thema zu machen. Denn wenn wir an den Grenzen schwach sind, weil wir uns im Innerene bekämpfen, hat der Barbar leichtes Spiel mit uns und steht, die Götter mögen dies vermeiden, irgendwann wie Hannibal ante portas.
Und dann, ja dann, werden diese Parasiten endlich verstehen, dass sie durch ihre egoistischen Machenschaften Rom in den Ruin getrieben haben. Nur wird es zu spät sein."
Und just in diesem Moment bemerkte er, dass aus dem Dialog nun eine kleine Rede wurde, dass er zu viel Pathos hinein gebracht hatte und eigentlich vom Thema recht schnell abgewichen war, da es für ihn eine beschlossene Sache nach der Verlautbarung des Caius war.
"Das kannst du übrigens als die erste Lehrstunde betrachten, junger Caius. Wir patrizier, und andere ehrbare Familien Roms, müssen uns im Schulterschluss üben. Beziehungen sind daher von großer Bedeutung. Pflege sie wie die Blumen im eigenen Hortus, sie dürfen nicht verkommen - insbesondere unter euch Jungen, die ihr die nächste Generation darstellt. Ihr müsst lernen persönliche Querelen zum Wohle Roms zu überwinden.", er hob abermals den Zeigefinger.
"Und damit meine ich keineswegs, dass du dich nun anbiedern musst. Kokettiere ein wenig, doch wisse um deine politischen Grenzen. Wer ein Strohalm bleibt, wird irgendwann im Winde umknicken. Ein großer Baum dürfte dies nicht."