Beiträge von Manius Flavius Gracchus

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    Original von Claudia Antonia


    Es war unvermeidbar gewesen, denn das Schicksal begünstigte niemanden in zweifacher Ausführung in Folge, zumindest nicht ihn, der er zudem nie sonderlich hoch in der Fortunens Gunst hatte gestanden, ohnehin waren die letzten Saturnalien in Abwesenheit seiner Gemahlin vermutlich mehr Bezeugung ihrer Gunst gewesen, als er hatte verdient - der Gunst der Fortuna, oder womöglich der seiner Gattin, oder beider. Keine der Sklavinnen konnte in ihrem Anblick bestehen, Antonia bewegte sich durch das Atrium auf ihn zu, als würden ihre Füße den Boden nicht berühren, als schwebte sie auf sanften Wolken dahin, eine Aura um sich herum leuchtend, einen diaphanen Glanz, bis dass sie vor ihm stand, unschuldig, mit lauterem Lächeln und einem Saturnaliengruß auf den Lippen, welcher seiner Farce mindestens wäre ebenbürtig gewesen, wäre nicht die seine in eben jenem Moment ein wenig ins Wanken geraten ob ihrer Anwesenheit.
    "Bona Saturnalia!"
    Es war wahrhaftig nicht adäquat, doch nichts wollte ihm in die Sinne gelangen, was einer Ehefrau wäre angemessen, vor allem und insbesondere nicht seiner eigenen, zudem war er zu derangiert über die Existenz ihres Geschenkes - nicht, dass dies nicht wäre zu erwarten wäre, doch letztlich gereichte es dennoch dazu, ihn zu frappieren.
    "Danke."
    Zögerlich stellte er den Beutel mit den Saturnaliengaben für die Gäste ab und ergriff ihr Geschenk, ließ einige Herzschläge lang seine Fingerspitzen über die raue Oberfläche des Pergamentes gleiten und löste schlussendlich das Band, welches sie in gerollter Form hielt. Er war auf alles gefasst, doch nicht auf das, was seine Augen zu erfassen begannen. Bereits nach den ersten Zeilen hatte er die Schrift erkannt - das geschwungene Pi, das große Xi, welches beinahe nur noch aus drei Punkten untereinander bestand, das gedehnte Delta und das kleine Omega, welches kaum mehr als ein kleines Ypsilon war, die Art und Weise, wie die einzelnen Zeichen sich aneinander schmiegten, die Wörter ineinander über gingen, die Sätze in feinen Linien ausklangen - und als er die letzten Worte der Schrift entrollte, drang bereits ein subliminales Zittern in seine Hände. Als hätte er den Geist der Saturnalia persönlich erblickt, schaute er Antonia an. Hatte sie dies entschieden, hatte irgendwer ihr dies empfohlen, oder wusste sie nicht einmal, was sie verschenkte? Nein, unzweifelhaft musste sie sich dessen bewusst sein nach dem sublimen Aufblitzen in ihrem Augen zu urteilen.
    "Danke"
    , wiederholte er noch einmal, sprachlos, supprimierte in sich den Drang, sie um Exkulpierung zu bitten, spürte in sich Scham emporsteigen ob seiner klandestinen Insimulation ihr gegenüber. Aquilius hatte Recht behalten.
    "Ich ..."
    Hilfesuchend blickte er sich um. Er war noch nicht an jenem Punkt angelangt, an welchem der Plan die Verteilung der familiären Geschenke vorsah, doch Antonia hatte jegliche Pläne ad absurdum geführt. Mit einer harschen Handbewegung winkte er den Freien zu sich heran, welcher über die persönlicheren Präsente Wacht hielt, und welcher sogleich zu ihm trat, das passende Kästchen mit dem kostbaren Geschmeide ihm anreichte.
    "Es verblasst in deinem Angesichte, verzeih, doch es gibt nichts auf dieser Welt, was deinem Strahlen könnte auch nur im Ansatz gerecht werden."

    Nachdenklich nahm Gracchus den Becher vor sich und schwenkte die klare Flüssigkeit darin, als wäre es rotfarbener Wein, konnte gleichsam doch mit dem Blick nicht darin versinken, nicht eintauchen, da er ungehindert bis zum Boden des Gefäßes drang.
    "Die Kammern der Flavier sind wahrlich zahlreich und bei den meisten ist es sicherlich besser, wenn sie auf immer verschlossen bleiben. Dennoch, wir sind Flavier und dies verpflichtet. Es gibt keine Möglichkeit dieser Pflicht zu entkommen ohne die Familie in Schande zu stürzen und darob ihren Zorn auf sich zu ziehen. Ein glühendes Feuer wohnt uns inne, verborgen zumeist, hinter dicken Brandschutzmauern wie die Subura hinter dem Tempel des Mars Ultor, doch wenn es ausbricht, so ist es verheerend, verzehrend, alles um sich herum."
    Brach es nicht aus, so verzehrte es bisweilen schlussendlich seinen Träger selbst. Fort von den einengenden Grenzen des silbrigen Bechers hob sich Gracchus' Blick zu Lucanus, so beneidenswert unbeschwert schien dieser, sorglos, hispanisch vielleicht, ein wenig wie Caius. Wie der sorglos unbekümmerte Caius, welchen doch letztlich sein Erbe hatte eingeholt, welcher noch immer unbeschwert leidenschaftlich war, doch längst nicht mehr sorglos unbekümmert. Ohne einen Schluck von dem erfrischenden Wasser sich einzuverleiben, stellte Gracchus den Becher zurück auf den Tisch, da er eines klandestinen Zitterns seiner Hände wurde gewahr, welches nicht von der Kälte der Flüssigkeit herrührte, und ob dessen er diese ineinander faltete und auf der Platte vor sich ablegte.
    Es gibt kaum noch eine flavische Frau überhaupt. Leontia, deine Großtante, und Arrecina, die Tochter des Aristides, hat das Jahr uns ebenfalls geraubt, und obgleich sie keine vestalischen Jungfrauen waren, so waren sie doch ebenso unschuldig und rein, und es scheint fast, als würden die Götter solcherlei unbefleckte Makellosigkeit dieser Welt nicht mehr gönnen, da sie in so kurzer Folge sie aus dem Leben rissen."
    Zweifelhaft war an diesem Gedanken letztlich nur, was die Götter mit Quintus wollten anfangen, welcher fern von Unschuld und Reinheit gewesen war - selbst Gracchus, welcher nicht gänzlich um die Verderbtheit seines Bruders wusste, musste dies sich eingestehen.
    "So bleibt letztlich nur meine Schwester Minervina, doch sie ist kaum zur Vestalin geeignet."
    Er beließ es bei dieser Aussage, obgleich der Zweifel an ihrer Unschuld leise darin mitschwang.
    "Der Staat wird darum auf die nächste Generation Flavia hoffen müssen."
    Dies war ein Grund, weshalb Gracchus insgeheim hoffte, dass, so er überhaupt je einen Erben in die Welt würde setzen können, dies keine Tochter würde sein, denn ob der erlebten Diffizilität, einen Erben überhaupt zu zeugen, wollte er nicht den ersten und womöglich einzigen Nachkommen, welcher je ihm vergönnt würde sein, an den Cult der Vesta verlieren, so dass letztlich zwar einer Pflicht war genüge getan, doch das Fortbestehen seiner Linie nicht von Dauer war. Denn wie wohl jeder Römer aus altem Geschlecht, sorgte sich Gracchus um das Weiterleben seiner Familie. Er blickte zurück auf eine nahezu endlose Kette von Ahnen, von welchen jeder einzelne seinen Teil zur Größe der Gens hatte beigetragen, und es war eine seiner schwerwiegendsten Pflichten, jene Linie fortzusetzen, auf dass der Strom, welcher sich in eine ferne Zukunft sollte ergießen, nicht unterbrochen wurde.

    "Wir können die Rinder unmöglich bis nach Alba Longa tragen"
    , ereiferte sich sogleich Cincius Privernas, seines Zeichens selbst Senator, wenn auch aus den Reihen der eher unbedeutenden pedarii.
    "Weshalb überhaupt der Anfang Roms oder des römischen Volkes? Womöglich ist auch der Anfang der Misere gemeint, dann wäre es der Tempel der Vesta, an dem das Opfer vollzogen werden sollte."
    Jener Überlegung mochte auch Gracchus, zumindest in Teilen, zustimmen.
    "Der Tempel der Vesta sollte zumindest in jenem divinen Heim inkludiert sein, denn Vesta ist es schließlich, von welcher wir am ehesten Exkulpierung müssen erbitten. Das pomerium scheint auch mir daher geeignet, zählt es doch seit jeher zu den sacra unseres Staates, zudem zeigt auch diese Grenze die Anfänge, denn es weist uns die erste Mauer Roms."
    "Das Opfer sollte dann auf dem Forum Romanum enden. Es wird immerhin ein nicht gerade kleiner Akt und dort ist genügend Raum. Wir könnten zehn Altäre aufstellen und weihen, so dass alle Rinder gleichzeitig geopfert und damit das gesamte Pantheon zugleich bedacht werden kann."
    "Das pomerium umfasst allerdings nicht den kapitolinischen Hügel. Können wir es wirklich wagen, den Tempel der göttlichen Trias aus dem lustrum auszuschließen?"

    Ein leises Auflachen echappierte Gracchus' Kehle, welches selten sonstig zu hören war, selbst innerhalb der Mauern der Villa Flavia, und er konnte nicht das amüsierte Lächeln von seinen Lippen, das schalkhafte Aufleuchten aus seinen Augen vertreiben. Vermutlich würde der Geist Lucanus' Mutter sich jenen Ahnen anreihen, welche der flavischen Familie im Allgemeinen und Gracchus im Besonderen stetig im Nacken saßen, denn kaum schien es ihm, als hätte die Foslia ihren Sohn in flavischem Bewusstsein erzogen, mit Bedacht sicherlich, sondern ihn vor jenem Erbe zu schützen versucht, bis dies ihr nicht mehr war möglich gewesen und sie keine andere Wahl mehr hatte gehabt denn ihren Sohn dieser Last auszuliefern, welche nun Aquilius und er auf Lucanus' Schultern aufluden, einer Pflicht und Verantwortung folgend, welche stets von Generation zu Generation wurde weiter getragen, ohne dass die Gesamtheit wagte, sie zu durchbrechen.
    "Durchaus ist dein Zweifel gerechtfertigt, denn gar so zahlreich wie jene Makel sind die Vorzüge tatsächlich nicht, doch vieles wird durch Abstammung allein bereits ausgeglichen, durch unzählige, längst verblasste Namen einer alten, traditionsreichen, italischen Familie, und wer braucht schon den göttlichen Romulus in seiner Ahnenreihe, Aeneas gar, so er die Verbindung zu einem kaiserlichen Geschlecht kann nachweisen? Deinen Großonkel Felix erwähnte ich bereits, ehrwürdiger Senator und Mitglied des kaiserlichen consilium principis, als vermutlich einflussreichstes, noch lebendes Mitglied unserer Familie, dazu dessen Sohn Furianus, ebenfalls Senator und Proconsul der Provinz Hispania. Deine Großtante Agripppina, meine Schwester ... sie war ... die Virgo vestalis maxima ..."
    Er stockte, zögerte, suchend huschte sein Blick über die Tischplatte, ehe er leicht den Kopf schüttelte und fort fuhr.
    "Sie wurde ermordet, kürzlich erst, noch ist ... nichts ..."
    Mit einer unbestimmten Geste wischte Gracchus das Thema bei Seite.
    "Nun, ihr Glanz wird noch einige Zeit lang auf uns nach scheinen. Aquilius, ja, er stand schon immer auf der Seite der Vorzüge dieser Gens, mehr noch nun, da er sich dazu entschlossen hat, dies der Welt zu zeigen. Und ich ..."
    Den Kopf ein wenig schief gelegt sog Gracchus für einen Augenblick die Unterlippe zwischen die Zähne, zuckte hernach mit den Schultern.
    "Es gibt wenig Vorteile, ob deren es sich würde lohnen, mit mir verwandt zu sein. Bis auf den Umstand, dass die Obhut dieser Villa derzeit in meinen Händen liegt, und du darum ein Dach über dem Kopfe hast."

    Sein Name erklang, merkwürdig fremd und doch so vertraut, und mit einer erlösenden Sturmflut wurde die Ungewissheit hinfort gespült. Ergeben ließ sich Gracchus zurück sinken, den warmen Körper seines Vetters beruhigend neben sich spürend, blickte zur Decke hinauf, welche ob des trüben Lichtes unendlich weit fort schien.
    "Kennst du dieses Gefühl, wenn du morgens erwachst und vergessen hast, wer du bist? Wenn du nicht mehr weißt, wo du bist und was geschehen ist, was deine Existenz ist? Denn du bist niemand, du bist nichts, völlig belanglos, dein Leben zu unwichtig und marginal, sich daran zu entsinnen. Doch du spürst in dir, dass du dich etwas erinnern musst, etwas unermesslich wichtigem, doch so sehr du dich bemühst, es will dir nicht gelingen. Irgendwann dann holt die Realität dich ein, dein Name, deine Person, der Raum und dein Leben, all dies wird dir in seiner Alltäglichkeit gewahr. Doch das Wichtige, das, was sich zwischen Verlassen und Betreten des Alltäglichen zutrug, dies hast du in diesem Augenblick endgültig vergessen, auf ewig."
    Zur Seite hin drehte er sich, hob eine Hand und strich zärtlich durch das vom Schlaf zerzauste Haar seines Geliebten.
    "Jeden Moren erwache ich mit diesem Gefühl, dass die bedeutsamsten Augenblicke meines Lebens unbemerkt an mir vorüber ziehen, ich ihrer vergesse. Doch heute gabst du mir meinen Namen zurück, mein Ich, und die Erinnerung an etwas unermesslich Bedeutsames, etwas, dessen ich mich in jeder Einzelheit erinnere, in jedem euphorischen Detail, real und gleichsam dabei wichtiger als alles, was je war."
    Langsam beugte sich Gracchus über Aquilius, hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen, die morgendliche Erregung in sich hinab kämpfend, denn er wollte, er konnte nicht die Alltäglichkeit zwischen sie treten lassen.
    "Mein Leben."
    Rasch drehte er sich fort von ihm, schlug die Decke zurück und floh aus dem Bett. Das Wasser in der Waschschale auf dem schmalen Tisch am Fenster war kalt, vom Vortage noch dort, doch entgegen seiner üblichen Abneigung ob dessen, genoss Gracchus die kühlen Tropfen an diesem Tage in seinem Gesicht, welche die Sinne im klärten. Er befreite die Fenster von ihren Läden, entriss den Raum der Dunkelheit und stand schlussendlich in seiner natürlichen Blöße im lichtdurchfluteten Raum.
    "Es ist schon spät."
    Rasch streifte er sich die Tunika vom Vortag über den Leib, welche achtlos zu Boden geworfen auf diesem die Nacht über hatte ausgeharrt, kehrte zum Bett zurück, beugte sich noch einmal zu Aquilius hin, mochte sich nicht von dem unschuldigen Anblick des Verschlafenen lösen.
    "Ich werde den Tag im Balneum beginnen. Bleibe hier, solange du möchtest, ich schicke nur Sciurus herein, mir ein neues Gewand zu holen, und weise ihn an, hernach niemanden sonst ein zu lassen."
    Ein zufriedenes Lächeln kräuselte Gracchus' Lippen, noch einmal musste er dem Geliebten einen Kuss abzwingen, da er glaubte sonstig in seiner Person zerspringen zu müssen.

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    Original von Ursus, Corvinus und Aquilius


    Mit einem dankbaren Nicken nahm Gracchus Ursus' Geschenk entgegen.
    "Ein Schiff, welches selbst sich den Weg durch die Dunkelheit leuchtet - eine überaus sinnvolle Angelegenheit, so man rechtzeitig den Absprung zurück auf das Festland schafft, ehe das Wachs unter den Füßen zu schmelzen beginnt. Hab Dank, Aurelius."
    Unbemerkt schlich der nomen gentile sich in Gracchus' Satz, zu sehr war die Distanz in ihm verwurzelt, als dass er ohne besonderes Augenmerk darauf sie konnte aus sich drängen. Die kleine Gabe des zweiten Aureliers folgte, Corvinus - Freund seines Geliebten, ein merkwürdiges Beziehungskonstrukt und ihm längst nicht geheuer, obgleich von Seiten Aquilius' völlig ohne Bedenken zu betrachten, so doch von des Aureliers Position her mit Aufmerksamkeit zu observieren, da doch selbst dessen Sklaven dramaturgisch des Aquilius' Pendant mit demjenigen des Aurelius' hatten ziehen lassen. Zudem schwang im Anblick Corvinus' ein leichtes Gefühl des Schames in Gracchus Gemüt ob der Begebenheiten am Tempel der Vesta, welche womöglich durchaus nachvollziehbar, doch mitnichten verzeihlich gewesen waren.
    "Ich danke dir. Wie überaus passend, sind doch viele der Pergamente, welche durch meine Hände gehen, von solch folgenschwerer Güte, dass nur ein gewaltiges Tier sie am Boden der Tatsachen halten kann."
    Es war Gracchus ein leichtes, den geforderten Mimen zu geben, solange es um nichts ging - und um nichts ging es während der Saturnalia - doch sobald die Sachlage in prekäre Gefilde abzudriften drohte, wurde gänzlichen Mutes er verlustig und jeglichen Talentes. Seitdem sein Vater nicht mehr unter den Lebenden weilte, gab es nur noch drei Personen, welche ein solches Debakel konnten herbeiführen - seine Gemahlin Antonia, Aristides' Mutter Agrippina und sein Vetter Aquilius, die ersteren aus Gründen der eisigen Frostigkeit, welche sie stetig zum umwehen schien, der letztere aus Gründen des hitzigen Feuers, welches in ihm glühte.
    "Caius,"
    war darum das erste Wort, welches jenem entgegen schlug, ehe sich Gracchus eines besseren besann.
    "Bona Saturnalia, Vetter!"
    Er zog einen kleinen tönernen Stier aus seinem Beutel, womöglich auch einen Ochsen - trotz des Detailreichtums waren die entscheidenden Regionen nicht allzu deutlich ausmodelliert -, und reichte ihn seinem Vetter.
    "Adäquat."
    Flucht nach vorn war stets die beste Verteidigung, je eher er alle Gäste würde begrüßt haben, desto eher würde auch er sich zurücklehnen können. Ohnehin waren die beiden Aurelier mit Aquilius bereits umsorgt.
    "Bitte entschuldigt mich, die übrigen Gäste ..."
    Mit einer weiteren Verbeugung - einen halben Nachmittag hatte er jene Bewegung bis zu ihrem flüssigen Lauf einstudiert, glaubte er doch selbst im Ansinnen der Saturnalia zur Perfektion gereichen zu müssen - verabschiedete er sich und zog weiter seine Runde.



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    Original von Micipsa


    Ein großgewachsener, dunkelhäutiger Mann war sein nächstes Ziel - unzweifelhaft ein Sklave, womöglich aus dem aurelischen Haushalt, wäre eine wohlgebaute Gestalt mit solch markanten Gesichtszügen ihm doch unweigerlich bereits aufgefallen, wäre sie Teil der eigenen Villa.
    "Bona Saturnalia, werter Herr! Willkommen im flavischen Hause! Wenn du die Güte mir gewähren möchtest, dir im Geiste des Saturnus dies kleine Präsent überreichen zu dürfen?"
    Die Figur eines Wolfes war es diesmalig, welchen Gracchus aus dem Beutel griff und Micipsa überreichte.
    "Welch Glücksgriff, es scheint, die Roma ist dir sehr zugeneigt. So sei an diesem Tage um so mehr ein Sohn ihres Volkes und delektiere dich an diesem Fest."
    Auch hier verabschiedete Gracchus sich mit einer Verbeugung vorerst wieder, da der Gast bereits einen Becher Wein in Händen hielt, gab es hier keine weitere Pflicht.



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    Original von Aurelia Prisca


    Im Vorbeigehen wurde Gracchus sich seines Neffen Lucanus gewahr, doch obgleich alle Gäste prinzipiell gleich waren, so würde jener noch einige Augenblicke warten müssen, waren doch erst auswärtige Gäste zu begrüßen. Eine weitere Dame hatte sich im Raume eingefunden, von Stand doch diesmalig ohne Zweifel, hatte Aquilius sie doch beim Fest der Meditrinalia im Hause der Aurelia aus der Ferne mit Namen genannt, Prisca oder Helena musste dies darum sein.
    "Ein jedes Jahr erleuchtet Saturnus mit seinem Licht die Welt, und wahrlich, auch unserem Hause vergisst er nicht, güldenen Glanz zu senden. Bona Saturnalia! Gewähre mir überaus belangloser Gestalt die Gunst, dir dies Geschenk im Geiste der Saturnalia überreichen zu dürfen."
    Es war ein Löwe, welchen Gracchus aus seinem Beutel zog, und Prisca darreichte.
    "Verblassen musste der goldfarbene König in deinem Angesichte, darum ziert nur tönerne Farbe ihn, und doch, welch edles Tier würde mehr dir zur Ehre gereichen. Sei willkommen im Hause der Flavier!"
    Allmählich wurde es ein wenig anstrengend, doch gleichsam war der Beutel mit sigillaria noch immer gut gefüllt.

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    Originale von Caelyn, Tilla, Bridhe, Corvinus und Ursus


    Beschwingte Leichtigkeit, euphorische Freude, harmonischer Weltfrieden, das goldene Zeitalter - die Saturnalia hätten wahrhaftig erhebend können sein, wäre nicht jener marginale Makel, dass der Mann von Welt sich an diesem Tage um alles selbst musste bemühen. Dies begann bereits früh am Morgen mit der Schwierigkeit bei der alltäglichen Reinigung Regionen des Leibes zu erreichen, zu deren Erreichung die Natur den Menschen nicht hatte mit dem rechten Werkzeug ausgestattet, so dass er sich umständlich biegen und beugen musste, zudem Regionen, welche dem Menschen nicht gegeben waren an sich selbst zu blicken, so dass schlussendlich immer ein leiser Zweifel blieb, ob sie tatsächlich von jedem Schmutz befreit waren. Wohl hatte sich aus diesem Grunde die Kleidung etabliert, doch mit der Umhüllung des Körpers nahmen die Unzulänglichkeiten des Lebens nur ihren Fortgang. Natürlich konnte Gracchus seine Schuhe selbst schnüren, doch tatsächlich hatten die ledernen Bänder trotz jeglicher Sorgfalt gar immer den Hang dazu, sich wie von Geisterhand zu entwirren und im Laufe des Tages schlaff zur Erde hinab zu hängen, was ihm überaus unangenehm war. Bevor er sich dem Festgeschehen darum hingab, prüfte er noch einmal kritisch seine Erscheinung, soweit dies möglich war, auch und insbesondere die Schnürung der Schuhe, und überprüfte den Sitz des filzenen pilleus auf seinem Kopf. Im Grunde waren die Saturnalia ein insipides Fest, er stellte dies jedes Jahr erneut fest, eine Farce zudem. Es fehlte nurmehr, dass der Gastgeber sich einen falschen Bart in sein Gesicht klebte, um seine Geschenke zu verteilen - zumindest das permanente Lächeln wäre dahinter nicht vonnöten. Im Atrium hatten sich bereits Gäste aus fremdem Hause eingefunden als Gracchus jenes betrat, ein kleines linnenes Säckchen in seinen Händen, und auf die ersten Personen zustrebte. Sklavinnen zweifellos, denn mochten jene auch noch so prächtige Gewänder tragen und ihr Gesicht hinter Schminke und Schmuck verstecken, Haar und Haut einer Patrizierin waren ein Gut lebenslanger Pflege. Dennoch, es war ihr Fest, weshalb Gracchus Caelyn, Tilla und Bridhe eine formvollendete Verbeugung angedeihen ließ und nicht annahm, ein Gespräch zu unterbrechen, da kein Wort augenblicklich gesprochen wurde.
    "Bona Saturnalia, holde Damen! Wäre dies nicht das Fest des Saturnus, sondern jenes der Venus, wir hätten bereits die Schönheit zu verehren gefunden. Indes, gestattet mir die Ehre, euch diese Geschenke im Geiste der Saturnalia überreichen und euch in diesem Hause begrüßen zu dürfen."
    Er zauberte drei tönerne sigillaria, kleine Figuren, aus seinem Beutel, welche ein Pferd, einen Bären und eine Katze darstellten und reichte je eines davon Caely, Tilla und Bridhe.
    "So ihr einen Wunsch habt, heute Abend, so lasst es mich nur wissen, es wird mir eine auszunehmende Freude sein, ihm zu entsprechen. Und nun, fühlt euch ganz wie zuhause"
    , er hielt inne und hob beschwichtigend die Hand.
    "Mitnichten, fühlt euch als königliche Gäste in diesem Palast, und verzeiht meine Eile, doch ich bin ohnehin nur ein unbedeutendes Blatt im Wind dieser Tage."
    Mit einer weiteren Verbeugung zog Gracchus weiter zu den nächsten Gästen, zwei Herren, welche ihm durchaus bekannt waren, beide aufgrund ihrer Amtszeiten im Cursus Honorum, und ob dieser Tatsache es ihm weit schwerer fiel, dem unbeschwerten Geiste der Saturnalia zu entsprechen. Auch hier deutete er eine leichte Verbeugung an, sich im Geiste gemahnend, die beiden nicht mit dem nomen gentile anzusprechen. Alles in ihm widerstrebte und sträubte sich gegen diese für seinen Geschmack viel zu persönliche Anrede, doch Brauch war Brauch und Tradition Tradition, es gab nichts daran zu rütteln.
    "Bona Saturnalia, Corvinus! Bona Saturnalia, Ursus! Gestattet auch ihr mir die Ehre, euch im Geiste der Saturnalia in der flavischen Familie willkommen zu heißen und diese kleinen Aufmerksamkeiten euch angedeihen zu lassen."
    Erneut griff Gracchus in den Beutel, welchen er in einer Hand hielt, und holte daraus nacheinander zwei Tonfiguren hervor, ein Vogel war es für Ursus, eine Maus für Corvinus. Ein Wink folgte zu einem der Freien, welche an diesem Tage die Herren und Sklaven bedienten, und welcher sogleich mit einem Tablett mit Bechern verdünnten Weines heran trat.

    Wie ein buntes Bild, wie ein perfektes Wandgemälde erhob sich Caius' Erinnerung vor Gracchus' Augen, wie die köstliche Brise des Zephyrus stieg der Odeur der Felder und Wiesen ihm in die Nase, wie das Spiel eines Musikanten hörte er die Natur um sich herum rascheln - goldenes Achaia, güldene Jugend, schimmernde Reminiszenz in trübem Geist. Gracchus selbst war kein Mann sentimentaler Worte, doch er sog diejenigen seines Geliebten tief in sich auf, verschlang sie mit all seinen Sinnen und badete darin wie in einem Meer aus Rosen, bis dass der Oceanos des Somnus ihn verschlang.


    ~~~ Gefangen in Morpheus' Reich ~~~

    Es waren die fruchtbaren Länder Achaias, goldfarbenes Gras unter ihren Füßen, schimmernde, honigfarbene Steine säumten ihre Wege, warm leckten die güldenen Strahlen der Sonne über ihre Körper, trieben Schweißperlen aus ihrer Haut. Wie ein junger Bock sprang sein Vetter vor ihm den Hügel empor, erklomm Stein um Stein des harten Felsen und schien dabei nicht müde zu werden. Schon immer war Aquilius ein wenig größer gewesen als er, ein wenig stärker und ein wenig schneller dazu, doch sein größtes Problem dieser Zeit bestand darin, dass er seinen Füßen nicht vertraute, da seine Aufmerksamkeit stets mehr seinen Gedanken galt denn seinem Körper. Doch als die Welt um ihn herum kippte, oben zu unten wurde und reziprok Tal zu Gipfel, stand er schlussendlich an der Spitze, während Caius sehnsüchtig die letzte Hürde nahm, seine Hand ergriff und er ihn nah an seinen Körper heran zog. Das Wasser des Lebens rann durch ihre Kehlen, rann vom Himmel hinab und umspülte sie mit dem zarten Hauch einer jenseitigen Melodie. Ihre Körper indes verschmolzen miteinander, kaum dass sie sich berührten, ineinander umschlungen fielen sie vom Gipfel hinab in die unendliche Tiefe des Tales, fielen höher und höher in endlosem Fall, bis dass sie schließlich ihre Schwingen ausbreiteten und flogen, sich wälzten in einem Meer aus klingendem Sternenschimmer, moosfarbenen Blütenkelchen und orangefarben schimmernden Sonnen.

    ~~~


    Orangefarben schimmerten die ersten Strahlen der Sonne durch die Läden vor dem Fenster und rissen ob ihrer Existenz ihn aus dem Schlaf. Instinktiv spürte er, dass etwas anders war, und dies gereichte ihm zur Furcht. Ein warmer Körper lag an seiner Seite, nicht der einer Frau, nicht der seines Sklaven, ein starker Körper, dessen muskulöser Brustkorb sich neben ihm hob und senkte. Blinzelnd hob er seinen Kopf, blickte sich suchend im Raume um, doch die Welt war konturlos, verschwommen, und es gab nichts, an dem sein Blick sich konnte festhalten, nichts, was darauf hätte hingewiesen, was dieses Leben war. Furcht kroch seinen Körper hinauf, drückte ihm die Kehle zu, hinderte nur noch mehr ihn daran, sich zu erinnern. Vorsichtig und doch drängend fasste er die Schultern des Leibes neben sich, begann leicht daran zu rütteln.
    "Caius! Caius, wach auf!"
    Ein Flüstern waren seine Worte und doch schien es Gracchus, als würden sie laut von den Wänden widerhallen.

    Beinahe schon wollte Gracchus im Zuge der Wetten auf das derzeitige Geschehen zu einer philosophischen Betrachtung des Kampfes zwischen Löwe und Zebra ansetzen, welcher durchaus mochte zu einer interessanten Parallele gereichen, über die letztlich es tatsächlich sich würde lohnen zu disputieren, als gerade rechtzeitig ihm zu Sinnen kam, dass Aquilius seine Frage vermutlich nur rhetorisch in das Arenenrund hatte geworfen, und er den Atem aus seinen Lungen ungenutzt wieder aus sich hinaus entweichen ließ. Doch es war schlussendlich noch etwas anderes, was Gracchus ein wenig aus der Konzentration brachte, es war das unscharfe Bild in seinem Augenwinkel, welches ihm das Blut in den Adern in Wallung brachte, jener durchdringende Blick von der Seite her, unter welchem er nach der frostigen Begegnung der sklavischen Art nun förmlich zu Schmelzen begann. Caius saß ohnehin bereits viel zu dicht an ihm, um seiner Person nicht bewusst zu sein, doch Gracchus hatte geglaubt, er würde in Publizität zu ihm auf Distanz bleiben, wie er sich ebenso darum bemühte. Vergeblich versuchte er die staubige Wüste, welche viel trockener noch war als der sandige Grund der Arena, in seiner Kehle hinab zu schlucken, mehr als deutlich musste sein Kehlkopf dabei auf und ab hüpfen, und wandte schlussendlich langsam seinen Kopf, ein Stück weit nur, um seinen Vetter aus dem Augenwinkel heraus leicht mahnend anzublicken. Es mochte für umsitzende Anwesende wie ein Blick scheinen, welcher als Warnung des besitzergreifenden Ehegatten war dazu angedacht, jegliche Konkurrenz von seiner Gemahlin fern zu halten, und selbst die Betrachtung ihrer mit einem visuellen Knurren zu unterbinden.

    Die starre Haltung des Sklaven gefiel Gracchus, auch die Zurückhaltung, das Wissen darum, wo sein Platz war.
    "Straton"
    , repetierte er den Namen, gedehnt, ließ dabei das r genießerisch in seiner Kehle rollen. Ein harter Klang mit einem weichen Ende, allfällig passend für jenes kantige Gesicht vor ihm, denn womöglich würde auch dieses in einer weichen Umarmung enden.
    "Nach Straton, dem Physiker, welcher sich der Beschleunigung fallender Körper widmete? Nun denn, Straton, Erbstück des Caius, merke dir, dass Körper sich nicht nur dann beschleunigen, wenn sie im Fallen inbegriffen sind."
    Mit einem subtilen Lächeln wandte Gracchus sich ab, denn dieser Tag war nicht dazu angetan, ihm physikalische Geheimnisse zu entlocken, noch jenem Sklaven andere Dinge. Ohne sich noch einmal zu gestatten, zu Straton sich hin umzudrehen, setzte Gracchus seine Wandlung durch den Garten fort, in Gedanken lange noch bei dem überaus delektablen Körper verweilend, doch einen weiten Bogen um jenes Areal schlagend, in welchem er womöglich weiter würde verharren. Die Welt war ohnehin bereits mehr als genügend kompliziert und bevor er Caius um einen solchen Gefallen konnte oder wollte bitten, musste erst mit ihm er ins Reine kommen, der Zorn ob des Aureliers wegen sich in ihm legen.

    Der Senat hatte darüber entschieden, dass eine Entsühnung ob des vergangenen Frevels dringend vonnöten war, und die Einsicht der Quindecimviri sacris faciundis in die sibyllinischen Bücher beauftragt. An diesem Tage nun versammelten sich die Mitglieder des Collegium Pontificium erneut, um das Ergebnis eben dieser Einsichtnahme zu erfahren und im Anschluss daran über die Details der Durchführung der procuratio zu beratschlagen, ehedem ein Haruspex aus dem Collegium eben jener dies würde durch ein extispicium ratifizieren. Der Quindecimvir Luscius Scrofa war erschienen, um pro collegio das Gutachten des Fünfzehnmännerkollegiums vorzutragen. Nachdem alle Mitglieder des Collegium Pontificium anwesend waren, eröffnete der Rex Sacrorum Fabius Antistes die Sitzung mit einigen einleitenden Worten, um im Anschluss sogleich Luscius sprechen zu lassen. Dieser erhob sich, entrollte eine pergamentene Schrift und begann.
    "Werte Mitglieder des Collegium Pontificium, auf Weisung des Senates hin haben die Quindecimviri sacris faciundis Einsicht genommen in die heiligen Bücher der sibyllinischen Weissagung. Die Interpretation der visionären Worte war nicht einfach, doch Nachfolgendes steht für diesen Fall geschrieben: ein lustrum einzig kann die Götter versöhnen, unter Aufwendung aller Kraft, zehn Rinder in allen Farben der Götter, getragen auf den Schultern derjenigen Männer, welche Rom repräsentieren, um den heiligen Bezirk, das divine Heim herum, dargebracht dort, wo alles seinen Anfang nahm. So steht es geschrieben in den Worten der Sibylle, so soll es geschehen."
    Ohne weitere Fragen abzuwarten, nahm Luscius Scrofa Platz, denn mit Verkündung der Worte war seine Aufgabe getan. Eine Auslegung der Worte würde nun Causa des Collegium Pontificium sein.
    "Soll dies etwa bedeuten, dass wir auf eine Rückkehr des Pontifex Maximus warten müssen? Wer repräsentiert Rom, wenn nicht er?"
    "Der Augustus ist nur ein einzelner, davon abgesehen, dass die Rede von Männern ist, wird er kaum zehn Rinder um Rom herum tragen können."
    "Der Senat?"
    "So scheint es, um das pomerium herum."
    "Das pomerium? Bei allen Göttern, dies kann nicht dein Ernst sein! Hast du schon einmal das pomerium auf eigenen Füßen umrundet, Fabius? Ebenso gut kann das divine Heim auch für den kapitolinischen Hügel stehen. Die meisten unserer Götter haben immerhin dort ein Heim."
    "Zumindest steht der Opferplatz fest, denn unzweifelhaft nahm bei Romulus und Remus alles seinen Anfang, so dass das Lupercal jener Ort sein muss."

    Der Gesichtsausdruck seines Großneffen ließ Gracchus seine letzten Worte retrospektieren und sich seiner unangemessenen Echauffiertheit und der inadäquaten Zurschaustellung dieser bewusst werden. Es war nicht einzig das angeschlagene Wohl des Staates, der noch immer ungesühnte Frevel des Mordes an der Virgo vestalis maxima - seiner Schwester -, die seit längerem ausbleibenden Nachrichten aus Parthia und die Stagnation hinsichtlich seiner Bemühungen zur Zeugung eines Nachkommens mit der Sklavin Salambo, welche an seinen Nerven zu zerren vermochten, zudem drängte tief in ihm eine Euphorie nach Außen, wollte sich seiner bemächtigen ob der Geschehnisse in Verbindung mit Caius, welche doch keinen Platz hatte in dieser Welt, kein Recht empor zu steigen und sich in all ihrer deletären Erfüllung zu präsentieren, weshalb ein Gutteil seiner Bemühung schlussendlich gegen sich selbst musste gerichtet werden, was nicht eben der Ausgeglichenheit seines Gemütes zuträglich war.
    "Es gibt nichts zu exkulpieren, kannst du doch nicht darum wissen. Ich bin derjenige, welcher um Exkulpation muss bitten. Es wäre besser, du würdest niemals erfahren, was unter dieser weißfarbenen Decke sich verbirgt, denn es ist die Couleur der Schande und Schmach, und doch ist es auch dein Erbe, dies auf deinen Schultern zu tragen."
    Er drehte sich zurück in den Raum und betrachtete still den schmalen Tisch und die einfachen Stühle darum herum, drei an der Zahl. Dieser Platz war letztlich wohl ebenso gut, wie jeder andere, um zu Sitzen, denn dass es ein wenig länger würde dauern, dessen war Gracchus sich gewahr, war er doch kein Mann kurzer Sätze.
    "Es ist eine schwere Kost, lasse sie uns nicht im Stehen einnehmen."
    Ein Wink deutete auf die Stühle hin und Gracchus selbst nahm auf einem dieser Platz, wartete, bis Lucanus dies ebenfalls getan hatte.
    "Zuforderst, niemand in dieser Familie kann von sich behaupten, einem Zweig ohne Makel zu entspringen, lass niemals dir dies von irgendjemandem einreden. Du brauchst auf die Fehler deiner Familie nicht stolz sein, doch du brauchst dich ob dessen von niemandem demütigen zu lassen. Allgemeinhin wirst du in diesem Haus dem Unmut auf die hispanischen Flavier begegnen, doch es ist ein aussterbendes Relikt der Vergangenheit, ein krudes Gedankengebäude zudem, welches ich selbst nie durchdrungen habe, da es wahllos die Zweige zu vermischen sucht. Einerseits umfasst es den sogenannten hispanischen Zweig, die Nachkommen des Atticus, ob ihrer Unfähigkeit wegen, inkludiert jedoch dabei auch völlig untadelige Mitglieder der Familie einzig aus dem Grunde, da ihr Leben in Hispania begann, andererseits umfasst es Teile des italischen Zweiges der Nachkommen des Felix, oder dem, was man dazu zählen muss, welche sich in Hispania niederließen und dort ihr wirres Machtwerk errichteten. Dein Urgroßvater Atticus und seine männlichen Nachkommen haben es bisherig nicht weit gebracht und konnten der Familie kaum zur Ehre gereichen, dies ist ein Grund, weshalb Aquilius sich bisweilen ein wenig schwer tut damit, seinen eigenen Wert anzuerkennen, obgleich es fürwahr keinen Anlass dazu gibt, an ihm zu zweifeln. Nun, du wirst selbst wissen, dass auch dein Vater sich nicht eben mit Ruhm konnte umgeben, ebenso wie deine Tanten, von welchen eine sich einem unbedeutenden Plebejer hingab, die andere sich in die Machenschaften des italischen Zweiges hineinziehen ließ. Interessieren dich die Details der Unzulänglichkeiten deines Familienzweiges, so solltest du besser Caius dazu befragen, er hatte Zeit seines Lebens weit mehr damit zu kämpfen als ich."
    Ein neuerlicher Wink zu seinem Sklaven Sciurus hin veranlasste diesen dazu, für eine Kanne frischen Wassers und zwei Gläser Sorge zu tragen.
    "Wenden wir uns darum den italischen Zweigen, zuerst dem des Corvinus und insbesondere seines Sohnes, meines Vetters Felix zu. Er selbst ist ein überaus integerer Mann, eine Stimme am Ohr des Augustus, doch leider ist um seine Salubrität es nicht bestens bestellt, darum er seit einiger Zeit bereits auf den Landgütern auf Sardinia weilt. Ich weiß nicht genau, weshalb, doch nahm er Flavius Catus, einen Mann aus einem weit entfernten Teil der patrizischen Flavier an Sohnes statt an. Jener Catus ehelichte eine Tiberia, Messalina Oryxa, eine machtgierige Person, welche einer Spinne gleich ihr Netz im Machtgefüge der Welt zu spinnen suchte. Was letztlich ihr Ziel war, kann ich dir nicht sagen - vermutlich wollte sie Catus auf den kaiserlichen Thron setzen und selbst wie einstig Livia regieren - doch im Zuge ihrer Machenschaften nahm Catus nicht nur den begnadigten Hochverräter Tiberius Vibullius als Sohn an und in die Familie auf, sondern zudem einen Prudentier, welcher deine Tante Calpurnia ehelichte, und ebenso jenen Quirinalis, ehemals Tiberius unter freier Selbstbestimmung, welchem du in unserem Hause begegnet bist. Selbst nach Catus' Tode noch versuchte Messalina ihre Pläne zu verwirklichen, was in einem Attentat ihres Sohnes auf den Imperator Augustus während einer für sie angesetzten Audienz gipfelte. Seit diesem Tage sind sie und ihre Bagage dem oktroyierten Vergessen anheim gefallen und es ist besser, wenn du ihre Namen niemals außerhalb dieser Villa erwähnst."
    Innerhalb dieser Villa war dies ebenfalls besser, doch Gracchus wollte Lucanus nicht gänzlich verschrecken.
    "Schlussendlich der italische Zweig meines Vaters Vespasianus, welcher durch seinen Erstgeborenen Animus mit Makel wurde befleckt. Er glaubte, sich über uns alle erheben zu können, strebte dem einzig wahren Gott der Christianer zu und schwang sich letztlich gar zu deren Oberhaupt auf. Die Götter selbst richteten über ihn in der Fremde, doch auch seinen Namen solltest du nicht in Publizität erwähnen, noch sein Bestreben."
    Letztlich hatte Animus in seiner Entscheidung zudem das gesamte Familiengefüge umgestürzt, hatte seine Brüder in Positionen gedrängt, zu welchen sie nicht bestimmt waren, doch Gracchus mochte nicht mehr ihm ob dessen zürnen, nachdem er sich längstens nicht mehr sicher war, zu was überhaupt er in dieser Familie bestimmt gewesen war. Er erwähnte nicht seinen Zwilling Quintus gegenüber Lucanus, denn um dessen Existenz und Sterben wusste nur Caius, zudem gab es keinen Beweis, dass er die Familie hatte mit Makel befleckt, selbst die Decima hatte nicht mehr als eine erzürnte Ohrfeige vorzuweisen gewusst. Ein marginales Lächeln kräuselte Gracchus' Lippen nach all dieser Gräuel.
    "Möchtest du nun auch um die Vorzüge deiner Familie wissen, oder gereichen dir die Schandtaten zur Zufriedenheit?"
    Ein wenig kam Gracchus sich nun doch bereits wie der alte, Geschichten erzählende Onkel vor, dessen Dasein er gut und gerne noch drei weitere Dekaden in die Zukunft hätte verschieben mögen.

    Goldfarben flackerte das Licht der kleinen Öllampe auf dem schmalen Tisch neben dem Bett, tauchte die Welt in honiggleiche Konsistenz, süß und behäbig dahin fließend, zwei Liebende langsam auf sich hinfort treiben lassend. Weit hatten das feste, felsige Land der Vernunft sie hinter sich gelassen, fern schimmerten die Lichter im Leuchtturm der Pflicht und der Zwänge, verblassten je weiter das Boot aus umschlungenen Leibern und verzwirbeltem Geiste auf den güldenen Oceanos der unumstößlichen Liebe hinaus trieb. Stille rauschte in Gracchus' Ohr, keine mahnenden Stimmen der Vorväter konnten noch dazu gereichen, ihn zu berühren, keine Reue, keine Schuld durch ihre Hand auf seine Schultern geladen werden. Freiheit. Dies war es, was er sich in einem leisen Moment des Aufbegehrens von ihnen hatte geraubt, dies war alleinig seine Existenz, seine Entscheidung, sein Caius in seinen Armen.
    "Wenn nur so sehr du es dir wünschtest wie ich, so verzehrte es dich bereits ein Leben lang."
    Er wusste nicht mehr, welcher Tag es gewesen war, an welchem er seine Unschuld verloren und sich nach seinem Vetter zu verzehren hatte begonnen, doch er erinnerte sich noch allzu genau an jenen Tag im Frühling - ein Tag auf den grünfarbenen Wiesen weit vor den Mauern Athenas, ein Ausritt in die wilde, unbeschwerte Natur, nur sie beide allein, noch viel zu jung, um die Unbarmherzigkeit der Sehnsucht zu erfahren - als ihm mit all der Schwere der Erkenntnis bewusst geworden war, dass er niemals Caius würde erreichen können, ihn niemals würde erreichen dürfen. Sie hatten im weichen Gras gelegen, ein Halm steckte keck zwischen Aquilius' Lippen, und er blickte so zufrieden in den Himmel hinauf als würde dieser eine Tag ihm zur Zufriedenheit des gesamten Lebens gereichen. Beschämt hatte der junge Gracchus sich dabei ertappt, wie er mit seinen Blicken die Kinnlinie des Vetters nachfuhr, seine Wangenknochen, den Schwung seiner Brauen, die Kontur seines Antlitzes, und selbst als er sich auf den Rücken neben ihn ins Gras hatte fallen lassen und gleich ihm in den Himmel blickte, sah er dort nur ein Gesicht, welches nie wieder aus seinen Sinnen schwand. Seit diesem Tage war nurmehr er auf der Flucht gewesen vor Caius, vor sich selbst.
    "In Wahrheit, Caius, und aus tiefstem Herzen."
    Es drängte in ihm, in die Welt es hinaus zu rufen, und doch wusste er, dass dies nicht möglich war, nicht ihm, nicht in dieser Welt. Doch die Nacht war zu rein, zu kostbar, um mit solcherlei Gedanken sich zu beschweren, würde der Morgen doch ohnehin allzu früh sie verdrängen.
    "Nie wieder soll dies enden, nie wieder."
    Welch unverfänglichere Konstellation mochte ohnehin für den klandestinen Geliebten es geben, als jene des Vetters im eigenen Hause, des engen Freundes, welcher seit jeher er gewesen war. Kein ehrvoller Mensch würde je das Recht haben, ihre Freundschaft in Zweifel zu ziehen. Gracchus stützte sich auf seinen Arm, drehte den Kopf und blies mit einem langgezogenen Hauch die Flamme der Lampe aus. Er wusste um die treue Seele, den graufarbenen Schatten seines Sklaven, welcher vor dem Cubiculum würde Wacht halten, dafür würde Sorge tragen, dass niemand würde in das Schlafgemach hinein kommen, nicht bis zum Morgen, nicht, bis Caius daraus entschwunden war, ebenso wie er darum wusste, dass der Sklave eher würde sterben, als irgendwem ob seines Wissens zu berichten. Den Kopf zurück am Körper des Geliebten schloss Gracchus die Augen und wusste, dass dieser Nacht kein Träumen vonnöten war, denn der größte Traum, der schönste von allen, lag bereits neben ihm.

    Zitat

    Original von Spurius Purgitius Macer


    Gegensätzlich zu Gracchus schienen sich sowohl seine Gemahlin, als auch sein Vetter zu verlustieren, wobei insbesondere ersteres ihm zumindest ein wenig zur Zufriedenheit mochte gereichen, da ihm selbst selten nur gegeben war, seiner Gattin auch nur einen Hauch von Amüsement angedeihen zu lassen. Die Nennung seines Namens riss ihn aus jeglichen ob dieses Faktums bereits angetrübten Gedanken, die Tatsache, dass erst danach die Frage Senator Purgitius' folgte, verhinderte einerseits, dass Gracchus derer konnte verlustig werden und trug gleichsam dafür Sorge, dass er sich nun nicht mehr aufgrund tiefgehender Konzentration auf die Tierhatz konnte herausreden und sich so vor einer Entscheidung drücken. 'Ebenfalls' musste bedeuten, dass irgendjemand sich bereits auf das Wetten hatte geeinigt, so dass es einerseits zum guten Ton zu gehören schien und zudem äußerst unhöflich gewesen wäre, dies nun abzulehnen.
    "Gewiss, es wird uns eine Pläsier von eminentem Ausmaße sein, an den Wetten zu partizipieren."
    Bisherig hatte Gracchus an Wetten nie sonderlich viel Gefallen finden können, denn jene, welche zu ihrem Gewinn ein Grundverständnis der Sachlage voraussetzten, beherrschte er kaum, und auch bei jenen, zu deren Sieg das Lächeln der Fortuna vonnöten war, konnte er nur selten reüssieren, da die Göttin des Glückes ihm kaum zu solcherlei Gelegenheiten freundlich gesinnt zu sein schien. Die einzig größere Wette, an welcher er Erinnerung trug, hatte sich auf einem kleinen Gastmahl im Kreise einiger Freunde in Achaia ereignet, während dessen Verlauf dem Wein in besonders ausgiebigem Maße war zugesprochen worden. Der Gewinn indes war dabei einem Verlust gleich gekommen, war der Preis doch ein Nachmittag mit der überaus lieblichen Schwester des Sulpicius Lartius gewesen, welchen in freundschaftlicher Absicht beiden gegenüber Gracchus an seinen Vetter Aquilius hatte abgetreten, was sowohl Lartius als auch dessen Schwester hatten zum Anlass genommen, ihm über Jahre hinweg ob der Zurückweisung der Dame wegen zu zürnen. Agreablerweise würde ein Nachmittag bei den Ludi kaum solcherlei weder zum Gewinn noch zum Einsatz fordern.
    "Habt ihr bereits einen Einsatz determiniert?"
    fragte er unbestimmt zur Seite hin, Aquilius tangierend und spätestens auf Senator Purgitius neben diesem abzielend.

    Längst hatte die unheilvolle Nachricht sich in den Straßen Roms und darüber hinaus verbreitet und wie ein dunkles Tuch hatte das Schweigen sich über die Stadt gelegt. Wie es Brauch war, betrauerte das gesamte Imperium Romanum an diesem Tage den Tod einer Vestalin, soweit die Kunde gedrungen war. Keine Panik war ausgebrochen, keine von Wut und Zorn geleiteten Aufstände proklamiert worden, das Leben hielt nicht inne, konnte nicht inne halten. Und doch war es ein wenig leiser geworden, ein wenig vorsichtiger womöglich, mehr Kerzen als sonst brannten an den Altären der Stadt, kleine Opfergaben häuften sich zu ihren Füßen, und die Fluktuation der Betenden in den Tempeln war größer als selbst an den Tagen des Beginns des Krieges in Parthia. Niemand hatte daran Zweifel gehegt, dass der Senat eine Sühnemaßnahme würde beauftragen, so dass niemanden die Verkündigung dieser Tatsache durch den Pontifex Tiberius erstaunte. Ebenso konnte niemand in den Reihen des Collegium Pontificium sich gegen eine Befragung der sibyllinischen Bücher aussprechen, da dies noch immer das probateste Mittel war, eine Größenordnung zur durchzuführenden procuratio zu ermitteln. Zustimmung wurde daher geschlossen dem Antrag des Tiberius ausgesprochen, die Einsichtnahme der sibyllinischen Bücher durch die Quindecemviri sacris faciundis in die Wege geleitet.

    In Gedanken bereits entfernt in der Regia und beim Wohlergehen des römischen Reiches, dessen Wahrung noch immer besorgniserregend im Schwanken inbegriffen war, schob Gracchus förmlich seinen Großneffen vor sich her aus der Türe des Cubiculum - er hätte vermutlich niemals geglaubt, je ein solch ausfüllendes Wesen zu besitzen und würde dies vermutlich auch nicht, wollte irgendjemand ihn dieser Tage darauf hinweisen. Beinah war bereits er mit einem verabschiedenden Gruß auf den Lippen an Lucanus vorbei getreten, als Gracchus inne hielt und seinen Großneffen mit durchdringendem Blicke taxierte, augenblicklich schien die Temperatur innerhalb der Mauern der flavischen Villa jener eisigen Kälte zu gleichen, welche diesen Monats die Natur umgriffen hielt.
    "Flavius Quirinalis ist nicht Teil dieses Hauses."
    Fest waren Gracchus' Kiefer aufeinander gepresst, so dass seinen Worten ein leichtes Zischen anhaftete. Ein perniziöses Funkeln flackerte in seinen Augen auf, welches in Diskordanz zu seinem sonstig überaus konzilianten Gemüt stand und ihn für einige Herzschläge lang seinem Zwilling äußerst similär zeigte, ehe es erlosch und seine Stimme wieder einen moderaten Klang annahm.
    "Er mag sich diesen Namen erschlichen haben, doch dies macht ihn nicht zu einem Mitglied dieser Familie."

    Von Sanftmut begleitet schwangen ihre Worte durch den Abendhauch, strichen zart über seine Seele hinweg, und entlockten ein sublimes Erheben seinen Lippen, geleitet durch den Blick hin zur abendlich schönen Göttin, welche in invariablem, feisten Leuchten dem Zittern der sie umgebenden Lichter ihre Erhabenheit raubte, und doch nicht der schönen Wandlerin auf Erden konnte gereichen zur Similarität. Traumwandlerisch folgte Gracchus der melodischen Symphonie honigfarbener Verzückung, welche gleich einem diaphanen Schleier um Callista sich zitternd im Hauch ihres Wesens zu winden schien, ruderte mit behäbigem Schlage sie zurück in die Wirklichkeit, ließ die Paddel die trübe Düsternis zerteilen, auf dass die belebten Gefilde der Poppaea Sorana aus dem aufgeworfenen Spalt konnten entkommen und sie mit all ihrem nurmehr derangierenden Odeur, ihrem diskontinuierlichen Schall und in all ihrer blendenden Couleur konnten umfassen. Ein Zittern nur im Gefüge, ein letzter klandestiner Augenblick der Harmonie war ihnen vergönnt, ehedem Callista der trauten, ebenmäßigen Irrealität entschwand, Gracchus allein zurück ließ am Ufer. Sehnsüchtig wandte seinen Blick er zurück, wo die unscheinbare Insel bereits durch die Konturenlosigkeit der Nacht wurde verschluckt. Wie ein Traum erschienen ihm die zurückliegenden Stunden, der Feuerschein der Abendgesellschaft voraus gleich den unbarmherzig erweckenden Lichtstrahlen am Morgen.
    "Unwirklich"
    , raunte er in sich hinein, wurde in diesem Augenblicke doch der sanften Kühle in seinen Händen sich gewahr, welche ihn eines besseren belehrte, der Wahrhaftigkeit ihn sich erinnern ließ. Kein Traum, versprach das Kleinod zwischen seinen Fingern ihm, blaufarben wie der undurchdringliche Horizont, schimmernd wie die Ewigkeit der Harmonie, Segment ihres Korpus, Teil ihrer Selbst - schönste, undurchdringliche Callista, schimmernde Muse Kalliope. Mit leichtem Zittern fixierte Gracchus das Geschmeide an seinem Gürtel, dort, wo unter dem Stoff seiner synthesis den Augen der übrigen Gäste es würde verborgen bleiben, denn nichts lag ferner seiner Intention, denn unbegründeten Zweifeln an der Untadeligkeit ihrer Person Vorschub zu leisen. Der dahinschwebenden Nymphe folgte schlussendlich auch er beschwingten Fußes, ließ sich zurück an den Tisch des Mahles nieder, gerade rechtzeitig, um der kecken Fausta zu entgegnen:
    "Nicht halb so verrucht war unser Spiel wie das eurige, obgleich dies bei der Güte des selben auch schwerlich nur zu erreichen sein mag."
    Ein wenig pikiert verzogen sich die Lippen der Fausta, bevor schlussendlich sie ihre schmale Hand preziös durch die Luft schwingen ließ, den Schalk in ihren Augen tragend.
    "Deine Insimulation trifft mich medial in mein unschuldiges Herz, werter Gracchus, doch ich will dir noch einmal verzeihen."
    "Wenn hier etwas absent ist, dann ist es die Unschuld, Fausta."
    "Und eben dies ist auch gut so,"
    schloss Marmilius, dessen Antlitz längst wieder von sorgloser Leichtigkeit war erfüllt, mit einem leichten Zwinkern. Über kleine Köstlichkeiten und süße Weine zur Abrundung des Abends hinweg wandte die Konversation sich unverfänglicheren Thematiken zu, Poesie und Lyrik vergangener Zeiten, dem erhabenen Klang der Stimme des Sängerknaben und der Güte macedonischer Mosaike, bevor die Besucher schlussendlich in tiefer Dunkelheit die Gefilde der horti Poppaei verließen, geleitet von je einem Tross schlagkräftiger Sklaven den Weg in die eigenen Domizile hin antraten, und jene Pfade, welchen an diesem Abend es war vergönnt gewesen, sich für kostbare Augenblicke sternenschimmernd zu verbinden, sich wieder voneinander lösten, allfällig für die Ewigkeit, womöglich auch nicht.


    ~~~ finis ~~~

    Dass sich Lucanus nicht in Widerworte ergab und jegliche Vorschläge gut zu heißen schien, nahm Gracchus zufrieden zur Kenntnis, denn obgleich zuviel der Submission einem Flavier nicht eben gut zu Gesichte stand, so waren die Traditionen der Saturnalia nichts, was all zu dynamischer Wandlung konnte unterliegen, gleichsam wie das Mahl der Sklaven nichts war, worum ein Flavier sich sollte bemühen. Da vor Lucanus sich nun ein Senator und Pontifex in Komplettierung - zumindest rein äußerlicher Natur - befand, strebte jener dem Ausgang und damit auf seinen Großneffen zu.
    "Möchtest du weiters noch etwas mit mir besprechen, Lucanus?"
    Es war Gracchus nicht eilig, das Haus zu verlassen, doch ein tiefgehend oder weitschweifendes Gespräch wollte ungern nur er weiter in seinem Cubiculum führen.

    Viel Platz hatte Gracchus noch nie in der Villa bemerkt. Zwar gereichte es durchaus, seiner Gemahlin nicht allzu häufig zu begegnen, doch war die Stadtvilla der Flavier verglichen mit den Gütern auf dem Land doch beinahe ein wenig beengend, obgleich sie für den überwiegenden Bevölkerungsanteil Roms sicherlich zu einem Palast konnte gereichen. Indes, Freiraum gegenüber war er ohnehin stets ein wenig indifferent, sein eigenes Wesen war zu beengt, um viel Raum zu okkupieren, selbst sein Cubiculum, in welchem eben sie standen, war karg nur eingerichtet, kaum wohnlich. Er schätzte Ästhetik, er konnte in Schönheit schwelgen und darin zergehen, doch es war nie ihm gegeben, jene zu schaffen, so dass er die stille Harmonie der Simplizität gegenüber dem Chaos unbotmäßig arrangierter Kostbarkeiten präferierte. Der Gedanke jedoch, das flavische Territorium willkürlich mit Fremdlingen zu bevölkern, erschien ihm wahrhaft gräulich, insbesondere an einem Fest wie den Saturnalia.
    "Iulier?"
    Aus dem patrizischen Zeige stammend, ohne Zweifel, doch war dieser seit langem der Belanglosigkeit anheim gefallen, die senatorischen Mitglieder jenes bereits weit über das beste Alter hinaus, die Jugend kaum daran interessiert, sich um den Staat verdient zu machen, wie ein solch großer Name dies würde bedingen. Zudem in keinster Weise familiär mit der Flavia verbunden, auch im Ausblicke nicht, und darüber hinaus äußerst weitreichend, eine Einladung dem Haushalt gegenüber konnte die Gästeschar leicht über das Doppelte hinaus extendieren.
    "Es sollte doch bei einem familiäres Fest bleiben. Was hältst du davon, deine Freunde am zweiten Tage der Saturnalia zu laden?"
    Wie umfassend eine Einladung zu diesem Tage auch würde ausgesprochen werden, die Wahrscheinlichkeit, dass allzu viele Gäste würden erscheinen, war gering, da wohl den meisten Bewohnern der Stadt der vorangegangene Festtag noch allzu tief in den Knochen würde stecken. Gracchus selbst war, wie er wusste, dabei keine Ausnahme, denn obgleich er sich im festen Glauben daran, ob des übermäßigen Weinkonsumes des Vortages sein Leben lassen zu müssen, ein jedes Jahr nach den Saturnalia fest vornahm, diesen Fehler im nächsten Jahr nicht noch einmal zu begehen, so war die Ambiance der Festtage doch ein jedes Jahr zu verlockend, um diesem Vorsatz länger Beachtung zu schenken, womit die Misere annual wieder ihren Anfang nahm.
    "Ob der Qualität der Sklavenspeisung wegen brauchst du dich indes nicht zu bemühen, gib nur einem der vilici Bescheid."

    Den Fluten des frühjährlichen, mit Hochwasser angefüllten Tibers gleich, welcher in kaskadesken Strömen sich gen Süden ergoss und dabei ein ums andere Jahr auch Rom kräftig zu durchspülen wusste, rauschte der Wortschwall der Decima nicht nur über Antonia hinweg, sondern ergoss sich gleichermaßen auch um Gracchus herum und drohte ihn in der puren Masse ihrer Satzpartikel zu ertränken. Ob dessen war es äußerst vorteilhaft, seine Gemahlin zwischen sich und der fidelen Damen als Puffer zu wissen, gleichsam entschloss sich Gracchus dazu, jegliches Geschehen rechtsseitig seiner Nasenspitze bis zum Ende der Spiele einfach unbeachtet zu lassen, da er sich ohnehin dessen gewahr war, dass seine Gemahlin an einem Dialog mit der Decima mehr würde interessiert sein, als an jenem mit ihm, welchen sie kaum je zu führen suchte. Deplorablerweise gereichte auch das Geschehen linksseitig seiner Nasenspitze nicht eben zur Pläsier, insbesondere jenes schräg hinter ihm, wo der Name seines kürzlich aus Hispania eingetroffenen Großneffen mehr als nur lauthals durch die Zuschauermenge schallte. Indigniert hob Gracchus' die rechte Braue ein Stück an und drehte den Kopf, erstarrte jedoch, als er die Gestalt des Rufenden mit seinem Blicke tangierte. Eisig kalt durchfuhr ihn ein Schauer, schlagartig nahm der Winterwind eine schneidende Couleur an und die Geräusche des Arenenrund verstummten unter einer dumpfen Decke aus Furcht. Keine Schrittlänge entfernt saß er hinter ihm, der tote Germane, der larva des Rutger Thidrikson, der leibhaftig gewordene Fluch der Familie. Zu schemenhaften Silhouetten verschwamm die Zuschauermenge, nur einzig der Sklave hielt seine Schärfe in deletärer Art und Weise. Nichts war die Furcht im Sand des Amphitheaters verglichen mit dem rasenden Herzschlag in Gracchus' Brust, die Kiefer fest aufeinander gepresst, um das Zittern in seinem Leib zu supprimieren, wandte seinen Blick er zurück, dort hinab, wo das Leben der bedeutungslosen Kreaturen des Südens im ewigen Kampf der Natur sich zu erschöpfen suchte. Es war Gracchus unfassbar, wie Aquilius den Sendboten des Hades in seiner Nähe konnte tolerieren, doch die Ästimation seines Vetters war zu groß, als dass er ihn ob dessen würde despektieren können. Einzig die Welt seiner Nasenspitze voraus blieb Gracchus somit zur Beachtung, doch spätestens mit Einzug der Gladiatoren würde auch diese sich unweigerlich ihm verschließen. Allmählich nahm der Tag eine Gestalt an, welche weit mehr deplorabel war, als befürchtet.