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"Es kommt nicht auf den materiellen Wert an. Das richtige Verhältnis ist entscheidend, und deine Intention. Iuno wir das Ziegenopfer einer einfachen Familie aus Trans Tiberim ebenso beachten wie die prächtige Kuh, welche die Consuln ihr opfern. Denn würden die Götter nach unseren Maßstäben entscheiden, so wären wir alle von ihnen verlassen, außer der Augustus selbst, welcher ihnen die prächtigsten Opfer von allen schenkt, meinst du nicht auch?"
Ein Garant für das Gelingen eines Opfers war diese Aufmerksamkeit jedoch längst nicht, denn die Göttin mochte gleichwohl ungeachtet des Status einer einfachen Familie aus Trans Tiberim ebenso zürnen können wie den Consuln.
"Du allein entscheidest, was deine Bitte dir wert ist, du allein kannst bestimmen, welcher Dank dir angemessen scheint, denn du allein weißt, was dir zur Verfügung steht. Wie wäre es mit einem Karnickel, einer kleinen Ziege oder einem Schwein?"
Ein Schwein würde Lucanus schon ein wenig teurer kommen, doch da er erwähnt hatte, ein Flavius zu sein, war die Sacerdos nicht gänzlich sich sicher, was tatsächlich für ihn erschwinglich war.
Beiträge von Manius Flavius Gracchus
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Einen Moment lang schien es als wolle sich Gracchus' Augenbraue ein wenig in die Höhe erheben, doch rechtzeitig wurde er jenes Reflexes sich gewahr und unterdrückte ihn. Sich auf die Schnelle eine Reihe Göttlicher ins Gedächtnis rufend, gelangten mindestens ebenso viele Götter der Unterwelt in Gracchus' Sinne als Überirdische, doch genauer darüber sinnierend, musste auch er wohl zugeben, dass die Himmlischen überwogen, obgleich ihn jenes Eingeständnis gleichsam ein wenig nachdenklich machte. Die Mehrheit der Pontifices bekundete ihr Einverständnis zu den Worten des Flamen Quirinalis, ehe auch Gracchus dieser Aufteilung zustimmte. Unbezweifelt würde dies noch zu Auseinandersetzungen im Senat führen, welche Senatoren welches Tier würden tragen dürfen.
"Vier weißfarbene Rinder also, in Anbetracht der Wichtigkeit plädiere ich zudem für zwei Ochsen, einen Stier und eine Kuh. Ist der Haruspex bereits verfügbar?"
Ein Pontifex minor nickte und erhob sich abwartend.
"Er wartet draußen."
"Bringe ihn herein. Gibt es noch Fragen, ehe wir mit dem extispicium fortfahren?"
Der Blick des Rex Sacrorum ließ bereits erahnen, dass jede weitere Frage das sie stellende Mitglied des Collegium in leichte Ungnade würde fallen lassen. Nicht nur ob dessen schwieg Gracchus, denn weitere Fragen wollten tatsächlich ihm nicht in die Sinne gelangen. -
Allgemeinhin war Gracchus als durchaus konziliant zu bezeichnen, doch es gab Gelegenheiten, an welchen er nicht länger gewillt war, weitere Verzögerungen zu konnivieren. Der Tempel des Mars Ultor und die Instandsetzung dessen war eine dieser Angelegenheiten, welche begannen, sich im Tagesgeschehen des Collegium Pontificium fest zu setzen, welche es durchdrangen von Anfang bis Ende, gallertartig sich in jede Ritze hinein drückten und zähflüssig durch es hindurch waberten, dass am Abend ein jeder Pontifex förmlich die klebrige Masse an sich musste spüren.
"Man wird uns bald vorwerfen, nicht mehr beschlussfähig zu sein. Nicht nur, dass der Cultus Deorum zu versäumen scheint, für die Instandhaltung der Götterhäuser Sorge zu tragen - eine seiner essentiellsten Aufgaben - nun kann nicht einmal mehr eine Entscheidung gefunden werden, ohne dass das Collegium Pontificium Hilfe von Außen muss anfordern. Weshalb geben wir die Causa nicht direkt an den Senat ab, so dass sich sechshundert Männer darüber streiten können, ob Senator Germanicus ein adäquater Architekt für den Tempel des Mars Ultor ist oder nicht?"
Im Grunde ging es nicht um mehr als zwei oder drei Buchstaben, ja oder nein, und es sekierte Gracchus in der Tat ein wenig, dass eine solche Nichtigkeit bereits das Collegium so lange konnte aufhalten. Doch zwang er sich zu Mäßigung.
"Senator Tiberius ist es als Praetor urbanus ebenso gestattet, Auspizien einzuholen. Die Entscheidung für oder gegen Senator Germanicus sollte nicht zu einem Staatsakt verkommen, es sei denn, dieses Gremium ist tatsächlich nicht mehr beschlussfähig." -
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Nicht eben bescheiden war der junge Mann, waren dies doch gleich drei Wünsche auf einmal. Catonia Secunda jedoch lächelte nur milde, denn dies war das Vorrecht der Jugend - hatte sie nicht selbst einst die göttliche Iuno um einen Ehegatten, ein Heim und gleichsam ein Kind gebeten, obgleich letztlich der passende Ehemann allein hatte ausgereicht, um die nachfolgenden Wünsche ebenfalls wahr werden zu lassen?
"Hast du dir bereits Gedanken darüber gemacht, welche Gaben du der Iuno offerieren möchtest, abgesehen vom Abbild deiner Mutter?"
Da Lucanus kein Sklave mit eine Vieh an der Leine folgte und er auch sonst nicht mit vollen Händen kam, ging die Sacerdos davon aus, dass er entweder das Opfer für einen zukünftigen Tag vorbereiten lassen wollte, oder aber erst die Gaben auf den Märkten vor dem Tempel erstehen würde. -
Da die Larentalia am letzten Tage der Saturnalienfeiertage stattfanden, war das dumpfe Pochen in Gracchus' Kopf, welches sich am zweiten und dritten Tage der Saturnalien dort hatte eingenistet - es hatte in ihm den Anschein erweckt, als hätten sich die beiden Sodalitäten der Salii in seinem Schädel versammelt, ihre Stampftänze darin zu proben - langsam wieder verklungen und einer leichten Ungeduld gewichen, mit welcher er das Ende der Feiertage herbeisehnte, auf dass endlich das Leben wieder konnte seinen gewohnten Bahnen folgen. Die Aufgaben der Pontifices indes taten eben dies bereits - ihren gewohnten Bahnen, im Genauen den Daten des Kalenders folgen. Auch Gracchus war einigermaßen erleichtert, dass für die Pontifices an diesem Tag die Anwesenheit und die Partizipation am Opfer einzige Pflicht war, den Ritus selbst der Flamen Quirinalis durchführte, dennoch betrachtete er die Regungen auf dem Gesicht des Haruspex nach der Schlachtung äußerst akribisch, immerhin war dies das letzte Opfer des Jahreskreislaufes.
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Leichtfüßig wie ein Tänzer setzte Gracchus beschwingt einen Fuß vor den anderen - so war es wie er sich fühlte, leicht wie eine Feder, ein Blatt im seichten Frühjahrswind, eine Schaumkrone auf den Wirbelungen des Meeres -, tänzelte zum Schreibtisch hin, um seinen Vetter herum, bis hinter Aquilius.
"Sagtest du nicht selbst, wir sollten wieder viel öfter beieinander sein, miteinader sprechen?"
Mitnichten waren Worte jener Grund, weshalb Gracchus in eben diesem Augenblick in eben diesem Raume anwesend war, und so es denn doch Worte waren, kaum jene, welche belanglose Nichtigkeiten der Freundschaft miteinander austauschen ließen, blass und fahl im Angesichte dessen, weswegen er gekommen war. Er legte seinem Vetter die Hände auf die Schultern, knetete diese leicht, fuhr zart ihm mit seinen Fingerkuppen über die noch immer leicht gebräunte Haut und beugte schließlich sich hernieder, den Odeur seines Vetters in sich aufzunehmen, den Hauch seines Atems ihn im Nacken spüren zu lassen, beinahe dessen Haut mit seinen Lippen zu berühren, und schließlich in ein heiseres Flüstern sich zu ergeben.
"Wie ein Mühlrad ist mein Verstand ständig in Bewegung, mein Herz wandert rastlos umher, meine Seele schleicht ruhelos durch die Mauern unseres Zuhauses, verloren zwischen den Welten gleich einem diaphanen Geist. Seit jener Nacht sinniere ich jeden Augenblick, wie dies sein soll, wie dies sein kann. Ich komme zu keinem befriedigenden Ergebnis, Caius, ich weiß nur, dass es sein muss, denn nichts anders sonst bleibt mir, als mich dem Fluch unserer Familie viel eher zu ergeben, als vorgesehen, bleibt nichts, als im Vermächtnis des Domitian mich zu suhlen und meinen Verstand zu verlieren, verrückt zu werden, Caius, verrückt nach dir. Ich mag nicht mehr Essen, ich mag nicht mehr Trinken, unkonzentriert blicke ich über meine Arbeit hinweg, zittrig meine Hände, wenn ich dich in meiner Nähe weiß, viel zittriger noch, wenn ich es nicht tue. Ich schlafe schlecht ein, ich mag nicht erwachen ohne dich, ich versuche die Luft zu atmen, doch sie scheint mir unerträglich leer ohne deine Präsenz."
Ein flüchtiger Kuss strich Aquilius' Hals, knapp unter dem Ohr, ein weiterer folgte zum Saum Aquilus' Gewand hin, ehe Gracchus die Luft einsog, eine spitzbübische Couleur seine Stimme färbte.
"Zu spät, es ist bereits zu spät, Caius, längst habe ich meinen Verstand verloren." -
~~ Gefangen in Morpheus' Reich ~~~
Purpurfarbener Nebel säumte den Horizont, eine Idee aus roséfarbenem Glamour formte den Grund, welcher die Welt bedeutete. Aus der Ferne, und doch ganz nah an seinem Ohr, klang das zarte Streicheln einer Saite, das liebkosende Rühren des Trommelschlages und das harmonische Summen einer Stimme, deren epiphane Klangfarbe in transluzente Weite sich vermochte zu dehnen. Er selbst schwebte über den Boden hinweg, kaum vermochten seine Füße den Grund zu berühren, in fortwährender Drehung schwang sein Körper sich durch die Luft, umwirbelten seine Füße einander, die Arme gespreizt, im nächsten Augenblicke sich zu Heben, zu Beugen, in geschmeidiger Bewegung dem Körper Schwung zu verleihen, eins zu werden im Takt der Musik. Pastellfarbene Bänder aus transluzenter Nichtigkeit wallten um ihn herum, gleichsam mit ihm, schmiegten sich an die Konturen seiner Gestalt und umschmeichelten ihn in zartem Hauch. Verzerrt tanzte der mauvefarbene Schleier vor seinen Augen, ergoss sich in einen schwingenden Fall aus Purpur und Orange, Zwischentöne, ostinate Nuancierungen eines sehnsüchtigen, profunden Traumes, in unendlich tiefer Vibration des luziden Augenblickes, welcher schwindelnd ihn zurück ließ zwischen Zeit und Raum. Mit seinem Körper oszillierte seine Seele im Takte der Musik, drehte sich in fortwährendem Reigen und schwebte durch die Seligkeit, bis dass die Türe aufschwang.
"Manius!?"
Harsch durchschnitt die Stimme die Szenerie, Donnertosen gleich, traf ihn mit einer solchen Wucht, dass augenblicklich jede Bewegung aus ihm wich, er einzig unter ihrem Schlage wankte, taumelte. Mit offenem Mund starrte er sie an, denn nichts wusste er zu entgegnen, keine Rechtfertigung, kein Eingeständnis der Schuld, kein Wort des Widerspruches.
"Du bist ein Römer, keine Lupa! Nimm dein Schwert und übe dich mit dem Gladius!"
Karge Ödnis umfing seine Füße, harter, rissiger Grund, ausgedörrt und von Trockenheit überzogen. Unter jedem Schritt erbebte sein Körper, erzitterte die Rüstung an seinem Leib. Schwer hing das Gladius in seinen Händen, kaum konnte er es heben, kaum in Bewegung überführen. Dürre Sträucher streckten gierig ihre Klauen nach seinen nackten Schenkeln, rissen schmerzhaft über seine Haut und hinterließen darauf blutrotene Schlieren.
"Soldaten! Angriff!"
Markerschütternd hallte der Ruf des Praefectus über die Schlachtlinie hinweg und neben ihm stürmten seine Kameraden nach vorn, doch seine eigenen Füße waren schwer wie Blei, mühsam nur konnte einen vor den anderen er heben, die Rüstund drückte schwer auf seine Schultern, der Helm raubte jegliche Wahrnehmung. Blut schoss aus den Leibern der Soldaten, Mann um Mann fiel, da er unfähig war, den Kampf zu beginnen.
"Bist du eine Lupa oder bist du ein Römer?"
Die Wort hallten in seinem Kopfe wider, rüttelten an ihm, bis dass sein gesamter Körper erbebte. Tränen schossen über die Wangen des Jungen, das Schwert sank aus seiner Hand als er die Hände hob, um sein Gesicht darin zu verbergen.
"Eine Lupa"
, flüsterte er mit zittriger, weinerlicher Stimme.
"Eine Lupa."
"Eine Schande!"
dröhnte die Stimme des Präfekten.
"Eine Schande! Eine Schande! Eine Schande! [size=6]Eine Schande!"[/size]~~~
Erschrocken zuckte Gracchus zusammen und riss die Augen auf, sein Atem raste als würde er versuchen, sich selbst zu entkommen. Er blinzelte derangiert und hob eine Hand zu seinem Gesicht, wo Nässe sich in den Augenwinkeln hatte gesammelt. Stille durchzog den Raum, Kälte und das dumpfe Tuch der Nacht, welches jegliche Aktivität unter sich erstickte.
"Er ist nicht hier, Manius, er ist nicht hier"
, versuchte er sich selbst zu beruhigen, der Stille ihre furchteinflößende Macht zu entreißen. Doch als Gracchus zurück sich in sein Kissen sinken ließ, beschloss er, am nächsten Tage den Bann unter seiner Schlafstadt zu erneuern - nur, um sicher zu sein. -
Sim-Off: In Ermangelung einer Sacerdos-ID-Alternative hoffe ich, du nimmst auch mit einem NPC-Sacerdos Vorlieb und verzeihst gleichsam, dass ich dich an einen Tempel platziere.
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Obgleich es kaum verwunderlich war, dass Lucanus' Onkel Aquilius ihn an eine Priesterin verwiesen hatte - nicht etwa da er es nicht besser wusste, sondern da Aquilius vorwiegend an Frauen dachte, selbst im Cultus Deorum -, so gab es durchaus auch in den Tempeln der Iuno mehr männliche als weibliche Priester, wie beinahe überall im Cultus Roms. Doch tatsächlich trug die Launenhaftigkeit des Schicksals - oder jener Götter, welche das Schicksal bisweilen lenkten - dafür Sorge, dass an diesem Tage, an welchem ein klarer Himmel Rom einige, wenn auch etwas dürftige Sonnenstrahlen schenkte, eine Priesterin der Iuno ihren Dienst im Tempel der Iuno Sospita verrichtete und dem hilfsbedürftigen Flavius über den Weg lief. Es war die Sacerdos Catonia Secunda, welche bereits seit vielen Jahren schon dem Cultus Deorum diente, bisweilen ein wenig nachlässig war mit den Gaben der Opfernden - wer so viele Bildnisse, Statuetten und Votive in seinem Leben gesehen hatte, dem mochte dies durchaus nachzusehen sein -, die jedoch noch immer mit Eifer und Ehrfurcht ihren Aufgaben nachkam, mehr denn je, seitdem ihre sieben Kinder, welche sie mit dem Segen Iunos in die Welt gesetzt hatte, ihren eigenen Weg gingen. Dass der junge Mann, der ihr entgegen kam, ein Opfer darbringen wollte, entging ihrem geschulten Blicke nicht - obgleich dies natürlich unschwer zu erraten war, denn selten fand irgendwer den Weg zu den Tempeln, welcher nicht früher oder später seine Bitten durch eine Gabe wollte ausgleichen. Manche jedoch eilten zielstrebig in den Tempel, andere senkten ihren Blick, sobald ein Priester ihnen entgegen kam, und wieder anderen sah man bereits an, dass sie nicht so recht wussten, wohin und was und wie das Ganze. Flavius Lucanus schien Catonia einer jener letzteren Sorte zu sein.
"Salve, junger Mann. Kann ich dir behilflich sein? Mein Name ist Catonia Secunda, ich bin Sacerdos dieses Tempels." -
Der Vorschlag Tiberius' war derart nahe liegend, dass es verwunderlich war, dass bisherig ihn niemand hatte diese Causa betreffend in die Runde eingeworfen. Vermutlich ob dessen, da ohnehin jeder der Anwesenden wusste, dass nun jene Partei mit den reichsten Befürwortern würde den Sieg davon tragen, da jene den höchsten Bestechungsbetrag - allgemein hin in den Kassenbüchern der Augures als freiwillige Opferspende zum Wohle und Erhalt des augurischen Collegium betitelt - würde aufwenden, und da fraglich war, ob Senator Germanicus überhaupt einen solch bereitwilligen Verfechter innerhalb des Collegium konnte vorweisen, so dass dies nur unweigerlich zurück zum Beginn der Misere führen würde führen, an jenen Punkt der Versammlung, an welcher über einen geeigneten, doch nicht vorhandenen Architekten wurde beraten. Einige Augenblicke lang überlegte Gracchus, ob nicht er selbst sein Vermögen hier gewinnbringend sollte anlegen - selbst Mars mochte hernach zufrieden sein, da der frevlerische Architekt nicht durch das Collegium würde bestimmt, sondern durch das Geld eines ihm durchaus wohlgeneigten Mannes gekauft werden - doch obgleich er nicht in solch tiefer Abneigung dem Germanicus entgegen stand wie Senator Tiberius oder auch sein Vetter Furianus, war er sich nicht gänzlich dessen sicher, ob er jenen allzu Nahe an seiner Person wollte wissen, zudem, ob sich die Stimme des Germanicus überhaupt würde kaufen lassen.
"Ich befürworte den Vorschlag Tiberius'."
Eine Option wäre die Vermögensanlage, würde der Germaniker ein gewichtiges Amt bekleiden, doch als Aedil konnte er Gracchus kaum jedwede Vorteile verschaffen, immerhin wurden seine Betriebe tadellos durch die Hand seiner Gemahlin geführt - so glaubte er zumindest. Es war besser, es anderen Männern zu überlassen, in dieser Angelegenheit ihr Vermögen und ausstehende Gefälligkeiten einzubringen. -
Der Posteingang von Benutzer »Caius Flavius Aquilius« ist bereits voll.
Der Besitzer hoffentlich noch nicht.
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Irgendwo im Hause tippelten rasche Schritte über den Flur, verloren sich im dumpfen Hall einer sich schließenden Türe, aus einer anderen Ecke drang ein fernes, leises Klopfen, womöglich aus der culina, doch dort, wo Gracchus vor der Türe stehen blieb, hielt Stille die Luft umfangen. Mit einem Blick zur Seite hin vergewisserte er sich, dass niemand in der Nähe war, auch kein Sklave, dann blieben seine Augen an der Maserung des dunklen Holzes vor ihm hängen. Feine, dünne Linien zogen sich über die Türe hinweg, wie das füllige, dunkle Haar einer Nymphe wallten sie über die Flächen von Oben herab, bildeten an manchen Stellen kleine Wellen und Wirbel. Die kleinen Defizite im Anblick der Ordnung gereichten dazu, Gracchus' Gemüt in beinah euthymische Ruhe zu versetzen, dämpften ein wenig die Nervosität, welche von ihm hatte Besitz ergriffen, seit er den ungeheuerlichen Plan hatte gefasst, Caius aufzusuchen. Dennoch ein wenig zögerlich streckte seine Hand sich nach vorn, um an der Türe zu klopfen, hatte sich schon beinahe wieder zurück gezogen, als er erneut sie vor schob, um noch einmal zu klopfen, in Furcht, sein Vetter könnte ihn nicht gehört haben. Herzschläge der Ungeduld, des Zauderns verstrichen, beinahe schon war Gracchus gewillt, sich abzuwenden, Aquilius an anderem Ort zu suchen - obgleich er gänzlich sicher war, ihn hier und nur hier vorzufinden -, als endlich ein leises, unscheinbares Knarzen vom Öffnen der Türe kündete. Ein Sklave blickte durch den entstehenden Spalt, einer jener etwas besseren, welche des Lesens mächtig waren und welchen man nach getaner Arbeit durchaus die Überbringung eines wichtigen Schriftstückes konnte anvertrauen. Als jener Sklave des Anblickes Gracchus' gewahr wurde, zog er die Türe auf und meldete durch Nennung der Verwandtschaftsbeziehung und seines Namens Aquilius den Besucher an. Gracchus indes wartete nicht darauf, dass sein Vetter sein Einverständnis gab, er schob sich durch die Türe und nickte am Sklaven vorbei nach draußen.
"Gehe hinaus."
Kurz zögerte er, ob eine Erklärung notwendig war, dem Sklaven eine Lüge über wichtige Familienangelegenheiten mitzugeben, doch er entschied sich dagegen. Vor Sklaven hatte Gracchus niemals seine Beweggründe legitimiert, nun damit zu beginnen, würde vermutlich nur Misstrauen erwecken, zudem war Aquilius sein Vetter und bester Freund - abgesehen von ihrer innigen Beziehung, welche weit darüber hinaus ging, doch niemandem sonst außer ihnen bekannt war - so dass es nichts Verwerfliches daran gab, ihn in seinem Arbeitszimmer aufzusuchen. Der Sklave ließ ihm keine Zeit, die Entscheidung zu revidieren, denn er war bereits durch die Türe hindurch und hatte sie hinter sich geschlossen. Gracchus blickte ihm hernach, einige Herzschläge lang auf die geschlossene Türe, ehe er umsichtig den schmalen Riegel vorschob und sich sodann zu seinem Vetter hin umdrehte. Kein Wort drang aus seiner Kehle, doch mit seinen Blicken war er bereits dabei, Aquilius von dem hinderlichen Stoff zu befreien, welcher dessen Körper überflüssigerweise umgab, ehe er sich zusammen riss, kurz den Kopf schüttelte und nur noch ein gieriges Lächeln seine Lippen kräuselte.
"Ich hoffe, du kannst ein wenig Zeit für mich erübrigen, Caius? Ungern nur möchte ich dich von dringlichen Pflichten abhalten, hingegen um überflüssige Pflichten soll es schade nicht sein." -
~~~ Gefangen in Morpheus' Reich ~~~
Graufarben tropfte der kalte Regen vom fahlen Himmel herab, umspülte seinen Körper mit zarter Berührung, trieb seine Nadeln tief in die blasse Haut. Schritt um Schritt irrte er über den Pfad und versank in dumpfer Trägheit, bis dass deren Grund ihm bereits bis zur Hüfte stand. In einer langsamen Bewegung rührte er auf ihrer Oberfläche umher, ließ kleine Wellen enstehen, welche kreisförmig sich begannen auszubreiten, von ihm hinfort und auf ihn zu, um an seinen Körper zu branden, zurückgeworfen durch ihn die Perfektion zerstörten. Um ihn herum starb die Stadt, verbrannte in der Asche ihrer Unschuld und hinterließ nur eine Idee aus glitzerndem Staub. In einem schmalen Streifen aus purpurfarbenem Nebel zog seine Sehnsucht am Horizont vorüber und er hob seine Hand, um ihr zum Abschied hernach zu winken. In stetiger Präzision fraßen sich die Flammen der endlosen Weite durch die Szenerie, bis dass schlussendlich sie seine Konturen konsumierten, ein Hauch nur blieb von ihm bestehen, orangefarbene Flamme, heiß und unbeständig, in sich all jene liquidierend, welche er je hatte geliebt. Gierig fraß er Partikel um Partikel, granulares Element aus diaphaner Unbeständigkeit, delektierte sich am Odeur der Devastation, bis dass schließlich er sich selbst verzehrte. Rotfarben glühte die Asche seiner Seele, eine Unendlichkeit lang, bis dass die Kälte der Tropfen sie umgriff und erstickte.
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Ein Stein schien auf seiner Brust zu liegen, welcher schwer auf ihn hinab drückte, als Gracchus nach Luft keuchend erwachte, glaubte, ersticken zu müssen, bis dass Tränen ihm in die Augen stiegen. Noch halb im Schlafe ertrunken, treibend, richtete er mühsam sich auf, seine Lungen von der erdrückenden Last zu befreien, sog die abgestandene Luft der Nacht in sich und wischte die feuchten Perlen aus seinen Augenwinkeln. Er zog seine Knie an den Körper heran und bettete seine Stirne darauf, legte seine Arme um die Schenkel und verharrte so lange in eben jener Weise, bis dass die kalte Luft an seinem Rücken ihn sich der dort fehlenden Decke erinnern ließ.
"Sciurus?
"Ja, Herr?" tönte es von Nahe der Türe, als wäre der Sklave noch immer wach, oder schon wieder, als würde niemals er Schlaf finden.
"Komme her. Wieso bist du nicht hier, bei mir?"
Der Sklave erhob sich und trat zum Bett seines Herrn, verzichtete jedoch darauf, ihn dessen zu erinnern, dass er selbst ihn nach der allabendlichen Beiwohnung mit der Sklavin Salambó nicht mehr in seiner Schlafstadt wollte wissen.
"Komm zu mir"
, flüsterte Gracchus.
"Mir ist kalt. Lege deine Arme um mich."
Es war ein schlechter Ersatz nur, denn seit Gracchus wusste, wie es sich anfühlte, in den Armen Caius' zu liegen, wollte er nie wieder andere Arme um sich wissen, von ihm nur noch umfangen werden. Er sehnte sich nach seinem Geliebten, mehr als je zuvor, doch über das Sehnen, das Träumen und Erinnern schließlich glitt er erneut in Schlaf, umfangen von den Armen seines Sklaven. -
"Diesen Vorschlag kann ich nur gut heißen. Die wichtigsten Heiligtümer fänden so Beachtung und auf dem Kapitol ist ebenfalls genügend Platz, um ein großes Opfer darzubringen."
"Dem stimme ich ebenfalls zu."
"Die Rinder den Hügel hinauf tragen? Ich weiß nicht."
"Es ist ein lustrum, Cincius, und ein solches bedingt nun einmal, eine Last auf sich zu nehmen, andernfalls wäre es kein Sühneopfer."
Cincius schwieg ein wenig pikiert und ein Moment der Stille legte sich über das Collegium, ehe der Rex Sacrorum die Stimme erhob.
"So einigen wir uns auf das pomerium als zu umgehenden Bezirk und das Capitol als Opferplatz? Spricht sich jemand gegen dieses Vorgehen aus?"
Kurz machte es den Anschein, als wolle Cincius seine Hand heben, doch als er sah, dass niemand sonst ihm würde folgen, griff er statt dessen an sein Kinn und rieb es, um den Arm hernach zu senken. Ein Blick des Rex Sacrorum forderte den zuständigen Pontifex Minor auf, die Entscheidung zu notieren.
"Weiters wird das lustrum ausgeführt durch die Mitglieder des Senates, wobei wir durchaus in Betracht ziehen müssen, dass einige der Senatoren nicht mehr dazu fähig sein werden. Sie werden dem Zug der Opfertiere hintenan folgen."
Bereits seit der Quindecimvir die Worte der Sibylle hatte verlesen, störte Gracchus etwas daran, obgleich er nicht sagen konnte, was dies war. Für das extispicium war es wichtig, dass der beschlossene Ritus so detailliert wie möglich festgehalten wurde, denn Ungenauigkeiten bargen das Risiko einer Zurückweisung, welche hernach nur um so eingehender ob ihrer Gründe musste studiert werden. Als der Rex Sacrorum jedoch den Zug der Opfertiere ansprach, wurde sich Gracchus endlich jenes Punktes gewahr.
"Wie wird die Verteilung der Couleur geregelt sein? Zehn Rinder lassen sich nur suboptimal gleichmäßig auf die drei Farben der Götter aufteilen." -
Der Himmel über Rom war gezeichnet von tristem Grau, ein dichter Schleier aus Wolkendunst hielt ihn in seinen Klauen und ließ die Stadt in fahlen Schein schimmern. Knochigen Gliedern gleich streckten die Bäume im Garten der Villa Flavia ihre dürren Äste vor den Horizont, wiegten sie im sanften Wind, welcher sich anschickte das Jahr auszuhauchen. Klandestine Spuren des winterlichen Frostes zeigten sich dem aufmerksamen Auge - Spinnweben, deren hauchdünne Fäden silbrig zwischen den kahlen Rosenstöcken glänzten, feine, unscheinbare Risse auf der trockenen, kalten Erde in den leeren Blumenbeeten, welche nur noch Erinnerung trugen an die blühende Farbenpracht des Frühjahrs, und unscheinbare Eisränder in den kleinen Pfützen, welche sich mancherorts auf dem gefrorenen Grund gesammelt hatten. Die Luft war eisig und roch nach Nebel, welcher bereits sich anschickte, sich aus dem Tiber zu erheben, die Stadt des nächtens zu durchschweifen und mit seinem feuchten Dunst zu überziehen. Ein leichtes Frösteln nur durchfuhr Gracchus' Körper, als seine Schritte ihn ziellos durch den hortus ließen wandeln, zu weit fort waren seine Sinne, als dass die Kälte sie konnte erreichen. Seit Wochen bereits ließ er Abend um Abend sich mit der Sklavin Salambó ein, ihre Kunstfertigkeit indes erleichterte ihm die selbst gesetzte Pflicht, obgleich er allmählich der Tat überdrüssig wurde, da seine Gedanken stets bei einem anderen Körper weilten, sich stets nach jenem nur verzehrten. Zaghaft strichen Gracchus' Fingerspitzen über den makellos marmornen Körper eines gehörnten Faunus, und er folgte dessen listigen Blick zum Himmel empor, kalt und gefühllos war die steinerne Haut unter seiner Berührung, leer und fern das Jenseits über ihm.
"Faunus, du, der flüchtigen Nymphen hold ist."
Nicht Nymphen trieben seine eigenen Sinne, Musen gleich wandelten sie durch die Gänge seines Gedankengebäudes, diaphan, epihphan, gleich einem Hauch von durabler Vergänglichkeit. Den Musen verfallen, dem Manne erlegen, der Gemahlin eine Last - tief in Gracchus' Bauch begann sich ein Seufzen zu formen, komprimierte sich auf dem Weg zur Luftröhre und rollte einem Donnergrollen gleich durch seine Kehle, ehedem es sich aus seinem Munde befreite und in der kalten Winterluft verflog. Trotz stetiger Bemühung war es bisherig ihm nicht möglich gewesen, einen Bankert zu zeugen, so dass allmählich er sich würde mit dem Gedanken abfinden müssen, dass das Säumnis eines Erben einzig in seiner Schuld lag. Degoutiert wandte der Staute er sich ab, er war kein Faunus, würde dies niemals sein, nahm auf einer steinernen Bank Platz und stützte die Ellenbogen auf die Knie, barg sein Gesicht zwischen den Händen. Er fürchtete das Gespräch mit Antonia, fürchtete sich vor jener Tat, welche er von ihr würde verlangen müssen, verspürte gleichsam in sich Scham empor steigen ob dessen. -
Tatsächlich waberte der Nebel des Defätismus weit dichter und undurchdringlicher um Gracchus herum als Lucanus vermutlich je in seinem Leben würde ihn um sich verspüren, tatsächlich kannte Gracchus weit mehr Schattierungen von Grau und Schwarz als er Farben konnte benennen, und tatsächlich waren die euphorischen, die glücklichen, leichten, beschwingten Momente in seinem Leben so selten zu finden, dass es in seinem gesamten Gedankengebäude nur einen einzigen Raum gab, sie zu erinnern, abgesehen von jenen mit Caius, für welchen ein gesamter Flügel war reserviert, in welchem jedoch Desperation und Euthymie gegenseitig sich beinahe nivellierten. Womöglich hätte sein Leben divergent sein können, doch er hatte jenen Punkt versäumt, an welchem die Entscheidung getroffen worden war, so dass es längst kaum noch Entrinnen daraus gab. Er fürchtete nicht die neuen Tage, manches mal ertappte er sich gar dabei, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken, da die Zukunft kaum noch konnte niederschmetternder sein als die Gegenwart - doch es waren die Tage, welche immer wieder auf ihn hinab stürzten, ihn unter ihrer Last erdrückten. Er sehnte weder Diskordanz noch Misere, doch er nannte ein darauf äußerst reagibles Gemüt sein Eigen, so dass es dem unbändigen Schicksal ein Leichtes war, ihn aus der Bahn des Alltages zu werfen und in Tristesse versinken zu lassen, in welcher er nur allzu leicht bis in die Tiefe hinab sich sinken ließ. Die Schultern gestrafft, die trostlose, fahle Idee seiner Selbst in seinem Inneren völlig in sich hinab versenkend und jenes Abbild des geforderten Flavius, jene kantige Silhouette aus Pflicht und Verpflichtung mit einem Hauch von Tugend, um sich hüllend, stand Gracchus auf.
"So hoffe ich, dass du einen angenehmen Tag verbringen wirst. Gibt auf dich Acht, wenn du Aquilius durch Rom begleitest."
Noch einmal zog er ein paar Falten der Toga zurecht - bis zum Forum Romanum hin jedoch würden sie ohnehin noch leiden, sodann verließ er den Raum, gefolgt von seinem Sklaven Sciurus. -
Ad decemvir litibus iucandis Titus Aurelius Ursus, Villa Aurelia, Roma
Manius Flavius Gracchus Tito Aurelio Urso s.p.d.
Hab Dank für die Anteilnahme am Tode meiner Schwester Aquilia Flavia Agrippina. Bezüglich des Nachlasses, welchen sie uns hinterlassen hat, bin ich gewillt, das mir zustehende Erbe anzutreten.
M'.F.G.
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Seit langem bereits war der politische Einfluss der Factiones so gut wie nicht mehr vorhanden, ein Umstand, welchen Gracchus sehr begrüßte, da er sich ungern nur im Zuge seiner politischen Karriere mit Pferden und Wagentechniken hätte wollen auseinander setzen, obgleich bei etwaiger Pflicht er sich auch dem hätte ergeben.
"Womöglich sollten die Codices allgemeinhin auf die Existenz solcher Paragraphen aus den politischen Zeiten der Factiones hin examiniert werden. Es sei denn, Senator Octavius hat dies bereits im Vorfeld getan, und nurmehr diesen einen Paragraphen auffinden können." -
Beneidenswert simpel schien die Welt durch Lucanus' Mund beschrieben, einem Ideal gleich, welches jeden Menschen sollte treiben, in welchem der junge Flavier zu schwelgen schien, zu schweben, so fern, so weit empor erhoben, ein wenig gleich Aristides, welcher ebenfalls immer auf einer diaphanen Wolke aus Leichtigkeit zu wandeln schien, unbesorgt, ohne Zweifel am Geschehen der Welt. Wohlweislich, dass wie dieser auch Lucanus seinen Einwand gewiss nicht würde tolerieren, verzichtete Gracchus, ihn darauf hinzuweisen, dass kaum je ein verheerendes Feuer im Ansinnen der Zerstörung entzündet worden war - im Kriege womöglich, bei Plünderung oder das ein oder andere im Wahn, doch oftmals war es nur eine Öllampe, welche Unachtsamkeit fallen ließ, eine Kerze, welche unbeaufsichtigt hernieder brannte, ein Holzscheit, welcher zu weit aus dem Herdfeuer lugte und brach, oder nur ein glühender Funke, welcher auf seine Umwelt übersprang. Es war ident bei all jenen Dingen, welche es zu bezwingen und bezähmen galt - mochten es Feinde, wilde Tiere, Feuer oder Leidenschaften sein - manch eines davon ließ sich überwältigen, befrieden, zähmen, in Ketten legen, in Zaum halten oder unterdrücken, manch eines davon bis an das Ende seiner Existenz, doch manch anderes begehrte eines Tages auf, entriss sich der Gewalt, breitete sich unkontrolliert aus und verzehrte alles um sich herum. Anderes starb in Unterdrückung. Ein Seufzen echappierte Gracchus' Kehle, ohne dass er sich dessen gewahr wurde, auch jene Thematik, zu welcher Lucanus das Gespräch hernach lenkte, war nicht eben dazu angetan, ihm die trüben Gedanken zu vertreiben. Eine große Familie brachte große Verantwortung und große Probleme mit sich, viele Tode und kaum einen Vorteil. Mit seinen eigenen Geschwistern hatte Gracchus nahezu niemals Freude oder auch nur Gemeinsames geteilt, zusammen gekommen waren sie ohnehin zumeist nur zu Beerdigungen, selbst unter einem Dach trafen sie selten aufeinander. Das einzige, was er je mit einem von ihnen hatte geteilt, war sein Antlitz mit Quintus, und selbst dies war nur der Oberflächlichkeit entsprungen.
"So werden wir nach einer geeigneten Dame für dich Ausschau halten müssen, solch eine Angelegenheit sollte äußerst antizipierend begonnen werden - eine Aurelia womöglich, eventualiter ist Caius dort eine gute Verbindung bekannt, oder auch eine Tiberia."
Womöglich auch eine Claudia, doch war dies längst kein Garant für ein Dutzend Nachkommen, nicht einmal für einen einzigen, wie Gracchus selbst aus eigener, schmerzlicher Erfahrung zu berichten wusste. Ohnehin war dies mit der Eheschließung nicht garantiert, es mochten Jahre vergehen, bald musste er bereits beginnen Jahrzehnte zu zählen, und schlechtestens würde er niemals wieder damit aufhören. Doch eben diese Thematik war es, über welche Gracchus keinesfalls bereits so früh am Morgen wollte sinnieren, da dies üblicherweise nur in einem vergeudeten Tag konnte enden. Darum straffte er seine Schultern und schob den Becher, aus welchem er keinen einzigen Schluck getrunken hatte, von sich hinfort.
"Ich fürchte indes, es wird nun langsam Zeit, meinen Pflichten nachzukommen. Doch wir werden mit Sicherheit noch Gelegenheit finden, über diese Vermählung zu sprechen." -
Gedankenversunken blickte Gracchus auf den steinernen Boden, verlor sich in den Rundungen eines graufarbenen Kiesels, durch dessen harte Oberfläche er bis in die ferne Unendlichkeit hinab starrte. Worte über Pflicht und Verpflichtung drückten auf sein Gewissen hinab, eine Verantwortung schwer auf seine Schultern. Doch die Zeit hatte längst ihn geprägt, nichts war mehr so simpel, wie noch in dem Augenblicke als er zurück nach Rom gekehrt war, das aufgezwungene Ziel klar vor Augen und die mahnende, drohende Stimme des Vaters leise im Ohr. Welchen Sinn hatte es längst, seine Geschwister zu drängen, da Rom sie ohnehin nur zerstörte? Rom, der Familie und der Wahrheit hatte er einst seine Treue geschworen, doch was davon hatte er seitdem nicht verraten, wie waren die Prioritäten neu geordnet, zudem, bedingte das Wohl Roms die Aufgabe der Familie oder das Wohl der Familie die Aufgabe Roms, und wie war die Wahrheit darin einzuordnen, da beiderlei doch immer wieder Trug forderte zu seinem Wohl?
"Im Sommer"
, murmelte er leise, kaum hörbar, gleichsam dessen gewahr, dass er nicht würde kommen. Roma würde keine Gelegenheit ihm gestatten, sie zu verlassen, und er würde sich bedingungslos in ihre Arme ergeben, um nicht von ihr gehen zu müssen. Als sein Blick sich hob, hatte sein Bruder ihm bereits den Rücken gekehrt, den Garten, Rom zu verlassen.
"Ich werde es veranlassen"
, schickte er seine Worte ihm hernach und blieb schweigend im Garten sitzen, allein. Er hatte versagt, er wusste dies, sie wussten dies, und er war nicht einmal mehr gewillt, dies zu novellieren. Er war nicht ihr Vater, selbst die Aufgabe des Ältesten war zu unrecht ihm aufgebürdet worden - und letztlich lief ohnehin alles darauf hinaus, dass die Flavia zerbrach, Generation um Generation erneut, ihrem dunklen, schmerzlichen Fluch ergeben.~ finis ~
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Die letzten Feiertage des Dezembers waren vergangen, die meisten Nachwirkungen der Saturnalienfeste waren verklungen und eine besinnliche Ruhe hatte sich über Rom gelegt, welches sich langsam wieder in seine Normalität ergoss, einzig sich ein wenig Vorfreude auf den Jahreswechsel gönnte, neben all jenen Dingen, welche noch eilig ihrer Erledigung in diesem Jahre harrten. Neben den vielen kleinen Aufgaben, welche auch das Collegium Pontificium zu Jahresende noch tangierten, harrte noch immer die Instandsetzung des Tempels des Mars Ultor ihrer Verwirklichung, weshalb dies auch in dieser, vermutlich letzten, contio des Jahres ein Punkt auf der Tagesordnung war, bei dessen Erreichen der Rex Sacrorum Gracchus aufforderte, Bericht zu erstatten über seine Investigation bezüglich eines geeigneten Architekten.
"Das Gespräch mit dem derzeitigen Curator operum publicorum Lucius Minicius Natalis war deplorablerweise nicht eben sonderlich nutzbringend. Einen in fachlicher Erfahrung zu Germanicus Avarus similären Architekten zu nennen, welcher in Rom wäre verfügbar, war er nicht imstande, einzig Männer, welche in den Provinzen gebunden sind. So wir denn nicht das Projekt auf Jahre hinaus wollen verzögern oder Senator Germanicus beauftragen, bot der Curator Minicius an, einen Zusammenschluss städtischer Architekten zur Verfügung zu stellen, so dass mehrere fähige Männer gleichsam die Bauaufsicht obliegt."